unter anderen Verhältnissen allerdings unübersteiglichen Hinder- nisse zu besiegen, möglich geworden ist.
§. 70. (I. Große Entfernung der Planeten von uns.) Zuerst wollen wir bemerken, daß die ungemeine Präcision, mit welcher die Astronomen die Lage der Gestirne angeben, oft nur scheinbar ist, und daß sie uns in den meisten Fällen sehr ungenau erscheinen würden, wenn wir sie, mit dem Maaßstabe in der Hand, an Ort und Stelle nachmessen könnten. Sie werden dieses selbst ohne Zweifel willig zugeben, wenn wir dafür, der Wahrheit zur Steuer, eben so willig zugestehen, daß sie dessen ungeachtet mit den größten Schwierigkeiten siegreich gekämpft, daß sie ihre Wissenschaft zu dem Stolze des menschlichen Geistes erhoben, und dieselbe viel weiter gebracht haben, als man von irgend einer andern rühmen kann. -- Sie können den Ort eines jeden Planeten, auf Jahr- hunderte voraus, bis auf die Genauigkeit der Dicke eines Haares am Himmel bestimmen. Das scheint allerdings eine sehr große, und ist auch in der That, wenn man die dabei zu überwindenden Schwierigkeiten bedenkt, eine bewunderungswürdige Genauigkeit. Aber diese Dicke eines Haares, vor unser Auge gehalten, bis es am reinsten erscheint, wie viel bedeckt sie wohl an der Sphäre des Himmels? -- Das feinste derselben wenigstens zehn Sekunden. Und diese zehn Sekunden, wie viel betragen sie z. B. von dem Umkreise der Uranusbahn? -- Wenigstens achtzehntausend Meilen oder mehr als zehnmal den Durchmesser unserer ganzen Erde. Bei dem uns nächsten Fixstern, wenn er in der That (I. §. 70) vier Billionen Meilen von uns absteht, würden diese zehn Sekunden volle zweihundert Millionen Meilen betragen. Solche Dinge nennen sie eine Kleinigkeit, und mit Recht, denn ein Fehler von zehn Se- kunden in der Peripherie eines Kreises beträgt doch erst den 129600sten Theil des Ganzen. Wie viele Dinge sind aber, selbst unter denen, die uns hier unten zunächst umgeben, deren Durchmesser oder deren Umfang wir bis auf den hunderttausendsten Theil ihrer Größe kennen? Dessenungeachtet bleibt es wahr, daß diese Größen an sich selbst sehr bedeutend sind, so gering sie uns auch in jenen großen Entfernungen erscheinen. Und wohl uns, daß sie uns so erscheinen. Denn wenn wir dieses Gewirre von zahllosen Him- melskörpern, gleichsam in einem viele Millionenmal verkleinerten
Störungen der Planeten überhaupt.
unter anderen Verhältniſſen allerdings unüberſteiglichen Hinder- niſſe zu beſiegen, möglich geworden iſt.
§. 70. (I. Große Entfernung der Planeten von uns.) Zuerſt wollen wir bemerken, daß die ungemeine Präciſion, mit welcher die Aſtronomen die Lage der Geſtirne angeben, oft nur ſcheinbar iſt, und daß ſie uns in den meiſten Fällen ſehr ungenau erſcheinen würden, wenn wir ſie, mit dem Maaßſtabe in der Hand, an Ort und Stelle nachmeſſen könnten. Sie werden dieſes ſelbſt ohne Zweifel willig zugeben, wenn wir dafür, der Wahrheit zur Steuer, eben ſo willig zugeſtehen, daß ſie deſſen ungeachtet mit den größten Schwierigkeiten ſiegreich gekämpft, daß ſie ihre Wiſſenſchaft zu dem Stolze des menſchlichen Geiſtes erhoben, und dieſelbe viel weiter gebracht haben, als man von irgend einer andern rühmen kann. — Sie können den Ort eines jeden Planeten, auf Jahr- hunderte voraus, bis auf die Genauigkeit der Dicke eines Haares am Himmel beſtimmen. Das ſcheint allerdings eine ſehr große, und iſt auch in der That, wenn man die dabei zu überwindenden Schwierigkeiten bedenkt, eine bewunderungswürdige Genauigkeit. Aber dieſe Dicke eines Haares, vor unſer Auge gehalten, bis es am reinſten erſcheint, wie viel bedeckt ſie wohl an der Sphäre des Himmels? — Das feinſte derſelben wenigſtens zehn Sekunden. Und dieſe zehn Sekunden, wie viel betragen ſie z. B. von dem Umkreiſe der Uranusbahn? — Wenigſtens achtzehntauſend Meilen oder mehr als zehnmal den Durchmeſſer unſerer ganzen Erde. Bei dem uns nächſten Fixſtern, wenn er in der That (I. §. 70) vier Billionen Meilen von uns abſteht, würden dieſe zehn Sekunden volle zweihundert Millionen Meilen betragen. Solche Dinge nennen ſie eine Kleinigkeit, und mit Recht, denn ein Fehler von zehn Se- kunden in der Peripherie eines Kreiſes beträgt doch erſt den 129600ſten Theil des Ganzen. Wie viele Dinge ſind aber, ſelbſt unter denen, die uns hier unten zunächſt umgeben, deren Durchmeſſer oder deren Umfang wir bis auf den hunderttauſendſten Theil ihrer Größe kennen? Deſſenungeachtet bleibt es wahr, daß dieſe Größen an ſich ſelbſt ſehr bedeutend ſind, ſo gering ſie uns auch in jenen großen Entfernungen erſcheinen. Und wohl uns, daß ſie uns ſo erſcheinen. Denn wenn wir dieſes Gewirre von zahlloſen Him- melskörpern, gleichſam in einem viele Millionenmal verkleinerten
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Störungen der Planeten überhaupt.
unter anderen Verhältniſſen allerdings unüberſteiglichen Hinder-
niſſe zu beſiegen, möglich geworden iſt.
§. 70. (I. Große Entfernung der Planeten von uns.) Zuerſt
wollen wir bemerken, daß die ungemeine Präciſion, mit welcher
die Aſtronomen die Lage der Geſtirne angeben, oft nur ſcheinbar
iſt, und daß ſie uns in den meiſten Fällen ſehr ungenau erſcheinen
würden, wenn wir ſie, mit dem Maaßſtabe in der Hand, an Ort
und Stelle nachmeſſen könnten. Sie werden dieſes ſelbſt ohne
Zweifel willig zugeben, wenn wir dafür, der Wahrheit zur Steuer,
eben ſo willig zugeſtehen, daß ſie deſſen ungeachtet mit den größten
Schwierigkeiten ſiegreich gekämpft, daß ſie ihre Wiſſenſchaft zu
dem Stolze des menſchlichen Geiſtes erhoben, und dieſelbe viel
weiter gebracht haben, als man von irgend einer andern rühmen
kann. — Sie können den Ort eines jeden Planeten, auf Jahr-
hunderte voraus, bis auf die Genauigkeit der Dicke eines Haares
am Himmel beſtimmen. Das ſcheint allerdings eine ſehr große,
und iſt auch in der That, wenn man die dabei zu überwindenden
Schwierigkeiten bedenkt, eine bewunderungswürdige Genauigkeit.
Aber dieſe Dicke eines Haares, vor unſer Auge gehalten, bis es
am reinſten erſcheint, wie viel bedeckt ſie wohl an der Sphäre
des Himmels? — Das feinſte derſelben wenigſtens zehn Sekunden.
Und dieſe zehn Sekunden, wie viel betragen ſie z. B. von dem
Umkreiſe der Uranusbahn? — Wenigſtens achtzehntauſend Meilen
oder mehr als zehnmal den Durchmeſſer unſerer ganzen Erde. Bei
dem uns nächſten Fixſtern, wenn er in der That (I. §. 70) vier
Billionen Meilen von uns abſteht, würden dieſe zehn Sekunden
volle zweihundert Millionen Meilen betragen. Solche Dinge nennen
ſie eine Kleinigkeit, und mit Recht, denn ein Fehler von zehn Se-
kunden in der Peripherie eines Kreiſes beträgt doch erſt den
129600ſten Theil des Ganzen. Wie viele Dinge ſind aber, ſelbſt unter
denen, die uns hier unten zunächſt umgeben, deren Durchmeſſer
oder deren Umfang wir bis auf den hunderttauſendſten Theil ihrer
Größe kennen? Deſſenungeachtet bleibt es wahr, daß dieſe Größen
an ſich ſelbſt ſehr bedeutend ſind, ſo gering ſie uns auch in jenen
großen Entfernungen erſcheinen. Und wohl uns, daß ſie uns ſo
erſcheinen. Denn wenn wir dieſes Gewirre von zahlloſen Him-
melskörpern, gleichſam in einem viele Millionenmal verkleinerten
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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/118>, abgerufen am 31.10.2024.
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