"wollte mich widerlegen, ich suchte mich zu verthei- "digen, und was das schlimmste war, ich hatte Recht, "und er ward hitzig, nahm ein saures Amtsgesicht "an, that einen Machtspruch, und brach das Ge- "spräch ab.'
,Der gute alte Mann, sah es zwar sehr gern, "wenn andere frey dachten, so weit, als er sich selbst "das Ziel gesteckt hatte; aber denjenigen, der nur "Einen Schritt weiter gehen wollte, verachtete und "haßte er noch mehr, als den, der alles beym Alten "ließ. Er hat es mir nachher nie vergeben können, "daß ich hatte weiter sehen wollen, als er. Es war "ferner auf keine Freundschaft zu rechnen. Er miß- "billigte öffentlich mein Buch, um sich zugleich selbst "desto kräftiger vor dem Verdachte der Heterodoxie "zu sichern, und machte dadurch meinen Kollegeu "mehrern Muth, die schon längst den jungen gelehr- "ten Diakon mit scheelen Augen angesehen hatten. "Man vermied mich, man lud mich ferner nicht zu "den gewöhnlichen Zusammenkünften ein, und ich "blieb ganz einzeln, mit meinem Freunde dem Officier.'
,Jch hatte nur ein sehr kümmerliches Auskommen. "Man weiß, wie schlecht überhaupt die festgesetzte Geld- "einnahme der Prediger ist. Jhr hauptsächlicher Un- "terhalt beruht auf zufälligen Einkünften, besonders
"auf
”wollte mich widerlegen, ich ſuchte mich zu verthei- ”digen, und was das ſchlimmſte war, ich hatte Recht, ”und er ward hitzig, nahm ein ſaures Amtsgeſicht ”an, that einen Machtſpruch, und brach das Ge- ”ſpraͤch ab.‛
‚Der gute alte Mann, ſah es zwar ſehr gern, ”wenn andere frey dachten, ſo weit, als er ſich ſelbſt ”das Ziel geſteckt hatte; aber denjenigen, der nur ”Einen Schritt weiter gehen wollte, verachtete und ”haßte er noch mehr, als den, der alles beym Alten ”ließ. Er hat es mir nachher nie vergeben koͤnnen, ”daß ich hatte weiter ſehen wollen, als er. Es war ”ferner auf keine Freundſchaft zu rechnen. Er miß- ”billigte oͤffentlich mein Buch, um ſich zugleich ſelbſt ”deſto kraͤftiger vor dem Verdachte der Heterodoxie ”zu ſichern, und machte dadurch meinen Kollegeu ”mehrern Muth, die ſchon laͤngſt den jungen gelehr- ”ten Diakon mit ſcheelen Augen angeſehen hatten. ”Man vermied mich, man lud mich ferner nicht zu ”den gewoͤhnlichen Zuſammenkuͤnften ein, und ich ”blieb ganz einzeln, mit meinem Freunde dem Officier.‛
‚Jch hatte nur ein ſehr kuͤmmerliches Auskommen. ”Man weiß, wie ſchlecht uͤberhaupt die feſtgeſetzte Geld- ”einnahme der Prediger iſt. Jhr hauptſaͤchlicher Un- ”terhalt beruht auf zufaͤlligen Einkuͤnften, beſonders
”auf
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”wollte mich widerlegen, ich ſuchte mich zu verthei-
”digen, und was das ſchlimmſte war, ich hatte Recht,
”und er ward hitzig, nahm ein ſaures Amtsgeſicht
”an, that einen Machtſpruch, und brach das Ge-
”ſpraͤch ab.‛
‚Der gute alte Mann, ſah es zwar ſehr gern,
”wenn andere frey dachten, ſo weit, als er ſich ſelbſt
”das Ziel geſteckt hatte; aber denjenigen, der nur
”Einen Schritt weiter gehen wollte, verachtete und
”haßte er noch mehr, als den, der alles beym Alten
”ließ. Er hat es mir nachher nie vergeben koͤnnen,
”daß ich hatte weiter ſehen wollen, als er. Es war
”ferner auf keine Freundſchaft zu rechnen. Er miß-
”billigte oͤffentlich mein Buch, um ſich zugleich ſelbſt
”deſto kraͤftiger vor dem Verdachte der Heterodoxie
”zu ſichern, und machte dadurch meinen Kollegeu
”mehrern Muth, die ſchon laͤngſt den jungen gelehr-
”ten Diakon mit ſcheelen Augen angeſehen hatten.
”Man vermied mich, man lud mich ferner nicht zu
”den gewoͤhnlichen Zuſammenkuͤnften ein, und ich
”blieb ganz einzeln, mit meinem Freunde dem Officier.‛
‚Jch hatte nur ein ſehr kuͤmmerliches Auskommen.
”Man weiß, wie ſchlecht uͤberhaupt die feſtgeſetzte Geld-
”einnahme der Prediger iſt. Jhr hauptſaͤchlicher Un-
”terhalt beruht auf zufaͤlligen Einkuͤnften, beſonders
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/64>, abgerufen am 14.06.2024.
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