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Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872.

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Die Academie francaise schritt gestern zur Wiederbesetzung der vier durch
den Tod der HH. Montalembert, Villemain, Prevost-Paradol und Merimee er-
ledigten Sitze. Es waren 29 Mitglieder zu dem Wahlact erschienen, darunter auch
Hr. Thiers und die Minister Remusat und Dufaure; abwesend waren die HH.
Victor Hugo (der weder für noch gegen den Herzog von Aumale stimmen wollte),
Autran, Pere Gratry, Jules Janin und Xavier Marmier (sämmtlich durch Krank-
heit zurückgehalten). Zum Nachfolger des Grafen Montalembert wurde mit 28
Stimmen gegen 1 (ein unbeschriebener Stimmzettel) der Herzog von Aumale ge-
wählt. Für den Sitz Villemains drang mit 17 gegen 12 Stimmen, wovon 9 auf
Hrn. Saint Rene Taillandier und 3 auf Hrn. de Viel-Castel entfielen, Hr. Littre
durch, trotz der leidenschaftlichen Opposition welche der Bischof Dupanloup gegen
die Candidatur dieses Materialisten in der Presse und sogar mittelst eines noch be-
sonders unter die Mitglieder der Akademie vertheilten Promemoria gemacht hatte.
Der Sitz des Hrn. Prevost-Paradol wurde ebenfalls mit 17 gegen 12 Stimmen,
welche letzteren sich wieder auf die HH. Saint Rene Taillandier, de Viel-Castel etc.
vertheilten, dem Hrn. Camille Rousset zuerkannt. Ein lebhafterer Kampf entspann
sich um den vierten Sitz. Zuerst erhielten Hr. Edmond About und Hr. v. Lomenie
jeder 13 Stimmen; im zweiten Wahlgang trug Hr. v. Lomenie mit 15 gegen 14
Stimmen über seinen Nebenbuhler den Sieg davon. Wenn die Orthodoxen also
gegen Littre unterlagen, hatten sie wenigstens die Genugthuung den Verfasser der
Question romaine aus dem Felde zu schlagen. Die drei ersten Wahlen werden im
Publicum mit ziemlich einstimmigem Beifall aufgenommen.


Dem "Soir" wird über die Vorgänge in Vitry-le-Francais noch folgendes
Nähere gemeldet:

Der Vorsteher des Gymnasiums hatte den preußischen Officieren welche das Weih-
nachtsfest zu begehen wünschten, die Capelle der Anstalt eingeräumt; nur war ausbe-
dungen worden daß die Soldaten die Schlafzimmer der Zöglinge nicht betreten sollten,
und daß der Altar der Capelle verhängt bleibe. Gleichwohl hörte der Vorsteher
wie man die Schlösser erbrach um in jene Schlafzimmer einzudringen. Er begab sich
an Ort und Stelle und fand dort zwei Preußen; er machte ihnen heftige Vorwürfe über
ihr Benehmen, und sagte daß sie sich wie Diebe aufführten. Die Preußen beklagten
sich hierüber bei ihren Officieren, und versicherten: der Vorsteher habe sich einer Beleidi-
gung des Königs von Preußen schuldig gemacht, er habe nämlich gesagt: seine Solda-
ten ständen im Dienste des größten Spitzbuben von Europa. Der Vorsteher wurde in
Folge dessen sofort verhaftet. Er läugnete mit aller Entschiedenheit die ihm zugeschrie-
bene Aeußerung, und erzählte den wahren Hergang, wurde aber gleichwohl nach Reims
abgeführt. Es kann hier nur ein Mißverständniß vorliegen, und wahrscheinlich wird
Hr. v. Re musat in directem Wege bei dem preußischen Botschafter die Freilassung des
Vorstehers erwirken.


Während Bonaparte blind und dumm seinem Stern
und dem Glücke Cäsars vertraute, das ihm auch ein paar Jahre lang einen Anstrich
von Jntelligenz verliehen hat, haben die Orleans geradezu kein Glück. Sie be-
fitzen an Hrn. Bocher einen Güterverwalter der auch ihr politisches Factotum ist.
Der Mann versteht sich aufs Geschäft, und eine Naivetät in Geldsachen und Bank-
fragen ist ihm unmöglich zuzutrauen. Um so empörter sind die Geschäftskreise über
seine tückischen Anstrengungen die von heut auf übermorgen unentbehrliche Ver-
mehrung des Notenumlaufs und der Bankmittel bis über Neujahr zu vertagen,
die Geschäftswelt zu schädigen um der Bourgeoisie die Republik als das Verder-
ben zeigen zu können: ecce homo. Hr. Thiers hat ihm die Maske vom Gesicht
gezogen und den Patriotismus der Orleans in der öffentlichen Meinung gleichsam
an den Pranger gestellt. Die Linke zollte ihm ihren wärmsten Beifall, und das
"J. des Debats" beklagt sich über die persönliche Regierung des Hrn. Thiers;
denn es begreift recht wohl daß Hr. Bocher in einem gehässigen Licht erscheint, und
daß sein Fiasco auch die Orleans compromittirt, welche wohlweislich sich wieder
nicht sehen ließen. Der Herzog v. Aumale mag seine heutige Erwählung in die
Academie francaise als einen Trost betrachten. Er ließ sich diese Ehre ziemlich viel
kosten. Sein Candidatenbesuch bei Victor Hugo war keine Kleinigkeit. Ferner
hat er den Unsterblichen versprochen ihre Bänke im Sitzungssaale durch prachtvolle
wirkliche Fauteuils zu ersetzen, und ansehnliche Bauten im Institutspalast ausfüh-
ren zu lassen. Die Akademie ist eine Tabagie der Orleanisten geworden. Guizot
führt daselbst das große entscheidende Wort, und Hr. Thiers bemüht sich ihm die
Stange zu halten, wie ehemals in der Regierung Louis Philipps. Von einem Wahl-
act kann kaum noch die Rede sein; Guizot und Thiers dictiren die Wahl, und die
Mitglieder der nichtorleanistischen Minderheit haben auch bloß Ja zu sagen. Hr.
Guizot hat Se. k. H. den Herzog v. Aumale eingeführt. Hr. Thiers konnte nicht
weniger höflich sein. Die Körperschaft der Unsterblichen blieb ihren Ueberlieferun-
gen getreu, indem sie die Höflichkeit bis zum Servilismus trieb. So hat sie im
vorigen Jahre die Thore auch vor Emile Ollivier aufgerissen, zu dessen feierlicher
Aufnahme sie jetzt nicht mehr die Stirne und die Beweggründe von Höflingen be-
sitzt. Heute mußte A. Dumas, Sohn, jedenfalls ein nicht zu ignorirender Schrift-
steller, zurücktreten um einem Aumale nicht im Wege zu stehen, der unter den
Schriftstellern ist was E. Ollivier unter den Staatsmännern. Kein Mensch hat
die Aumale'sche Geschichte der Prinzen v. Conde gelesen, obschon es pikant sein
müßte zu sehen wie Aumale die geheimnißvolle Erhängung des letzten Conde er-
zählt, als dessen Universalerbe er noch heute gerichtlich angefochten wird. Wenn
Hr. Thiers mit Guizot sich vereinigte um die orleanistische Restauration aus der
Politik in die Akademie abzuleiten, so verwendete er sich hingegen auch für die Er-
wählung des Hrn. Littre, der allein die Hälfte der Unsterblichen aufwiegt. Ebenso
begünstigte er gegen Guizot die Erwählung Edmond Abouts, der als Literat ge-
wiß mehr werth ist als der Herzog v. Broglie als Diplomat, und als einige Pro-
fessoren welche in der Akademie noch untergebracht werden sollen. E. About
schreibt sich die Finger wund um dem Präsidenten der Republik in den Zeitungen
den Hof zu machen, und Littre hat die Philosophie der Thiers'schen Republik er-
funden. Von der hochmüthigen Arroganz eines Broglie und anderer im Lese-
publicum gänzlich unbekannter Unsterblichen kann man sich keinen Begriff machen.
So fragte Broglie einen ausgezeichneten Schriftsteller, der auf Grund seiner zahl-
reichen auch vom Institut gekrönten Werke sich ihm als Candidat vorstellte, ob er
schon ein Buch veroffentlicht habe, vorgebend seinen Namen nie vernommen oder
gelesen zu haben. Der Herzog v. Aumale wird als Seitenstück zu E. Ollivier er-
wählt; es ist seltsam sie Arm in Arm die Unsterblichkeit herausfordern zu sehen.
Auch hierin hat Aumale kein Glück; denn die Akademie macht ihn lächerlich, nach-
dem sein Intendant Bocher das Odium seines Benehmens in der Bankfrage auf
ihn übertragen hat.

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Nizza, Mentone und Cannes haben wieder eine Sai-
son! Die ungeheuren Capitalien die in Gasthöfen, Villen und in den auf Fremde
berechneten Gewerben angelegt sind, bleiben nicht unproductiv, wie im vorigen
Winter. Mentone ist fast ganz von Deutschen besetzt, und es wird dort schon
schwer ein anständiges sonniges Zimmer zu finden; Cannes und Nizza sind weniger
glücklich, denn in diesen beiden Städten stehen noch manche Villen, Privatwohnun-
gen und Hotelzimmer leer. Doch sind in letzter Zeit in Nizza zur großen Freude
der Eingeborenen recht viele Deutsche angekommen. Erst zögerten sie, schickten eine
Vorhut nach der andern aus, und auf günstige Berichte hin wagten sie sich endlich
in größern Massen in die auf feindlichem Boden gelegene Stadt. Denn die Stadt
ist kaum feindlich. Die eigentlichen Nizzarden, sogar auch die wenigen französisch
gesinnten unter ihnen, waren während des Krieges nicht von jenem blinden
unvernünftigen Haß gegen alles Deutsche erfüllt, wie er über dem Var an der
Tagesordnung war, und noch ist; die Beamtenwelt nun ja, und die eingewander-
ten Faios (Bohnen, hier Spitzname der Franzosen) sind eben Franzosen, und das
ist genug gesagt. Drüben in Cannes treiben sie es ziemlich bunt. Vor etwa drei
Wochen forschte die Polizei in allen Wirthshäusern und Pensionen eifrig nach
Prinz Friedrich Karl, der sich irgendwo versteckt halten sollte. Was muß man denn
von Behörden denken die solcher Eulenspiegeleien fähig sind. Wie? Feldmarschall
Prinz Friederich Karl sollte sich in einem obscuren Gasthof von Cannes verkriechen,
während ganz Italien dem Helden mit der größten Begeisterung entgegen kommen
würde? Die Nachrichten aus St. Petersburg haben wohl die Canner Polizei etwas
beruhigt. Aber nein, letzte Woche gieng die dortige Polizei wieder von Haus zu
Haus, von Pension zu Pension, um die Namen sämmtlicher dort wohnenden Deut-
schen zu erfragen und getreulich niederzuschreiben, N. B. nur die Namen der
Deutschen. Auf bescheidene Anfrage warum das geschehe, kam die stupende Ant-
wort: die zahlreichen Deutschen in Nizza hielten geheime Zusammenkünfte mit
den Nizzarden und zettelten eine Verschwörung an, zum Zwecke der Losreißung
Nizza's von Frankreich, und die Deutschen in Cannes könnten auch darunter stecken.
Engländer und Franzosen sind in viel geringerer Zahl hier als gewöhnlich; die Deut-
schen könnten die Lücke ausfüllen. Alles das weiß unsere Polizei wohl, und zieht
darum gelindere Saiten auf. Unsere Landsleute mögen darum ganz ruhig kom-
men: die ganze hiesige Bevölkerung wird, wenn nöthig, für sie einstehen. Was
Cannes betrifft, so ist das eine andere Frage. -- Störend ist es daß wir noch keinen
deutschen Consul haben. Vor dem Kriege hatten wir ein halbes Duzend, alle
Franzosen oder Nizzarden, die darin wetteiferten so wenig als möglich für ihre
Schutzbefohlenen zu thun, und im Nichtdeutschkönnen außergewöhnliches leisteten.
Seit acht Monaten haben wir wiederholt um die Ernennung eines Deutschen zum
deutschen Consul petitionirt, uns dagegen verwahrt daß man uns wieder einen Fran-
zosen gebe, und deßhalb auf einen seit langen Jahren hier niedergelassenen, mit den
Verhältnissen vertrauten, allgemein geachteten Landsmann hingewiesen, der auch
-- und das ist äußerst wichtig -- das ganze Jahr hier bleibt. Eine entscheidende
Antwort ist, wie es scheint, noch nicht gekommen; wir haben aber unterderhand
erfahren daß der einzige Grund der Nichternennung dieses Candidaten darin besteht
daß derselbe einen, wenn auch bescheidenen, Gehalt verlangt. Einen deutschen
Bankier oder Kaufmann der die Stelle ohne Besoldung annehmen könnte gibt es
hier nicht, und die deutschen Aerzte die etwa das Amt besorgen könnten bleiben
nur sechs bis sieben Monate hier. Uebrigens wird das Consulat so viel zu thun
geben, daß ein sonst sehr beschäftigter Mann es nicht gewissenhaft besorgen könnte.
In Berlin will man keine Besoldung für das hiesige Consulat aussetzen, weil Nizza
keine eigentliche Handelsstadt ist. Wir sind aber überzeugt daß in kurzer Zeit
ein Consul wird hergeschickt werden müssen, und die Ausgabe wird dann mindestens
eine doppelt so große sein. Die Bedeutung Nizza's als Handelsplatz wird vielleicht
in Berlin doch unterschätzt. Vor dem Kriege bezog Nizza sehr viele Waaren aus
Deutschland, und bezieht sie auch jetzt wieder, und mit einiger Anstrengung könnte
man der deutschen Industrie einen sehr bedeutenden Markt hier eröffnen. Schon:
die Eisenbahn zwischen Genua und Mentone wird das ihrige dazu thun. Uebrigens
sollten die Hunderte von deutschen Familien in Nizza, Cannes, Mentone und Mo-
naco vom neuen Deutschen Reiche nicht so gänzlich aufgegeben werden; auch gehen
die Verluste derselben, besonders am Ende der Saison, leicht in viele Tausende
hinein, wenn nicht der Consul da ist um die oft unbescheidenen und unbegründeten:
Forderungen der Vermiether auf ihr richtiges Maß zurückzuführen. Man frage
nur die Engländer ob die 250 Pf. St. die sie jährlich für den Consul verausgaben,
sich nicht zwanzigfach einbringen. Sparsamkeit ist eine schöne Sache, nur muß sie
richtig angewandt werden. Der amerikanische Consul vertritt gegenwärtig immer
noch die Interessen der deutschen Unterthanen aufs zuvorkommendste und uneigen-
nützigste, aber schon die Sprache ist ein gewaltiges Hinderniß für den Geschäfts-
gang, und ganz einfache Vollmachten, die sonst vor dem Consul ausgestellt wurden
müssen nun durch französische Notare mit großem Zeit- und Geldverlust besorg
werden.

Italien.

In der Nacht vom 31 December auf den 1 Januar
findet die zweite Volkszählung im Königreich Italien statt; die erste geschah vor
zehn Jahren. Für Rom ist diese zweite die erste, und das neue Ereigniß gibt einem
Theile der Bevölkerung Anlaß zu Befürchtungen und Hoffnungen eigenthümlicher
Art. Die Einwohner der ärmeren Bezirke, zumal die berühmten Weiber von
Trastevere, ahnen hinter der Frage nach Name, Alter, Stand u. s. w. irgend eine
Bosheit der "buzzurri" -- so lautet der Spottname welcher von den Klerikalen
den Neuangekommenen, den "Italienern," angehängt worden ist. Diese Italiener
haben den armen Quiriten schon so viele und so mancherlei Steuerzettel ins Haus
geschickt, daß die Quiriten sich nicht ausreden lassen: auch der Zettel welcher be-
hufs der Zählung jedem Familienhaupte zugestellt wird, müsse vielmehr irgend
welche neue unliebsame Zahlung mit sich bringen. Darum haben namentlich die
Trasteverinerinnen vielfach die Zählungszettel mit der ihnen eigenen Energie zu-
rückgewiesen. Auch im Vatican betrachtet man die Volkszählung als ein äußer-
stes Unternehmen der Gottlosigkeit, als ein wahres Teufelswerk; doch ist man
eben deßhalb geneigt darin ein Zeichen zu erkennen welches bedeutet daß die Zei-
ten bald voll, daß der Triumph der Kirche nahe sei. Der Papst hat am Weihnachts-

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Die Académie françaiſe ſchritt geſtern zur Wiederbeſetzung der vier durch
den Tod der HH. Montalembert, Villemain, Prévoſt-Paradol und Mérimée er-
ledigten Sitze. Es waren 29 Mitglieder zu dem Wahlact erſchienen, darunter auch
Hr. Thiers und die Miniſter Rémuſat und Dufaure; abweſend waren die HH.
Victor Hugo (der weder für noch gegen den Herzog von Aumale ſtimmen wollte),
Autran, Pere Gratry, Jules Janin und Xavier Marmier (ſämmtlich durch Krank-
heit zurückgehalten). Zum Nachfolger des Grafen Montalembert wurde mit 28
Stimmen gegen 1 (ein unbeſchriebener Stimmzettel) der Herzog von Aumale ge-
wählt. Für den Sitz Villemains drang mit 17 gegen 12 Stimmen, wovon 9 auf
Hrn. Saint René Taillandier und 3 auf Hrn. de Viel-Caſtel entfielen, Hr. Littré
durch, trotz der leidenſchaftlichen Oppoſition welche der Biſchof Dupanloup gegen
die Candidatur dieſes Materialiſten in der Preſſe und ſogar mittelſt eines noch be-
ſonders unter die Mitglieder der Akademie vertheilten Promemoria gemacht hatte.
Der Sitz des Hrn. Prevoſt-Paradol wurde ebenfalls mit 17 gegen 12 Stimmen,
welche letzteren ſich wieder auf die HH. Saint René Taillandier, de Viel-Caſtel ꝛc.
vertheilten, dem Hrn. Camille Rouſſet zuerkannt. Ein lebhafterer Kampf entſpann
ſich um den vierten Sitz. Zuerſt erhielten Hr. Edmond About und Hr. v. Loménie
jeder 13 Stimmen; im zweiten Wahlgang trug Hr. v. Loménie mit 15 gegen 14
Stimmen über ſeinen Nebenbuhler den Sieg davon. Wenn die Orthodoxen alſo
gegen Littré unterlagen, hatten ſie wenigſtens die Genugthuung den Verfaſſer der
Question romaine aus dem Felde zu ſchlagen. Die drei erſten Wahlen werden im
Publicum mit ziemlich einſtimmigem Beifall aufgenommen.


Dem „Soir“ wird über die Vorgänge in Vitry-le-Français noch folgendes
Nähere gemeldet:

Der Vorſteher des Gymnaſiums hatte den preußiſchen Officieren welche das Weih-
nachtsfeſt zu begehen wünſchten, die Capelle der Anſtalt eingeräumt; nur war ausbe-
dungen worden daß die Soldaten die Schlafzimmer der Zöglinge nicht betreten ſollten,
und daß der Altar der Capelle verhängt bleibe. Gleichwohl hörte der Vorſteher
wie man die Schlöſſer erbrach um in jene Schlafzimmer einzudringen. Er begab ſich
an Ort und Stelle und fand dort zwei Preußen; er machte ihnen heftige Vorwürfe über
ihr Benehmen, und ſagte daß ſie ſich wie Diebe aufführten. Die Preußen beklagten
ſich hierüber bei ihren Officieren, und verſicherten: der Vorſteher habe ſich einer Beleidi-
gung des Königs von Preußen ſchuldig gemacht, er habe nämlich geſagt: ſeine Solda-
ten ſtänden im Dienſte des größten Spitzbuben von Europa. Der Vorſteher wurde in
Folge deſſen ſofort verhaftet. Er läugnete mit aller Entſchiedenheit die ihm zugeſchrie-
bene Aeußerung, und erzählte den wahren Hergang, wurde aber gleichwohl nach Reims
abgeführt. Es kann hier nur ein Mißverſtändniß vorliegen, und wahrſcheinlich wird
Hr. v. Ré muſat in directem Wege bei dem preußiſchen Botſchafter die Freilaſſung des
Vorſtehers erwirken.


Während Bonaparte blind und dumm ſeinem Stern
und dem Glücke Cäſars vertraute, das ihm auch ein paar Jahre lang einen Anſtrich
von Jntelligenz verliehen hat, haben die Orleans geradezu kein Glück. Sie be-
fitzen an Hrn. Bocher einen Güterverwalter der auch ihr politiſches Factotum iſt.
Der Mann verſteht ſich aufs Geſchäft, und eine Naivetät in Geldſachen und Bank-
fragen iſt ihm unmöglich zuzutrauen. Um ſo empörter ſind die Geſchäftskreiſe über
ſeine tückiſchen Anſtrengungen die von heut auf übermorgen unentbehrliche Ver-
mehrung des Notenumlaufs und der Bankmittel bis über Neujahr zu vertagen,
die Geſchäftswelt zu ſchädigen um der Bourgeoiſie die Republik als das Verder-
ben zeigen zu können: ecce homo. Hr. Thiers hat ihm die Maske vom Geſicht
gezogen und den Patriotismus der Orleans in der öffentlichen Meinung gleichſam
an den Pranger geſtellt. Die Linke zollte ihm ihren wärmſten Beifall, und das
„J. des Débats“ beklagt ſich über die perſönliche Regierung des Hrn. Thiers;
denn es begreift recht wohl daß Hr. Bocher in einem gehäſſigen Licht erſcheint, und
daß ſein Fiasco auch die Orleans compromittirt, welche wohlweislich ſich wieder
nicht ſehen ließen. Der Herzog v. Aumale mag ſeine heutige Erwählung in die
Académie françaiſe als einen Troſt betrachten. Er ließ ſich dieſe Ehre ziemlich viel
koſten. Sein Candidatenbeſuch bei Victor Hugo war keine Kleinigkeit. Ferner
hat er den Unſterblichen verſprochen ihre Bänke im Sitzungsſaale durch prachtvolle
wirkliche Fauteuils zu erſetzen, und anſehnliche Bauten im Inſtitutspalaſt ausfüh-
ren zu laſſen. Die Akademie iſt eine Tabagie der Orleaniſten geworden. Guizot
führt daſelbſt das große entſcheidende Wort, und Hr. Thiers bemüht ſich ihm die
Stange zu halten, wie ehemals in der Regierung Louis Philipps. Von einem Wahl-
act kann kaum noch die Rede ſein; Guizot und Thiers dictiren die Wahl, und die
Mitglieder der nichtorleaniſtiſchen Minderheit haben auch bloß Ja zu ſagen. Hr.
Guizot hat Se. k. H. den Herzog v. Aumale eingeführt. Hr. Thiers konnte nicht
weniger höflich ſein. Die Körperſchaft der Unſterblichen blieb ihren Ueberlieferun-
gen getreu, indem ſie die Höflichkeit bis zum Servilismus trieb. So hat ſie im
vorigen Jahre die Thore auch vor Emile Ollivier aufgeriſſen, zu deſſen feierlicher
Aufnahme ſie jetzt nicht mehr die Stirne und die Beweggründe von Höflingen be-
ſitzt. Heute mußte A. Dumas, Sohn, jedenfalls ein nicht zu ignorirender Schrift-
ſteller, zurücktreten um einem Aumale nicht im Wege zu ſtehen, der unter den
Schriftſtellern iſt was E. Ollivier unter den Staatsmännern. Kein Menſch hat
die Aumale’ſche Geſchichte der Prinzen v. Condé geleſen, obſchon es pikant ſein
müßte zu ſehen wie Aumale die geheimnißvolle Erhängung des letzten Condé er-
zählt, als deſſen Univerſalerbe er noch heute gerichtlich angefochten wird. Wenn
Hr. Thiers mit Guizot ſich vereinigte um die orleaniſtiſche Reſtauration aus der
Politik in die Akademie abzuleiten, ſo verwendete er ſich hingegen auch für die Er-
wählung des Hrn. Littré, der allein die Hälfte der Unſterblichen aufwiegt. Ebenſo
begünſtigte er gegen Guizot die Erwählung Edmond Abouts, der als Literat ge-
wiß mehr werth iſt als der Herzog v. Broglie als Diplomat, und als einige Pro-
feſſoren welche in der Akademie noch untergebracht werden ſollen. E. About
ſchreibt ſich die Finger wund um dem Präſidenten der Republik in den Zeitungen
den Hof zu machen, und Littré hat die Philoſophie der Thiers’ſchen Republik er-
funden. Von der hochmüthigen Arroganz eines Broglie und anderer im Leſe-
publicum gänzlich unbekannter Unſterblichen kann man ſich keinen Begriff machen.
So fragte Broglie einen ausgezeichneten Schriftſteller, der auf Grund ſeiner zahl-
reichen auch vom Inſtitut gekrönten Werke ſich ihm als Candidat vorſtellte, ob er
ſchon ein Buch veroffentlicht habe, vorgebend ſeinen Namen nie vernommen oder
geleſen zu haben. Der Herzog v. Aumale wird als Seitenſtück zu E. Ollivier er-
wählt; es iſt ſeltſam ſie Arm in Arm die Unſterblichkeit herausfordern zu ſehen.
Auch hierin hat Aumale kein Glück; denn die Akademie macht ihn lächerlich, nach-
dem ſein Intendant Bocher das Odium ſeines Benehmens in der Bankfrage auf
ihn übertragen hat.

[Spaltenumbruch]


Nizza, Mentone und Cannes haben wieder eine Sai-
ſon! Die ungeheuren Capitalien die in Gaſthöfen, Villen und in den auf Fremde
berechneten Gewerben angelegt ſind, bleiben nicht unproductiv, wie im vorigen
Winter. Mentone iſt faſt ganz von Deutſchen beſetzt, und es wird dort ſchon
ſchwer ein anſtändiges ſonniges Zimmer zu finden; Cannes und Nizza ſind weniger
glücklich, denn in dieſen beiden Städten ſtehen noch manche Villen, Privatwohnun-
gen und Hôtelzimmer leer. Doch ſind in letzter Zeit in Nizza zur großen Freude
der Eingeborenen recht viele Deutſche angekommen. Erſt zögerten ſie, ſchickten eine
Vorhut nach der andern aus, und auf günſtige Berichte hin wagten ſie ſich endlich
in größern Maſſen in die auf feindlichem Boden gelegene Stadt. Denn die Stadt
iſt kaum feindlich. Die eigentlichen Nizzarden, ſogar auch die wenigen franzöſiſch
geſinnten unter ihnen, waren während des Krieges nicht von jenem blinden
unvernünftigen Haß gegen alles Deutſche erfüllt, wie er über dem Var an der
Tagesordnung war, und noch iſt; die Beamtenwelt nun ja, und die eingewander-
ten Faïos (Bohnen, hier Spitzname der Franzoſen) ſind eben Franzoſen, und das
iſt genug geſagt. Drüben in Cannes treiben ſie es ziemlich bunt. Vor etwa drei
Wochen forſchte die Polizei in allen Wirthshäuſern und Penſionen eifrig nach
Prinz Friedrich Karl, der ſich irgendwo verſteckt halten ſollte. Was muß man denn
von Behörden denken die ſolcher Eulenſpiegeleien fähig ſind. Wie? Feldmarſchall
Prinz Friederich Karl ſollte ſich in einem obſcuren Gaſthof von Cannes verkriechen,
während ganz Italien dem Helden mit der größten Begeiſterung entgegen kommen
würde? Die Nachrichten aus St. Petersburg haben wohl die Canner Polizei etwas
beruhigt. Aber nein, letzte Woche gieng die dortige Polizei wieder von Haus zu
Haus, von Penſion zu Penſion, um die Namen ſämmtlicher dort wohnenden Deut-
ſchen zu erfragen und getreulich niederzuſchreiben, N. B. nur die Namen der
Deutſchen. Auf beſcheidene Anfrage warum das geſchehe, kam die ſtupende Ant-
wort: die zahlreichen Deutſchen in Nizza hielten geheime Zuſammenkünfte mit
den Nizzarden und zettelten eine Verſchwörung an, zum Zwecke der Losreißung
Nizza’s von Frankreich, und die Deutſchen in Cannes könnten auch darunter ſtecken.
Engländer und Franzoſen ſind in viel geringerer Zahl hier als gewöhnlich; die Deut-
ſchen könnten die Lücke ausfüllen. Alles das weiß unſere Polizei wohl, und zieht
darum gelindere Saiten auf. Unſere Landsleute mögen darum ganz ruhig kom-
men: die ganze hieſige Bevölkerung wird, wenn nöthig, für ſie einſtehen. Was
Cannes betrifft, ſo iſt das eine andere Frage. — Störend iſt es daß wir noch keinen
deutſchen Conſul haben. Vor dem Kriege hatten wir ein halbes Duzend, alle
Franzoſen oder Nizzarden, die darin wetteiferten ſo wenig als möglich für ihre
Schutzbefohlenen zu thun, und im Nichtdeutſchkönnen außergewöhnliches leiſteten.
Seit acht Monaten haben wir wiederholt um die Ernennung eines Deutſchen zum
deutſchen Conſul petitionirt, uns dagegen verwahrt daß man uns wieder einen Fran-
zoſen gebe, und deßhalb auf einen ſeit langen Jahren hier niedergelaſſenen, mit den
Verhältniſſen vertrauten, allgemein geachteten Landsmann hingewieſen, der auch
— und das iſt äußerſt wichtig — das ganze Jahr hier bleibt. Eine entſcheidende
Antwort iſt, wie es ſcheint, noch nicht gekommen; wir haben aber unterderhand
erfahren daß der einzige Grund der Nichternennung dieſes Candidaten darin beſteht
daß derſelbe einen, wenn auch beſcheidenen, Gehalt verlangt. Einen deutſchen
Bankier oder Kaufmann der die Stelle ohne Beſoldung annehmen könnte gibt es
hier nicht, und die deutſchen Aerzte die etwa das Amt beſorgen könnten bleiben
nur ſechs bis ſieben Monate hier. Uebrigens wird das Conſulat ſo viel zu thun
geben, daß ein ſonſt ſehr beſchäftigter Mann es nicht gewiſſenhaft beſorgen könnte.
In Berlin will man keine Beſoldung für das hieſige Conſulat ausſetzen, weil Nizza
keine eigentliche Handelsſtadt iſt. Wir ſind aber überzeugt daß in kurzer Zeit
ein Conſul wird hergeſchickt werden müſſen, und die Ausgabe wird dann mindeſtens
eine doppelt ſo große ſein. Die Bedeutung Nizza’s als Handelsplatz wird vielleicht
in Berlin doch unterſchätzt. Vor dem Kriege bezog Nizza ſehr viele Waaren aus
Deutſchland, und bezieht ſie auch jetzt wieder, und mit einiger Anſtrengung könnte
man der deutſchen Induſtrie einen ſehr bedeutenden Markt hier eröffnen. Schon:
die Eiſenbahn zwiſchen Genua und Mentone wird das ihrige dazu thun. Uebrigens
ſollten die Hunderte von deutſchen Familien in Nizza, Cannes, Mentone und Mo-
naco vom neuen Deutſchen Reiche nicht ſo gänzlich aufgegeben werden; auch gehen
die Verluſte derſelben, beſonders am Ende der Saiſon, leicht in viele Tauſende
hinein, wenn nicht der Conſul da iſt um die oft unbeſcheidenen und unbegründeten:
Forderungen der Vermiether auf ihr richtiges Maß zurückzuführen. Man frage
nur die Engländer ob die 250 Pf. St. die ſie jährlich für den Conſul verausgaben,
ſich nicht zwanzigfach einbringen. Sparſamkeit iſt eine ſchöne Sache, nur muß ſie
richtig angewandt werden. Der amerikaniſche Conſul vertritt gegenwärtig immer
noch die Intereſſen der deutſchen Unterthanen aufs zuvorkommendſte und uneigen-
nützigſte, aber ſchon die Sprache iſt ein gewaltiges Hinderniß für den Geſchäfts-
gang, und ganz einfache Vollmachten, die ſonſt vor dem Conſul ausgeſtellt wurden
müſſen nun durch franzöſiſche Notare mit großem Zeit- und Geldverluſt beſorg
werden.

Italien.

In der Nacht vom 31 December auf den 1 Januar
findet die zweite Volkszählung im Königreich Italien ſtatt; die erſte geſchah vor
zehn Jahren. Für Rom iſt dieſe zweite die erſte, und das neue Ereigniß gibt einem
Theile der Bevölkerung Anlaß zu Befürchtungen und Hoffnungen eigenthümlicher
Art. Die Einwohner der ärmeren Bezirke, zumal die berühmten Weiber von
Trastevere, ahnen hinter der Frage nach Name, Alter, Stand u. ſ. w. irgend eine
Bosheit der „buzzurri“ — ſo lautet der Spottname welcher von den Klerikalen
den Neuangekommenen, den „Italienern,“ angehängt worden iſt. Dieſe Italiener
haben den armen Quiriten ſchon ſo viele und ſo mancherlei Steuerzettel ins Haus
geſchickt, daß die Quiriten ſich nicht ausreden laſſen: auch der Zettel welcher be-
hufs der Zählung jedem Familienhaupte zugeſtellt wird, müſſe vielmehr irgend
welche neue unliebſame Zahlung mit ſich bringen. Darum haben namentlich die
Trasteverinerinnen vielfach die Zählungszettel mit der ihnen eigenen Energie zu-
rückgewieſen. Auch im Vatican betrachtet man die Volkszählung als ein äußer-
ſtes Unternehmen der Gottloſigkeit, als ein wahres Teufelswerk; doch iſt man
eben deßhalb geneigt darin ein Zeichen zu erkennen welches bedeutet daß die Zei-
ten bald voll, daß der Triumph der Kirche nahe ſei. Der Papſt hat am Weihnachts-

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In Berlin will man keine Be&#x017F;oldung für das hie&#x017F;ige Con&#x017F;ulat aus&#x017F;etzen, weil Nizza<lb/>
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[31/0007] Die Académie françaiſe ſchritt geſtern zur Wiederbeſetzung der vier durch den Tod der HH. Montalembert, Villemain, Prévoſt-Paradol und Mérimée er- ledigten Sitze. Es waren 29 Mitglieder zu dem Wahlact erſchienen, darunter auch Hr. Thiers und die Miniſter Rémuſat und Dufaure; abweſend waren die HH. Victor Hugo (der weder für noch gegen den Herzog von Aumale ſtimmen wollte), Autran, Pere Gratry, Jules Janin und Xavier Marmier (ſämmtlich durch Krank- heit zurückgehalten). Zum Nachfolger des Grafen Montalembert wurde mit 28 Stimmen gegen 1 (ein unbeſchriebener Stimmzettel) der Herzog von Aumale ge- wählt. Für den Sitz Villemains drang mit 17 gegen 12 Stimmen, wovon 9 auf Hrn. Saint René Taillandier und 3 auf Hrn. de Viel-Caſtel entfielen, Hr. Littré durch, trotz der leidenſchaftlichen Oppoſition welche der Biſchof Dupanloup gegen die Candidatur dieſes Materialiſten in der Preſſe und ſogar mittelſt eines noch be- ſonders unter die Mitglieder der Akademie vertheilten Promemoria gemacht hatte. Der Sitz des Hrn. Prevoſt-Paradol wurde ebenfalls mit 17 gegen 12 Stimmen, welche letzteren ſich wieder auf die HH. Saint René Taillandier, de Viel-Caſtel ꝛc. vertheilten, dem Hrn. Camille Rouſſet zuerkannt. Ein lebhafterer Kampf entſpann ſich um den vierten Sitz. Zuerſt erhielten Hr. Edmond About und Hr. v. Loménie jeder 13 Stimmen; im zweiten Wahlgang trug Hr. v. Loménie mit 15 gegen 14 Stimmen über ſeinen Nebenbuhler den Sieg davon. Wenn die Orthodoxen alſo gegen Littré unterlagen, hatten ſie wenigſtens die Genugthuung den Verfaſſer der Question romaine aus dem Felde zu ſchlagen. Die drei erſten Wahlen werden im Publicum mit ziemlich einſtimmigem Beifall aufgenommen. Dem „Soir“ wird über die Vorgänge in Vitry-le-Français noch folgendes Nähere gemeldet: Der Vorſteher des Gymnaſiums hatte den preußiſchen Officieren welche das Weih- nachtsfeſt zu begehen wünſchten, die Capelle der Anſtalt eingeräumt; nur war ausbe- dungen worden daß die Soldaten die Schlafzimmer der Zöglinge nicht betreten ſollten, und daß der Altar der Capelle verhängt bleibe. Gleichwohl hörte der Vorſteher wie man die Schlöſſer erbrach um in jene Schlafzimmer einzudringen. Er begab ſich an Ort und Stelle und fand dort zwei Preußen; er machte ihnen heftige Vorwürfe über ihr Benehmen, und ſagte daß ſie ſich wie Diebe aufführten. Die Preußen beklagten ſich hierüber bei ihren Officieren, und verſicherten: der Vorſteher habe ſich einer Beleidi- gung des Königs von Preußen ſchuldig gemacht, er habe nämlich geſagt: ſeine Solda- ten ſtänden im Dienſte des größten Spitzbuben von Europa. Der Vorſteher wurde in Folge deſſen ſofort verhaftet. Er läugnete mit aller Entſchiedenheit die ihm zugeſchrie- bene Aeußerung, und erzählte den wahren Hergang, wurde aber gleichwohl nach Reims abgeführt. Es kann hier nur ein Mißverſtändniß vorliegen, und wahrſcheinlich wird Hr. v. Ré muſat in directem Wege bei dem preußiſchen Botſchafter die Freilaſſung des Vorſtehers erwirken. • Paris, 30 Dec. Während Bonaparte blind und dumm ſeinem Stern und dem Glücke Cäſars vertraute, das ihm auch ein paar Jahre lang einen Anſtrich von Jntelligenz verliehen hat, haben die Orleans geradezu kein Glück. Sie be- fitzen an Hrn. Bocher einen Güterverwalter der auch ihr politiſches Factotum iſt. Der Mann verſteht ſich aufs Geſchäft, und eine Naivetät in Geldſachen und Bank- fragen iſt ihm unmöglich zuzutrauen. Um ſo empörter ſind die Geſchäftskreiſe über ſeine tückiſchen Anſtrengungen die von heut auf übermorgen unentbehrliche Ver- mehrung des Notenumlaufs und der Bankmittel bis über Neujahr zu vertagen, die Geſchäftswelt zu ſchädigen um der Bourgeoiſie die Republik als das Verder- ben zeigen zu können: ecce homo. Hr. Thiers hat ihm die Maske vom Geſicht gezogen und den Patriotismus der Orleans in der öffentlichen Meinung gleichſam an den Pranger geſtellt. Die Linke zollte ihm ihren wärmſten Beifall, und das „J. des Débats“ beklagt ſich über die perſönliche Regierung des Hrn. Thiers; denn es begreift recht wohl daß Hr. Bocher in einem gehäſſigen Licht erſcheint, und daß ſein Fiasco auch die Orleans compromittirt, welche wohlweislich ſich wieder nicht ſehen ließen. Der Herzog v. Aumale mag ſeine heutige Erwählung in die Académie françaiſe als einen Troſt betrachten. Er ließ ſich dieſe Ehre ziemlich viel koſten. Sein Candidatenbeſuch bei Victor Hugo war keine Kleinigkeit. Ferner hat er den Unſterblichen verſprochen ihre Bänke im Sitzungsſaale durch prachtvolle wirkliche Fauteuils zu erſetzen, und anſehnliche Bauten im Inſtitutspalaſt ausfüh- ren zu laſſen. Die Akademie iſt eine Tabagie der Orleaniſten geworden. Guizot führt daſelbſt das große entſcheidende Wort, und Hr. Thiers bemüht ſich ihm die Stange zu halten, wie ehemals in der Regierung Louis Philipps. Von einem Wahl- act kann kaum noch die Rede ſein; Guizot und Thiers dictiren die Wahl, und die Mitglieder der nichtorleaniſtiſchen Minderheit haben auch bloß Ja zu ſagen. Hr. Guizot hat Se. k. H. den Herzog v. Aumale eingeführt. Hr. Thiers konnte nicht weniger höflich ſein. Die Körperſchaft der Unſterblichen blieb ihren Ueberlieferun- gen getreu, indem ſie die Höflichkeit bis zum Servilismus trieb. So hat ſie im vorigen Jahre die Thore auch vor Emile Ollivier aufgeriſſen, zu deſſen feierlicher Aufnahme ſie jetzt nicht mehr die Stirne und die Beweggründe von Höflingen be- ſitzt. Heute mußte A. Dumas, Sohn, jedenfalls ein nicht zu ignorirender Schrift- ſteller, zurücktreten um einem Aumale nicht im Wege zu ſtehen, der unter den Schriftſtellern iſt was E. Ollivier unter den Staatsmännern. Kein Menſch hat die Aumale’ſche Geſchichte der Prinzen v. Condé geleſen, obſchon es pikant ſein müßte zu ſehen wie Aumale die geheimnißvolle Erhängung des letzten Condé er- zählt, als deſſen Univerſalerbe er noch heute gerichtlich angefochten wird. Wenn Hr. Thiers mit Guizot ſich vereinigte um die orleaniſtiſche Reſtauration aus der Politik in die Akademie abzuleiten, ſo verwendete er ſich hingegen auch für die Er- wählung des Hrn. Littré, der allein die Hälfte der Unſterblichen aufwiegt. Ebenſo begünſtigte er gegen Guizot die Erwählung Edmond Abouts, der als Literat ge- wiß mehr werth iſt als der Herzog v. Broglie als Diplomat, und als einige Pro- feſſoren welche in der Akademie noch untergebracht werden ſollen. E. About ſchreibt ſich die Finger wund um dem Präſidenten der Republik in den Zeitungen den Hof zu machen, und Littré hat die Philoſophie der Thiers’ſchen Republik er- funden. Von der hochmüthigen Arroganz eines Broglie und anderer im Leſe- publicum gänzlich unbekannter Unſterblichen kann man ſich keinen Begriff machen. So fragte Broglie einen ausgezeichneten Schriftſteller, der auf Grund ſeiner zahl- reichen auch vom Inſtitut gekrönten Werke ſich ihm als Candidat vorſtellte, ob er ſchon ein Buch veroffentlicht habe, vorgebend ſeinen Namen nie vernommen oder geleſen zu haben. Der Herzog v. Aumale wird als Seitenſtück zu E. Ollivier er- wählt; es iſt ſeltſam ſie Arm in Arm die Unſterblichkeit herausfordern zu ſehen. Auch hierin hat Aumale kein Glück; denn die Akademie macht ihn lächerlich, nach- dem ſein Intendant Bocher das Odium ſeines Benehmens in der Bankfrage auf ihn übertragen hat. &#xfffc; Nizza, 30 Dec. Nizza, Mentone und Cannes haben wieder eine Sai- ſon! Die ungeheuren Capitalien die in Gaſthöfen, Villen und in den auf Fremde berechneten Gewerben angelegt ſind, bleiben nicht unproductiv, wie im vorigen Winter. Mentone iſt faſt ganz von Deutſchen beſetzt, und es wird dort ſchon ſchwer ein anſtändiges ſonniges Zimmer zu finden; Cannes und Nizza ſind weniger glücklich, denn in dieſen beiden Städten ſtehen noch manche Villen, Privatwohnun- gen und Hôtelzimmer leer. Doch ſind in letzter Zeit in Nizza zur großen Freude der Eingeborenen recht viele Deutſche angekommen. Erſt zögerten ſie, ſchickten eine Vorhut nach der andern aus, und auf günſtige Berichte hin wagten ſie ſich endlich in größern Maſſen in die auf feindlichem Boden gelegene Stadt. Denn die Stadt iſt kaum feindlich. Die eigentlichen Nizzarden, ſogar auch die wenigen franzöſiſch geſinnten unter ihnen, waren während des Krieges nicht von jenem blinden unvernünftigen Haß gegen alles Deutſche erfüllt, wie er über dem Var an der Tagesordnung war, und noch iſt; die Beamtenwelt nun ja, und die eingewander- ten Faïos (Bohnen, hier Spitzname der Franzoſen) ſind eben Franzoſen, und das iſt genug geſagt. Drüben in Cannes treiben ſie es ziemlich bunt. Vor etwa drei Wochen forſchte die Polizei in allen Wirthshäuſern und Penſionen eifrig nach Prinz Friedrich Karl, der ſich irgendwo verſteckt halten ſollte. Was muß man denn von Behörden denken die ſolcher Eulenſpiegeleien fähig ſind. Wie? Feldmarſchall Prinz Friederich Karl ſollte ſich in einem obſcuren Gaſthof von Cannes verkriechen, während ganz Italien dem Helden mit der größten Begeiſterung entgegen kommen würde? Die Nachrichten aus St. Petersburg haben wohl die Canner Polizei etwas beruhigt. Aber nein, letzte Woche gieng die dortige Polizei wieder von Haus zu Haus, von Penſion zu Penſion, um die Namen ſämmtlicher dort wohnenden Deut- ſchen zu erfragen und getreulich niederzuſchreiben, N. B. nur die Namen der Deutſchen. Auf beſcheidene Anfrage warum das geſchehe, kam die ſtupende Ant- wort: die zahlreichen Deutſchen in Nizza hielten geheime Zuſammenkünfte mit den Nizzarden und zettelten eine Verſchwörung an, zum Zwecke der Losreißung Nizza’s von Frankreich, und die Deutſchen in Cannes könnten auch darunter ſtecken. Engländer und Franzoſen ſind in viel geringerer Zahl hier als gewöhnlich; die Deut- ſchen könnten die Lücke ausfüllen. Alles das weiß unſere Polizei wohl, und zieht darum gelindere Saiten auf. Unſere Landsleute mögen darum ganz ruhig kom- men: die ganze hieſige Bevölkerung wird, wenn nöthig, für ſie einſtehen. Was Cannes betrifft, ſo iſt das eine andere Frage. — Störend iſt es daß wir noch keinen deutſchen Conſul haben. Vor dem Kriege hatten wir ein halbes Duzend, alle Franzoſen oder Nizzarden, die darin wetteiferten ſo wenig als möglich für ihre Schutzbefohlenen zu thun, und im Nichtdeutſchkönnen außergewöhnliches leiſteten. Seit acht Monaten haben wir wiederholt um die Ernennung eines Deutſchen zum deutſchen Conſul petitionirt, uns dagegen verwahrt daß man uns wieder einen Fran- zoſen gebe, und deßhalb auf einen ſeit langen Jahren hier niedergelaſſenen, mit den Verhältniſſen vertrauten, allgemein geachteten Landsmann hingewieſen, der auch — und das iſt äußerſt wichtig — das ganze Jahr hier bleibt. Eine entſcheidende Antwort iſt, wie es ſcheint, noch nicht gekommen; wir haben aber unterderhand erfahren daß der einzige Grund der Nichternennung dieſes Candidaten darin beſteht daß derſelbe einen, wenn auch beſcheidenen, Gehalt verlangt. Einen deutſchen Bankier oder Kaufmann der die Stelle ohne Beſoldung annehmen könnte gibt es hier nicht, und die deutſchen Aerzte die etwa das Amt beſorgen könnten bleiben nur ſechs bis ſieben Monate hier. Uebrigens wird das Conſulat ſo viel zu thun geben, daß ein ſonſt ſehr beſchäftigter Mann es nicht gewiſſenhaft beſorgen könnte. In Berlin will man keine Beſoldung für das hieſige Conſulat ausſetzen, weil Nizza keine eigentliche Handelsſtadt iſt. Wir ſind aber überzeugt daß in kurzer Zeit ein Conſul wird hergeſchickt werden müſſen, und die Ausgabe wird dann mindeſtens eine doppelt ſo große ſein. Die Bedeutung Nizza’s als Handelsplatz wird vielleicht in Berlin doch unterſchätzt. Vor dem Kriege bezog Nizza ſehr viele Waaren aus Deutſchland, und bezieht ſie auch jetzt wieder, und mit einiger Anſtrengung könnte man der deutſchen Induſtrie einen ſehr bedeutenden Markt hier eröffnen. Schon: die Eiſenbahn zwiſchen Genua und Mentone wird das ihrige dazu thun. Uebrigens ſollten die Hunderte von deutſchen Familien in Nizza, Cannes, Mentone und Mo- naco vom neuen Deutſchen Reiche nicht ſo gänzlich aufgegeben werden; auch gehen die Verluſte derſelben, beſonders am Ende der Saiſon, leicht in viele Tauſende hinein, wenn nicht der Conſul da iſt um die oft unbeſcheidenen und unbegründeten: Forderungen der Vermiether auf ihr richtiges Maß zurückzuführen. Man frage nur die Engländer ob die 250 Pf. St. die ſie jährlich für den Conſul verausgaben, ſich nicht zwanzigfach einbringen. Sparſamkeit iſt eine ſchöne Sache, nur muß ſie richtig angewandt werden. Der amerikaniſche Conſul vertritt gegenwärtig immer noch die Intereſſen der deutſchen Unterthanen aufs zuvorkommendſte und uneigen- nützigſte, aber ſchon die Sprache iſt ein gewaltiges Hinderniß für den Geſchäfts- gang, und ganz einfache Vollmachten, die ſonſt vor dem Conſul ausgeſtellt wurden müſſen nun durch franzöſiſche Notare mit großem Zeit- und Geldverluſt beſorg werden. Italien. &#xfffc; Rom, 30 Dec. In der Nacht vom 31 December auf den 1 Januar findet die zweite Volkszählung im Königreich Italien ſtatt; die erſte geſchah vor zehn Jahren. Für Rom iſt dieſe zweite die erſte, und das neue Ereigniß gibt einem Theile der Bevölkerung Anlaß zu Befürchtungen und Hoffnungen eigenthümlicher Art. Die Einwohner der ärmeren Bezirke, zumal die berühmten Weiber von Trastevere, ahnen hinter der Frage nach Name, Alter, Stand u. ſ. w. irgend eine Bosheit der „buzzurri“ — ſo lautet der Spottname welcher von den Klerikalen den Neuangekommenen, den „Italienern,“ angehängt worden iſt. Dieſe Italiener haben den armen Quiriten ſchon ſo viele und ſo mancherlei Steuerzettel ins Haus geſchickt, daß die Quiriten ſich nicht ausreden laſſen: auch der Zettel welcher be- hufs der Zählung jedem Familienhaupte zugeſtellt wird, müſſe vielmehr irgend welche neue unliebſame Zahlung mit ſich bringen. Darum haben namentlich die Trasteverinerinnen vielfach die Zählungszettel mit der ihnen eigenen Energie zu- rückgewieſen. Auch im Vatican betrachtet man die Volkszählung als ein äußer- ſtes Unternehmen der Gottloſigkeit, als ein wahres Teufelswerk; doch iſt man eben deßhalb geneigt darin ein Zeichen zu erkennen welches bedeutet daß die Zei- ten bald voll, daß der Triumph der Kirche nahe ſei. Der Papſt hat am Weihnachts-

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 3, 3. Januar 1872, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine03_1872/7>, abgerufen am 10.06.2024.