Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.sind also nicht zu verachten. Uns gesorgt, daß sie uns eine bessere Gegenwehr, als Bit-ten und Flehen gegeben haben! Was würde aus mir ge- worden seyn, wenn ich meinem Manne, welchem die un- glückliche Spielsucht täglich einen Schritt seinem Verderben näher führt, immer mit einem: ich will nicht, hätte be- gegnen müssen? oder wenn ich in dem Augenblicke, wo ihm die Ehre lieber als seine Frau und Kinder war, ihn mit Gründen und Bitten hätte beruhigen wollen? Ver- muthlich hätte er mir das erstere nie vergeben; und so wä- re der Hausfriede auf ewig gebrochen worden; und über meine Vorstellungen hätte er ganz gewiß gesiegt. Da ich die Nacht über nicht schlafen konnte: so dachte hen
ſind alſo nicht zu verachten. Uns geſorgt, daß ſie uns eine beſſere Gegenwehr, als Bit-ten und Flehen gegeben haben! Was wuͤrde aus mir ge- worden ſeyn, wenn ich meinem Manne, welchem die un- gluͤckliche Spielſucht taͤglich einen Schritt ſeinem Verderben naͤher fuͤhrt, immer mit einem: ich will nicht, haͤtte be- gegnen muͤſſen? oder wenn ich in dem Augenblicke, wo ihm die Ehre lieber als ſeine Frau und Kinder war, ihn mit Gruͤnden und Bitten haͤtte beruhigen wollen? Ver- muthlich haͤtte er mir das erſtere nie vergeben; und ſo waͤ- re der Hausfriede auf ewig gebrochen worden; und uͤber meine Vorſtellungen haͤtte er ganz gewiß geſiegt. Da ich die Nacht uͤber nicht ſchlafen konnte: ſo dachte hen
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ſind alſo nicht zu verachten.
Uns geſorgt, daß ſie uns eine beſſere Gegenwehr, als Bit-
ten und Flehen gegeben haben! Was wuͤrde aus mir ge-
worden ſeyn, wenn ich meinem Manne, welchem die un-
gluͤckliche Spielſucht taͤglich einen Schritt ſeinem Verderben
naͤher fuͤhrt, immer mit einem: ich will nicht, haͤtte be-
gegnen muͤſſen? oder wenn ich in dem Augenblicke, wo
ihm die Ehre lieber als ſeine Frau und Kinder war, ihn
mit Gruͤnden und Bitten haͤtte beruhigen wollen? Ver-
muthlich haͤtte er mir das erſtere nie vergeben; und ſo waͤ-
re der Hausfriede auf ewig gebrochen worden; und uͤber
meine Vorſtellungen haͤtte er ganz gewiß geſiegt.
Da ich die Nacht uͤber nicht ſchlafen konnte: ſo dachte
ich bey mir ſelbſt, daß unter Eheleuten, wie auch unter
Eltern und Kindern billig ganz eigne Rechte in allen Faͤl-
len ſeyn muͤßten, wo man entweder aus Ehrfurcht oder Lie-
be nichts verſagen duͤrfte; und nachher habe ich von einem
Rechtsgelehrten gehoͤrt, daß kluͤgere Leute, als ich, dieſe na-
tuͤrliche Forderung laͤngſt eingeſehen, und nicht allein aus
dieſem Grunde den Eheleuten alle unwiederruflichen Schen-
kungen, ſo bald es auf etwas Erhebliches ankaͤme, verbo-
ten, ſondern auch alle Contrakte der Eltern mit ihren Kin-
dern, ſo lange dieſe ſich in ihrer Gewalt befinden, fuͤr un-
verbindlich erklaͤret hatten. Jede Schmeicheley wuͤrde Gift,
jede Weigerung Gefahr, und die edle haͤusliche Zufrieden-
heit in tauſend Faͤllen geſtoͤret ſeyn, wenn die Geſetze hier-
in nicht fuͤr den ſchwaͤchern Theil geſorget haͤtten. Mit
Recht, ſetzte der Rechtsgelehrte hinzu, iſt in vielen Staa-
ten den Eheleuten unterſchiedener Religion, verboten, waͤh-
rend der Ehe die geſetzmaͤßige Erziehung ihrer Kinder in
der einen oder andern Religion, woruͤber ſie ſonſt vor der
Ehe ſich nach ihrem Gefallen vereinigen koͤnnen, zu veraͤn-
dern, weil der Haß und die Uneinigkeit, ſo hieraus entſte-
hen
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