"der Freundschast des Superintendenten auch alle "Hoffnung dazu, in meiner itzigen Lage, verschwun- "den. Jch hätte mir nicht zu rathen gewußt, wenn "nicht mein Freund, der junge Officier, mir eine ein- "trägliche Pfarre in einem benachbarten Fürstenthume "verschafft hätte.'
,Jch nahm sie ohne Bedenken an. Während des "Gnadenjahrs heurathete ich meine Braut, und "träumte von weiter nichts, als von Glück und von "Vergnügen, indessen daß an dem Orte meines künf- "tigen Aufenthaltes sich ein Wetter wider mich zu- "sammen zog. Ein anderer Prediger hatte sich große "Hoffnung zu meiner Stelle gemacht, und dieser konnte "mir nicht verzeihen, daß alle seine Bewerbungen "fruchtlos gewesen waren. Er breitete gräßliche Ge- "rüchte von meiner Heterodoxie aus, und berief sich "auf mein gedrucktes Buch, wo sie, schwarz auf weiß, "zu lesen stände. Die Schneider und die Schornstein- "feger in meiner Diöces lasen eine philosophische Ab- "handlung, die nicht für sie geschrieben war, und "fanden Ketzerey über Ketzerey darinn.'
,Als ich also mein Amt antreten wollte, fand ich "meine ganze Gemeine wider mich eingenommen, "die Leute auf der Gasse gafften mich als ein Wun- "derthier an, und drängten sich vor mein Haus, um
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”der Freundſchaſt des Superintendenten auch alle ”Hoffnung dazu, in meiner itzigen Lage, verſchwun- ”den. Jch haͤtte mir nicht zu rathen gewußt, wenn ”nicht mein Freund, der junge Officier, mir eine ein- ”traͤgliche Pfarre in einem benachbarten Fuͤrſtenthume ”verſchafft haͤtte.‛
‚Jch nahm ſie ohne Bedenken an. Waͤhrend des ”Gnadenjahrs heurathete ich meine Braut, und ”traͤumte von weiter nichts, als von Gluͤck und von ”Vergnuͤgen, indeſſen daß an dem Orte meines kuͤnf- ”tigen Aufenthaltes ſich ein Wetter wider mich zu- ”ſammen zog. Ein anderer Prediger hatte ſich große ”Hoffnung zu meiner Stelle gemacht, und dieſer konnte ”mir nicht verzeihen, daß alle ſeine Bewerbungen ”fruchtlos geweſen waren. Er breitete graͤßliche Ge- ”ruͤchte von meiner Heterodoxie aus, und berief ſich ”auf mein gedrucktes Buch, wo ſie, ſchwarz auf weiß, ”zu leſen ſtaͤnde. Die Schneider und die Schornſtein- ”feger in meiner Dioͤces laſen eine philoſophiſche Ab- ”handlung, die nicht fuͤr ſie geſchrieben war, und ”fanden Ketzerey uͤber Ketzerey darinn.‛
‚Als ich alſo mein Amt antreten wollte, fand ich ”meine ganze Gemeine wider mich eingenommen, ”die Leute auf der Gaſſe gafften mich als ein Wun- ”derthier an, und draͤngten ſich vor mein Haus, um
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”der Freundſchaſt des Superintendenten auch alle
”Hoffnung dazu, in meiner itzigen Lage, verſchwun-
”den. Jch haͤtte mir nicht zu rathen gewußt, wenn
”nicht mein Freund, der junge Officier, mir eine ein-
”traͤgliche Pfarre in einem benachbarten Fuͤrſtenthume
”verſchafft haͤtte.‛
‚Jch nahm ſie ohne Bedenken an. Waͤhrend des
”Gnadenjahrs heurathete ich meine Braut, und
”traͤumte von weiter nichts, als von Gluͤck und von
”Vergnuͤgen, indeſſen daß an dem Orte meines kuͤnf-
”tigen Aufenthaltes ſich ein Wetter wider mich zu-
”ſammen zog. Ein anderer Prediger hatte ſich große
”Hoffnung zu meiner Stelle gemacht, und dieſer konnte
”mir nicht verzeihen, daß alle ſeine Bewerbungen
”fruchtlos geweſen waren. Er breitete graͤßliche Ge-
”ruͤchte von meiner Heterodoxie aus, und berief ſich
”auf mein gedrucktes Buch, wo ſie, ſchwarz auf weiß,
”zu leſen ſtaͤnde. Die Schneider und die Schornſtein-
”feger in meiner Dioͤces laſen eine philoſophiſche Ab-
”handlung, die nicht fuͤr ſie geſchrieben war, und
”fanden Ketzerey uͤber Ketzerey darinn.‛
‚Als ich alſo mein Amt antreten wollte, fand ich
”meine ganze Gemeine wider mich eingenommen,
”die Leute auf der Gaſſe gafften mich als ein Wun-
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Nicolai, Friedrich: Das Leben und die Meinungen des Herrn Magister Sebaldus Nothanker. Bd. 2. Berlin u. a., 1775, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nicolai_nothanker02_1775/67>, abgerufen am 15.06.2024.
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