Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
Also sind die unbestimmten
er solchergestalt seiner Leibeignen Schuld mit entgelten
muß; und sollen diese nicht abgezogen werden: so er-
hält der neu aufkommende Theil, der mit dem Anerben
in Gemeinschaft der Schulden treten muß, die reine Leib-
rente nicht, die ihm doch auf Treue und Glauben verkau-
fet wird. Am Ende aber führen dergleichen Berechnun-
gen und Anschläge zu Beweisen und Gegenbeweisen, und
richterlichen Erkenntnissen, welche im Gegentheil durch
einen beständigen jährlichen Satz vermieden werden.
Sie führen auch wohl zu Betrügereyen, weil der Leib-
eigne seine unbewilligte Schulden dem Gutsherrn ver-
heelen und lieber seine Braut hintergehen als jene ent-
decken wird.

Die Freybriefe, da sie eben so wenig einen bestimmten
Satz zum Grunde haben, können

20) ebenfalls leicht zu grossen und kostbaren Weitläuf-
tigkeiten führen, wobey für beyde Theile nichts als
Schaden herauskömmt; und dieser Mangel eines be-
stimmten Grundsatzes wird sicher einmal zu demjeni-
gen führen, nach welchem ein Hauptmann seinen Ge-
meinen für ein festgesetztes Geld verabschieden muß,
ohne auf dessen Vermögen eine Rücksicht nehmen zu
dürfen. Denn es arbeiten
21) Religion, Sittenlehre, Mode, Ton, Satyre und
was noch kräftiger als dieses ist, das Interesse aller
Landesherrn gegen ein zu strenges Leibeigenthum, so
wie gegen alles was Privatgutsherrn von schatzbaren
Unterthanen und Gründen ohne Bestimmung zu genies-
sen haben. Diesem jetzigen Hange der menschlichen
Sachen, welchem alle besoldete Lehrer und Richter
frohnen, und alle empfindende Leute so lange opfern
werden, als der Angriff gegen unbestimmte und
schwan-
Alſo ſind die unbeſtimmten
er ſolchergeſtalt ſeiner Leibeignen Schuld mit entgelten
muß; und ſollen dieſe nicht abgezogen werden: ſo er-
haͤlt der neu aufkommende Theil, der mit dem Anerben
in Gemeinſchaft der Schulden treten muß, die reine Leib-
rente nicht, die ihm doch auf Treue und Glauben verkau-
fet wird. Am Ende aber fuͤhren dergleichen Berechnun-
gen und Anſchlaͤge zu Beweiſen und Gegenbeweiſen, und
richterlichen Erkenntniſſen, welche im Gegentheil durch
einen beſtaͤndigen jaͤhrlichen Satz vermieden werden.
Sie fuͤhren auch wohl zu Betruͤgereyen, weil der Leib-
eigne ſeine unbewilligte Schulden dem Gutsherrn ver-
heelen und lieber ſeine Braut hintergehen als jene ent-
decken wird.

Die Freybriefe, da ſie eben ſo wenig einen beſtimmten
Satz zum Grunde haben, koͤnnen

20) ebenfalls leicht zu groſſen und koſtbaren Weitlaͤuf-
tigkeiten fuͤhren, wobey fuͤr beyde Theile nichts als
Schaden herauskoͤmmt; und dieſer Mangel eines be-
ſtimmten Grundſatzes wird ſicher einmal zu demjeni-
gen fuͤhren, nach welchem ein Hauptmann ſeinen Ge-
meinen fuͤr ein feſtgeſetztes Geld verabſchieden muß,
ohne auf deſſen Vermoͤgen eine Ruͤckſicht nehmen zu
duͤrfen. Denn es arbeiten
21) Religion, Sittenlehre, Mode, Ton, Satyre und
was noch kraͤftiger als dieſes iſt, das Intereſſe aller
Landesherrn gegen ein zu ſtrenges Leibeigenthum, ſo
wie gegen alles was Privatgutsherrn von ſchatzbaren
Unterthanen und Gruͤnden ohne Beſtimmung zu genieſ-
ſen haben. Dieſem jetzigen Hange der menſchlichen
Sachen, welchem alle beſoldete Lehrer und Richter
frohnen, und alle empfindende Leute ſo lange opfern
werden, als der Angriff gegen unbeſtimmte und
ſchwan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <list>
          <item><pb facs="#f0358" n="344"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Al&#x017F;o &#x017F;ind die unbe&#x017F;timmten</hi></fw><lb/>
er &#x017F;olcherge&#x017F;talt &#x017F;einer Leibeignen Schuld mit entgelten<lb/>
muß; und &#x017F;ollen die&#x017F;e nicht abgezogen werden: &#x017F;o er-<lb/>
ha&#x0364;lt der neu aufkommende Theil, der mit dem Anerben<lb/>
in Gemein&#x017F;chaft der Schulden treten muß, die reine Leib-<lb/>
rente nicht, die ihm doch auf Treue und Glauben verkau-<lb/>
fet wird. Am Ende aber fu&#x0364;hren dergleichen Berechnun-<lb/>
gen und An&#x017F;chla&#x0364;ge zu Bewei&#x017F;en und Gegenbewei&#x017F;en, und<lb/>
richterlichen Erkenntni&#x017F;&#x017F;en, welche im Gegentheil durch<lb/>
einen be&#x017F;ta&#x0364;ndigen ja&#x0364;hrlichen Satz vermieden werden.<lb/>
Sie fu&#x0364;hren auch wohl zu Betru&#x0364;gereyen, weil der Leib-<lb/>
eigne &#x017F;eine unbewilligte Schulden dem Gutsherrn ver-<lb/>
heelen und lieber &#x017F;eine Braut hintergehen als jene ent-<lb/>
decken wird.</item>
        </list><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#fr">Freybriefe</hi>, da &#x017F;ie eben &#x017F;o wenig einen be&#x017F;timmten<lb/>
Satz zum Grunde haben, ko&#x0364;nnen</p><lb/>
        <list>
          <item>20) ebenfalls leicht zu gro&#x017F;&#x017F;en und ko&#x017F;tbaren Weitla&#x0364;uf-<lb/>
tigkeiten fu&#x0364;hren, wobey fu&#x0364;r beyde Theile nichts als<lb/>
Schaden herausko&#x0364;mmt; und die&#x017F;er Mangel eines be-<lb/>
&#x017F;timmten Grund&#x017F;atzes wird &#x017F;icher einmal zu demjeni-<lb/>
gen fu&#x0364;hren, nach welchem ein Hauptmann &#x017F;einen Ge-<lb/>
meinen fu&#x0364;r ein fe&#x017F;tge&#x017F;etztes Geld verab&#x017F;chieden muß,<lb/>
ohne auf de&#x017F;&#x017F;en Vermo&#x0364;gen eine Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehmen zu<lb/>
du&#x0364;rfen. Denn es arbeiten</item><lb/>
          <item>21) Religion, Sittenlehre, Mode, Ton, Satyre und<lb/>
was noch kra&#x0364;ftiger als die&#x017F;es i&#x017F;t, das Intere&#x017F;&#x017F;e aller<lb/>
Landesherrn gegen ein zu &#x017F;trenges Leibeigenthum, &#x017F;o<lb/>
wie gegen alles was Privatgutsherrn von &#x017F;chatzbaren<lb/>
Unterthanen und Gru&#x0364;nden ohne Be&#x017F;timmung zu genie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en haben. Die&#x017F;em jetzigen Hange der men&#x017F;chlichen<lb/>
Sachen, welchem alle be&#x017F;oldete Lehrer und Richter<lb/>
frohnen, und alle empfindende Leute &#x017F;o lange opfern<lb/>
werden, als der Angriff gegen unbe&#x017F;timmte und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chwan-</fw><lb/></item>
        </list>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0358] Alſo ſind die unbeſtimmten er ſolchergeſtalt ſeiner Leibeignen Schuld mit entgelten muß; und ſollen dieſe nicht abgezogen werden: ſo er- haͤlt der neu aufkommende Theil, der mit dem Anerben in Gemeinſchaft der Schulden treten muß, die reine Leib- rente nicht, die ihm doch auf Treue und Glauben verkau- fet wird. Am Ende aber fuͤhren dergleichen Berechnun- gen und Anſchlaͤge zu Beweiſen und Gegenbeweiſen, und richterlichen Erkenntniſſen, welche im Gegentheil durch einen beſtaͤndigen jaͤhrlichen Satz vermieden werden. Sie fuͤhren auch wohl zu Betruͤgereyen, weil der Leib- eigne ſeine unbewilligte Schulden dem Gutsherrn ver- heelen und lieber ſeine Braut hintergehen als jene ent- decken wird. Die Freybriefe, da ſie eben ſo wenig einen beſtimmten Satz zum Grunde haben, koͤnnen 20) ebenfalls leicht zu groſſen und koſtbaren Weitlaͤuf- tigkeiten fuͤhren, wobey fuͤr beyde Theile nichts als Schaden herauskoͤmmt; und dieſer Mangel eines be- ſtimmten Grundſatzes wird ſicher einmal zu demjeni- gen fuͤhren, nach welchem ein Hauptmann ſeinen Ge- meinen fuͤr ein feſtgeſetztes Geld verabſchieden muß, ohne auf deſſen Vermoͤgen eine Ruͤckſicht nehmen zu duͤrfen. Denn es arbeiten 21) Religion, Sittenlehre, Mode, Ton, Satyre und was noch kraͤftiger als dieſes iſt, das Intereſſe aller Landesherrn gegen ein zu ſtrenges Leibeigenthum, ſo wie gegen alles was Privatgutsherrn von ſchatzbaren Unterthanen und Gruͤnden ohne Beſtimmung zu genieſ- ſen haben. Dieſem jetzigen Hange der menſchlichen Sachen, welchem alle beſoldete Lehrer und Richter frohnen, und alle empfindende Leute ſo lange opfern werden, als der Angriff gegen unbeſtimmte und ſchwan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/358
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/358>, abgerufen am 31.10.2024.