Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Das war der Cammerjungfer recht.
meine Freyheit! Sie haben gut predigen, und wissen nicht,
wie einem armen Mädgen, das nun funfzehn Jahr gedient
hat, und auch wohl einmal ein bisgen eignes Brod mit
einem guten Mann theilen mögte, so recht zu Muthe ist.
Wären Sie an meiner Stelle und ich an der Ihrigen ...

Nun heraus damit, hier ist ein Dukaten, wenn du mir
aufrichtig sagst, was ich gethan haben würde, wenn ich an
deiner Stelle gewesen wäre?

Sie hätten unsern Johann schon früher genommen; es
ist ein gar zu hübscher guter Mann.

Was, Mensch! du meinst ich hätte deinen Kerl ge-
nommen? geh mir aus den Augen, und wisse, daß ich nun
und nimmermehr mich darum bekümmern will, wie du durch
die Welt kommen wirst; zaudere nur nicht lange, und
wenn du nun ein Nest voll Kinder hast, und dann Krank-
heit und Unglücksfälle, die natürlichen Folgen solcher unbe-
sonnenen Ehen, dich und deinen Kerl ausser Stand setzen,
das Brod für so viele zu gewinnen, so denke an mich, komme
mir aber nicht, um dir ein Stück Brod zu geben. Denn wer
sich nicht rathen lassen will, dem ist auch nicht zu helfen.

Lisette gieng, ihre Noth ihrem lieben Bräutigam zu
klagen, vielleicht auch um die Süßigkeit des Trostes zu ge-
niessen, womit die Liebe in solchen Fällen gleich bey der
Hand ist. Zu ihrem Glücke aber begegnete sie ihrem Herrn
in dem Vorzimmer, der ihre glüende Wangen bemerkte,
und sahe, wie sie eine bittere Thräne mit allen fünfen aus
den Augen rieb. Nun Lisette, redete er sie an ... Aber
die gnädige Frau, welche seine Tritte bereits vernommen
hatte, und an der Thür horchte, kam ihm hier ganz feyer-
lich in den Weg, und nöthigte ihn, sich von ihr selbst die
schreckliche Begegnung, welche sie von dem dummen Ge-
sichte, das äusserlich einer Heiligen gliche, im Herzen aber
voll Boßheit wäre, erzählen zu lassen.

Nun

Das war der Cammerjungfer recht.
meine Freyheit! Sie haben gut predigen, und wiſſen nicht,
wie einem armen Maͤdgen, das nun funfzehn Jahr gedient
hat, und auch wohl einmal ein bisgen eignes Brod mit
einem guten Mann theilen moͤgte, ſo recht zu Muthe iſt.
Waͤren Sie an meiner Stelle und ich an der Ihrigen …

Nun heraus damit, hier iſt ein Dukaten, wenn du mir
aufrichtig ſagſt, was ich gethan haben wuͤrde, wenn ich an
deiner Stelle geweſen waͤre?

Sie haͤtten unſern Johann ſchon fruͤher genommen; es
iſt ein gar zu huͤbſcher guter Mann.

Was, Menſch! du meinſt ich haͤtte deinen Kerl ge-
nommen? geh mir aus den Augen, und wiſſe, daß ich nun
und nimmermehr mich darum bekuͤmmern will, wie du durch
die Welt kommen wirſt; zaudere nur nicht lange, und
wenn du nun ein Neſt voll Kinder haſt, und dann Krank-
heit und Ungluͤcksfaͤlle, die natuͤrlichen Folgen ſolcher unbe-
ſonnenen Ehen, dich und deinen Kerl auſſer Stand ſetzen,
das Brod fuͤr ſo viele zu gewinnen, ſo denke an mich, komme
mir aber nicht, um dir ein Stuͤck Brod zu geben. Denn wer
ſich nicht rathen laſſen will, dem iſt auch nicht zu helfen.

Liſette gieng, ihre Noth ihrem lieben Braͤutigam zu
klagen, vielleicht auch um die Suͤßigkeit des Troſtes zu ge-
nieſſen, womit die Liebe in ſolchen Faͤllen gleich bey der
Hand iſt. Zu ihrem Gluͤcke aber begegnete ſie ihrem Herrn
in dem Vorzimmer, der ihre gluͤende Wangen bemerkte,
und ſahe, wie ſie eine bittere Thraͤne mit allen fuͤnfen aus
den Augen rieb. Nun Liſette, redete er ſie an … Aber
die gnaͤdige Frau, welche ſeine Tritte bereits vernommen
hatte, und an der Thuͤr horchte, kam ihm hier ganz feyer-
lich in den Weg, und noͤthigte ihn, ſich von ihr ſelbſt die
ſchreckliche Begegnung, welche ſie von dem dummen Ge-
ſichte, das aͤuſſerlich einer Heiligen gliche, im Herzen aber
voll Boßheit waͤre, erzaͤhlen zu laſſen.

Nun
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das war der Cammerjungfer recht.</hi></fw><lb/>
meine Freyheit! Sie haben gut predigen, und wi&#x017F;&#x017F;en nicht,<lb/>
wie einem armen Ma&#x0364;dgen, das nun funfzehn Jahr gedient<lb/>
hat, und auch wohl einmal ein bisgen eignes Brod mit<lb/>
einem guten Mann theilen mo&#x0364;gte, &#x017F;o recht zu Muthe i&#x017F;t.<lb/>
Wa&#x0364;ren Sie an meiner Stelle und ich an der Ihrigen &#x2026;</p><lb/>
        <p>Nun heraus damit, hier i&#x017F;t ein Dukaten, wenn du mir<lb/>
aufrichtig &#x017F;ag&#x017F;t, was ich gethan haben wu&#x0364;rde, wenn ich an<lb/>
deiner Stelle gewe&#x017F;en wa&#x0364;re?</p><lb/>
        <p>Sie ha&#x0364;tten un&#x017F;ern Johann &#x017F;chon fru&#x0364;her genommen; es<lb/>
i&#x017F;t ein gar zu hu&#x0364;b&#x017F;cher guter Mann.</p><lb/>
        <p>Was, Men&#x017F;ch! du mein&#x017F;t ich ha&#x0364;tte deinen Kerl ge-<lb/>
nommen? geh mir aus den Augen, und wi&#x017F;&#x017F;e, daß ich nun<lb/>
und nimmermehr mich darum beku&#x0364;mmern will, wie du durch<lb/>
die Welt kommen wir&#x017F;t; zaudere nur nicht lange, und<lb/>
wenn du nun ein Ne&#x017F;t voll Kinder ha&#x017F;t, und dann Krank-<lb/>
heit und Unglu&#x0364;cksfa&#x0364;lle, die natu&#x0364;rlichen Folgen &#x017F;olcher unbe-<lb/>
&#x017F;onnenen Ehen, dich und deinen Kerl au&#x017F;&#x017F;er Stand &#x017F;etzen,<lb/>
das Brod fu&#x0364;r &#x017F;o viele zu gewinnen, &#x017F;o denke an mich, komme<lb/>
mir aber nicht, um dir ein Stu&#x0364;ck Brod zu geben. Denn wer<lb/>
&#x017F;ich nicht rathen la&#x017F;&#x017F;en will, dem i&#x017F;t auch nicht zu helfen.</p><lb/>
        <p>Li&#x017F;ette gieng, ihre Noth ihrem lieben Bra&#x0364;utigam zu<lb/>
klagen, vielleicht auch um die Su&#x0364;ßigkeit des Tro&#x017F;tes zu ge-<lb/>
nie&#x017F;&#x017F;en, womit die Liebe in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen gleich bey der<lb/>
Hand i&#x017F;t. Zu ihrem Glu&#x0364;cke aber begegnete &#x017F;ie ihrem Herrn<lb/>
in dem Vorzimmer, der ihre glu&#x0364;ende Wangen bemerkte,<lb/>
und &#x017F;ahe, wie &#x017F;ie eine bittere Thra&#x0364;ne mit allen fu&#x0364;nfen aus<lb/>
den Augen rieb. Nun Li&#x017F;ette, redete er &#x017F;ie an &#x2026; Aber<lb/>
die gna&#x0364;dige Frau, welche &#x017F;eine Tritte bereits vernommen<lb/>
hatte, und an der Thu&#x0364;r horchte, kam ihm hier ganz feyer-<lb/>
lich in den Weg, und no&#x0364;thigte ihn, &#x017F;ich von ihr &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
&#x017F;chreckliche Begegnung, welche &#x017F;ie von dem dummen Ge-<lb/>
&#x017F;ichte, das a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich einer Heiligen gliche, im Herzen aber<lb/>
voll Boßheit wa&#x0364;re, erza&#x0364;hlen zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Nun</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0060] Das war der Cammerjungfer recht. meine Freyheit! Sie haben gut predigen, und wiſſen nicht, wie einem armen Maͤdgen, das nun funfzehn Jahr gedient hat, und auch wohl einmal ein bisgen eignes Brod mit einem guten Mann theilen moͤgte, ſo recht zu Muthe iſt. Waͤren Sie an meiner Stelle und ich an der Ihrigen … Nun heraus damit, hier iſt ein Dukaten, wenn du mir aufrichtig ſagſt, was ich gethan haben wuͤrde, wenn ich an deiner Stelle geweſen waͤre? Sie haͤtten unſern Johann ſchon fruͤher genommen; es iſt ein gar zu huͤbſcher guter Mann. Was, Menſch! du meinſt ich haͤtte deinen Kerl ge- nommen? geh mir aus den Augen, und wiſſe, daß ich nun und nimmermehr mich darum bekuͤmmern will, wie du durch die Welt kommen wirſt; zaudere nur nicht lange, und wenn du nun ein Neſt voll Kinder haſt, und dann Krank- heit und Ungluͤcksfaͤlle, die natuͤrlichen Folgen ſolcher unbe- ſonnenen Ehen, dich und deinen Kerl auſſer Stand ſetzen, das Brod fuͤr ſo viele zu gewinnen, ſo denke an mich, komme mir aber nicht, um dir ein Stuͤck Brod zu geben. Denn wer ſich nicht rathen laſſen will, dem iſt auch nicht zu helfen. Liſette gieng, ihre Noth ihrem lieben Braͤutigam zu klagen, vielleicht auch um die Suͤßigkeit des Troſtes zu ge- nieſſen, womit die Liebe in ſolchen Faͤllen gleich bey der Hand iſt. Zu ihrem Gluͤcke aber begegnete ſie ihrem Herrn in dem Vorzimmer, der ihre gluͤende Wangen bemerkte, und ſahe, wie ſie eine bittere Thraͤne mit allen fuͤnfen aus den Augen rieb. Nun Liſette, redete er ſie an … Aber die gnaͤdige Frau, welche ſeine Tritte bereits vernommen hatte, und an der Thuͤr horchte, kam ihm hier ganz feyer- lich in den Weg, und noͤthigte ihn, ſich von ihr ſelbſt die ſchreckliche Begegnung, welche ſie von dem dummen Ge- ſichte, das aͤuſſerlich einer Heiligen gliche, im Herzen aber voll Boßheit waͤre, erzaͤhlen zu laſſen. Nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/60
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/60>, abgerufen am 31.10.2024.