selig. Der Graf hatte gesagt: das Mädchen sei ganz verteufelt stolz und spröde, und Alfred hatte das mit Triumph der Mutter erzählt und dabei fallen lassen, daß ihre Bildung eigentlich über die eines Kammer¬ mädchens hinausgehe. Klärchen hatte das glücklicher¬ weise wieder erlauscht, denn wenn Mutter und Sohn allein in der Stube waren, kam sie nicht viel vom Schlüsselloch fort. Das waren selige vierzehn Tage, und ihr Kopf war voll der tollsten Pläne und Träu¬ mereien.
Aber die Tage vergingen und die Zeit der Tren¬ nung kam; ja, der Lieutenant war eines Morgens ab¬ gereist, ohne daß Klärchen etwas davon geahnet. Sie war plötzlich eine andere, sie war zerstreut und träge, erst der Generalin ernste Blicke mußten sie wieder et¬ was zu sich bringen.
Nach einigen Tagen saß die Generalin einen gan¬ zen Morgen am Schreibtisch mit Schreiben beschäftigt: dazwischen ging sie sinnend in der Stube auf und ab. Klärchen kalkulirte richtig: sie schreibt an ihren Sohn. Um Alles in der Welt hätte sie den Brief gern gele¬ sen. Wenn er nur heut nicht fortgeschickt wird, so ist's möglich, dachte sie. Und wirklich ward er nicht fort¬ geschickt; der Nachmittag war unruhig, den Abend war die Generalin in Gesellschaft, sie fand nicht Zeit, ihn zu vollenden. Mit klopfendem Herzen hörte Klär¬ chen ihre Dame fortfahren, der Bediente hatte sie be¬ gleiten müssen, so war jetzt die beste Zeit, ihren Plan auszuführen. Was sie an kleinen Schlüsseln finden konnte, suchte sie zusammen und versuchte das Schloß zu öffnen. Ihre Hände zitterten, und zehnmal wohl
ſelig. Der Graf hatte geſagt: das Mädchen ſei ganz verteufelt ſtolz und ſpröde, und Alfred hatte das mit Triumph der Mutter erzählt und dabei fallen laſſen, daß ihre Bildung eigentlich über die eines Kammer¬ mädchens hinausgehe. Klärchen hatte das glücklicher¬ weiſe wieder erlauſcht, denn wenn Mutter und Sohn allein in der Stube waren, kam ſie nicht viel vom Schlüſſelloch fort. Das waren ſelige vierzehn Tage, und ihr Kopf war voll der tollſten Pläne und Träu¬ mereien.
Aber die Tage vergingen und die Zeit der Tren¬ nung kam; ja, der Lieutenant war eines Morgens ab¬ gereiſt, ohne daß Klärchen etwas davon geahnet. Sie war plötzlich eine andere, ſie war zerſtreut und träge, erſt der Generalin ernſte Blicke mußten ſie wieder et¬ was zu ſich bringen.
Nach einigen Tagen ſaß die Generalin einen gan¬ zen Morgen am Schreibtiſch mit Schreiben beſchäftigt: dazwiſchen ging ſie ſinnend in der Stube auf und ab. Klärchen kalkulirte richtig: ſie ſchreibt an ihren Sohn. Um Alles in der Welt hätte ſie den Brief gern gele¬ ſen. Wenn er nur heut nicht fortgeſchickt wird, ſo iſt's möglich, dachte ſie. Und wirklich ward er nicht fort¬ geſchickt; der Nachmittag war unruhig, den Abend war die Generalin in Geſellſchaft, ſie fand nicht Zeit, ihn zu vollenden. Mit klopfendem Herzen hörte Klär¬ chen ihre Dame fortfahren, der Bediente hatte ſie be¬ gleiten müſſen, ſo war jetzt die beſte Zeit, ihren Plan auszuführen. Was ſie an kleinen Schlüſſeln finden konnte, ſuchte ſie zuſammen und verſuchte das Schloß zu öffnen. Ihre Hände zitterten, und zehnmal wohl
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ſelig. Der Graf hatte geſagt: das Mädchen ſei ganz
verteufelt ſtolz und ſpröde, und Alfred hatte das mit
Triumph der Mutter erzählt und dabei fallen laſſen,
daß ihre Bildung eigentlich über die eines Kammer¬
mädchens hinausgehe. Klärchen hatte das glücklicher¬
weiſe wieder erlauſcht, denn wenn Mutter und Sohn
allein in der Stube waren, kam ſie nicht viel vom
Schlüſſelloch fort. Das waren ſelige vierzehn Tage,
und ihr Kopf war voll der tollſten Pläne und Träu¬
mereien.
Aber die Tage vergingen und die Zeit der Tren¬
nung kam; ja, der Lieutenant war eines Morgens ab¬
gereiſt, ohne daß Klärchen etwas davon geahnet. Sie
war plötzlich eine andere, ſie war zerſtreut und träge,
erſt der Generalin ernſte Blicke mußten ſie wieder et¬
was zu ſich bringen.
Nach einigen Tagen ſaß die Generalin einen gan¬
zen Morgen am Schreibtiſch mit Schreiben beſchäftigt:
dazwiſchen ging ſie ſinnend in der Stube auf und ab.
Klärchen kalkulirte richtig: ſie ſchreibt an ihren Sohn.
Um Alles in der Welt hätte ſie den Brief gern gele¬
ſen. Wenn er nur heut nicht fortgeſchickt wird, ſo iſt's
möglich, dachte ſie. Und wirklich ward er nicht fort¬
geſchickt; der Nachmittag war unruhig, den Abend
war die Generalin in Geſellſchaft, ſie fand nicht Zeit,
ihn zu vollenden. Mit klopfendem Herzen hörte Klär¬
chen ihre Dame fortfahren, der Bediente hatte ſie be¬
gleiten müſſen, ſo war jetzt die beſte Zeit, ihren Plan
auszuführen. Was ſie an kleinen Schlüſſeln finden
konnte, ſuchte ſie zuſammen und verſuchte das Schloß
zu öffnen. Ihre Hände zitterten, und zehnmal wohl
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Nathusius, Marie: Die Kammerjungfer. Eine Stadtgeschichte. Halle (Saale), 1851, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nathusius_kammerjungfer_1851/59>, abgerufen am 17.06.2024.
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