Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
Wer nur mitlachen könnte! Jch denke mir so eine Laune als möglich. Wenn ich noch einen wüßte mit dem das Schicksal auch so, wie die Katze mit der Maus gespielt hätte, ich wollte mich und ihn todt lachen! O Jhr mach' ich ja keine Vorwürfe: was weiß sie davon, was in mir vorgeht? sie lebt ihren Grundsätzen treu, -- Grundsätze die ich ja schon so lange bei einem weiblichen Wesen gesucht habe, und jetzt -- machen sie mich sinnlos. -- Jch stand wie einer, neben dem der Blitz eingeschlagen hat -- lange war ich keiner Silbe fähig -- endlich kam das Bange: Du hast einen Verlobten, und mich liebtest Du nicht? zitternd hervor. -- O ja, sagte sie, ich liebe dich, und
Wer nur mitlachen koͤnnte! Jch denke mir so eine Laune als moͤglich. Wenn ich noch einen wuͤßte mit dem das Schicksal auch so, wie die Katze mit der Maus gespielt haͤtte, ich wollte mich und ihn todt lachen! O Jhr mach' ich ja keine Vorwuͤrfe: was weiß sie davon, was in mir vorgeht? sie lebt ihren Grundsaͤtzen treu, — Grundsaͤtze die ich ja schon so lange bei einem weiblichen Wesen gesucht habe, und jetzt — machen sie mich sinnlos. — Jch stand wie einer, neben dem der Blitz eingeschlagen hat — lange war ich keiner Silbe faͤhig — endlich kam das Bange: Du hast einen Verlobten, und mich liebtest Du nicht? zitternd hervor. — O ja, sagte sie, ich liebe dich, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0100" n="100"/><lb/> Hm! Man erzaͤhlt von einem Kaiser, der ein majestaͤtisches Vergnuͤgen daran fand, arme Leute auszuhungern, die er dann mit einemmale an eine, mit koͤstlichen Gerichten besetzte Tafel fuͤhren ließ. Reizende Geruͤche von allerley Speisen dufteten in ihre Nasen, ihre Eßlust stieg aufs hoͤchste, sie fielen heißhungrig uͤber die Speisen her, und fanden sie — kuͤnstlich von Gyps gebildet. Der kaiserliche Teufel lachte, und fand den Spas allerliebst, und die Bettler fielen ohnmaͤchtig zu Boden, und das Lustspiel war aus. — O ihr Leute! hattet ihr denn nicht mehr Tugend, als das Leben aus lauter Appetit zu verlieren? Arme Schufte! Es war ja nur zum Spas.</p> <p>Wer nur mitlachen koͤnnte! Jch denke mir so eine Laune als moͤglich. Wenn ich noch einen wuͤßte mit dem das Schicksal auch so, wie die Katze mit der Maus gespielt haͤtte, ich wollte mich und ihn todt lachen!</p> <p>O <hi rendition="#b">Jhr</hi> mach' ich ja keine Vorwuͤrfe: was weiß sie davon, was in mir vorgeht? sie lebt ihren Grundsaͤtzen treu, — Grundsaͤtze die ich ja schon so lange bei einem weiblichen Wesen gesucht habe, und jetzt — machen sie mich sinnlos. —</p> <p>Jch stand wie einer, neben dem der Blitz eingeschlagen hat — lange war ich keiner Silbe faͤhig — endlich kam das Bange: Du hast einen Verlobten, und mich liebtest Du nicht? zitternd hervor. — O ja, sagte sie, ich liebe dich, und<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0100]
Hm! Man erzaͤhlt von einem Kaiser, der ein majestaͤtisches Vergnuͤgen daran fand, arme Leute auszuhungern, die er dann mit einemmale an eine, mit koͤstlichen Gerichten besetzte Tafel fuͤhren ließ. Reizende Geruͤche von allerley Speisen dufteten in ihre Nasen, ihre Eßlust stieg aufs hoͤchste, sie fielen heißhungrig uͤber die Speisen her, und fanden sie — kuͤnstlich von Gyps gebildet. Der kaiserliche Teufel lachte, und fand den Spas allerliebst, und die Bettler fielen ohnmaͤchtig zu Boden, und das Lustspiel war aus. — O ihr Leute! hattet ihr denn nicht mehr Tugend, als das Leben aus lauter Appetit zu verlieren? Arme Schufte! Es war ja nur zum Spas.
Wer nur mitlachen koͤnnte! Jch denke mir so eine Laune als moͤglich. Wenn ich noch einen wuͤßte mit dem das Schicksal auch so, wie die Katze mit der Maus gespielt haͤtte, ich wollte mich und ihn todt lachen!
O Jhr mach' ich ja keine Vorwuͤrfe: was weiß sie davon, was in mir vorgeht? sie lebt ihren Grundsaͤtzen treu, — Grundsaͤtze die ich ja schon so lange bei einem weiblichen Wesen gesucht habe, und jetzt — machen sie mich sinnlos. —
Jch stand wie einer, neben dem der Blitz eingeschlagen hat — lange war ich keiner Silbe faͤhig — endlich kam das Bange: Du hast einen Verlobten, und mich liebtest Du nicht? zitternd hervor. — O ja, sagte sie, ich liebe dich, und
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/100>, abgerufen am 14.06.2024. |