Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0061" n="61"/><lb/> den, in seinem Gluͤcke hinderlich zu seyn, ihm den Genuß desselben zu verbittern, seine Eigenschaften zu verkleinern, seine Freunde gegen ihn einzunehmen u.s.w. ob dies gleich eigentlich mehr die Natur der <hi rendition="#b">Mißgunst</hi> ist. Der eigentliche Neid bey edlen Menschen geht gewiß so weit nicht; aber demohnerachtet laͤßt sichs selbst bey einem edlen Charakter wohl denken, daß er eine gewisse <hi rendition="#b">uͤberraschende</hi> Freude empfindet, wenn der Beneidete Hindernisse seines Gluͤcks antrift. Diese Freude ist eine<hi rendition="#b">psychologische Folge</hi> der Leidenschaft, uͤber die kein Mensch in dem Augenblick der Ueberraschung Herr seyn kann. Sie scheint uns gleichsam eine Genugthuung fuͤr das Mißvergnuͤgen zu seyn, welches wir uͤber die Vorzuͤge eines andern empfanden, und wir koͤnnen uns ihr in gewissen Augenblicken, wenn wir nicht uͤber unsere Zunge und Ausdruͤcke wachen, so sehr von ihr hinreissen lassen, daß wir in Gefahr gerathen, von andern fuͤr <hi rendition="#b">sehr schlecht</hi> gehalten zu werden, so rein auch unser Charakter seyn mag. Sonst treffen wir hierbey einen frappanten Unterschied in dem Benehmen eines verstaͤndigen, gebildeten und moralischen Mannes, und eines rohen, ungebildeten und unmoralischen an. Jener wird seinen Neid zu verbergen suchen, wird ihn nicht durch Verlaͤumdungen und Verkleinerungen des andern an den Tag legen, und selbst Mitleiden mit dem Beneideten haben, wenn er ungluͤcklich werden sollte; dieser wird mit einer triumphirenden Miene<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0061]
den, in seinem Gluͤcke hinderlich zu seyn, ihm den Genuß desselben zu verbittern, seine Eigenschaften zu verkleinern, seine Freunde gegen ihn einzunehmen u.s.w. ob dies gleich eigentlich mehr die Natur der Mißgunst ist. Der eigentliche Neid bey edlen Menschen geht gewiß so weit nicht; aber demohnerachtet laͤßt sichs selbst bey einem edlen Charakter wohl denken, daß er eine gewisse uͤberraschende Freude empfindet, wenn der Beneidete Hindernisse seines Gluͤcks antrift. Diese Freude ist einepsychologische Folge der Leidenschaft, uͤber die kein Mensch in dem Augenblick der Ueberraschung Herr seyn kann. Sie scheint uns gleichsam eine Genugthuung fuͤr das Mißvergnuͤgen zu seyn, welches wir uͤber die Vorzuͤge eines andern empfanden, und wir koͤnnen uns ihr in gewissen Augenblicken, wenn wir nicht uͤber unsere Zunge und Ausdruͤcke wachen, so sehr von ihr hinreissen lassen, daß wir in Gefahr gerathen, von andern fuͤr sehr schlecht gehalten zu werden, so rein auch unser Charakter seyn mag. Sonst treffen wir hierbey einen frappanten Unterschied in dem Benehmen eines verstaͤndigen, gebildeten und moralischen Mannes, und eines rohen, ungebildeten und unmoralischen an. Jener wird seinen Neid zu verbergen suchen, wird ihn nicht durch Verlaͤumdungen und Verkleinerungen des andern an den Tag legen, und selbst Mitleiden mit dem Beneideten haben, wenn er ungluͤcklich werden sollte; dieser wird mit einer triumphirenden Miene
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