Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668.Das Andere Buch. Wir gehn durch pfeil und feind/ sind vollends dran zustreckenEntschlossen unsre haut/ und lassen keinen schrecken Vom tod uns jagen ein/ den wir für augen sehn/ Und können ohne das demselben nicht entgehn. Was sollen wir den feind umbs blosse leben bitten/ Wir ziehen mitten durch die stadt mit gleichen schritten. Wer kan erzehlen nun/ was in derselben nacht Für blut vergiefsen/ mord und würgen ist verbracht/ Wer kan durch redenheit beschreiben alle leichen? Wer kan mit zähren doch die müh und noht erreichen? Die alte schöne stadt/ die so viel jahr regiert Wird in den grund zerstört/ und nichts als jammer spürt. Viel unbewehrtes volck muß unbeklagter massen Von feinden hier und da sich nieder hauen lassen: Die strassen sind erfüllt mit leichnam blut und mord/ Das rohe würgeschwerdt fährt unersättiget fvrt Durch hauß und kirchen her/ in welchen weib und kinder geschlachtet wurden ab/ nicht anders/ als die rinder. Es fallen aber nicht die Troer nur allein/ Und müssen grimmiglich dem tod ein opffer seyn: Es kömmt zuweilen auch die tugend denen wieder Ins hertze/ welche fast zu boden lagen nieder/ Es bleiben gleichfalls auch viel Griechen auff dem plan/ Die neulich schwungen schon die stoltze siegesfahn. Mann höret überall ein lautes jammerschlagen/ Man siehet hier und da viel tausend menschen zagen: Des Todes ungestalt und greulich schreckebild Mit einfall brand und mord die gantze stadt erfüllt. An-
Das Andere Buch. Wiꝛ gehn duꝛch pfeil uñ feind/ ſind vollẽds dran zuſtꝛeckẽEntſchloſſen unſre haut/ und laſſen keinen ſchrecken Vom tod uns jagen ein/ den wir fuͤr augen ſehn/ Und koͤnnen ohne das demſelben nicht entgehn. Was ſollen wir den feind umbs bloſſe leben bitten/ Wir ziehen mitten durch die ſtadt mit gleichen ſchritten. Wer kan erzehlen nun/ was in derſelben nacht Fuͤr blut vergiefſen/ mord und wuͤrgen iſt verbracht/ Wer kan durch redenheit beſchreiben alle leichen? Wer kan mit zaͤhren doch die muͤh und noht erreichen? Die alte ſchoͤne ſtadt/ die ſo viel jahr regiert Wird in den grund zerſtoͤrt/ und nichts als jam̃er ſpuͤrt. Viel unbewehrtes volck muß unbeklagter maſſen Von feinden hier und da ſich nieder hauen laſſen: Die ſtraſſen ſind erfuͤllt mit leichnam blut und mord/ Das rohe wuͤrgeſchwerdt faͤhrt unerſaͤttiget fvrt Durch hauß und kirchen her/ in welchen weib und kinder geſchlachtet wurden ab/ nicht anders/ als die rinder. Es fallen aber nicht die Troer nur allein/ Und muͤſſen grimmiglich dem tod ein opffer ſeyn: Es koͤmmt zuweilen auch die tugend denen wieder Ins hertze/ welche faſt zu boden lagen nieder/ Es bleibẽ gleichfalls auch viel Griechen auff dem plan/ Die neulich ſchwungen ſchon die ſtoltze ſiegesfahn. Mann hoͤret uͤberall ein lautes jammerſchlagen/ Man ſiehet hier und da viel tauſend menſchen zagen: Des Todes ungeſtalt und greulich ſchreckebild Mit einfall brand und mord die gantze ſtadt erfuͤllt. An-
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Das Andere Buch.
Wiꝛ gehn duꝛch pfeil uñ feind/ ſind vollẽds dran zuſtꝛeckẽ
Entſchloſſen unſre haut/ und laſſen keinen ſchrecken
Vom tod uns jagen ein/ den wir fuͤr augen ſehn/
Und koͤnnen ohne das demſelben nicht entgehn.
Was ſollen wir den feind umbs bloſſe leben bitten/
Wir ziehen mitten durch die ſtadt mit gleichen ſchritten.
Wer kan erzehlen nun/ was in derſelben nacht
Fuͤr blut vergiefſen/ mord und wuͤrgen iſt verbracht/
Wer kan durch redenheit beſchreiben alle leichen?
Wer kan mit zaͤhren doch die muͤh und noht erreichen?
Die alte ſchoͤne ſtadt/ die ſo viel jahr regiert
Wird in den grund zerſtoͤrt/ und nichts als jam̃er ſpuͤrt.
Viel unbewehrtes volck muß unbeklagter maſſen
Von feinden hier und da ſich nieder hauen laſſen:
Die ſtraſſen ſind erfuͤllt mit leichnam blut und mord/
Das rohe wuͤrgeſchwerdt faͤhrt unerſaͤttiget fvrt
Durch hauß und kirchen her/ in welchen weib und kinder
geſchlachtet wurden ab/ nicht anders/ als die rinder.
Es fallen aber nicht die Troer nur allein/
Und muͤſſen grimmiglich dem tod ein opffer ſeyn:
Es koͤmmt zuweilen auch die tugend denen wieder
Ins hertze/ welche faſt zu boden lagen nieder/
Es bleibẽ gleichfalls auch viel Griechen auff dem plan/
Die neulich ſchwungen ſchon die ſtoltze ſiegesfahn.
Mann hoͤret uͤberall ein lautes jammerſchlagen/
Man ſiehet hier und da viel tauſend menſchen zagen:
Des Todes ungeſtalt und greulich ſchreckebild
Mit einfall brand und mord die gantze ſtadt erfuͤllt.
An-
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Zitationshilfe: | Vergilius Maro, Publius: Eigentlicher Abriß Eines verständigen/ tapfferen und frommen Fürsten/ Von dem fürtrefflichsten Poeten Virgilius. Cölln (Spree), 1668, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maro_abriss_1668/102>, abgerufen am 14.06.2024. |