Antwort hieß: "Zu Beschützung des Lootsen an meinem Borde gegen besorgliche Gewalt- thätigkeiten." -- Natürlich weigerte ich mich der Zahlung und forderte diesen Menschen auf, mir zu bezeugen, ob ihm irgend eine Ungebühr von mir widerfahren sey? -- Er wußte nur alles Liebes und Gutes zu sagen. Dennoch ward, ohne weiteres, ein Arrest auf mein Schiff gelegt. Jch sah das, wenn gleich nicht sehr ruhig, bis zum nächsten Tage mit an. Der Arrest blieb, und meine Ein- reden fanden kein Gehör. Wollt' ich nun an meiner Reise nichts versäumen und wegen Schiff und Ladung nicht in Verantwortung kommen, so war es immer noch das Gera- thenste, diese ungerechte Forderung zu bezah- len und sie mir, als eine ächt französische Geldschneiderei, zur Warnung für die Zu- kunft hinter's Ohr zu schreiben.
Zu diesem Verdruß gesellte sich, sobald ich endlich in See gelangt war, ein anderer und noch größerer. Mein Schiffsvolk nem- lich, durchaus dem Soff ergeben, wollte an der Gelegenheit nichts versäumen, den Wein- fässern, die einen Theil unsrer Ladung aus- machten, auf's fleissigste zuzusprechen. Als ich dem zu wehren gedachte, rottirten sich die Kerle zusammen, schlugen mit Ge- walt die Luken auf, zapften die Oxhöfte an und liessen den Wein stromweise in ihre
Antwort hieß: „Zu Beſchuͤtzung des Lootſen an meinem Borde gegen beſorgliche Gewalt- thaͤtigkeiten.‟ — Natuͤrlich weigerte ich mich der Zahlung und forderte dieſen Menſchen auf, mir zu bezeugen, ob ihm irgend eine Ungebuͤhr von mir widerfahren ſey? — Er wußte nur alles Liebes und Gutes zu ſagen. Dennoch ward, ohne weiteres, ein Arreſt auf mein Schiff gelegt. Jch ſah das, wenn gleich nicht ſehr ruhig, bis zum naͤchſten Tage mit an. Der Arreſt blieb, und meine Ein- reden fanden kein Gehoͤr. Wollt’ ich nun an meiner Reiſe nichts verſaͤumen und wegen Schiff und Ladung nicht in Verantwortung kommen, ſo war es immer noch das Gera- thenſte, dieſe ungerechte Forderung zu bezah- len und ſie mir, als eine aͤcht franzoͤſiſche Geldſchneiderei, zur Warnung fuͤr die Zu- kunft hinter’s Ohr zu ſchreiben.
Zu dieſem Verdruß geſellte ſich, ſobald ich endlich in See gelangt war, ein anderer und noch groͤßerer. Mein Schiffsvolk nem- lich, durchaus dem Soff ergeben, wollte an der Gelegenheit nichts verſaͤumen, den Wein- faͤſſern, die einen Theil unſrer Ladung aus- machten, auf’s fleiſſigſte zuzuſprechen. Als ich dem zu wehren gedachte, rottirten ſich die Kerle zuſammen, ſchlugen mit Ge- walt die Luken auf, zapften die Oxhoͤfte an und lieſſen den Wein ſtromweiſe in ihre
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Antwort hieß: „Zu Beſchuͤtzung des Lootſen
an meinem Borde gegen beſorgliche Gewalt-
thaͤtigkeiten.‟ — Natuͤrlich weigerte ich mich
der Zahlung und forderte dieſen Menſchen
auf, mir zu bezeugen, ob ihm irgend eine
Ungebuͤhr von mir widerfahren ſey? — Er
wußte nur alles Liebes und Gutes zu ſagen.
Dennoch ward, ohne weiteres, ein Arreſt auf
mein Schiff gelegt. Jch ſah das, wenn gleich
nicht ſehr ruhig, bis zum naͤchſten Tage
mit an. Der Arreſt blieb, und meine Ein-
reden fanden kein Gehoͤr. Wollt’ ich nun
an meiner Reiſe nichts verſaͤumen und wegen
Schiff und Ladung nicht in Verantwortung
kommen, ſo war es immer noch das Gera-
thenſte, dieſe ungerechte Forderung zu bezah-
len und ſie mir, als eine aͤcht franzoͤſiſche
Geldſchneiderei, zur Warnung fuͤr die Zu-
kunft hinter’s Ohr zu ſchreiben.
Zu dieſem Verdruß geſellte ſich, ſobald
ich endlich in See gelangt war, ein anderer
und noch groͤßerer. Mein Schiffsvolk nem-
lich, durchaus dem Soff ergeben, wollte an
der Gelegenheit nichts verſaͤumen, den Wein-
faͤſſern, die einen Theil unſrer Ladung aus-
machten, auf’s fleiſſigſte zuzuſprechen. Als
ich dem zu wehren gedachte, rottirten
ſich die Kerle zuſammen, ſchlugen mit Ge-
walt die Luken auf, zapften die Oxhoͤfte an
und lieſſen den Wein ſtromweiſe in ihre
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 2. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1821, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung02_1821/160>, abgerufen am 17.06.2024.
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