Stromes war beinahe anderthalb Meilen breit, und in der Mitte vor derselben lag eine kleine Jnsel, von nur mäßigem Umfange, niedrig und mit Rohr und Strauch bewach- sen. Das Fahrwasser fand ich bei der höch- sten Fluth nur 13 Fuß tief -- Für uns ein leidiger Umstand, da unser Schiff etwas über 14 Fuß tief gieng. Es galt demnach, dasselbe mindestens noch um anderthalb Fuß zu er- leichtern; und zu dem Ende bedachten wir uns ebensowenig, unsern gesammten einge- nommenen Vorrath von frischem Wasser wie- der über Bord laufen zu lassen, als unsre überzähligen Stengen und Raaen in's Wasser zu lassen, sie zu einem Flosse zu vereinigen und Alles, was nur irgend dem Verderb nicht ausgesetzt war, auf dasselbe auszuladen.
Dennoch lief uns mit der Ebbe eine so gewaltige Strömung entgegen, daß wir uns der Mündung nicht nähern durften, sondern unter Furcht und Sorge die nächste Fluth erwarten mußten; und diese führte uns denn doch soweit hinein, daß wir Schutz vor den Wellen fanden und das Schiff dicht am Lande auf den Grund setzen konnten. Bei der nie- drigsten Ebbe hingegen stand es völlig trocken auf einem Sandgrunde, und das hineinge- drungene Wasser lief dann wieder zum Bo- den hinaus. Auf diese Weise machte es uns denn auch wenig Mühe, die eigentliche Stelle
Stromes war beinahe anderthalb Meilen breit, und in der Mitte vor derſelben lag eine kleine Jnſel, von nur maͤßigem Umfange, niedrig und mit Rohr und Strauch bewach- ſen. Das Fahrwaſſer fand ich bei der hoͤch- ſten Fluth nur 13 Fuß tief — Fuͤr uns ein leidiger Umſtand, da unſer Schiff etwas uͤber 14 Fuß tief gieng. Es galt demnach, daſſelbe mindeſtens noch um anderthalb Fuß zu er- leichtern; und zu dem Ende bedachten wir uns ebenſowenig, unſern geſammten einge- nommenen Vorrath von friſchem Waſſer wie- der uͤber Bord laufen zu laſſen, als unſre uͤberzaͤhligen Stengen und Raaen in’s Waſſer zu laſſen, ſie zu einem Floſſe zu vereinigen und Alles, was nur irgend dem Verderb nicht ausgeſetzt war, auf daſſelbe auszuladen.
Dennoch lief uns mit der Ebbe eine ſo gewaltige Stroͤmung entgegen, daß wir uns der Muͤndung nicht naͤhern durften, ſondern unter Furcht und Sorge die naͤchſte Fluth erwarten mußten; und dieſe fuͤhrte uns denn doch ſoweit hinein, daß wir Schutz vor den Wellen fanden und das Schiff dicht am Lande auf den Grund ſetzen konnten. Bei der nie- drigſten Ebbe hingegen ſtand es voͤllig trocken auf einem Sandgrunde, und das hineinge- drungene Waſſer lief dann wieder zum Bo- den hinaus. Auf dieſe Weiſe machte es uns denn auch wenig Muͤhe, die eigentliche Stelle
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Stromes war beinahe anderthalb Meilen breit,
und in der Mitte vor derſelben lag eine
kleine Jnſel, von nur maͤßigem Umfange,
niedrig und mit Rohr und Strauch bewach-
ſen. Das Fahrwaſſer fand ich bei der hoͤch-
ſten Fluth nur 13 Fuß tief — Fuͤr uns ein
leidiger Umſtand, da unſer Schiff etwas uͤber
14 Fuß tief gieng. Es galt demnach, daſſelbe
mindeſtens noch um anderthalb Fuß zu er-
leichtern; und zu dem Ende bedachten wir
uns ebenſowenig, unſern geſammten einge-
nommenen Vorrath von friſchem Waſſer wie-
der uͤber Bord laufen zu laſſen, als unſre
uͤberzaͤhligen Stengen und Raaen in’s Waſſer
zu laſſen, ſie zu einem Floſſe zu vereinigen
und Alles, was nur irgend dem Verderb
nicht ausgeſetzt war, auf daſſelbe auszuladen.
Dennoch lief uns mit der Ebbe eine ſo
gewaltige Stroͤmung entgegen, daß wir uns
der Muͤndung nicht naͤhern durften, ſondern
unter Furcht und Sorge die naͤchſte Fluth
erwarten mußten; und dieſe fuͤhrte uns denn
doch ſoweit hinein, daß wir Schutz vor den
Wellen fanden und das Schiff dicht am Lande
auf den Grund ſetzen konnten. Bei der nie-
drigſten Ebbe hingegen ſtand es voͤllig trocken
auf einem Sandgrunde, und das hineinge-
drungene Waſſer lief dann wieder zum Bo-
den hinaus. Auf dieſe Weiſe machte es uns
denn auch wenig Muͤhe, die eigentliche Stelle
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/112>, abgerufen am 16.06.2024.
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