Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.um einen entfernten Feind zu entdecken, oder den Freund der uns besuchen will früher zu erblicken, oder in Microscope, um im Saamenthiergen zu unter- scheiden, ob der erste Keim des Menschen ein Fisch oder eine Faser ist, oder in Brenngläser, um Flotten oder Tabackspfeifen anzuzünden, oder in Brillen um feine Schrift zu lesen. Soviel ist gewiß, irgendwozu muß die Waare brauchbar seyn, sonst führe ich sie nicht. Doch hat mich die Erfahrung so viel gelehret, daß Brillen stärker abgehen als Telescopien*), zumahl in meinem Lande, wo viele Leute ein blödes Gesicht haben, und sich kein Mensch auf die Astronomie legt. Seb. Aber es ist dennoch unrichtig, daß die Buch- sie *) Daß diese Erfahrung des Tyrolers, auch schon im vorigen
Jahrhunderte richtig befunden worden, zeigt die weise Frau Verlegerin eines höchst wichtigen durkisch geschrie- benen Geschlechtregisters, mit dessen Uebersetzung und Commentirung Wilhelm Schickard Professor zu Tübingen im Jahre 1628. die orientalische Geschichte aufklären wolte. Schickard glaubte gewiß, sein Buch würde viel Käuser haben, weil es nicht zu den gemeinen alle Tage vorkom- menden Büchern gehörte, sondern er darin den Gekehrten von einer neuen und fremden Materie, so viel neues und fremdes berichten konnte. Aber aus dieser Ursache befürch- tete die Frau Verlegerin das Gegentheil. Sie versicherte, aus der Erfahrung zu wissen, daß die Bauerkalender viel häufiger verkauft würden, als die astronomischen Epheme- riden, aus denen sie gemacht sind. S. Leßings Beyträge zur Geschichte und Litteratur. Erster Beytrag S. 91. um einen entfernten Feind zu entdecken, oder den Freund der uns beſuchen will fruͤher zu erblicken, oder in Microſcope, um im Saamenthiergen zu unter- ſcheiden, ob der erſte Keim des Menſchen ein Fiſch oder eine Faſer iſt, oder in Brennglaͤſer, um Flotten oder Tabackspfeifen anzuzuͤnden, oder in Brillen um feine Schrift zu leſen. Soviel iſt gewiß, irgendwozu muß die Waare brauchbar ſeyn, ſonſt fuͤhre ich ſie nicht. Doch hat mich die Erfahrung ſo viel gelehret, daß Brillen ſtaͤrker abgehen als Teleſcopien*), zumahl in meinem Lande, wo viele Leute ein bloͤdes Geſicht haben, und ſich kein Menſch auf die Aſtronomie legt. Seb. Aber es iſt dennoch unrichtig, daß die Buch- ſie *) Daß dieſe Erfahrung des Tyrolers, auch ſchon im vorigen
Jahrhunderte richtig befunden worden, zeigt die weiſe Frau Verlegerin eines hoͤchſt wichtigen durkiſch geſchrie- benen Geſchlechtregiſters, mit deſſen Ueberſetzung und Commentirung Wilhelm Schickard Profeſſor zu Tuͤbingen im Jahre 1628. die orientaliſche Geſchichte aufklaͤren wolte. Schickard glaubte gewiß, ſein Buch wuͤrde viel Kaͤuſer haben, weil es nicht zu den gemeinen alle Tage vorkom- menden Buͤchern gehoͤrte, ſondern er darin den Gekehrten von einer neuen und fremden Materie, ſo viel neues und fremdes berichten konnte. Aber aus dieſer Urſache befuͤrch- tete die Frau Verlegerin das Gegentheil. Sie verſicherte, aus der Erfahrung zu wiſſen, daß die Bauerkalender viel haͤufiger verkauft wuͤrden, als die aſtronomiſchen Epheme- riden, aus denen ſie gemacht ſind. S. Leßings Beytraͤge zur Geſchichte und Litteratur. Erſter Beytrag S. 91. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0140" n="116"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> um einen entfernten Feind zu entdecken, oder den<lb/> Freund der uns beſuchen will fruͤher zu erblicken, oder<lb/> in Microſcope, um im Saamenthiergen zu unter-<lb/> ſcheiden, ob der erſte Keim des Menſchen ein Fiſch<lb/> oder eine Faſer iſt, oder in Brennglaͤſer, um Flotten<lb/> oder Tabackspfeifen anzuzuͤnden, oder in Brillen um<lb/> feine Schrift zu leſen. Soviel iſt gewiß, irgendwozu<lb/> muß die Waare brauchbar ſeyn, ſonſt fuͤhre ich ſie<lb/> nicht. Doch hat mich die Erfahrung ſo viel gelehret,<lb/> daß Brillen ſtaͤrker abgehen als Teleſcopien<note place="foot" n="*)">Daß dieſe Erfahrung des Tyrolers, auch ſchon im vorigen<lb/> Jahrhunderte richtig befunden worden, zeigt die <hi rendition="#fr">weiſe<lb/> Frau Verlegerin</hi> eines hoͤchſt wichtigen durkiſch geſchrie-<lb/> benen Geſchlechtregiſters, mit deſſen Ueberſetzung und<lb/> Commentirung <hi rendition="#fr">Wilhelm Schickard</hi> Profeſſor zu Tuͤbingen<lb/> im Jahre 1628. die orientaliſche Geſchichte aufklaͤren wolte.<lb/><hi rendition="#fr">Schickard</hi> glaubte gewiß, ſein Buch wuͤrde viel Kaͤuſer<lb/> haben, weil es nicht zu den gemeinen alle Tage vorkom-<lb/> menden Buͤchern gehoͤrte, ſondern er darin den Gekehrten<lb/> von einer neuen und fremden Materie, ſo viel neues und<lb/> fremdes berichten konnte. Aber aus dieſer Urſache befuͤrch-<lb/> tete die Frau Verlegerin das Gegentheil. Sie verſicherte,<lb/> aus der Erfahrung zu wiſſen, daß die <hi rendition="#fr">Bauerkalender</hi> viel<lb/> haͤufiger verkauft wuͤrden, als die <hi rendition="#fr">aſtronomiſchen Epheme-<lb/> riden, aus denen ſie gemacht ſind. S. Leßings Beytraͤge<lb/> zur Geſchichte und Litteratur. Erſter Beytrag S.</hi> 91.</note>, zumahl<lb/> in meinem Lande, wo viele Leute ein bloͤdes Geſicht<lb/> haben, und ſich kein Menſch auf die Aſtronomie legt.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Seb.</hi> Aber es iſt dennoch unrichtig, daß die Buch-<lb/> handlung durch dumme Buͤcher in Flor kommt, denn<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſie</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0140]
um einen entfernten Feind zu entdecken, oder den
Freund der uns beſuchen will fruͤher zu erblicken, oder
in Microſcope, um im Saamenthiergen zu unter-
ſcheiden, ob der erſte Keim des Menſchen ein Fiſch
oder eine Faſer iſt, oder in Brennglaͤſer, um Flotten
oder Tabackspfeifen anzuzuͤnden, oder in Brillen um
feine Schrift zu leſen. Soviel iſt gewiß, irgendwozu
muß die Waare brauchbar ſeyn, ſonſt fuͤhre ich ſie
nicht. Doch hat mich die Erfahrung ſo viel gelehret,
daß Brillen ſtaͤrker abgehen als Teleſcopien *), zumahl
in meinem Lande, wo viele Leute ein bloͤdes Geſicht
haben, und ſich kein Menſch auf die Aſtronomie legt.
Seb. Aber es iſt dennoch unrichtig, daß die Buch-
handlung durch dumme Buͤcher in Flor kommt, denn
ſie
*) Daß dieſe Erfahrung des Tyrolers, auch ſchon im vorigen
Jahrhunderte richtig befunden worden, zeigt die weiſe
Frau Verlegerin eines hoͤchſt wichtigen durkiſch geſchrie-
benen Geſchlechtregiſters, mit deſſen Ueberſetzung und
Commentirung Wilhelm Schickard Profeſſor zu Tuͤbingen
im Jahre 1628. die orientaliſche Geſchichte aufklaͤren wolte.
Schickard glaubte gewiß, ſein Buch wuͤrde viel Kaͤuſer
haben, weil es nicht zu den gemeinen alle Tage vorkom-
menden Buͤchern gehoͤrte, ſondern er darin den Gekehrten
von einer neuen und fremden Materie, ſo viel neues und
fremdes berichten konnte. Aber aus dieſer Urſache befuͤrch-
tete die Frau Verlegerin das Gegentheil. Sie verſicherte,
aus der Erfahrung zu wiſſen, daß die Bauerkalender viel
haͤufiger verkauft wuͤrden, als die aſtronomiſchen Epheme-
riden, aus denen ſie gemacht ſind. S. Leßings Beytraͤge
zur Geſchichte und Litteratur. Erſter Beytrag S. 91.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |