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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779.

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nen, den ganzen Tomus nur flüchtig durch-
lief. Traf sich sonderbar, daß mir zuerst
im vierten Fragment das Wort an Reisende
in die Augen fiel. Der Wunsch des Herz-
guten Lavaters, daß ein physiognomisch
Taschenbuch für Reisende geschrieben wür-
de; aber von keinem andern, als einem ge-
übten Reiser, schmeichelte gar sehr meiner
Eitelkeit. Mein Jtinerarium, dacht ich
bey mir, das ich nach beendigter Reise,
will's Gott, ans Licht zu stellen gesonnen
bin, ist doch so recht nach der Jdee des
Meisters: steht alles drinn, was Er vom
Taschenbuch verlangt, und kan mit Fug und
Recht dafür gelten. Jch hab' gesehn, ver-
glichen, beurtheilt, hab die Gelehrten, Wei-
sen und Männer, von denen viel Sagens ist
im Lande, aufgesucht, das Verhältniß ihrer
Werke, ihres Ruhms und ihrer Gestalt
fleißig erwogen, das Canalwasser mit der
Quelle verglichen, als ich ihr Rauschen zu

Leipzig

nen, den ganzen Tomus nur fluͤchtig durch-
lief. Traf ſich ſonderbar, daß mir zuerſt
im vierten Fragment das Wort an Reiſende
in die Augen fiel. Der Wunſch des Herz-
guten Lavaters, daß ein phyſiognomiſch
Taſchenbuch fuͤr Reiſende geſchrieben wuͤr-
de; aber von keinem andern, als einem ge-
uͤbten Reiſer, ſchmeichelte gar ſehr meiner
Eitelkeit. Mein Jtinerarium, dacht ich
bey mir, das ich nach beendigter Reiſe,
will’s Gott, ans Licht zu ſtellen geſonnen
bin, iſt doch ſo recht nach der Jdee des
Meiſters: ſteht alles drinn, was Er vom
Taſchenbuch verlangt, und kan mit Fug und
Recht dafuͤr gelten. Jch hab’ geſehn, ver-
glichen, beurtheilt, hab die Gelehrten, Wei-
ſen und Maͤnner, von denen viel Sagens iſt
im Lande, aufgeſucht, das Verhaͤltniß ihrer
Werke, ihres Ruhms und ihrer Geſtalt
fleißig erwogen, das Canalwaſſer mit der
Quelle verglichen, als ich ihr Rauſchen zu

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[188/0188] nen, den ganzen Tomus nur fluͤchtig durch- lief. Traf ſich ſonderbar, daß mir zuerſt im vierten Fragment das Wort an Reiſende in die Augen fiel. Der Wunſch des Herz- guten Lavaters, daß ein phyſiognomiſch Taſchenbuch fuͤr Reiſende geſchrieben wuͤr- de; aber von keinem andern, als einem ge- uͤbten Reiſer, ſchmeichelte gar ſehr meiner Eitelkeit. Mein Jtinerarium, dacht ich bey mir, das ich nach beendigter Reiſe, will’s Gott, ans Licht zu ſtellen geſonnen bin, iſt doch ſo recht nach der Jdee des Meiſters: ſteht alles drinn, was Er vom Taſchenbuch verlangt, und kan mit Fug und Recht dafuͤr gelten. Jch hab’ geſehn, ver- glichen, beurtheilt, hab die Gelehrten, Wei- ſen und Maͤnner, von denen viel Sagens iſt im Lande, aufgeſucht, das Verhaͤltniß ihrer Werke, ihres Ruhms und ihrer Geſtalt fleißig erwogen, das Canalwaſſer mit der Quelle verglichen, als ich ihr Rauſchen zu Leipzig

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Zitationshilfe: Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 3. Altenburg, 1779, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen03_1779/188>, abgerufen am 20.05.2024.