Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
Ein Schüler, wie Clauderus erzählet, ist im Schlafe aufgestanden, hat sein Exercitium verfertiget, und sich nachher wieder zur Ruhe begeben. Jm Jahre 1593 den 24sten März ist nicht weit von Helmstädt ein Nachtwanderer gewesen, wie Horst berichtet, welcher aus dem Bette aufgestanden, die Treppe hinuntergestiegen, und einen weiten Weg durch den Hof gegangen, darnach in die Küche gekommen, und in den Brunnen gestiegen, hat die Hände und Füße hart und fest eingesetzt, ist auch ganz nackend gewesen, bis aufs Hemde; ist doch nicht ins Wasser kommen, ausgenommen, daß er den Saum am Hemde ein wenig benetzet, und als derselbe erwachet, vielleicht wegen des kalten Wassers, hat er geschrien: O mein Bein, hilft mir. Die andern im Hause, als sie die Stimme hören, suchen und finden ihn, daß er sich in den Brunnen mit Händen und Füßen anhält, und setzten ihm die Leiter mit einem Licht hinein. Dieweil er aber auf diese Weise nicht herauskommen können, lassen sie ihm den Eimer hinunter; da steiget er mit dem rechten Fuße hinein, und mit der rechten Hand hält er die Ketten, und haben ihn also herausgebracht; welches glücklich zugegangen, aber er ist sehr erfroren gewesen und ganz erstarret.
Ein Schuͤler, wie Clauderus erzaͤhlet, ist im Schlafe aufgestanden, hat sein Exercitium verfertiget, und sich nachher wieder zur Ruhe begeben. Jm Jahre 1593 den 24sten Maͤrz ist nicht weit von Helmstaͤdt ein Nachtwanderer gewesen, wie Horst berichtet, welcher aus dem Bette aufgestanden, die Treppe hinuntergestiegen, und einen weiten Weg durch den Hof gegangen, darnach in die Kuͤche gekommen, und in den Brunnen gestiegen, hat die Haͤnde und Fuͤße hart und fest eingesetzt, ist auch ganz nackend gewesen, bis aufs Hemde; ist doch nicht ins Wasser kommen, ausgenommen, daß er den Saum am Hemde ein wenig benetzet, und als derselbe erwachet, vielleicht wegen des kalten Wassers, hat er geschrien: O mein Bein, hilft mir. Die andern im Hause, als sie die Stimme hoͤren, suchen und finden ihn, daß er sich in den Brunnen mit Haͤnden und Fuͤßen anhaͤlt, und setzten ihm die Leiter mit einem Licht hinein. Dieweil er aber auf diese Weise nicht herauskommen koͤnnen, lassen sie ihm den Eimer hinunter; da steiget er mit dem rechten Fuße hinein, und mit der rechten Hand haͤlt er die Ketten, und haben ihn also herausgebracht; welches gluͤcklich zugegangen, aber er ist sehr erfroren gewesen und ganz erstarret. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0124" n="122"/><lb/> davon, sondern sagte, daß ihm getraͤumet, der Bruder sey mit der Ruthe zu ihm kommen, und er habe sich mit der Scheere vertheidiget.</p> <p>Ein Schuͤler, wie <hi rendition="#b">Clauderus</hi> erzaͤhlet, ist im Schlafe aufgestanden, hat sein Exercitium verfertiget, und sich nachher wieder zur Ruhe begeben.</p> <p>Jm Jahre 1593 den 24sten Maͤrz ist nicht weit von Helmstaͤdt ein Nachtwanderer gewesen, wie <hi rendition="#b">Horst</hi> berichtet, welcher aus dem Bette aufgestanden, die Treppe hinuntergestiegen, und einen weiten Weg durch den Hof gegangen, darnach in die Kuͤche gekommen, und in den Brunnen gestiegen, hat die Haͤnde und Fuͤße hart und fest eingesetzt, ist auch ganz nackend gewesen, bis aufs Hemde; ist doch nicht ins Wasser kommen, ausgenommen, daß er den Saum am Hemde ein wenig benetzet, und als derselbe erwachet, vielleicht wegen des kalten Wassers, hat er geschrien: O mein Bein, hilft mir. Die andern im Hause, als sie die Stimme hoͤren, suchen und finden ihn, daß er sich in den Brunnen mit Haͤnden und Fuͤßen anhaͤlt, und setzten ihm die Leiter mit einem Licht hinein. Dieweil er aber auf diese Weise nicht herauskommen koͤnnen, lassen sie ihm den Eimer hinunter; da steiget er mit dem rechten Fuße hinein, und mit der rechten Hand haͤlt er die Ketten, und haben ihn also herausgebracht; welches gluͤcklich zugegangen, aber er ist sehr erfroren gewesen und ganz erstarret.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0124]
davon, sondern sagte, daß ihm getraͤumet, der Bruder sey mit der Ruthe zu ihm kommen, und er habe sich mit der Scheere vertheidiget.
Ein Schuͤler, wie Clauderus erzaͤhlet, ist im Schlafe aufgestanden, hat sein Exercitium verfertiget, und sich nachher wieder zur Ruhe begeben.
Jm Jahre 1593 den 24sten Maͤrz ist nicht weit von Helmstaͤdt ein Nachtwanderer gewesen, wie Horst berichtet, welcher aus dem Bette aufgestanden, die Treppe hinuntergestiegen, und einen weiten Weg durch den Hof gegangen, darnach in die Kuͤche gekommen, und in den Brunnen gestiegen, hat die Haͤnde und Fuͤße hart und fest eingesetzt, ist auch ganz nackend gewesen, bis aufs Hemde; ist doch nicht ins Wasser kommen, ausgenommen, daß er den Saum am Hemde ein wenig benetzet, und als derselbe erwachet, vielleicht wegen des kalten Wassers, hat er geschrien: O mein Bein, hilft mir. Die andern im Hause, als sie die Stimme hoͤren, suchen und finden ihn, daß er sich in den Brunnen mit Haͤnden und Fuͤßen anhaͤlt, und setzten ihm die Leiter mit einem Licht hinein. Dieweil er aber auf diese Weise nicht herauskommen koͤnnen, lassen sie ihm den Eimer hinunter; da steiget er mit dem rechten Fuße hinein, und mit der rechten Hand haͤlt er die Ketten, und haben ihn also herausgebracht; welches gluͤcklich zugegangen, aber er ist sehr erfroren gewesen und ganz erstarret.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/124 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/124>, abgerufen am 13.06.2024. |