Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.Der Erbförster. Nothzeichen durch die Dämmerung. Das klang schauer-lich, wie das Eisenzeug an der Flinte über die Klippen herunterklapperte und die Leiche nach durch die Büsche knickte und schleifte -- bis der Bach unten aufklatscht, als führ' er vor Schrecken zusammen. Und wie's nun so kurios still wurde darauf, als müßt' es sich selber erst besinnen, was doch passirt wär'; da war's, als jagte mich einer. Ich müßte schon eine halbe Stunde da sein, wenn ich mich nicht verlaufen hätte. Ich, der jeden Baum kennt daherum. Da könnt Ihr Euch nun denken, wie mir's war. Erst am zweiten Lautensteg da nach Has- lau zu hatt' ich das Herz, einen Augenblick zu verschnau- fen. Dort wo der Bach in Felsstücken spektakelt. Ich seh' zufällig hinunter. Da handthiert der Bach mit einem bunten Lumpen. Da ist's. Kennt Ihr's vielleicht? (Bringt Andres Tuch zum Vorschein und hält's ihm vor die Augen; der Förster reißt's ihm aus der Hand.) Förster. Lauter Gestalten vor meinen Augen -- der Wein -- (Er hält's bald ferner, bald näher, ohne es seh'n zu können.) Weiler (kleine Pause). Ihr seid so still. Fehlt Euch was? Förster (stößt einen einzigen lauten Athem aus und hält das Tuch immer noch mechanisch vor sich hin, ohne es zu seh'n). Weiler. Euer Gesicht ist ganz verzerrt. Will Eure Frau rufen. Der Erbförſter. Nothzeichen durch die Dämmerung. Das klang ſchauer-lich, wie das Eiſenzeug an der Flinte über die Klippen herunterklapperte und die Leiche nach durch die Büſche knickte und ſchleifte — bis der Bach unten aufklatſcht, als führ’ er vor Schrecken zuſammen. Und wie’s nun ſo kurios ſtill wurde darauf, als müßt’ es ſich ſelber erſt beſinnen, was doch paſſirt wär’; da war’s, als jagte mich einer. Ich müßte ſchon eine halbe Stunde da ſein, wenn ich mich nicht verlaufen hätte. Ich, der jeden Baum kennt daherum. Da könnt Ihr Euch nun denken, wie mir’s war. Erſt am zweiten Lautenſteg da nach Has- lau zu hatt’ ich das Herz, einen Augenblick zu verſchnau- fen. Dort wo der Bach in Felsſtücken ſpektakelt. Ich ſeh’ zufällig hinunter. Da handthiert der Bach mit einem bunten Lumpen. Da iſt’s. Kennt Ihr’s vielleicht? (Bringt Andres Tuch zum Vorſchein und hält’s ihm vor die Augen; der Förſter reißt’s ihm aus der Hand.) Förſter. Lauter Geſtalten vor meinen Augen — der Wein — (Er hält’s bald ferner, bald näher, ohne es ſeh’n zu können.) Weiler (kleine Pauſe). Ihr ſeid ſo ſtill. Fehlt Euch was? Förſter (ſtößt einen einzigen lauten Athem aus und hält das Tuch immer noch mechaniſch vor ſich hin, ohne es zu ſeh’n). Weiler. Euer Geſicht iſt ganz verzerrt. Will Eure Frau rufen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#WEI"> <p><pb facs="#f0156" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Erbförſter</hi>.</fw><lb/> Nothzeichen durch die Dämmerung. Das klang ſchauer-<lb/> lich, wie das Eiſenzeug an der Flinte über die Klippen<lb/> herunterklapperte und die Leiche nach durch die Büſche<lb/> knickte und ſchleifte — bis der Bach unten aufklatſcht,<lb/> als führ’ er vor Schrecken zuſammen. Und wie’s nun ſo<lb/> kurios ſtill wurde darauf, als müßt’ es ſich ſelber erſt<lb/> beſinnen, was doch paſſirt wär’; da war’s, als jagte<lb/> mich einer. Ich müßte ſchon eine halbe Stunde da ſein,<lb/> wenn ich mich nicht verlaufen hätte. Ich, der jeden<lb/> Baum kennt daherum. Da könnt Ihr Euch nun denken,<lb/> wie mir’s war. Erſt am zweiten Lautenſteg da nach Has-<lb/> lau zu hatt’ ich das Herz, einen Augenblick zu verſchnau-<lb/> fen. Dort wo der Bach in Felsſtücken ſpektakelt. Ich ſeh’<lb/> zufällig hinunter. Da handthiert der Bach mit einem<lb/> bunten Lumpen. Da iſt’s. Kennt Ihr’s vielleicht?</p> <stage>(Bringt<lb/> Andres Tuch zum Vorſchein und hält’s ihm vor die Augen; der Förſter<lb/> reißt’s ihm aus der Hand.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#CHR"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſter.</hi> </speaker><lb/> <p>Lauter Geſtalten vor meinen Augen — der Wein —</p><lb/> <stage>(Er hält’s bald ferner, bald näher, ohne es ſeh’n zu können.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#WEI"> <speaker> <hi rendition="#b">Weiler</hi> </speaker> <stage>(kleine Pauſe).</stage><lb/> <p>Ihr ſeid ſo ſtill. Fehlt Euch was?</p> </sp><lb/> <sp who="#CHR"> <speaker> <hi rendition="#b">Förſter</hi> </speaker><lb/> <stage>(ſtößt einen einzigen lauten Athem aus und hält das Tuch immer noch<lb/> mechaniſch vor ſich hin, ohne es zu ſeh’n).</stage> </sp><lb/> <sp who="#WEI"> <speaker> <hi rendition="#b">Weiler.</hi> </speaker><lb/> <p>Euer Geſicht iſt ganz verzerrt. Will Eure Frau<lb/> rufen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0156]
Der Erbförſter.
Nothzeichen durch die Dämmerung. Das klang ſchauer-
lich, wie das Eiſenzeug an der Flinte über die Klippen
herunterklapperte und die Leiche nach durch die Büſche
knickte und ſchleifte — bis der Bach unten aufklatſcht,
als führ’ er vor Schrecken zuſammen. Und wie’s nun ſo
kurios ſtill wurde darauf, als müßt’ es ſich ſelber erſt
beſinnen, was doch paſſirt wär’; da war’s, als jagte
mich einer. Ich müßte ſchon eine halbe Stunde da ſein,
wenn ich mich nicht verlaufen hätte. Ich, der jeden
Baum kennt daherum. Da könnt Ihr Euch nun denken,
wie mir’s war. Erſt am zweiten Lautenſteg da nach Has-
lau zu hatt’ ich das Herz, einen Augenblick zu verſchnau-
fen. Dort wo der Bach in Felsſtücken ſpektakelt. Ich ſeh’
zufällig hinunter. Da handthiert der Bach mit einem
bunten Lumpen. Da iſt’s. Kennt Ihr’s vielleicht? (Bringt
Andres Tuch zum Vorſchein und hält’s ihm vor die Augen; der Förſter
reißt’s ihm aus der Hand.)
Förſter.
Lauter Geſtalten vor meinen Augen — der Wein —
(Er hält’s bald ferner, bald näher, ohne es ſeh’n zu können.)
Weiler (kleine Pauſe).
Ihr ſeid ſo ſtill. Fehlt Euch was?
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(ſtößt einen einzigen lauten Athem aus und hält das Tuch immer noch
mechaniſch vor ſich hin, ohne es zu ſeh’n).
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