Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.ein angesetzter Gewissensrath seyn? geldsrecht; so bekomme ich meine viertausend Thaler, diemir von Gott und Rechtswegen zukommen, richtig heraus. Klage ich aber aus der Verschreibung: so bekomme ich ge- rade nichts. Niemand weiß daß ich die Verschreibung habe; ich habe auch dem Verstorbnen nie eine Quittung auf mein Erbgeld ertheilt, folglich kann ich ohne Gefahr das erste thun. Eine andre Frage aber ist es, ob ich mit guten Gewissen die Verschreibung, welche ich einmahl an- genommen habe, zurück halten, und so nach die Gläubiger, welche mir vorgehen würden, um das Ihrige bringen könne! Ich, mein selbst erwählter Beichtvater, und mein selbst In dieser mißlichen Lage befürchte ich eine späte Reue. Amalia. Sollte Mös. patr Phant. III. Th. E
ein angeſetzter Gewiſſensrath ſeyn? geldsrecht; ſo bekomme ich meine viertauſend Thaler, diemir von Gott und Rechtswegen zukommen, richtig heraus. Klage ich aber aus der Verſchreibung: ſo bekomme ich ge- rade nichts. Niemand weiß daß ich die Verſchreibung habe; ich habe auch dem Verſtorbnen nie eine Quittung auf mein Erbgeld ertheilt, folglich kann ich ohne Gefahr das erſte thun. Eine andre Frage aber iſt es, ob ich mit guten Gewiſſen die Verſchreibung, welche ich einmahl an- genommen habe, zuruͤck halten, und ſo nach die Glaͤubiger, welche mir vorgehen wuͤrden, um das Ihrige bringen koͤnne! Ich, mein ſelbſt erwaͤhlter Beichtvater, und mein ſelbſt In dieſer mißlichen Lage befuͤrchte ich eine ſpaͤte Reue. Amalia. Sollte Moͤſ. patr Phant. III. Th. E
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ein angeſetzter Gewiſſensrath ſeyn?
geldsrecht; ſo bekomme ich meine viertauſend Thaler, die
mir von Gott und Rechtswegen zukommen, richtig heraus.
Klage ich aber aus der Verſchreibung: ſo bekomme ich ge-
rade nichts. Niemand weiß daß ich die Verſchreibung
habe; ich habe auch dem Verſtorbnen nie eine Quittung
auf mein Erbgeld ertheilt, folglich kann ich ohne Gefahr
das erſte thun. Eine andre Frage aber iſt es, ob ich mit
guten Gewiſſen die Verſchreibung, welche ich einmahl an-
genommen habe, zuruͤck halten, und ſo nach die Glaͤubiger,
welche mir vorgehen wuͤrden, um das Ihrige bringen koͤnne!
Ich, mein ſelbſt erwaͤhlter Beichtvater, und mein ſelbſt
erwaͤhlter Conſulent, ſind einſtimmig der Meynung, daß ich
es thun koͤnne, da meine Forderung die gerechteſte von der
Welt iſt, und ich ſchlechterdings an den Bettelſtab gera-
then wuͤrde, wenn ich mit der bloßen Verſchreibung her-
ausgienge. Ein andrer aber, der vielleicht ein gegenthei-
liges Intereſſe hat, behauptet, ich habe mein Erbrecht durch
die Annehmung einer Verſchreibung einmal aufgegeben, und
koͤnne alſo daſſelbe zum Schaden andrer mit gutem Gewiſſen
nicht weiter geltend machen.
In dieſer mißlichen Lage befuͤrchte ich eine ſpaͤte Reue.
Ich denke die Noth, die ſtarke Empfindung meines Ver-
luſtes, und das Mitleid meiner zu Rath gezogenen Freunde
koͤnne mich in dieſem Augenblicke verblendet und mein Ge-
wiſſen unrichtig geſtimmt haben; aber ich denke auch, wenn
ich nun mich und meine Kinder um alles das Ihrige gebracht
habe, mich koͤnnte einſt der Vorwurf treffen, daß ich ſie
durch mein Verſchulden ins Ungluͤck geſtuͤrzt haͤtte. Wer
iſt nun der mir hier einen auf alle Faͤlle ſichern Rath er-
theilet, und wohin ſoll ich mich wenden?
Amalia.
Sollte
Moͤſ. patr Phant. III. Th. E
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