Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Leibeigenthumsgefälle zu bestimmen. 4) einem Gutsherrn nichts dabey verlohren. Denn da man annehmen kann, daß von 25 Leibeignen jährlich einer einen Sterbfall oder eine Anffahrt zu dingen ha- ben würde: so wird ihm nichts dadurch abgehen, wenn nach der neuen Einrichtung die 25 zusammen eben so viel des Jahrs bezahlen, als jährlich einer aufgebracht haben würde. Für solche Gutsherrn aber, die 5) ihre Leibeignen nur für ihre Person, und nicht für ihre Erben, auch wohl nur bey gewissen Commenden, Pfründen und Beneficien besitzen, würde die neue Ein- richtung unstreitig besonders gut seyn, weil sie allemal ihr Gewissen frey haben, und den wahren oder fal- schen Vorwurf vermeiden könnten, daß sie ihre Leib- eignen, zum Nachtheil ihrer Dienst- Lehn- oder Fidei- commißfolger, ausgeplündert hätten. Nicht zu ge- denken, daß auch 6) dem zeitigen Besitzer solcher Leibeignen die Gelegen- heit benommen würde, seinem Nachfolger zum Scha- den, Auffahrten, Sterbfälle und Freybriefe in vor- aus dingen zu lassen, und diesem solchergestalt das Geld vor der Nase wegzuziehen. Wenigstens wür- de man 7) nie von einem solchen Processe, wie vor einigen Jah- ren geführet wurde, wieder hören, da die Erben ei- nes solchen Gutsherrn, welcher seinem Leibeignen be- fohlen hatte, binnen Jahresfrist zu heyrathen, gegen den säumhaften Eigenbehörigen den Caducitätsproceß fortführten, währender Zeit der neue Besitzer der Pfründe eben demselben Leibeignen einen andern Ter- min zur Heyrath setzte, und wie er solchen versäumte, gegen denselben mit einem 2ten Caducitätsproceß her- ausgieng. Und überhaupt dürfte diese sonderbare Art von Y 2
Leibeigenthumsgefaͤlle zu beſtimmen. 4) einem Gutsherrn nichts dabey verlohren. Denn da man annehmen kann, daß von 25 Leibeignen jaͤhrlich einer einen Sterbfall oder eine Anffahrt zu dingen ha- ben wuͤrde: ſo wird ihm nichts dadurch abgehen, wenn nach der neuen Einrichtung die 25 zuſammen eben ſo viel des Jahrs bezahlen, als jaͤhrlich einer aufgebracht haben wuͤrde. Fuͤr ſolche Gutsherrn aber, die 5) ihre Leibeignen nur fuͤr ihre Perſon, und nicht fuͤr ihre Erben, auch wohl nur bey gewiſſen Commenden, Pfruͤnden und Beneficien beſitzen, wuͤrde die neue Ein- richtung unſtreitig beſonders gut ſeyn, weil ſie allemal ihr Gewiſſen frey haben, und den wahren oder fal- ſchen Vorwurf vermeiden koͤnnten, daß ſie ihre Leib- eignen, zum Nachtheil ihrer Dienſt- Lehn- oder Fidei- commißfolger, ausgepluͤndert haͤtten. Nicht zu ge- denken, daß auch 6) dem zeitigen Beſitzer ſolcher Leibeignen die Gelegen- heit benommen wuͤrde, ſeinem Nachfolger zum Scha- den, Auffahrten, Sterbfaͤlle und Freybriefe in vor- aus dingen zu laſſen, und dieſem ſolchergeſtalt das Geld vor der Naſe wegzuziehen. Wenigſtens wuͤr- de man 7) nie von einem ſolchen Proceſſe, wie vor einigen Jah- ren gefuͤhret wurde, wieder hoͤren, da die Erben ei- nes ſolchen Gutsherrn, welcher ſeinem Leibeignen be- fohlen hatte, binnen Jahresfriſt zu heyrathen, gegen den ſaͤumhaften Eigenbehoͤrigen den Caducitaͤtsproceß fortfuͤhrten, waͤhrender Zeit der neue Beſitzer der Pfruͤnde eben demſelben Leibeignen einen andern Ter- min zur Heyrath ſetzte, und wie er ſolchen verſaͤumte, gegen denſelben mit einem 2ten Caducitaͤtsproceß her- ausgieng. Und uͤberhaupt duͤrfte dieſe ſonderbare Art von Y 2
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Leibeigenthumsgefaͤlle zu beſtimmen.
4) einem Gutsherrn nichts dabey verlohren. Denn da
man annehmen kann, daß von 25 Leibeignen jaͤhrlich
einer einen Sterbfall oder eine Anffahrt zu dingen ha-
ben wuͤrde: ſo wird ihm nichts dadurch abgehen, wenn
nach der neuen Einrichtung die 25 zuſammen eben ſo
viel des Jahrs bezahlen, als jaͤhrlich einer aufgebracht
haben wuͤrde. Fuͤr ſolche Gutsherrn aber, die
5) ihre Leibeignen nur fuͤr ihre Perſon, und nicht fuͤr
ihre Erben, auch wohl nur bey gewiſſen Commenden,
Pfruͤnden und Beneficien beſitzen, wuͤrde die neue Ein-
richtung unſtreitig beſonders gut ſeyn, weil ſie allemal
ihr Gewiſſen frey haben, und den wahren oder fal-
ſchen Vorwurf vermeiden koͤnnten, daß ſie ihre Leib-
eignen, zum Nachtheil ihrer Dienſt- Lehn- oder Fidei-
commißfolger, ausgepluͤndert haͤtten. Nicht zu ge-
denken, daß auch
6) dem zeitigen Beſitzer ſolcher Leibeignen die Gelegen-
heit benommen wuͤrde, ſeinem Nachfolger zum Scha-
den, Auffahrten, Sterbfaͤlle und Freybriefe in vor-
aus dingen zu laſſen, und dieſem ſolchergeſtalt das
Geld vor der Naſe wegzuziehen. Wenigſtens wuͤr-
de man
7) nie von einem ſolchen Proceſſe, wie vor einigen Jah-
ren gefuͤhret wurde, wieder hoͤren, da die Erben ei-
nes ſolchen Gutsherrn, welcher ſeinem Leibeignen be-
fohlen hatte, binnen Jahresfriſt zu heyrathen, gegen
den ſaͤumhaften Eigenbehoͤrigen den Caducitaͤtsproceß
fortfuͤhrten, waͤhrender Zeit der neue Beſitzer der
Pfruͤnde eben demſelben Leibeignen einen andern Ter-
min zur Heyrath ſetzte, und wie er ſolchen verſaͤumte,
gegen denſelben mit einem 2ten Caducitaͤtsproceß her-
ausgieng. Und uͤberhaupt duͤrfte dieſe ſonderbare Art
von
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