Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
Wie jedes Temperament seinen Körper hat, in dem es wohnt, jeder Körper seine eigene Hand, und jede Hand ihre eigene Handschrift: so muß auch jedes Temperament seine Handschrift haben, wo es seinen Charakter abmahlt, wenn überhaupt der ganze Mensch in allen seinen Handlungen, Aeußerungen seinem Körper mit sich selbst übereinstimmend seyn soll. Nichts ist wohl natürlicher, als dieses, nichts wird aber zugleich auch wohl mehr das Kopfschütteln erregen, als der Versuch, Handschriften mit Temperamenten in Uebereinstimmung, und jene, wie diese in Klassen bringen zu wollen. Und doch ist nichts leichter, als dieses, nichts leichter durch Erfahrung und Anthropologie zu beweisen, als dieses. Die Handschriften lassen uns den Menschen in eben so viel Temperamentsunterschieden erscheinen, als die Physiognomik und das tägliche Leben des handelnden Menschen. Eben so viel Klassen von Temperamenten, eben so viel giebt es von Handschriften: so viel Abstufungen und Unterarten jedes Temperaments: so viel Abstufungen der Aehnlich- und Unähnlichkeiten der Handschriften.
Wie jedes Temperament seinen Koͤrper hat, in dem es wohnt, jeder Koͤrper seine eigene Hand, und jede Hand ihre eigene Handschrift: so muß auch jedes Temperament seine Handschrift haben, wo es seinen Charakter abmahlt, wenn uͤberhaupt der ganze Mensch in allen seinen Handlungen, Aeußerungen seinem Koͤrper mit sich selbst uͤbereinstimmend seyn soll. Nichts ist wohl natuͤrlicher, als dieses, nichts wird aber zugleich auch wohl mehr das Kopfschuͤtteln erregen, als der Versuch, Handschriften mit Temperamenten in Uebereinstimmung, und jene, wie diese in Klassen bringen zu wollen. Und doch ist nichts leichter, als dieses, nichts leichter durch Erfahrung und Anthropologie zu beweisen, als dieses. Die Handschriften lassen uns den Menschen in eben so viel Temperamentsunterschieden erscheinen, als die Physiognomik und das taͤgliche Leben des handelnden Menschen. Eben so viel Klassen von Temperamenten, eben so viel giebt es von Handschriften: so viel Abstufungen und Unterarten jedes Temperaments: so viel Abstufungen der Aehnlich- und Unaͤhnlichkeiten der Handschriften. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0062" n="62"/><lb/> Der Sanguiniker schreibt eben so wenig schoͤn, als das Genie. Nur der Kenner und Beobachter erkennt unter den schlechten Handschriften die tausend Abdruͤcke des menschlichen Empfindens und des menschlichen Geistes. — </p> <p>Wie jedes Temperament seinen Koͤrper hat, in dem es wohnt, jeder Koͤrper seine eigene Hand, und jede Hand ihre eigene Handschrift: so muß auch jedes Temperament seine Handschrift haben, wo es seinen Charakter abmahlt, wenn uͤberhaupt der ganze Mensch in allen seinen Handlungen, Aeußerungen seinem Koͤrper mit sich selbst uͤbereinstimmend seyn soll. Nichts ist wohl natuͤrlicher, als dieses, nichts wird aber zugleich auch wohl mehr das Kopfschuͤtteln erregen, als der Versuch, Handschriften mit Temperamenten in Uebereinstimmung, und jene, wie diese in Klassen bringen zu wollen. Und doch ist nichts leichter, als dieses, nichts leichter durch Erfahrung und Anthropologie zu beweisen, als dieses. Die Handschriften lassen uns den Menschen in eben so viel Temperamentsunterschieden erscheinen, als die Physiognomik und das taͤgliche Leben des handelnden Menschen. Eben so viel Klassen von Temperamenten, eben so viel giebt es von Handschriften: so viel Abstufungen und Unterarten jedes Temperaments: so viel Abstufungen der Aehnlich- und Unaͤhnlichkeiten der Handschriften. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0062]
Der Sanguiniker schreibt eben so wenig schoͤn, als das Genie. Nur der Kenner und Beobachter erkennt unter den schlechten Handschriften die tausend Abdruͤcke des menschlichen Empfindens und des menschlichen Geistes. —
Wie jedes Temperament seinen Koͤrper hat, in dem es wohnt, jeder Koͤrper seine eigene Hand, und jede Hand ihre eigene Handschrift: so muß auch jedes Temperament seine Handschrift haben, wo es seinen Charakter abmahlt, wenn uͤberhaupt der ganze Mensch in allen seinen Handlungen, Aeußerungen seinem Koͤrper mit sich selbst uͤbereinstimmend seyn soll. Nichts ist wohl natuͤrlicher, als dieses, nichts wird aber zugleich auch wohl mehr das Kopfschuͤtteln erregen, als der Versuch, Handschriften mit Temperamenten in Uebereinstimmung, und jene, wie diese in Klassen bringen zu wollen. Und doch ist nichts leichter, als dieses, nichts leichter durch Erfahrung und Anthropologie zu beweisen, als dieses. Die Handschriften lassen uns den Menschen in eben so viel Temperamentsunterschieden erscheinen, als die Physiognomik und das taͤgliche Leben des handelnden Menschen. Eben so viel Klassen von Temperamenten, eben so viel giebt es von Handschriften: so viel Abstufungen und Unterarten jedes Temperaments: so viel Abstufungen der Aehnlich- und Unaͤhnlichkeiten der Handschriften.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/62>, abgerufen am 14.06.2024. |