ich einige Wochen zubringen wollte, zu dem nehmlichen Endzwecke, wiewohl mit dem lebhaften Wunsche, mich des Mordes enthalten zu können. Das Mittel, welches mich damals rettete, wird Jhnen gewiß durch seine Sonderbarkeit merkwürdig werden, und Jhnen beweisen, daß ich mich auch der Seelenheilkunde beflissen habe. Es war eine Karte, die ich in meine Tasche gesteckt hatte; und ich hatte mir es zum Gesetze gemacht, diese Karte zu lesen, so oft ich allein seyn würde, aber vorzüglich, regelmäßig in dem Augenblicke des Erwachens, und des Schlafengehens. Auf dieser Karte standen aus einem Buche, welches ich immer nur in meiner Muttersprache gelesen habe, die Worte geschrieben: the cup, which my father has given me, shall not I drink it! (den Becher, welchen mir mein Vater gab, soll ich ihn nicht ausleeren!) Seit dieser Epoche bin ich überzeugt, daß ich die angeführten Worte niemals werde mit lauter Stimme aussprechen können, ohne bis in das Jnnere meines Herzens davon durchdrungen zu werden, ohne daß sie Stundenlang in meinen Ohren, oder vielmehr, im Grunde meiner Seele, wiederhallten.
Jch beschließe diese psychologischen Bekenntnisse mit folgender Anmerkung: ich bin nehmlich in meiner Neigung zum Selbstmorde niemals durch die Furcht vor dem Tode aufgehalten oder gestöret worden. Selbst in meinen stärksten Krankheiten
ich einige Wochen zubringen wollte, zu dem nehmlichen Endzwecke, wiewohl mit dem lebhaften Wunsche, mich des Mordes enthalten zu koͤnnen. Das Mittel, welches mich damals rettete, wird Jhnen gewiß durch seine Sonderbarkeit merkwuͤrdig werden, und Jhnen beweisen, daß ich mich auch der Seelenheilkunde beflissen habe. Es war eine Karte, die ich in meine Tasche gesteckt hatte; und ich hatte mir es zum Gesetze gemacht, diese Karte zu lesen, so oft ich allein seyn wuͤrde, aber vorzuͤglich, regelmaͤßig in dem Augenblicke des Erwachens, und des Schlafengehens. Auf dieser Karte standen aus einem Buche, welches ich immer nur in meiner Muttersprache gelesen habe, die Worte geschrieben: the cup, which my father has given me, shall not I drink it! (den Becher, welchen mir mein Vater gab, soll ich ihn nicht ausleeren!) Seit dieser Epoche bin ich uͤberzeugt, daß ich die angefuͤhrten Worte niemals werde mit lauter Stimme aussprechen koͤnnen, ohne bis in das Jnnere meines Herzens davon durchdrungen zu werden, ohne daß sie Stundenlang in meinen Ohren, oder vielmehr, im Grunde meiner Seele, wiederhallten.
Jch beschließe diese psychologischen Bekenntnisse mit folgender Anmerkung: ich bin nehmlich in meiner Neigung zum Selbstmorde niemals durch die Furcht vor dem Tode aufgehalten oder gestoͤret worden. Selbst in meinen staͤrksten Krankheiten
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ich einige Wochen zubringen wollte, zu dem nehmlichen Endzwecke, wiewohl mit dem lebhaften Wunsche, mich des Mordes enthalten zu koͤnnen. Das Mittel, welches mich damals rettete, wird Jhnen gewiß durch seine Sonderbarkeit merkwuͤrdig werden, und Jhnen beweisen, daß ich mich auch der <hirendition="#b">Seelenheilkunde</hi> beflissen habe. Es war eine Karte, die ich in meine Tasche gesteckt hatte; und ich hatte mir es zum Gesetze gemacht, diese Karte zu lesen, so oft ich allein seyn wuͤrde, aber vorzuͤglich, regelmaͤßig in dem Augenblicke des Erwachens, und des Schlafengehens. Auf dieser Karte standen aus einem Buche, welches ich immer nur in meiner Muttersprache gelesen habe, die Worte geschrieben: <hirendition="#aq">the cup, which my father has given me, shall not I drink it!</hi> (den Becher, welchen mir mein Vater gab, soll ich ihn nicht ausleeren!) Seit dieser Epoche bin ich uͤberzeugt, daß ich die angefuͤhrten Worte niemals werde mit lauter Stimme aussprechen koͤnnen, ohne bis in das Jnnere meines Herzens davon durchdrungen zu werden, ohne daß sie Stundenlang in meinen Ohren, oder vielmehr, im Grunde meiner Seele, wiederhallten. </p><p>Jch beschließe diese psychologischen Bekenntnisse mit folgender Anmerkung: ich bin nehmlich in meiner Neigung zum Selbstmorde niemals durch die <hirendition="#b">Furcht vor dem Tode</hi> aufgehalten oder gestoͤret worden. Selbst in meinen staͤrksten Krankheiten<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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ich einige Wochen zubringen wollte, zu dem nehmlichen Endzwecke, wiewohl mit dem lebhaften Wunsche, mich des Mordes enthalten zu koͤnnen. Das Mittel, welches mich damals rettete, wird Jhnen gewiß durch seine Sonderbarkeit merkwuͤrdig werden, und Jhnen beweisen, daß ich mich auch der Seelenheilkunde beflissen habe. Es war eine Karte, die ich in meine Tasche gesteckt hatte; und ich hatte mir es zum Gesetze gemacht, diese Karte zu lesen, so oft ich allein seyn wuͤrde, aber vorzuͤglich, regelmaͤßig in dem Augenblicke des Erwachens, und des Schlafengehens. Auf dieser Karte standen aus einem Buche, welches ich immer nur in meiner Muttersprache gelesen habe, die Worte geschrieben: the cup, which my father has given me, shall not I drink it! (den Becher, welchen mir mein Vater gab, soll ich ihn nicht ausleeren!) Seit dieser Epoche bin ich uͤberzeugt, daß ich die angefuͤhrten Worte niemals werde mit lauter Stimme aussprechen koͤnnen, ohne bis in das Jnnere meines Herzens davon durchdrungen zu werden, ohne daß sie Stundenlang in meinen Ohren, oder vielmehr, im Grunde meiner Seele, wiederhallten.
Jch beschließe diese psychologischen Bekenntnisse mit folgender Anmerkung: ich bin nehmlich in meiner Neigung zum Selbstmorde niemals durch die Furcht vor dem Tode aufgehalten oder gestoͤret worden. Selbst in meinen staͤrksten Krankheiten
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/93>, abgerufen am 17.06.2024.
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