Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Was es mit dem Feuerhund auf sich hat, weiss
ich nun; und insgleichen mit all den Auswurf- und
Umsturz-Teufeln, vor denen sich nicht nur alte Weib¬
chen fürchten.

Heraus mit dir, Feuerhund, aus deiner Tiefe! rief
ich, und bekenne, wie tief diese Tiefe ist! Woher ist
das, was du da heraufschnaubst?

Du trinkst reichlich am Meere: das verräth deine
versalzte Beredsamkeit! Fürwahr, für einen Hund
der Tiefe nimmst du deine Nahrung zu sehr von der
Oberfläche!

Höchstens für den Bauchredner der Erde halt' ich
dich: und immer, wenn ich Umsturz- und Auswurf-
Teufel reden hörte, fand ich sie gleich dir: gesalzen,
lügnerisch und flach.

Ihr versteht zu brüllen und mit Asche zu ver¬
dunkeln! Ihr seid die besten Grossmäuler und lerntet
sattsam die Kunst, Schlamm heiss zu sieden?

Wo ihr seid, da muss stets Schlamm in der Nähe
sein, und viel Schwammichtes, Höhlichtes, Einge¬
zwängtes: das will in die Freiheit.

"Freiheit" brüllt ihr Alle am liebsten: aber ich
verlernte den Glauben an "grosse Ereignisse," sobald
viel Gebrüll und Rauch um sie herum ist.

Und glaube mir nur, Freund Höllenlärm! Die
grössten Ereignisse -- das sind nicht unsre lautesten,
sondern unsre stillsten Stunden.

Nicht um die Erfinder von neuem Lärme: um die
Erfinder von neuen Werthen dreht sich die Welt;
unhörbar dreht sie sich.

Was es mit dem Feuerhund auf sich hat, weiss
ich nun; und insgleichen mit all den Auswurf- und
Umsturz-Teufeln, vor denen sich nicht nur alte Weib¬
chen fürchten.

Heraus mit dir, Feuerhund, aus deiner Tiefe! rief
ich, und bekenne, wie tief diese Tiefe ist! Woher ist
das, was du da heraufschnaubst?

Du trinkst reichlich am Meere: das verräth deine
versalzte Beredsamkeit! Fürwahr, für einen Hund
der Tiefe nimmst du deine Nahrung zu sehr von der
Oberfläche!

Höchstens für den Bauchredner der Erde halt' ich
dich: und immer, wenn ich Umsturz- und Auswurf-
Teufel reden hörte, fand ich sie gleich dir: gesalzen,
lügnerisch und flach.

Ihr versteht zu brüllen und mit Asche zu ver¬
dunkeln! Ihr seid die besten Grossmäuler und lerntet
sattsam die Kunst, Schlamm heiss zu sieden?

Wo ihr seid, da muss stets Schlamm in der Nähe
sein, und viel Schwammichtes, Höhlichtes, Einge¬
zwängtes: das will in die Freiheit.

„Freiheit“ brüllt ihr Alle am liebsten: aber ich
verlernte den Glauben an „grosse Ereignisse,“ sobald
viel Gebrüll und Rauch um sie herum ist.

Und glaube mir nur, Freund Höllenlärm! Die
grössten Ereignisse — das sind nicht unsre lautesten,
sondern unsre stillsten Stunden.

Nicht um die Erfinder von neuem Lärme: um die
Erfinder von neuen Werthen dreht sich die Welt;
unhörbar dreht sie sich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0085" n="75"/>
        <p>Was es mit dem Feuerhund auf sich hat, weiss<lb/>
ich nun; und insgleichen mit all den Auswurf- und<lb/>
Umsturz-Teufeln, vor denen sich nicht nur alte Weib¬<lb/>
chen fürchten.</p><lb/>
        <p>Heraus mit dir, Feuerhund, aus deiner Tiefe! rief<lb/>
ich, und bekenne, wie tief diese Tiefe ist! Woher ist<lb/>
das, was du da heraufschnaubst?</p><lb/>
        <p>Du trinkst reichlich am Meere: das verräth deine<lb/>
versalzte Beredsamkeit! Fürwahr, für einen Hund<lb/>
der Tiefe nimmst du deine Nahrung zu sehr von der<lb/>
Oberfläche!</p><lb/>
        <p>Höchstens für den Bauchredner der Erde halt' ich<lb/>
dich: und immer, wenn ich Umsturz- und Auswurf-<lb/>
Teufel reden hörte, fand ich sie gleich dir: gesalzen,<lb/>
lügnerisch und flach.</p><lb/>
        <p>Ihr versteht zu brüllen und mit Asche zu ver¬<lb/>
dunkeln! Ihr seid die besten Grossmäuler und lerntet<lb/>
sattsam die Kunst, Schlamm heiss zu sieden?</p><lb/>
        <p>Wo ihr seid, da muss stets Schlamm in der Nähe<lb/>
sein, und viel Schwammichtes, Höhlichtes, Einge¬<lb/>
zwängtes: das will in die Freiheit.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Freiheit&#x201C; brüllt ihr Alle am liebsten: aber ich<lb/>
verlernte den Glauben an &#x201E;grosse Ereignisse,&#x201C; sobald<lb/>
viel Gebrüll und Rauch um sie herum ist.</p><lb/>
        <p>Und glaube mir nur, Freund Höllenlärm! Die<lb/>
grössten Ereignisse &#x2014; das sind nicht unsre lautesten,<lb/>
sondern unsre stillsten Stunden.</p><lb/>
        <p>Nicht um die Erfinder von neuem Lärme: um die<lb/>
Erfinder von neuen Werthen dreht sich die Welt;<lb/><hi rendition="#g">unhörbar</hi> dreht sie sich.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0085] Was es mit dem Feuerhund auf sich hat, weiss ich nun; und insgleichen mit all den Auswurf- und Umsturz-Teufeln, vor denen sich nicht nur alte Weib¬ chen fürchten. Heraus mit dir, Feuerhund, aus deiner Tiefe! rief ich, und bekenne, wie tief diese Tiefe ist! Woher ist das, was du da heraufschnaubst? Du trinkst reichlich am Meere: das verräth deine versalzte Beredsamkeit! Fürwahr, für einen Hund der Tiefe nimmst du deine Nahrung zu sehr von der Oberfläche! Höchstens für den Bauchredner der Erde halt' ich dich: und immer, wenn ich Umsturz- und Auswurf- Teufel reden hörte, fand ich sie gleich dir: gesalzen, lügnerisch und flach. Ihr versteht zu brüllen und mit Asche zu ver¬ dunkeln! Ihr seid die besten Grossmäuler und lerntet sattsam die Kunst, Schlamm heiss zu sieden? Wo ihr seid, da muss stets Schlamm in der Nähe sein, und viel Schwammichtes, Höhlichtes, Einge¬ zwängtes: das will in die Freiheit. „Freiheit“ brüllt ihr Alle am liebsten: aber ich verlernte den Glauben an „grosse Ereignisse,“ sobald viel Gebrüll und Rauch um sie herum ist. Und glaube mir nur, Freund Höllenlärm! Die grössten Ereignisse — das sind nicht unsre lautesten, sondern unsre stillsten Stunden. Nicht um die Erfinder von neuem Lärme: um die Erfinder von neuen Werthen dreht sich die Welt; unhörbar dreht sie sich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/85
Zitationshilfe: Nietzsche, Friedrich: Also sprach Zarathustra. Bd. 2. Chemnitz, 1883, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nietzsche_zarathustra02_1883/85>, abgerufen am 31.10.2024.