Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773.

Bild:
<< vorherige Seite



tung zu halten, denen sie beständig den großen Ab-
stand, der zwischen ihr und ihnen bleiben muste,
fühlen ließ.

Und dennoch stammte sie selbst aus bürgerlichem
Stande. Jhr Vater Namens Säugling, war ein
reicher Pachter gewesen, und ihr Bruder war ein Tuch-
händler in einer großen Handelsstadt, der im Kriege
durch Lieferungen an die Armeen ein grosses Vermö-
gen erworben hatte. Dieses bürgerlichen Ursprungs
aber war sie nie eingedenk. Vielmehr ging ihr gan-
zes Thun und Lassen dahin, das Ansehen einer Dame
von Stande zu haben, und der Familie ihres Gemahls,
die seit länger als hundert Jahren auf ihren angeerb-
ten Gütern Kohl gepflanzt hatte, einen neuen Glanz
zu geben. Wenn es nur irgend wahrscheinlich gewe-
sen wäre, daß sie an einem der deutschen fürstlichen Höfe
die, wie es billig ist, alle Personen, die nicht wenig-
stens acht Ahnen haben, aus ihrer Athmosphäre aus-
schließen, würde zur Cour zugelassen worden seyn,
und wenn ihr Gemahl nur irgend zu etwas anders ge-
schickt gewesen wäre, als auf die Jagd zu gehen, zu
trinken, und alle Anordnungen seiner Gemahlinn zu
bewundern: so hätte sie nicht eher geruhet, bis er sich
mit ihr nach Hofe begeben hätte. Hätte sie einen
Sohn gehabt: so würde sie ihn zu einem adelichen

Amte



tung zu halten, denen ſie beſtaͤndig den großen Ab-
ſtand, der zwiſchen ihr und ihnen bleiben muſte,
fuͤhlen ließ.

Und dennoch ſtammte ſie ſelbſt aus buͤrgerlichem
Stande. Jhr Vater Namens Saͤugling, war ein
reicher Pachter geweſen, und ihr Bruder war ein Tuch-
haͤndler in einer großen Handelsſtadt, der im Kriege
durch Lieferungen an die Armeen ein groſſes Vermoͤ-
gen erworben hatte. Dieſes buͤrgerlichen Urſprungs
aber war ſie nie eingedenk. Vielmehr ging ihr gan-
zes Thun und Laſſen dahin, das Anſehen einer Dame
von Stande zu haben, und der Familie ihres Gemahls,
die ſeit laͤnger als hundert Jahren auf ihren angeerb-
ten Guͤtern Kohl gepflanzt hatte, einen neuen Glanz
zu geben. Wenn es nur irgend wahrſcheinlich gewe-
ſen waͤre, daß ſie an einem der deutſchen fuͤrſtlichen Hoͤfe
die, wie es billig iſt, alle Perſonen, die nicht wenig-
ſtens acht Ahnen haben, aus ihrer Athmoſphaͤre aus-
ſchließen, wuͤrde zur Cour zugelaſſen worden ſeyn,
und wenn ihr Gemahl nur irgend zu etwas anders ge-
ſchickt geweſen waͤre, als auf die Jagd zu gehen, zu
trinken, und alle Anordnungen ſeiner Gemahlinn zu
bewundern: ſo haͤtte ſie nicht eher geruhet, bis er ſich
mit ihr nach Hofe begeben haͤtte. Haͤtte ſie einen
Sohn gehabt: ſo wuͤrde ſie ihn zu einem adelichen

Amte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0200" n="174"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
tung zu halten, denen &#x017F;ie be&#x017F;ta&#x0364;ndig den großen Ab-<lb/>
&#x017F;tand, der zwi&#x017F;chen ihr und ihnen bleiben mu&#x017F;te,<lb/>
fu&#x0364;hlen ließ.</p><lb/>
          <p>Und dennoch &#x017F;tammte &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t aus bu&#x0364;rgerlichem<lb/>
Stande. Jhr Vater Namens <hi rendition="#fr">Sa&#x0364;ugling,</hi> war ein<lb/>
reicher Pachter gewe&#x017F;en, und ihr Bruder war ein Tuch-<lb/>
ha&#x0364;ndler in einer großen Handels&#x017F;tadt, der im Kriege<lb/>
durch Lieferungen an die Armeen ein gro&#x017F;&#x017F;es Vermo&#x0364;-<lb/>
gen erworben hatte. Die&#x017F;es bu&#x0364;rgerlichen Ur&#x017F;prungs<lb/>
aber war &#x017F;ie nie eingedenk. Vielmehr ging ihr gan-<lb/>
zes Thun und La&#x017F;&#x017F;en dahin, das An&#x017F;ehen einer Dame<lb/>
von Stande zu haben, und der Familie ihres Gemahls,<lb/>
die &#x017F;eit la&#x0364;nger als hundert Jahren auf ihren angeerb-<lb/>
ten Gu&#x0364;tern Kohl gepflanzt hatte, einen neuen Glanz<lb/>
zu geben. Wenn es nur irgend wahr&#x017F;cheinlich gewe-<lb/>
&#x017F;en wa&#x0364;re, daß &#x017F;ie an einem der deut&#x017F;chen fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Ho&#x0364;fe<lb/>
die, wie es billig i&#x017F;t, alle Per&#x017F;onen, die nicht wenig-<lb/>
&#x017F;tens acht Ahnen haben, aus ihrer Athmo&#x017F;pha&#x0364;re aus-<lb/>
&#x017F;chließen, wu&#x0364;rde zur Cour zugela&#x017F;&#x017F;en worden &#x017F;eyn,<lb/>
und wenn ihr Gemahl nur irgend zu etwas anders ge-<lb/>
&#x017F;chickt gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, als auf die Jagd zu gehen, zu<lb/>
trinken, und alle Anordnungen &#x017F;einer Gemahlinn zu<lb/>
bewundern: &#x017F;o ha&#x0364;tte &#x017F;ie nicht eher geruhet, bis er &#x017F;ich<lb/>
mit ihr nach Hofe begeben ha&#x0364;tte. Ha&#x0364;tte &#x017F;ie einen<lb/>
Sohn gehabt: &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie ihn zu einem adelichen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Amte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0200] tung zu halten, denen ſie beſtaͤndig den großen Ab- ſtand, der zwiſchen ihr und ihnen bleiben muſte, fuͤhlen ließ. Und dennoch ſtammte ſie ſelbſt aus buͤrgerlichem Stande. Jhr Vater Namens Saͤugling, war ein reicher Pachter geweſen, und ihr Bruder war ein Tuch- haͤndler in einer großen Handelsſtadt, der im Kriege durch Lieferungen an die Armeen ein groſſes Vermoͤ- gen erworben hatte. Dieſes buͤrgerlichen Urſprungs aber war ſie nie eingedenk. Vielmehr ging ihr gan- zes Thun und Laſſen dahin, das Anſehen einer Dame von Stande zu haben, und der Familie ihres Gemahls, die ſeit laͤnger als hundert Jahren auf ihren angeerb- ten Guͤtern Kohl gepflanzt hatte, einen neuen Glanz zu geben. Wenn es nur irgend wahrſcheinlich gewe- ſen waͤre, daß ſie an einem der deutſchen fuͤrſtlichen Hoͤfe die, wie es billig iſt, alle Perſonen, die nicht wenig- ſtens acht Ahnen haben, aus ihrer Athmoſphaͤre aus- ſchließen, wuͤrde zur Cour zugelaſſen worden ſeyn, und wenn ihr Gemahl nur irgend zu etwas anders ge- ſchickt geweſen waͤre, als auf die Jagd zu gehen, zu trinken, und alle Anordnungen ſeiner Gemahlinn zu bewundern: ſo haͤtte ſie nicht eher geruhet, bis er ſich mit ihr nach Hofe begeben haͤtte. Haͤtte ſie einen Sohn gehabt: ſo wuͤrde ſie ihn zu einem adelichen Amte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/200
Zitationshilfe: Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 1. Berlin u. a., 1773, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker01_1773/200>, abgerufen am 31.10.2024.