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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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licher Leute. Er antwortete: Seine Liebha-
berey gehe nur auf Jnquisitengesichter, und
er glaube davon einen solchen Schatz zu
besitzen, als kein Sammler leicht zusammen
bringen werde; das Glück hab' ihm beson-
ders wohl gewollt, die seltensten Schand-
physiognomien aufzutreiben. Von recht-
schaffen Leuten besitz' er zwar auch eine klei-
ne Anzahl Silhouetten; weil er aber nicht
viel draus mache, wären sie nicht ran-
girt. Schloß darauf ein Schubkästlein auf,
worinn irgend ein paar Dutzend Schatten-
köpf' lagen, darunter ich zu meinem Ver-
gnügen und zu meiner Demüthigung auch
meine Abschattung fand: denn ich sah an
den vier Enden deutliche Spuren, daß sie
schon war angenagelt gewesen.

Jn seiner Bibliothek fand ich einen guten
Vorrath physiognomischer Schriften aus der
alten und neuen Epoque, und zu meiner
großen Wonne auch den vierten Theil der

Frag-

licher Leute. Er antwortete: Seine Liebha-
berey gehe nur auf Jnquiſitengeſichter, und
er glaube davon einen ſolchen Schatz zu
beſitzen, als kein Sammler leicht zuſammen
bringen werde; das Gluͤck hab’ ihm beſon-
ders wohl gewollt, die ſeltenſten Schand-
phyſiognomien aufzutreiben. Von recht-
ſchaffen Leuten beſitz’ er zwar auch eine klei-
ne Anzahl Silhouetten; weil er aber nicht
viel draus mache, waͤren ſie nicht ran-
girt. Schloß darauf ein Schubkaͤſtlein auf,
worinn irgend ein paar Dutzend Schatten-
koͤpf’ lagen, darunter ich zu meinem Ver-
gnuͤgen und zu meiner Demuͤthigung auch
meine Abſchattung fand: denn ich ſah an
den vier Enden deutliche Spuren, daß ſie
ſchon war angenagelt geweſen.

Jn ſeiner Bibliothek fand ich einen guten
Vorrath phyſiognomiſcher Schriften aus der
alten und neuen Epoque, und zu meiner
großen Wonne auch den vierten Theil der

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[186/0186] licher Leute. Er antwortete: Seine Liebha- berey gehe nur auf Jnquiſitengeſichter, und er glaube davon einen ſolchen Schatz zu beſitzen, als kein Sammler leicht zuſammen bringen werde; das Gluͤck hab’ ihm beſon- ders wohl gewollt, die ſeltenſten Schand- phyſiognomien aufzutreiben. Von recht- ſchaffen Leuten beſitz’ er zwar auch eine klei- ne Anzahl Silhouetten; weil er aber nicht viel draus mache, waͤren ſie nicht ran- girt. Schloß darauf ein Schubkaͤſtlein auf, worinn irgend ein paar Dutzend Schatten- koͤpf’ lagen, darunter ich zu meinem Ver- gnuͤgen und zu meiner Demuͤthigung auch meine Abſchattung fand: denn ich ſah an den vier Enden deutliche Spuren, daß ſie ſchon war angenagelt geweſen. Jn ſeiner Bibliothek fand ich einen guten Vorrath phyſiognomiſcher Schriften aus der alten und neuen Epoque, und zu meiner großen Wonne auch den vierten Theil der Frag-

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/186>, abgerufen am 20.05.2024.