nicht sein, dachte Klärchen; und so denken alle thö¬ richten Mädchen, die leichsinnige Liebschaften anknüpfen. Sie sehen zwar rund um sich, wie die Sachen mei¬ stens ablaufen, aber sie wollen es schon anders zu Ende bringen, bis ihnen dann das reine Herz, Ehre, und gutes Gewissen sammt dem Liebhaber unter den Händen entschlüpft sind.
Als Klärchen zur Frau Generalin ging, um ihr wie gewöhnlich bei der Toilette behülflich zu sein, fand sie dieselbe schon fertig angekleidet beim Früh¬ stück, und neben ihr saß bei demselben ein junger schöner schlanker Mann in Gardeuniform. Klärchen entschuldigte sich wegen des späten Kommens; die Generalin aber war sehr freundlich und sagte neben¬ bei: Ich habe gestern Abend auch eine große Ueber¬ raschung gehabt, mein Sohn kam unerwartet an. -- Der junge Mann war bei Klärchens Eintreten aufge¬ standen, ihre Schönheit und ihr feines Wesen be¬ stimmten ihn, höflicher zu grüßen, als er es gethan haben würde, hätte er gewußt daß seiner Mutter Kammerjungfer vor ihm stand. Jetzt ward er etwas verlegen, Klärchen merkte Alles, -- ein koquettes Mäd¬ chen ist sehr feinfühlend in solchen Dingen -- und ihr ganzes Benehmen wurde augenblicklich dem jungen Manne angepaßt. Sie ging ordnend im Zimmer hin und her, that, was in der Schlafstube nebenan zu thun war, und ging dann um Sonntagstoilette zu machen. Sie wußte selbst nicht recht wie sie dazu kam, aber sie begann Vergleiche zu machen zwischen dem Gardelieutenant und dem Mediziner. Der Medi¬ ziner war wirklich häßlich dagegen zu nennen, und
nicht ſein, dachte Klärchen; und ſo denken alle thö¬ richten Mädchen, die leichſinnige Liebſchaften anknüpfen. Sie ſehen zwar rund um ſich, wie die Sachen mei¬ ſtens ablaufen, aber ſie wollen es ſchon anders zu Ende bringen, bis ihnen dann das reine Herz, Ehre, und gutes Gewiſſen ſammt dem Liebhaber unter den Händen entſchlüpft ſind.
Als Klärchen zur Frau Generalin ging, um ihr wie gewöhnlich bei der Toilette behülflich zu ſein, fand ſie dieſelbe ſchon fertig angekleidet beim Früh¬ ſtück, und neben ihr ſaß bei demſelben ein junger ſchöner ſchlanker Mann in Gardeuniform. Klärchen entſchuldigte ſich wegen des ſpäten Kommens; die Generalin aber war ſehr freundlich und ſagte neben¬ bei: Ich habe geſtern Abend auch eine große Ueber¬ raſchung gehabt, mein Sohn kam unerwartet an. — Der junge Mann war bei Klärchens Eintreten aufge¬ ſtanden, ihre Schönheit und ihr feines Weſen be¬ ſtimmten ihn, höflicher zu grüßen, als er es gethan haben würde, hätte er gewußt daß ſeiner Mutter Kammerjungfer vor ihm ſtand. Jetzt ward er etwas verlegen, Klärchen merkte Alles, — ein koquettes Mäd¬ chen iſt ſehr feinfühlend in ſolchen Dingen — und ihr ganzes Benehmen wurde augenblicklich dem jungen Manne angepaßt. Sie ging ordnend im Zimmer hin und her, that, was in der Schlafſtube nebenan zu thun war, und ging dann um Sonntagstoilette zu machen. Sie wußte ſelbſt nicht recht wie ſie dazu kam, aber ſie begann Vergleiche zu machen zwiſchen dem Gardelieutenant und dem Mediziner. Der Medi¬ ziner war wirklich häßlich dagegen zu nennen, und
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0051"n="45"/>
nicht ſein, dachte Klärchen; und ſo denken alle thö¬<lb/>
richten Mädchen, die leichſinnige Liebſchaften anknüpfen.<lb/>
Sie ſehen zwar rund um ſich, wie die Sachen mei¬<lb/>ſtens ablaufen, aber ſie wollen es ſchon anders zu<lb/>
Ende bringen, bis ihnen dann das reine Herz, Ehre,<lb/>
und gutes Gewiſſen ſammt dem Liebhaber unter den<lb/>
Händen entſchlüpft ſind.</p><lb/><p>Als Klärchen zur Frau Generalin ging, um ihr<lb/>
wie gewöhnlich bei der Toilette behülflich zu ſein,<lb/>
fand ſie dieſelbe ſchon fertig angekleidet beim Früh¬<lb/>ſtück, und neben ihr ſaß bei demſelben ein junger<lb/>ſchöner ſchlanker Mann in Gardeuniform. Klärchen<lb/>
entſchuldigte ſich wegen des ſpäten Kommens; die<lb/>
Generalin aber war ſehr freundlich und ſagte neben¬<lb/>
bei: Ich habe geſtern Abend auch eine große Ueber¬<lb/>
raſchung gehabt, mein Sohn kam unerwartet an. —<lb/>
Der junge Mann war bei Klärchens Eintreten aufge¬<lb/>ſtanden, ihre Schönheit und ihr feines Weſen be¬<lb/>ſtimmten ihn, höflicher zu grüßen, als er es gethan<lb/>
haben würde, hätte er gewußt daß ſeiner Mutter<lb/>
Kammerjungfer vor ihm ſtand. Jetzt ward er etwas<lb/>
verlegen, Klärchen merkte Alles, — ein koquettes Mäd¬<lb/>
chen iſt ſehr feinfühlend in ſolchen Dingen — und ihr<lb/>
ganzes Benehmen wurde augenblicklich dem jungen<lb/>
Manne angepaßt. Sie ging ordnend im Zimmer hin<lb/>
und her, that, was in der Schlafſtube nebenan zu<lb/>
thun war, und ging dann um Sonntagstoilette zu<lb/>
machen. Sie wußte ſelbſt nicht recht wie ſie dazu<lb/>
kam, aber ſie begann Vergleiche zu machen zwiſchen<lb/>
dem Gardelieutenant und dem Mediziner. Der Medi¬<lb/>
ziner war wirklich häßlich dagegen zu nennen, und<lb/></p></body></text></TEI>
[45/0051]
nicht ſein, dachte Klärchen; und ſo denken alle thö¬
richten Mädchen, die leichſinnige Liebſchaften anknüpfen.
Sie ſehen zwar rund um ſich, wie die Sachen mei¬
ſtens ablaufen, aber ſie wollen es ſchon anders zu
Ende bringen, bis ihnen dann das reine Herz, Ehre,
und gutes Gewiſſen ſammt dem Liebhaber unter den
Händen entſchlüpft ſind.
Als Klärchen zur Frau Generalin ging, um ihr
wie gewöhnlich bei der Toilette behülflich zu ſein,
fand ſie dieſelbe ſchon fertig angekleidet beim Früh¬
ſtück, und neben ihr ſaß bei demſelben ein junger
ſchöner ſchlanker Mann in Gardeuniform. Klärchen
entſchuldigte ſich wegen des ſpäten Kommens; die
Generalin aber war ſehr freundlich und ſagte neben¬
bei: Ich habe geſtern Abend auch eine große Ueber¬
raſchung gehabt, mein Sohn kam unerwartet an. —
Der junge Mann war bei Klärchens Eintreten aufge¬
ſtanden, ihre Schönheit und ihr feines Weſen be¬
ſtimmten ihn, höflicher zu grüßen, als er es gethan
haben würde, hätte er gewußt daß ſeiner Mutter
Kammerjungfer vor ihm ſtand. Jetzt ward er etwas
verlegen, Klärchen merkte Alles, — ein koquettes Mäd¬
chen iſt ſehr feinfühlend in ſolchen Dingen — und ihr
ganzes Benehmen wurde augenblicklich dem jungen
Manne angepaßt. Sie ging ordnend im Zimmer hin
und her, that, was in der Schlafſtube nebenan zu
thun war, und ging dann um Sonntagstoilette zu
machen. Sie wußte ſelbſt nicht recht wie ſie dazu
kam, aber ſie begann Vergleiche zu machen zwiſchen
dem Gardelieutenant und dem Mediziner. Der Medi¬
ziner war wirklich häßlich dagegen zu nennen, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/51>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.