Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Also sind die unbestimmten als worüber beyde Theile streiten. Der Gutsherrleidet 14) doppelt dabey, da er, so lange seine Forderung kei- ne bestimmte Gränzen hat, nach einer ganz natürli- chen Folge alle Richter wider sich haben muß; und hiernächst wenn sein Leibeigner alles der Chicane auf- geopfert hat, entweder einen schlechten Wirth oder ei- nen elenden Sterbfall findet. Der Leibeigne hat aber 15) auch keine Freude davon, wenn er endlich nach vie- len und schweren Kosten eine mildere Auffahrt erhal- ten hat; indem ihm der Gutsherr solches gewiß beym Sterbfall und bey andern Gelegenheiten wieder geden- ket. Ueberhaupt liegt es 16) in der menschlichen Natur, und zwar in dem edelsten Theile derselben, daß man sich der schwächern und dem Scheine nach unterdrückten gern annimmt; und die gerechtesten Forderungen der Gutsherrn müssen darun- ter leiden, so lange einige derselben unbestimmet sind. Die Eigenthumsordnung hat 17) den Gutsherrn in Ansehung der Auffahrten die Bil- ligkeit empfohlen, und in deren Ermangelung, die richterliche Billigkeit zu Hülfe gerufen; die Begriffe der Billigkeit in dem fordernden, bezahlenden und richtenden Theile sind aber so von einander unterschie- den, daß man nie eine Einigkeit hoffen darf, sondern allezeit eine Willkühr befürchten muß, und diese Will- kühr, womit sich das Mitleid und die natürliche Nei- gung für den schwächern Theil gern vermischt, sucht leicht alles dasjenige auf, und hält es für das wich- tigste, das dem Leibeignen nur mit einigem Scheine zu statten kommen kann. Da heißt es dann: 18) die
Alſo ſind die unbeſtimmten als woruͤber beyde Theile ſtreiten. Der Gutsherrleidet 14) doppelt dabey, da er, ſo lange ſeine Forderung kei- ne beſtimmte Graͤnzen hat, nach einer ganz natuͤrli- chen Folge alle Richter wider ſich haben muß; und hiernaͤchſt wenn ſein Leibeigner alles der Chicane auf- geopfert hat, entweder einen ſchlechten Wirth oder ei- nen elenden Sterbfall findet. Der Leibeigne hat aber 15) auch keine Freude davon, wenn er endlich nach vie- len und ſchweren Koſten eine mildere Auffahrt erhal- ten hat; indem ihm der Gutsherr ſolches gewiß beym Sterbfall und bey andern Gelegenheiten wieder geden- ket. Ueberhaupt liegt es 16) in der menſchlichen Natur, und zwar in dem edelſten Theile derſelben, daß man ſich der ſchwaͤchern und dem Scheine nach unterdruͤckten gern annimmt; und die gerechteſten Forderungen der Gutsherrn muͤſſen darun- ter leiden, ſo lange einige derſelben unbeſtimmet ſind. Die Eigenthumsordnung hat 17) den Gutsherrn in Anſehung der Auffahrten die Bil- ligkeit empfohlen, und in deren Ermangelung, die richterliche Billigkeit zu Huͤlfe gerufen; die Begriffe der Billigkeit in dem fordernden, bezahlenden und richtenden Theile ſind aber ſo von einander unterſchie- den, daß man nie eine Einigkeit hoffen darf, ſondern allezeit eine Willkuͤhr befuͤrchten muß, und dieſe Will- kuͤhr, womit ſich das Mitleid und die natuͤrliche Nei- gung fuͤr den ſchwaͤchern Theil gern vermiſcht, ſucht leicht alles dasjenige auf, und haͤlt es fuͤr das wich- tigſte, das dem Leibeignen nur mit einigem Scheine zu ſtatten kommen kann. Da heißt es dann: 18) die
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Alſo ſind die unbeſtimmten
als woruͤber beyde Theile ſtreiten. Der Gutsherr
leidet
14) doppelt dabey, da er, ſo lange ſeine Forderung kei-
ne beſtimmte Graͤnzen hat, nach einer ganz natuͤrli-
chen Folge alle Richter wider ſich haben muß; und
hiernaͤchſt wenn ſein Leibeigner alles der Chicane auf-
geopfert hat, entweder einen ſchlechten Wirth oder ei-
nen elenden Sterbfall findet. Der Leibeigne hat aber
15) auch keine Freude davon, wenn er endlich nach vie-
len und ſchweren Koſten eine mildere Auffahrt erhal-
ten hat; indem ihm der Gutsherr ſolches gewiß beym
Sterbfall und bey andern Gelegenheiten wieder geden-
ket. Ueberhaupt liegt es
16) in der menſchlichen Natur, und zwar in dem edelſten
Theile derſelben, daß man ſich der ſchwaͤchern und dem
Scheine nach unterdruͤckten gern annimmt; und die
gerechteſten Forderungen der Gutsherrn muͤſſen darun-
ter leiden, ſo lange einige derſelben unbeſtimmet ſind.
Die Eigenthumsordnung hat
17) den Gutsherrn in Anſehung der Auffahrten die Bil-
ligkeit empfohlen, und in deren Ermangelung, die
richterliche Billigkeit zu Huͤlfe gerufen; die Begriffe
der Billigkeit in dem fordernden, bezahlenden und
richtenden Theile ſind aber ſo von einander unterſchie-
den, daß man nie eine Einigkeit hoffen darf, ſondern
allezeit eine Willkuͤhr befuͤrchten muß, und dieſe Will-
kuͤhr, womit ſich das Mitleid und die natuͤrliche Nei-
gung fuͤr den ſchwaͤchern Theil gern vermiſcht, ſucht
leicht alles dasjenige auf, und haͤlt es fuͤr das wich-
tigſte, das dem Leibeignen nur mit einigem Scheine
zu ſtatten kommen kann. Da heißt es dann:
18) die
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