Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

Polybius, so einsichtsvoll als Geschichtsschreiber sei-
ner Zeit, ist nichts weniger als eine Autorität wenn er
die Urzeiten berührt, deren Erforschung für seine Sinnes-
art nicht paßte, wie er sie auch als Fabeln verschmähte.
Ihn irrte, daß er ein zahlreiches Volk in den Wohnsitzen
der alten Opiker fand welches noch diesen Nahmen trug:
und so unterschied er, als alte Bewohner Campaniens,
Opiker und Ausoner 82). Andere gingen noch weiter, und
nannten Opiker, Ausoner und Osker (unter den letzten die
sabellischen Campaner verstehend) als drei Völker die nach
einander diese Gegend bewohnt hätten 83). Opicus und
Oscus aber ist ganz dasselbe 84). Die ausonischen Opiker
hatten dem Lande ihren Namen gegeben; von diesen ging
er auf das eingewanderte Volk über, wie wir die Englän-
der auch Britten: spanische Creolen Mexicaner und Pe-
ruaner nennen. Und gerade wie der Ausländer den Walli-
ser, dem der Nahme eines Britten eigentlich gebührt, am
wenigsten so nennt, ging auch im Römischen Sprachge-
brauch der oskische Nahme auf die campanischen Samniter
so über, daß er den alten ausonischen Stämmen entzogen
ward. Ihre Sprache ward unter allen Sabellischen Dia-
lecten, durch die alte Verbürgerung und häufige Familien-
verbindungen, aber auch durch die Atellanischen Farcen,
den Römern am meisten vertraut; und von ihr, die jetzt
oskisch genannt ward, ging dieser Nahme auf alle ver-

82) Strabo V. c. 4. §. 3.
83) Strabo, ebend.
84) Festus, s. v. Oscum. In omnibus fere antiquis com-
mentariis scribitur opicus pro osco.
D 2

Polybius, ſo einſichtsvoll als Geſchichtsſchreiber ſei-
ner Zeit, iſt nichts weniger als eine Autoritaͤt wenn er
die Urzeiten beruͤhrt, deren Erforſchung fuͤr ſeine Sinnes-
art nicht paßte, wie er ſie auch als Fabeln verſchmaͤhte.
Ihn irrte, daß er ein zahlreiches Volk in den Wohnſitzen
der alten Opiker fand welches noch dieſen Nahmen trug:
und ſo unterſchied er, als alte Bewohner Campaniens,
Opiker und Auſoner 82). Andere gingen noch weiter, und
nannten Opiker, Auſoner und Oſker (unter den letzten die
ſabelliſchen Campaner verſtehend) als drei Voͤlker die nach
einander dieſe Gegend bewohnt haͤtten 83). Opicus und
Oscus aber iſt ganz daſſelbe 84). Die auſoniſchen Opiker
hatten dem Lande ihren Namen gegeben; von dieſen ging
er auf das eingewanderte Volk uͤber, wie wir die Englaͤn-
der auch Britten: ſpaniſche Creolen Mexicaner und Pe-
ruaner nennen. Und gerade wie der Auslaͤnder den Walli-
ſer, dem der Nahme eines Britten eigentlich gebuͤhrt, am
wenigſten ſo nennt, ging auch im Roͤmiſchen Sprachge-
brauch der oſkiſche Nahme auf die campaniſchen Samniter
ſo uͤber, daß er den alten auſoniſchen Staͤmmen entzogen
ward. Ihre Sprache ward unter allen Sabelliſchen Dia-
lecten, durch die alte Verbuͤrgerung und haͤufige Familien-
verbindungen, aber auch durch die Atellaniſchen Farcen,
den Roͤmern am meiſten vertraut; und von ihr, die jetzt
oſkiſch genannt ward, ging dieſer Nahme auf alle ver-

82) Strabo V. c. 4. §. 3.
83) Strabo, ebend.
84) Feſtus, s. v. Oscum. In omnibus fere antiquis com-
mentariis scribitur opicus pro osco.
D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0073" n="51"/>
          <p>Polybius, &#x017F;o ein&#x017F;ichtsvoll als Ge&#x017F;chichts&#x017F;chreiber &#x017F;ei-<lb/>
ner Zeit, i&#x017F;t nichts weniger als eine Autorita&#x0364;t wenn er<lb/>
die Urzeiten beru&#x0364;hrt, deren Erfor&#x017F;chung fu&#x0364;r &#x017F;eine Sinnes-<lb/>
art nicht paßte, wie er &#x017F;ie auch als Fabeln ver&#x017F;chma&#x0364;hte.<lb/>
Ihn irrte, daß er ein zahlreiches Volk in den Wohn&#x017F;itzen<lb/>
der alten Opiker fand welches noch die&#x017F;en Nahmen trug:<lb/>
und &#x017F;o unter&#x017F;chied er, als alte Bewohner Campaniens,<lb/>
Opiker und Au&#x017F;oner <note place="foot" n="82)">Strabo <hi rendition="#aq">V. c.</hi> 4. §. 3.</note>. Andere gingen noch weiter, und<lb/>
nannten Opiker, Au&#x017F;oner und O&#x017F;ker (unter den letzten die<lb/>
&#x017F;abelli&#x017F;chen Campaner ver&#x017F;tehend) als drei Vo&#x0364;lker die nach<lb/>
einander die&#x017F;e Gegend bewohnt ha&#x0364;tten <note place="foot" n="83)">Strabo, ebend.</note>. Opicus und<lb/>
Oscus aber i&#x017F;t ganz da&#x017F;&#x017F;elbe <note place="foot" n="84)">Fe&#x017F;tus, <hi rendition="#aq">s. v. Oscum. In omnibus fere antiquis com-<lb/>
mentariis scribitur opicus pro osco.</hi></note>. Die au&#x017F;oni&#x017F;chen Opiker<lb/>
hatten dem Lande ihren Namen gegeben; von die&#x017F;en ging<lb/>
er auf das eingewanderte Volk u&#x0364;ber, wie wir die Engla&#x0364;n-<lb/>
der auch Britten: &#x017F;pani&#x017F;che Creolen Mexicaner und Pe-<lb/>
ruaner nennen. Und gerade wie der Ausla&#x0364;nder den Walli-<lb/>
&#x017F;er, dem der Nahme eines Britten eigentlich gebu&#x0364;hrt, am<lb/>
wenig&#x017F;ten &#x017F;o nennt, ging auch im Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Sprachge-<lb/>
brauch der o&#x017F;ki&#x017F;che Nahme auf die campani&#x017F;chen Samniter<lb/>
&#x017F;o u&#x0364;ber, daß er den alten au&#x017F;oni&#x017F;chen Sta&#x0364;mmen entzogen<lb/>
ward. Ihre Sprache ward unter allen Sabelli&#x017F;chen Dia-<lb/>
lecten, durch die alte Verbu&#x0364;rgerung und ha&#x0364;ufige Familien-<lb/>
verbindungen, aber auch durch die Atellani&#x017F;chen Farcen,<lb/>
den Ro&#x0364;mern am mei&#x017F;ten vertraut; und von ihr, die jetzt<lb/>
o&#x017F;ki&#x017F;ch genannt ward, ging die&#x017F;er Nahme auf alle ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0073] Polybius, ſo einſichtsvoll als Geſchichtsſchreiber ſei- ner Zeit, iſt nichts weniger als eine Autoritaͤt wenn er die Urzeiten beruͤhrt, deren Erforſchung fuͤr ſeine Sinnes- art nicht paßte, wie er ſie auch als Fabeln verſchmaͤhte. Ihn irrte, daß er ein zahlreiches Volk in den Wohnſitzen der alten Opiker fand welches noch dieſen Nahmen trug: und ſo unterſchied er, als alte Bewohner Campaniens, Opiker und Auſoner 82). Andere gingen noch weiter, und nannten Opiker, Auſoner und Oſker (unter den letzten die ſabelliſchen Campaner verſtehend) als drei Voͤlker die nach einander dieſe Gegend bewohnt haͤtten 83). Opicus und Oscus aber iſt ganz daſſelbe 84). Die auſoniſchen Opiker hatten dem Lande ihren Namen gegeben; von dieſen ging er auf das eingewanderte Volk uͤber, wie wir die Englaͤn- der auch Britten: ſpaniſche Creolen Mexicaner und Pe- ruaner nennen. Und gerade wie der Auslaͤnder den Walli- ſer, dem der Nahme eines Britten eigentlich gebuͤhrt, am wenigſten ſo nennt, ging auch im Roͤmiſchen Sprachge- brauch der oſkiſche Nahme auf die campaniſchen Samniter ſo uͤber, daß er den alten auſoniſchen Staͤmmen entzogen ward. Ihre Sprache ward unter allen Sabelliſchen Dia- lecten, durch die alte Verbuͤrgerung und haͤufige Familien- verbindungen, aber auch durch die Atellaniſchen Farcen, den Roͤmern am meiſten vertraut; und von ihr, die jetzt oſkiſch genannt ward, ging dieſer Nahme auf alle ver- 82) Strabo V. c. 4. §. 3. 83) Strabo, ebend. 84) Feſtus, s. v. Oscum. In omnibus fere antiquis com- mentariis scribitur opicus pro osco. D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/73
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/73>, abgerufen am 31.10.2024.