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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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wurde, hatte er schon eine Art von angeneh¬
men Vorgefühl dessen, was er nun bald hören
werde. Man ging zur Kirche. Die Straßen,
welche nach der B. . . kirche führten, waren voller
Menschen, die stromweise hinzueilten. -- Der
Pastor P. . . war eine Zeitlang krank gewesen,
und predigte nun zum erstenmale wieder: das
war auch die Ursach, warum August nicht gleich
zuerst mit Anton in diese Kirche gegangen war.

Als sie herein kamen, konnten sie kaum noch
ein Plätzchen der Kanzel gegenüber finden. Alle
Bänke, die Gänge und Chöre waren voller Men¬
schen, welche alle einer über den andern wegzu¬
sehen strebten. Die Kirche war ein altes Gothi¬
sches Gebäude mit dicken Pfeilern, die das hohe
Gewölbe unterstützten, und ungeheuren langen
bogigten Fenstern, deren Scheiben so bemahlt
waren, daß sie nur ein schwaches Licht durch¬
schimmern ließen.

So war die Kirche schon von Menschen er¬
füllt, ehe der Gottesdienst noch begann. Es
herrschte eine feierliche Stille. Auf einmal er¬
tönte die vollstimmige Orgel, und der ausbre¬
chende Lobgesang einer solchen Menge von Men¬

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wurde, hatte er ſchon eine Art von angeneh¬
men Vorgefuͤhl deſſen, was er nun bald hoͤren
werde. Man ging zur Kirche. Die Straßen,
welche nach der B. . . kirche fuͤhrten, waren voller
Menſchen, die ſtromweiſe hinzueilten. — Der
Paſtor P. . . war eine Zeitlang krank geweſen,
und predigte nun zum erſtenmale wieder: das
war auch die Urſach, warum Auguſt nicht gleich
zuerſt mit Anton in dieſe Kirche gegangen war.

Als ſie herein kamen, konnten ſie kaum noch
ein Plaͤtzchen der Kanzel gegenuͤber finden. Alle
Baͤnke, die Gaͤnge und Choͤre waren voller Men¬
ſchen, welche alle einer uͤber den andern wegzu¬
ſehen ſtrebten. Die Kirche war ein altes Gothi¬
ſches Gebaͤude mit dicken Pfeilern, die das hohe
Gewoͤlbe unterſtuͤtzten, und ungeheuren langen
bogigten Fenſtern, deren Scheiben ſo bemahlt
waren, daß ſie nur ein ſchwaches Licht durch¬
ſchimmern ließen.

So war die Kirche ſchon von Menſchen er¬
fuͤllt, ehe der Gottesdienſt noch begann. Es
herrſchte eine feierliche Stille. Auf einmal er¬
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[113/0123] wurde, hatte er ſchon eine Art von angeneh¬ men Vorgefuͤhl deſſen, was er nun bald hoͤren werde. Man ging zur Kirche. Die Straßen, welche nach der B. . . kirche fuͤhrten, waren voller Menſchen, die ſtromweiſe hinzueilten. — Der Paſtor P. . . war eine Zeitlang krank geweſen, und predigte nun zum erſtenmale wieder: das war auch die Urſach, warum Auguſt nicht gleich zuerſt mit Anton in dieſe Kirche gegangen war. Als ſie herein kamen, konnten ſie kaum noch ein Plaͤtzchen der Kanzel gegenuͤber finden. Alle Baͤnke, die Gaͤnge und Choͤre waren voller Men¬ ſchen, welche alle einer uͤber den andern wegzu¬ ſehen ſtrebten. Die Kirche war ein altes Gothi¬ ſches Gebaͤude mit dicken Pfeilern, die das hohe Gewoͤlbe unterſtuͤtzten, und ungeheuren langen bogigten Fenſtern, deren Scheiben ſo bemahlt waren, daß ſie nur ein ſchwaches Licht durch¬ ſchimmern ließen. So war die Kirche ſchon von Menſchen er¬ fuͤllt, ehe der Gottesdienſt noch begann. Es herrſchte eine feierliche Stille. Auf einmal er¬ toͤnte die vollſtimmige Orgel, und der ausbre¬ chende Lobgeſang einer ſolchen Menge von Men¬ H

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/123>, abgerufen am 01.06.2024.