Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.Neben der Dachstube des Sebaldus, wohnete und
Neben der Dachſtube des Sebaldus, wohnete und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0104" n="80"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Neben der Dachſtube des <hi rendition="#fr">Sebaldus,</hi> wohnete<lb/> auf einer andern Dachſtube ein alter Magiſter, mit<lb/> dem er bald Bekanntſchaft machte, und mit ihm in<lb/> kurzen vertraut wurde, weil es ſich aͤuſſerte, daß der-<lb/> ſelbe, ſo wie er, an der Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen zwei-<lb/> felte. Dieſer Mann hatte gruͤndliche Kenntniſſe der<lb/> alten Sprachen und alles deſſen, was zur Philologie<lb/> gehoͤrt. Er hatte die alten griechiſchen Philoſophen<lb/> fleißig geleſen, und ſie mit den Schriften neuerer Phi-<lb/> loſophen verglichen, wodurch er gute Einſichten in die<lb/> Philoſophie erlanget hatte. Aber weil ſeine Kennt-<lb/> niſſe nicht nach nach der Mode zugeſchnitten waren,<lb/> und weil er, ſobald er mit Menſchen reden ſolte, uͤber-<lb/> aus ſchuͤchtern und aͤngſtlich war, ſo hatte er ſich nie<lb/> getraut, um ein Amt, ſelbſt nicht um ein Schulamt<lb/> anzuhalten, man wuͤrde es ihm vielleicht auch nicht<lb/> gegeben haben. Er war daher als Corrector bey ver-<lb/> ſchiedenen Druckereyen, grau worden. Er kennte alle<lb/> Vorfaͤlle des Verleger- und Autorgewerbes. Denn<lb/> gleichwie ein Lichtputzer in der Comoͤdie, zuweilen einen<lb/> ſtummen Staatsminiſter oder einen redenden Lakayen<lb/> vorſtellen muß; ſo war auch er, obgleich eigentlich<lb/> nur ein Corrector, dennoch von ſeinem Verleger<lb/> oft zum Ueberſetzer, ja wohl gar zum Schreiber<lb/> einer <hi rendition="#fr">zuverlaͤßigen Nachricht,</hi> oder <hi rendition="#fr">ſchrift-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">und</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0104]
Neben der Dachſtube des Sebaldus, wohnete
auf einer andern Dachſtube ein alter Magiſter, mit
dem er bald Bekanntſchaft machte, und mit ihm in
kurzen vertraut wurde, weil es ſich aͤuſſerte, daß der-
ſelbe, ſo wie er, an der Ewigkeit der Hoͤllenſtrafen zwei-
felte. Dieſer Mann hatte gruͤndliche Kenntniſſe der
alten Sprachen und alles deſſen, was zur Philologie
gehoͤrt. Er hatte die alten griechiſchen Philoſophen
fleißig geleſen, und ſie mit den Schriften neuerer Phi-
loſophen verglichen, wodurch er gute Einſichten in die
Philoſophie erlanget hatte. Aber weil ſeine Kennt-
niſſe nicht nach nach der Mode zugeſchnitten waren,
und weil er, ſobald er mit Menſchen reden ſolte, uͤber-
aus ſchuͤchtern und aͤngſtlich war, ſo hatte er ſich nie
getraut, um ein Amt, ſelbſt nicht um ein Schulamt
anzuhalten, man wuͤrde es ihm vielleicht auch nicht
gegeben haben. Er war daher als Corrector bey ver-
ſchiedenen Druckereyen, grau worden. Er kennte alle
Vorfaͤlle des Verleger- und Autorgewerbes. Denn
gleichwie ein Lichtputzer in der Comoͤdie, zuweilen einen
ſtummen Staatsminiſter oder einen redenden Lakayen
vorſtellen muß; ſo war auch er, obgleich eigentlich
nur ein Corrector, dennoch von ſeinem Verleger
oft zum Ueberſetzer, ja wohl gar zum Schreiber
einer zuverlaͤßigen Nachricht, oder ſchrift-
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |