Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

niß der Eltern des Kindes, welche bezeugen, daß
er immer still und gottesfürchtig gewesen sey, auch
das Kind viele Gebete und schöne Sprüche aus
der Bibel
gelehret habe.

Eben diese große Liebe war es, die ihn eini-
gemal abhielt, Hand an das Kind zu legen, bis
ihn endlich mit einemmal der Wahnsinn in einem
unglücklichen Augenblicke überwältigte, und er das-
selbe in einem Anfall von rasender Wuth ermor-
dete; nachdem er freilich vorher die Stubenthüre
zugeschlossen hatte, um nicht gestört zu werden, und
nachher das Kind in die Kammer trug, welches
den Anschein hätte, als habe er die That verber-
gen wollen, wenn er nicht sogleich selbst hingegan-
gen wäre, um sich von freien Stücken anzugeben.

Dieser Seybell hatte gemeiniglich ein rothes
Gesicht, und einen scheuen, etwas starren Blick.
Er war achtunddreißig Jahr alt, da er die That
beging. Auf den Beweiß des Herrn Doctor Pihl,
daß er die That im Wahnsinn begangen, wurde er
nicht am Leben gestraft. Sein schon verstorb-
ner Bruder ist ebenfalls einfältig und tiefsin-
nig gewesen.




VII. Para-

niß der Eltern des Kindes, welche bezeugen, daß
er immer still und gottesfuͤrchtig gewesen sey, auch
das Kind viele Gebete und schoͤne Spruͤche aus
der Bibel
gelehret habe.

Eben diese große Liebe war es, die ihn eini-
gemal abhielt, Hand an das Kind zu legen, bis
ihn endlich mit einemmal der Wahnsinn in einem
ungluͤcklichen Augenblicke uͤberwaͤltigte, und er das-
selbe in einem Anfall von rasender Wuth ermor-
dete; nachdem er freilich vorher die Stubenthuͤre
zugeschlossen hatte, um nicht gestoͤrt zu werden, und
nachher das Kind in die Kammer trug, welches
den Anschein haͤtte, als habe er die That verber-
gen wollen, wenn er nicht sogleich selbst hingegan-
gen waͤre, um sich von freien Stuͤcken anzugeben.

Dieser Seybell hatte gemeiniglich ein rothes
Gesicht, und einen scheuen, etwas starren Blick.
Er war achtunddreißig Jahr alt, da er die That
beging. Auf den Beweiß des Herrn Doctor Pihl,
daß er die That im Wahnsinn begangen, wurde er
nicht am Leben gestraft. Sein schon verstorb-
ner Bruder ist ebenfalls einfaͤltig und tiefsin-
nig gewesen.




VII. Para-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0033" n="29"/>
niß der Eltern des Kindes, welche bezeugen, daß<lb/>
er
                   immer <hi rendition="#b">still und gottesfu&#x0364;rchtig</hi> gewesen sey,
                   auch<lb/>
das Kind viele <hi rendition="#b">Gebete</hi> und <hi rendition="#b">scho&#x0364;ne Spru&#x0364;che aus<lb/>
der Bibel</hi> gelehret habe.</p><lb/>
          <p>Eben diese <hi rendition="#b">große Liebe</hi> war es, die ihn eini-<lb/>
gemal
                   abhielt, Hand an das Kind zu legen, bis<lb/>
ihn endlich mit einemmal der Wahnsinn
                   in einem<lb/>
unglu&#x0364;cklichen Augenblicke u&#x0364;berwa&#x0364;ltigte, und
                   er das-<lb/>
selbe in einem Anfall von rasender Wuth ermor-<lb/>
dete; nachdem er
                   freilich vorher die Stubenthu&#x0364;re<lb/>
zugeschlossen hatte, um nicht
                   gesto&#x0364;rt zu werden, und<lb/>
nachher das Kind in die Kammer trug,
                   welches<lb/>
den Anschein ha&#x0364;tte, als habe er die That verber-<lb/>
gen
                   wollen, wenn er nicht sogleich selbst hingegan-<lb/>
gen wa&#x0364;re, um sich von
                   freien Stu&#x0364;cken anzugeben.</p><lb/>
          <p>Dieser Seybell hatte gemeiniglich ein rothes<lb/>
Gesicht, und einen scheuen, etwas
                   starren Blick.<lb/>
Er war achtunddreißig Jahr alt, da er die That<lb/>
beging. Auf
                   den Beweiß des Herrn Doctor Pihl,<lb/>
daß er die That im Wahnsinn begangen, wurde
                   er<lb/>
nicht am Leben gestraft. <hi rendition="#b">Sein schon verstorb-<lb/>
ner
                      Bruder ist ebenfalls einfa&#x0364;ltig und tiefsin-<lb/>
nig gewesen.</hi></p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="catch">VII. Para-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0033] niß der Eltern des Kindes, welche bezeugen, daß er immer still und gottesfuͤrchtig gewesen sey, auch das Kind viele Gebete und schoͤne Spruͤche aus der Bibel gelehret habe. Eben diese große Liebe war es, die ihn eini- gemal abhielt, Hand an das Kind zu legen, bis ihn endlich mit einemmal der Wahnsinn in einem ungluͤcklichen Augenblicke uͤberwaͤltigte, und er das- selbe in einem Anfall von rasender Wuth ermor- dete; nachdem er freilich vorher die Stubenthuͤre zugeschlossen hatte, um nicht gestoͤrt zu werden, und nachher das Kind in die Kammer trug, welches den Anschein haͤtte, als habe er die That verber- gen wollen, wenn er nicht sogleich selbst hingegan- gen waͤre, um sich von freien Stuͤcken anzugeben. Dieser Seybell hatte gemeiniglich ein rothes Gesicht, und einen scheuen, etwas starren Blick. Er war achtunddreißig Jahr alt, da er die That beging. Auf den Beweiß des Herrn Doctor Pihl, daß er die That im Wahnsinn begangen, wurde er nicht am Leben gestraft. Sein schon verstorb- ner Bruder ist ebenfalls einfaͤltig und tiefsin- nig gewesen. VII. Para-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2013-06-06T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/33
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/33>, abgerufen am 10.11.2024.