Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.in unzählbarer Menge die Früchte der Nachtwachen einer grossen Anzahl gelehrter Männer, die, nachdem sie beschäftigt gewesen, ihren Geist mit allen nütz- lichen Kenntnissen zu bereichern, diese Kenntniße, durch unermüdetes Nachdenken vervollkommet, der ganzen Welt mittheilen und sie dadurch zu erleuchten suchen. Wenn ich die hiesigen unermeßlichen Bü- cherniederlagen betrachtet habe, ist mir die unaus- gesetzte Geschäftigkeit der Gelehrten recht ehrwürdig vorgekommen. Jch hätte nie gedacht, daß so viele Bücher in der Welt wären, als ich hier beisammen finde, und daß noch jährlich einige hundert oder tau- send hinzukommen. Mag. Und darüber freuen Sie sich? Jch nicht. aß F 2
in unzaͤhlbarer Menge die Fruͤchte der Nachtwachen einer groſſen Anzahl gelehrter Maͤnner, die, nachdem ſie beſchaͤftigt geweſen, ihren Geiſt mit allen nuͤtz- lichen Kenntniſſen zu bereichern, dieſe Kenntniße, durch unermuͤdetes Nachdenken vervollkommet, der ganzen Welt mittheilen und ſie dadurch zu erleuchten ſuchen. Wenn ich die hieſigen unermeßlichen Buͤ- cherniederlagen betrachtet habe, iſt mir die unaus- geſetzte Geſchaͤftigkeit der Gelehrten recht ehrwuͤrdig vorgekommen. Jch haͤtte nie gedacht, daß ſo viele Buͤcher in der Welt waͤren, als ich hier beiſammen finde, und daß noch jaͤhrlich einige hundert oder tau- ſend hinzukommen. Mag. Und daruͤber freuen Sie ſich? Jch nicht. aß F 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0107" n="83"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> in unzaͤhlbarer Menge die Fruͤchte der Nachtwachen<lb/> einer groſſen Anzahl gelehrter Maͤnner, die, nachdem<lb/> ſie beſchaͤftigt geweſen, ihren Geiſt mit allen nuͤtz-<lb/> lichen Kenntniſſen zu bereichern, dieſe Kenntniße,<lb/> durch unermuͤdetes Nachdenken vervollkommet, der<lb/> ganzen Welt mittheilen und ſie dadurch zu erleuchten<lb/> ſuchen. Wenn ich die hieſigen unermeßlichen Buͤ-<lb/> cherniederlagen betrachtet habe, iſt mir die unaus-<lb/> geſetzte Geſchaͤftigkeit der Gelehrten recht ehrwuͤrdig<lb/> vorgekommen. Jch haͤtte nie gedacht, daß ſo viele<lb/> Buͤcher in der Welt waͤren, als ich hier beiſammen<lb/> finde, und daß noch jaͤhrlich einige hundert oder tau-<lb/> ſend hinzukommen.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Mag.</hi> Und daruͤber freuen Sie ſich? Jch nicht.<lb/> Sie kommen mir vor, wie ein hungriger Ankoͤmm-<lb/> ling an einer reichbeſetzten Tafel, der den groſſen Vor-<lb/> rath von Speiſen ſiehet, und ſchon uͤberſchlaͤgt, wie<lb/> gut er ſich mit dieſen herrlich ausſehenden Nahrungs-<lb/> mitteln fuͤttern wolle. Jch bin einer von den Gaͤſten,<lb/> die ſchon oft an dieſer Tafel geſeßen haben, und ſchon<lb/> oft hungrig aufgeſtanden ſind. Einige Speiſen hat-<lb/> ten einen ſehr wiedrigen <hi rendition="#aq">haut-gout,</hi> andere ſchmeck-<lb/> ten angenehm aber waren aͤußerſt unverdaulich, an-<lb/> dere waren nicht gahr gekocht, und andere waren<lb/> bloße Schaueßen. Endlich blieb ich zu Hauſe,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">aß</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0107]
in unzaͤhlbarer Menge die Fruͤchte der Nachtwachen
einer groſſen Anzahl gelehrter Maͤnner, die, nachdem
ſie beſchaͤftigt geweſen, ihren Geiſt mit allen nuͤtz-
lichen Kenntniſſen zu bereichern, dieſe Kenntniße,
durch unermuͤdetes Nachdenken vervollkommet, der
ganzen Welt mittheilen und ſie dadurch zu erleuchten
ſuchen. Wenn ich die hieſigen unermeßlichen Buͤ-
cherniederlagen betrachtet habe, iſt mir die unaus-
geſetzte Geſchaͤftigkeit der Gelehrten recht ehrwuͤrdig
vorgekommen. Jch haͤtte nie gedacht, daß ſo viele
Buͤcher in der Welt waͤren, als ich hier beiſammen
finde, und daß noch jaͤhrlich einige hundert oder tau-
ſend hinzukommen.
Mag. Und daruͤber freuen Sie ſich? Jch nicht.
Sie kommen mir vor, wie ein hungriger Ankoͤmm-
ling an einer reichbeſetzten Tafel, der den groſſen Vor-
rath von Speiſen ſiehet, und ſchon uͤberſchlaͤgt, wie
gut er ſich mit dieſen herrlich ausſehenden Nahrungs-
mitteln fuͤttern wolle. Jch bin einer von den Gaͤſten,
die ſchon oft an dieſer Tafel geſeßen haben, und ſchon
oft hungrig aufgeſtanden ſind. Einige Speiſen hat-
ten einen ſehr wiedrigen haut-gout, andere ſchmeck-
ten angenehm aber waren aͤußerſt unverdaulich, an-
dere waren nicht gahr gekocht, und andere waren
bloße Schaueßen. Endlich blieb ich zu Hauſe,
aß
F 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |