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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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des Schneidermeisters unerklärbaren Linea-
menten zur Eselsbrücke dienen. Wenn es
wahr ist, daß die Form unsers Hutes und
die Art ihn zu setzen schon unsern ganzen
Umfang und Grad von Geckerey verräth,
wie viel mehr muß der ganze Anzug einen
Menschen charakterisiren; auch heftet sich
die Fertigkeit, durch das Aeusserliche eines
Menschen sein Jnnres zu erkennen, schnel-
ler auf die ganze Oberfläche, als auf einen
Theil derselben.

Es hätte nur einer glänzendern Hülse be-
dürft, so würde die Dame Spörtler den
Ton ihrer physiognomischen Ansprache ganz
umgestimmt haben. Unfehlbar hätte mir
ihre Mine gesagt: kein gemein Gesicht! Jn
Wahrheit eine edle Physiognomie! Seyn
Sie mir willkommen, mein Herr, Jhr Be-
such ist unserm Hauße eine Ehre u. s. w. --
Darum kan ichs ienem hochgelahrten Dok-
tor nicht vergeben, daß der Narr seinen

Sam-

des Schneidermeiſters unerklaͤrbaren Linea-
menten zur Eſelsbruͤcke dienen. Wenn es
wahr iſt, daß die Form unſers Hutes und
die Art ihn zu ſetzen ſchon unſern ganzen
Umfang und Grad von Geckerey verraͤth,
wie viel mehr muß der ganze Anzug einen
Menſchen charakteriſiren; auch heftet ſich
die Fertigkeit, durch das Aeuſſerliche eines
Menſchen ſein Jnnres zu erkennen, ſchnel-
ler auf die ganze Oberflaͤche, als auf einen
Theil derſelben.

Es haͤtte nur einer glaͤnzendern Huͤlſe be-
duͤrft, ſo wuͤrde die Dame Spoͤrtler den
Ton ihrer phyſiognomiſchen Anſprache ganz
umgeſtimmt haben. Unfehlbar haͤtte mir
ihre Mine geſagt: kein gemein Geſicht! Jn
Wahrheit eine edle Phyſiognomie! Seyn
Sie mir willkommen, mein Herr, Jhr Be-
ſuch iſt unſerm Hauße eine Ehre u. ſ. w. —
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[174/0174] des Schneidermeiſters unerklaͤrbaren Linea- menten zur Eſelsbruͤcke dienen. Wenn es wahr iſt, daß die Form unſers Hutes und die Art ihn zu ſetzen ſchon unſern ganzen Umfang und Grad von Geckerey verraͤth, wie viel mehr muß der ganze Anzug einen Menſchen charakteriſiren; auch heftet ſich die Fertigkeit, durch das Aeuſſerliche eines Menſchen ſein Jnnres zu erkennen, ſchnel- ler auf die ganze Oberflaͤche, als auf einen Theil derſelben. Es haͤtte nur einer glaͤnzendern Huͤlſe be- duͤrft, ſo wuͤrde die Dame Spoͤrtler den Ton ihrer phyſiognomiſchen Anſprache ganz umgeſtimmt haben. Unfehlbar haͤtte mir ihre Mine geſagt: kein gemein Geſicht! Jn Wahrheit eine edle Phyſiognomie! Seyn Sie mir willkommen, mein Herr, Jhr Be- ſuch iſt unſerm Hauße eine Ehre u. ſ. w. — Darum kan ichs ienem hochgelahrten Dok- tor nicht vergeben, daß der Narr ſeinen Sam-

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/174>, abgerufen am 20.05.2024.