Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.Kirche; aber seine Soldaten hielt er sehr streng dazu an. Er schwor und fluchte sehr oft; aber kein Subal- tern durfte fluchen wenn ers hörte. Er war aus Temperament keusch; aber auf einen jungen Solda- ten, von dem er wußte daß er sich niemals in ein Mädchen verliebt hatte, ließ er beständig Acht geben, weil er sich nicht viel gutes zu ihm versahe. Sein Versprechen, wenn er es einmahl gegeben hatte, war unwiderruflich; gleichwohl widersprach er seiner eignen Meinung schnell, so bald er merkte, daß er möchte geirret haben. Er beleidigte kein Kind; aber beleidigt, war er äußerst rachgierig; aus dem Grund- satze: Ein braver Mann müße nichts auf sich sitzen laßen. Als Sebaldus vor ihm erschien, nahm er ihn sey,
Kirche; aber ſeine Soldaten hielt er ſehr ſtreng dazu an. Er ſchwor und fluchte ſehr oft; aber kein Subal- tern durfte fluchen wenn ers hoͤrte. Er war aus Temperament keuſch; aber auf einen jungen Solda- ten, von dem er wußte daß er ſich niemals in ein Maͤdchen verliebt hatte, ließ er beſtaͤndig Acht geben, weil er ſich nicht viel gutes zu ihm verſahe. Sein Verſprechen, wenn er es einmahl gegeben hatte, war unwiderruflich; gleichwohl widerſprach er ſeiner eignen Meinung ſchnell, ſo bald er merkte, daß er moͤchte geirret haben. Er beleidigte kein Kind; aber beleidigt, war er aͤußerſt rachgierig; aus dem Grund- ſatze: Ein braver Mann muͤße nichts auf ſich ſitzen laßen. Als Sebaldus vor ihm erſchien, nahm er ihn ſey,
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Kirche; aber ſeine Soldaten hielt er ſehr ſtreng dazu
an. Er ſchwor und fluchte ſehr oft; aber kein Subal-
tern durfte fluchen wenn ers hoͤrte. Er war aus
Temperament keuſch; aber auf einen jungen Solda-
ten, von dem er wußte daß er ſich niemals in ein
Maͤdchen verliebt hatte, ließ er beſtaͤndig Acht geben,
weil er ſich nicht viel gutes zu ihm verſahe. Sein
Verſprechen, wenn er es einmahl gegeben hatte, war
unwiderruflich; gleichwohl widerſprach er ſeiner
eignen Meinung ſchnell, ſo bald er merkte, daß er
moͤchte geirret haben. Er beleidigte kein Kind; aber
beleidigt, war er aͤußerſt rachgierig; aus dem Grund-
ſatze: Ein braver Mann muͤße nichts auf ſich
ſitzen laßen.
Als Sebaldus vor ihm erſchien, nahm er ihn
bey der Hand, und dankte ihm fuͤr die zehen ſchoͤne
Rekruten, die er durch ſeine geiſtreiche Predigt,
dem Bataillon verſchaft haͤtte. Als ihm aber Se-
baldus erzaͤhlte, welche traurige Folgen dieſe Pre-
digt fuͤr ihn und ſeine Familie gehabt habe; ge-
rieth er in ein tiefes Nachſinnen, worin er den Se-
baldus von Zeit zu Zeit anblickte, und als dieſer fort-
fuhr zu erzaͤhlen, daß der Superintendent Stauzius
die eigentliche Urſach ſeines Ungluͤcks, und daß eben
dieſer Stauzius der Vater des arretirten Rekruten
ſey,
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