Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

der sogenannten Hyen, Echten oder Hoden.
von seinen Lehnsleuten, und der Reichsvogt von allen ein-
gesessenen seiner Vogtey.

Diejenigen aber so das Unterthanenrecht nicht in der
einen oder andern Classe, wozu sie ihrer Geburt nach kom-
men konnten, gewonnen hatten, beerbte der Kaiser als arg-
oder biesterfreye Leute a), und, nachdem die Reichsfürsten
an dessen Stelle getreten, der Landesherr. Sie genossen
jedoch auch dagegen, ob wohl nicht als Bürger, doch als
Menschen, des höchsten Schutzes b), indem der Kaiser ihr
Wehrgeld erhob, wenn sie erschlagen wurden, folglich von
oberstrichterlichen Amtswegen ihr Rächer war.

Die Einziehung der Erbschaft von allen solchen Leuten,
welche sich in keine Klasse der Unterthanen begeben hatten,
beruhete in der höchsten Billigkeit. Denn erstlich hatte
man damals fast keine Geldsteuren, sondern jede Classe im
Staat hatte ihre angenommene oder angewiesene Verpflich-
tung. Wer sich also nicht in die eine oder die andere ein-
schreiben ließ, der entzog sich den öffentlichen Lasten.
Zweytens hatte man keine Territorialgesetze, oder Ver-
ordnungen für Menschen, sondern die Gesetze und Verord-

nun-
a) De his qui a litterarum conscriptione ingenui sunt, si sine
traditione (i. e. absque electione patrocinii) mortui fuerint,
hereditas eorum ad opus nostrum recipiatur. capit. II. ann.

813 § 6.
b) Qui per chartam ingenuitatis dimissi sunt liberi, ubi nullum
patrocinium & desensionem non elegerint, regi componantur
40 Solidis. Capit. Baj. anni
788. §. 7 Die manumissi in ec-
clesia
traten sofort aus der Knechtschaft in das patrocinium
sanctissimae summae ecclesiae
und brauchten daher kein parroci-
nium
zu wählen. v. LL. Rip. tit. 58. Auch diejenigen, so per
acceptionem denarii
freygelassen wurden, verbiesterten nicht,
wenn sie sich keinen patronum erwählten, weil sie als denariales
in mundeburde regia
blieben.

der ſogenannten Hyen, Echten oder Hoden.
von ſeinen Lehnsleuten, und der Reichsvogt von allen ein-
geſeſſenen ſeiner Vogtey.

Diejenigen aber ſo das Unterthanenrecht nicht in der
einen oder andern Claſſe, wozu ſie ihrer Geburt nach kom-
men konnten, gewonnen hatten, beerbte der Kaiſer als arg-
oder bieſterfreye Leute a), und, nachdem die Reichsfuͤrſten
an deſſen Stelle getreten, der Landesherr. Sie genoſſen
jedoch auch dagegen, ob wohl nicht als Buͤrger, doch als
Menſchen, des hoͤchſten Schutzes b), indem der Kaiſer ihr
Wehrgeld erhob, wenn ſie erſchlagen wurden, folglich von
oberſtrichterlichen Amtswegen ihr Raͤcher war.

Die Einziehung der Erbſchaft von allen ſolchen Leuten,
welche ſich in keine Klaſſe der Unterthanen begeben hatten,
beruhete in der hoͤchſten Billigkeit. Denn erſtlich hatte
man damals faſt keine Geldſteuren, ſondern jede Claſſe im
Staat hatte ihre angenommene oder angewieſene Verpflich-
tung. Wer ſich alſo nicht in die eine oder die andere ein-
ſchreiben ließ, der entzog ſich den oͤffentlichen Laſten.
Zweytens hatte man keine Territorialgeſetze, oder Ver-
ordnungen fuͤr Menſchen, ſondern die Geſetze und Verord-

nun-
a) De his qui a litterarum conſcriptione ingenui ſunt, ſi ſine
traditione (i. e. absque electione patrocinii) mortui fuerint,
hereditas eorum ad opus noſtrum recipiatur. capit. II. ann.

813 § 6.
b) Qui per chartam ingenuitatis dimiſſi ſunt liberi, ubi nullum
patrocinium & deſenſionem non elegerint, regi componantur
40 Solidis. Capit. Baj. anni
788. §. 7 Die manumiſſi in ec-
cleſia
traten ſofort aus der Knechtſchaft in das patrocinium
ſanctiſſimæ ſummæ eccleſiæ
und brauchten daher kein parroci-
nium
zu waͤhlen. v. LL. Rip. tit. 58. Auch diejenigen, ſo per
acceptionem denarii
freygelaſſen wurden, verbieſterten nicht,
wenn ſie ſich keinen patronum erwaͤhlten, weil ſie als denariales
in mundeburde regia
blieben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0365" n="351"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der &#x017F;ogenannten Hyen, Echten oder Hoden.</hi></fw><lb/>
von &#x017F;einen Lehnsleuten, und der Reichsvogt von allen ein-<lb/>
ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enen &#x017F;einer Vogtey.</p><lb/>
        <p>Diejenigen aber &#x017F;o das Unterthanenrecht nicht in der<lb/>
einen oder andern Cla&#x017F;&#x017F;e, wozu &#x017F;ie ihrer Geburt nach kom-<lb/>
men konnten, gewonnen hatten, beerbte der Kai&#x017F;er als arg-<lb/>
oder bie&#x017F;terfreye Leute <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">De his qui a litterarum con&#x017F;criptione ingenui &#x017F;unt, &#x017F;i &#x017F;ine<lb/>
traditione (i. e. absque electione patrocinii) mortui fuerint,<lb/>
hereditas eorum ad opus no&#x017F;trum recipiatur. <hi rendition="#k">capit.</hi> II. ann.</hi><lb/>
813 § 6.</note>, und, nachdem die Reichsfu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
an de&#x017F;&#x017F;en Stelle getreten, der Landesherr. Sie geno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
jedoch auch dagegen, ob wohl nicht als Bu&#x0364;rger, doch als<lb/>
Men&#x017F;chen, des ho&#x0364;ch&#x017F;ten Schutzes <note place="foot" n="b)"><hi rendition="#aq">Qui per chartam ingenuitatis dimi&#x017F;&#x017F;i &#x017F;unt liberi, ubi nullum<lb/>
patrocinium &amp; de&#x017F;en&#x017F;ionem non elegerint, regi componantur<lb/>
40 Solidis. Capit. Baj. anni</hi> 788. §. 7 Die <hi rendition="#aq">manumi&#x017F;&#x017F;i in ec-<lb/>
cle&#x017F;ia</hi> traten &#x017F;ofort aus der Knecht&#x017F;chaft in das <hi rendition="#aq">patrocinium<lb/>
&#x017F;ancti&#x017F;&#x017F;imæ &#x017F;ummæ eccle&#x017F;</hi> und brauchten daher kein <hi rendition="#aq">parroci-<lb/>
nium</hi> zu wa&#x0364;hlen. <hi rendition="#aq">v. LL. Rip. tit.</hi> 58. Auch diejenigen, &#x017F;o <hi rendition="#aq">per<lb/>
acceptionem denarii</hi> freygela&#x017F;&#x017F;en wurden, verbie&#x017F;terten nicht,<lb/>
wenn &#x017F;ie &#x017F;ich keinen <hi rendition="#aq">patronum</hi> erwa&#x0364;hlten, weil &#x017F;ie als <hi rendition="#aq">denariales<lb/>
in mundeburde regia</hi> blieben.</note>, indem der Kai&#x017F;er ihr<lb/>
Wehrgeld erhob, wenn &#x017F;ie er&#x017F;chlagen wurden, folglich von<lb/>
ober&#x017F;trichterlichen Amtswegen ihr Ra&#x0364;cher war.</p><lb/>
        <p>Die Einziehung der Erb&#x017F;chaft von allen &#x017F;olchen Leuten,<lb/>
welche &#x017F;ich in keine Kla&#x017F;&#x017F;e der Unterthanen begeben hatten,<lb/>
beruhete in der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Billigkeit. Denn er&#x017F;tlich hatte<lb/>
man damals fa&#x017F;t keine Geld&#x017F;teuren, &#x017F;ondern jede Cla&#x017F;&#x017F;e im<lb/>
Staat hatte ihre angenommene oder angewie&#x017F;ene Verpflich-<lb/>
tung. Wer &#x017F;ich al&#x017F;o nicht in die eine oder die andere ein-<lb/>
&#x017F;chreiben ließ, der entzog &#x017F;ich den o&#x0364;ffentlichen La&#x017F;ten.<lb/><hi rendition="#fr">Zweytens</hi> hatte man keine Territorialge&#x017F;etze, oder Ver-<lb/>
ordnungen fu&#x0364;r Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern die Ge&#x017F;etze und Verord-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nun-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0365] der ſogenannten Hyen, Echten oder Hoden. von ſeinen Lehnsleuten, und der Reichsvogt von allen ein- geſeſſenen ſeiner Vogtey. Diejenigen aber ſo das Unterthanenrecht nicht in der einen oder andern Claſſe, wozu ſie ihrer Geburt nach kom- men konnten, gewonnen hatten, beerbte der Kaiſer als arg- oder bieſterfreye Leute a), und, nachdem die Reichsfuͤrſten an deſſen Stelle getreten, der Landesherr. Sie genoſſen jedoch auch dagegen, ob wohl nicht als Buͤrger, doch als Menſchen, des hoͤchſten Schutzes b), indem der Kaiſer ihr Wehrgeld erhob, wenn ſie erſchlagen wurden, folglich von oberſtrichterlichen Amtswegen ihr Raͤcher war. Die Einziehung der Erbſchaft von allen ſolchen Leuten, welche ſich in keine Klaſſe der Unterthanen begeben hatten, beruhete in der hoͤchſten Billigkeit. Denn erſtlich hatte man damals faſt keine Geldſteuren, ſondern jede Claſſe im Staat hatte ihre angenommene oder angewieſene Verpflich- tung. Wer ſich alſo nicht in die eine oder die andere ein- ſchreiben ließ, der entzog ſich den oͤffentlichen Laſten. Zweytens hatte man keine Territorialgeſetze, oder Ver- ordnungen fuͤr Menſchen, ſondern die Geſetze und Verord- nun- a) De his qui a litterarum conſcriptione ingenui ſunt, ſi ſine traditione (i. e. absque electione patrocinii) mortui fuerint, hereditas eorum ad opus noſtrum recipiatur. capit. II. ann. 813 § 6. b) Qui per chartam ingenuitatis dimiſſi ſunt liberi, ubi nullum patrocinium & deſenſionem non elegerint, regi componantur 40 Solidis. Capit. Baj. anni 788. §. 7 Die manumiſſi in ec- cleſia traten ſofort aus der Knechtſchaft in das patrocinium ſanctiſſimæ ſummæ eccleſiæ und brauchten daher kein parroci- nium zu waͤhlen. v. LL. Rip. tit. 58. Auch diejenigen, ſo per acceptionem denarii freygelaſſen wurden, verbieſterten nicht, wenn ſie ſich keinen patronum erwaͤhlten, weil ſie als denariales in mundeburde regia blieben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/365
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/365>, abgerufen am 31.10.2024.