Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Reiser suchte abzudingen, mußte aber zugleich gestehen, daß er keinen Heller Geld bei sich habe. Um nun aber den Eigenthümer des Gartens wegen der geraubten Pflaume einigermaßen zu befriedigen, mußte er ihm sein einziges gutes Schnupftuch aus der Tasche geben, dessen Verlust ihm sehr Leid that.

Als er traurig wegging, sah er, nachdem er nur einige Schritte gethan hatte, ein schönes Einlegemesser vor sich auf der Erde liegen; er hob es geschwind auf, und rief den Gärtner wieder zurück, dem er einen Tausch antrug, ob er nicht für das gefundene Messer ihm sein Schnupftuch zurück geben wolle?

Wie erstaunte Reiser, als nun der Gärtner, welcher vorher so grob gegen ihn gewesen war, ihm auf einmal um den Hals fiel und küßte, und sich seine Freundschaft ausbat; weil Reiser nothwendig ein Günstling der Vorsehung seyn müßte, da sie ihn grade das Messer habe finden lassen, welches niemand anders als der Gärtner selbst verlohren hatte; der nun Reisern sein Schnupftuch mit Freuden wiedergab, und ihm zugleich versicherte, daß sein Garten ihm zu jeder Zeit offen stünde, um so viel Pflaumen, wie er wollte, zu pflücken; und daß er ihm in jeder Sache dienen würde, wo er nur könnte; denn ein so außerordentlicher Fall sey ihm noch nicht vorgekommen.



Reiser suchte abzudingen, mußte aber zugleich gestehen, daß er keinen Heller Geld bei sich habe. Um nun aber den Eigenthuͤmer des Gartens wegen der geraubten Pflaume einigermaßen zu befriedigen, mußte er ihm sein einziges gutes Schnupftuch aus der Tasche geben, dessen Verlust ihm sehr Leid that.

Als er traurig wegging, sah er, nachdem er nur einige Schritte gethan hatte, ein schoͤnes Einlegemesser vor sich auf der Erde liegen; er hob es geschwind auf, und rief den Gaͤrtner wieder zuruͤck, dem er einen Tausch antrug, ob er nicht fuͤr das gefundene Messer ihm sein Schnupftuch zuruͤck geben wolle?

Wie erstaunte Reiser, als nun der Gaͤrtner, welcher vorher so grob gegen ihn gewesen war, ihm auf einmal um den Hals fiel und kuͤßte, und sich seine Freundschaft ausbat; weil Reiser nothwendig ein Guͤnstling der Vorsehung seyn muͤßte, da sie ihn grade das Messer habe finden lassen, welches niemand anders als der Gaͤrtner selbst verlohren hatte; der nun Reisern sein Schnupftuch mit Freuden wiedergab, und ihm zugleich versicherte, daß sein Garten ihm zu jeder Zeit offen stuͤnde, um so viel Pflaumen, wie er wollte, zu pfluͤcken; und daß er ihm in jeder Sache dienen wuͤrde, wo er nur koͤnnte; denn ein so außerordentlicher Fall sey ihm noch nicht vorgekommen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0025" n="25"/><lb/>
            <p>Reiser suchte abzudingen, mußte aber zugleich gestehen, daß er keinen Heller                         Geld bei sich habe. Um nun aber den Eigenthu&#x0364;mer des Gartens wegen der                         geraubten Pflaume einigermaßen zu befriedigen, mußte er ihm sein einziges                         gutes Schnupftuch aus der Tasche geben, dessen Verlust ihm sehr Leid that. </p>
            <p>Als er traurig wegging, sah er, nachdem er nur einige Schritte gethan hatte,                         ein scho&#x0364;nes Einlegemesser vor sich auf der Erde liegen; er hob es geschwind                         auf, und rief den Ga&#x0364;rtner wieder zuru&#x0364;ck, dem er einen Tausch antrug, ob er                         nicht fu&#x0364;r das gefundene Messer ihm sein Schnupftuch zuru&#x0364;ck geben wolle? </p>
            <p>Wie erstaunte Reiser, als nun der Ga&#x0364;rtner, welcher vorher so grob gegen ihn                         gewesen war, ihm auf einmal um den Hals fiel und ku&#x0364;ßte, und sich seine                         Freundschaft ausbat; weil Reiser nothwendig ein Gu&#x0364;nstling der Vorsehung seyn                         mu&#x0364;ßte, da sie ihn grade das Messer habe finden lassen, welches niemand                         anders als der Ga&#x0364;rtner selbst verlohren hatte; der nun Reisern sein                         Schnupftuch mit Freuden wiedergab, und ihm zugleich versicherte, daß sein                         Garten ihm zu jeder Zeit offen stu&#x0364;nde, um so viel Pflaumen, wie er wollte,                         zu pflu&#x0364;cken; und daß er ihm in jeder Sache dienen wu&#x0364;rde, wo er nur ko&#x0364;nnte;                         denn ein so außerordentlicher Fall sey ihm noch nicht vorgekommen. </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0025] Reiser suchte abzudingen, mußte aber zugleich gestehen, daß er keinen Heller Geld bei sich habe. Um nun aber den Eigenthuͤmer des Gartens wegen der geraubten Pflaume einigermaßen zu befriedigen, mußte er ihm sein einziges gutes Schnupftuch aus der Tasche geben, dessen Verlust ihm sehr Leid that. Als er traurig wegging, sah er, nachdem er nur einige Schritte gethan hatte, ein schoͤnes Einlegemesser vor sich auf der Erde liegen; er hob es geschwind auf, und rief den Gaͤrtner wieder zuruͤck, dem er einen Tausch antrug, ob er nicht fuͤr das gefundene Messer ihm sein Schnupftuch zuruͤck geben wolle? Wie erstaunte Reiser, als nun der Gaͤrtner, welcher vorher so grob gegen ihn gewesen war, ihm auf einmal um den Hals fiel und kuͤßte, und sich seine Freundschaft ausbat; weil Reiser nothwendig ein Guͤnstling der Vorsehung seyn muͤßte, da sie ihn grade das Messer habe finden lassen, welches niemand anders als der Gaͤrtner selbst verlohren hatte; der nun Reisern sein Schnupftuch mit Freuden wiedergab, und ihm zugleich versicherte, daß sein Garten ihm zu jeder Zeit offen stuͤnde, um so viel Pflaumen, wie er wollte, zu pfluͤcken; und daß er ihm in jeder Sache dienen wuͤrde, wo er nur koͤnnte; denn ein so außerordentlicher Fall sey ihm noch nicht vorgekommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/25
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/25>, abgerufen am 10.11.2024.