Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.
am 17. August. Nein, für den wahrhaft Unglücklichen giebts keinen Trost! Oder wollt ihr mich mit eurem: Es ist nun einmal nicht anders! trösten? Das ist dem müden Waller hienieden, was dem Ohnmächtigen ein Glas Wasser ins Gesicht gegossen. Er schreckt auf, und -- lebt nun freilich fort, weil er muß. Muß! -- Das ist ein unerträgliches empörendes Wort. Muß! Wenn ich nun auch müßte, müßte dieses mein quaalvolles Jch mit hinüberschleppen, durch alle Ewigkeit immer nur Jch seyn unzerstörbar -- dieser meiner Existenz schlechterdings nicht entfliehen könnte? -- Höllische Angst! Wer schloß mich in diesen fürchterlichen Zirkel? -- Sey es wie es will, ich will versuchen durchzubrechen. Und -- wenn es nur dies wäre, nur diese eine tapfere Entschließung, und ich trat dann mit einemmale heraus aus meinem Kerker, in blumige Fluren einer bessern Welt! -- Fänd meine Marie und meine Mutter meiner harrend, lächelnd, daß ich nun die kleine Angst dieses Lebens überstanden hätte? -- Ja ich komme, ich komme!
am 17. August. Nein, fuͤr den wahrhaft Ungluͤcklichen giebts keinen Trost! Oder wollt ihr mich mit eurem: Es ist nun einmal nicht anders! troͤsten? Das ist dem muͤden Waller hienieden, was dem Ohnmaͤchtigen ein Glas Wasser ins Gesicht gegossen. Er schreckt auf, und — lebt nun freilich fort, weil er muß. Muß! — Das ist ein unertraͤgliches empoͤrendes Wort. Muß! Wenn ich nun auch muͤßte, muͤßte dieses mein quaalvolles Jch mit hinuͤberschleppen, durch alle Ewigkeit immer nur Jch seyn unzerstoͤrbar — dieser meiner Existenz schlechterdings nicht entfliehen koͤnnte? — Hoͤllische Angst! Wer schloß mich in diesen fuͤrchterlichen Zirkel? — Sey es wie es will, ich will versuchen durchzubrechen. Und — wenn es nur dies waͤre, nur diese eine tapfere Entschließung, und ich trat dann mit einemmale heraus aus meinem Kerker, in blumige Fluren einer bessern Welt! — Faͤnd meine Marie und meine Mutter meiner harrend, laͤchelnd, daß ich nun die kleine Angst dieses Lebens uͤberstanden haͤtte? — Ja ich komme, ich komme! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0103" n="103"/><lb/> ein Weg, ein finstrer, unbekannter Weg! — Jch gehe! —</p> </div> <div n="4"> <opener> <dateline> <hi rendition="#right">am 17. August.</hi> </dateline> </opener> <p>Nein, fuͤr den wahrhaft Ungluͤcklichen giebts keinen Trost! Oder wollt ihr mich mit eurem: <hi rendition="#b">Es ist nun einmal nicht anders!</hi> troͤsten? Das ist dem muͤden Waller hienieden, was dem Ohnmaͤchtigen ein Glas Wasser ins Gesicht gegossen. Er schreckt auf, und — lebt nun freilich fort, weil er muß. Muß! — Das ist ein unertraͤgliches empoͤrendes Wort. Muß! Wenn ich nun auch muͤßte, muͤßte dieses mein quaalvolles <hi rendition="#b">Jch</hi> mit hinuͤberschleppen, durch alle Ewigkeit immer nur <hi rendition="#b">Jch</hi> seyn unzerstoͤrbar — dieser meiner Existenz schlechterdings nicht entfliehen <choice><corr>koͤnnte?</corr><sic>konnte?</sic></choice> — Hoͤllische Angst! Wer schloß mich in diesen fuͤrchterlichen Zirkel? —</p> <p>Sey es wie es will, ich will versuchen durchzubrechen. Und — wenn es nur dies waͤre, nur diese eine tapfere Entschließung, und ich trat dann mit einemmale heraus aus meinem Kerker, in blumige Fluren einer bessern Welt! — Faͤnd meine Marie und meine Mutter meiner harrend, laͤchelnd, daß ich nun die kleine Angst dieses Lebens uͤberstanden haͤtte? — Ja ich komme, ich komme!</p> </div><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0103]
ein Weg, ein finstrer, unbekannter Weg! — Jch gehe! —
am 17. August. Nein, fuͤr den wahrhaft Ungluͤcklichen giebts keinen Trost! Oder wollt ihr mich mit eurem: Es ist nun einmal nicht anders! troͤsten? Das ist dem muͤden Waller hienieden, was dem Ohnmaͤchtigen ein Glas Wasser ins Gesicht gegossen. Er schreckt auf, und — lebt nun freilich fort, weil er muß. Muß! — Das ist ein unertraͤgliches empoͤrendes Wort. Muß! Wenn ich nun auch muͤßte, muͤßte dieses mein quaalvolles Jch mit hinuͤberschleppen, durch alle Ewigkeit immer nur Jch seyn unzerstoͤrbar — dieser meiner Existenz schlechterdings nicht entfliehen koͤnnte? — Hoͤllische Angst! Wer schloß mich in diesen fuͤrchterlichen Zirkel? —
Sey es wie es will, ich will versuchen durchzubrechen. Und — wenn es nur dies waͤre, nur diese eine tapfere Entschließung, und ich trat dann mit einemmale heraus aus meinem Kerker, in blumige Fluren einer bessern Welt! — Faͤnd meine Marie und meine Mutter meiner harrend, laͤchelnd, daß ich nun die kleine Angst dieses Lebens uͤberstanden haͤtte? — Ja ich komme, ich komme!
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/103>, abgerufen am 14.06.2024. |