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Allgemeine Zeitung, Nr. 8, vom 9. Januar 1924.

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Mittwoch, den 9. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 8
[Spaltenumbruch]

FILM-ZEITUNG.
Aufgaben der Filmbesprechung.

Das Gebiet des Films ist noch durchaus und
grundsätzlich umstritten; sowohl von außen herein
als -- leider -- auch von innen heraus. Ein
großer Teil der Bevölkerung nimmt noch eine
gänzlich oder nur künstlerisch und ethisch be-
zogene ablehnende Haltung ein, und selbst unter
den Freunden des Kinos sind die Erwartungen
recht verschiedener Natur: sie schwanken zwischen
Zeitvertreib und Sensation einer-, geistiger An-
regung und künstlerischer Erbauung andrerseits.
Verhängnisvoller, weil ausschlaggebend für die
Entwicklung des Films ist die Einstellung der
Hersteller, deren vielfach einseitige Spekulation
auf die Instinkte des Publikums lange Zeit
Wasser auf die Mühlen der Filmgegner lieferte
und den Film auf tiefstem Niveau hielt.

Der Einsatz künstlerischer Motive und Ziele hat
seinen Spekulanten unrecht gegeben: der mate-
rielle Erfolg blieb durchaus nicht auf den Ver-
brecher-, den Kriminal- und sonstigen Sensations-
film beschränkt, im Gegenteil. Das den künst-
lerisch vorwärts strebenden Filmautoren und Re-
gisseuren vom Fabrikanten häufig entgegengehal-
tene Wort: "Das Publikum verlangts" (den Kitsch
nämlich), hat die Entwicklung Lügen gestraft: Der
Publikumsgeschmack muß und will geformt und
geführt werden, er selbst ist ein charakterloses
Etwas, dem kein Eigenleben innewohnt.

Diese Erkenntnis muß Grundlage für die Kritik
des Films in allen seinen Teilen, muß bestim-
mend sein für die Einstellung der Tagespresse auf
dieses Gebiet, das in so eminenter Weise geeignet
ist, Einfluß auf das Volksleben zu gewinnen.

Als Wichtigstes ergibt sich aus jener Erkennt-
nis: die Alternative "Industrie oder Kunst hat
aufgehört zu bestehen. Die Bewertung und Be-
urteilung eines Films ist von der Rücksichtnahme
auf die Industrie frei geworden, nachdem deren
Interessen sich mit denen der Allgemeinheit, die
zu vertreten in erster Linie Sache der Tages-
presse ist, nicht als gegensätzlich, wie bisher viel-
fach angenommen wurde, sondern als gleichlau-
fend erwiesen haben. Die Aufgabe der Tages-
presse, im Dienste der Volkskultur die Entwick-
lung auf allen diese beeinflussenden Gebieten, also
auch auf dem Gebiete des Films, zu verfolgen,
zu beurteilen, zu bewerten, deckt sich restlos mit
der Aufgabe, die Filmindustrie in ihren wirklichen
Interessen zu unterstützen, die in der Richtung
der Qualitätsarbeit, also der künstlerischen, der
kulturellen Einstellung verlaufen.

Es ist darum Pflicht der Tagespresse, den Film
sowohl in seiner spezifisch künstlerischen als auch
in seiner allgemein kulturellen Bedeutung, Ent-
wicklung und Auswirkung kritisch ernst zu neh-
men, ohne deshalb die besonders im Hinblick auf
den Auslandsabsatz notwendigen Rücksichten, deren
Untersuchung gleichfalls Sache der Tagespresse ist,
zu übersehen. Vor allem aber soll versucht wer-
den, Wesen, Bedeutung und Entwicklungsmög-
lichkeit des Films künstlerisch-kultureller, tech-
nischer und wirtschaftlicher Beziehung dem gro-
ßen, auch dem noch abseits stehenden Publikum
näherzubringen und das Verhältnis zwischen Film
und Publikum in diesem ernsten Sinne zu kon-
solidieren. Das Publikum muß und soll sich auf
das, was die Tagespresse über Film und Kino
bringt, verlassen können, soweit dies im Rahmen
von Einzelurteilen möglich ist.

Was bedeutet der INRI-film?

Millionen meiden das Kino, bezeichnen, aus
Vorurteil oder rascher Enttäuschung, Film als
Kitsch und brechen den Stab über ein bislang
noch kaum erschlossenes Schaffensgebiet.

Seht euch, ihr Skeptiker und Filmhasser, diesen
INRI- Film einmal an, nein, versucht, ihn zu er-
fühlen, zu erleben und in euch aufzunehmen und
dann -- gerecht zu sein!

Film war früher bewegte Landschaft, wurde
Handlung, Sensation, in äußerste Extreme ge-
trieben, dann dürftige Episode, durch Verlegen-
heitspollagen grausam langweilig, oder Episoden-
reihe im historischen Ausstattungsfilm, hier schon
Uebergang zum ausschließlichen "Bild". Und das
alles jeweils um seiner selbst willen, ohne tieferen
Sinn ohne leitende, einprägsame Idee, bei allem
Willen zum Künstlerischen immer nur Ansätze,
zuletzt, im rein Bildhaften, sogar verheißungsvoll.

Der INRI-Film ist Gestalt gewordene Idee.
Das ist sein Neues. Das ist das Schöpferische,
dem alles, was bisher Selbstzweck war, jetzt
dient. Bild, Handlung, Geschehen, Stimmung
im Manuskript, Regie, Darstellung und Technik
sind aus jener intuitiven, von Idee beherrschten
Notwendigkeit heraus gestaltet, die das Wesen
[Spaltenumbruch] allen künstlerischen Schaffens und aller schöpfe-
rischen Kunst ist.

Dem unter römischer Herrschaft stöhnenden
jüdischen Volke wird die Kunde: Der Messias ist
gekommen. Es jubelt dem König zu, der es aus
weltlicher Knechtschaft befreien, es glaubt an den
Erlöser, der Gewalt mit Gewalt überwinden soll.
Der Christus-Idee "Liebe" gegenüber, deren Reich
nicht von dieser Welt ist, wird es zum Verräter;
um so gewaltiger die Demonstrationen der Chri-
stus-Liebe in der Heilung der Lahmen, der Toten-
erweckung, der Wandlung der Maria von Magdala
und dem Kreuzestod Christi. In der Rahmen-
handlung, die einen für die Befreiung seines
Volkes, also für eine große Idee zum politischen
Mörder Gewordenen im Gefängnis zeigt, trium-
phiert die Erlöseridee "Liebe" über die Weltidee
"Gewalt".

So vollzieht sich alles Geschehen im Dienst der
Christus-Idee. Nirgends ein Nest Selbstzweck.
Das Höchste an darstellerischer Kunst: die Wand-
lung der Maria von Magdala (Asta Nielsen)
unter den Augen Christi. Stimmungen von un-
erreichter Gewalt und Erlebniswucht in der Berg-
predigt und der Kreuzigungsßene, Regiekunst
(Robert Wiene), die gleichwertig sich nur mehr in
dem Rhythmus der Massenßenen, so vor allem
in dem Augenblick, da das Volk die Steine, die
es gegen Maria von Magdala erhoben hat, sinken
läßt ("Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten
Stein!") und in den gewaltigen Bildern von
Jerusalem und der großen Tempelßene manife-
stiert. Im tiefften erschütternd die Darstellung
des Todes Christi.

Die Mängel dieses Films stark hervorheben,
würde gegenüber den bisherigen Filmen ein schie-
fes Bild ergeben. Die Rahmenhandlung des ersten
Aktes erscheint zu breit und mit allzu vielen
Titeln beladen. Wenig glücklich ist die Personifi-
kation des Versuchers in der Wüste durch Judas,
die Darstellung des Jesus im ersten Teil entspricht
nicht durchweg dem Leitmotiv und auch die Dar-
stellerin der Maria, der Jesusmutter, läßt zu
wünschen übrig. All dies und mancherlei andere,
nicht befriedigende Einzelheiten treten jedoch hin-
ter der künstlerisch und geistig gleich gewaltigen
Wirkung vollkommen zurück.

Der Film wird einen Siegeszug nicht nur durch
die Welt, sondern auch durch die Menschheit an-
treten.

Jahrbuch der Filmindustrie.

Was für den Film seit langem gefehlt hat,
erklärlich nur durch das jugendliche Alter des
Filmgebietes selbst, ist nun, dank eines offenbar
ausgezeichneten Archivs der "Lichtbildbühne", da:
ein glänzend informierender, in der Vollkommen-
heit seiner Einzelgebiete und seines Gesamtinhalts
für jeden, der mit Film zu tun hat, unentbehr-
lich werdender Almanach. Auf die "Geschichte der
Filmindustrie" folgt eine übersichtliche Statistik
der Filmfirmen von 1911--1922, der Entwicklung
der Film-Aktiengesellschaften, der Kinos unter
besonderer Berücksichtigung der Berliner und der
Münchener Verhältnisse. Dem folgt eine Abtei-
lung über Handel und Verkehr in der Filmindu-
strie, Deutschlands Filmhandel und Filmkonsum,
die Preisgestaltung in der Filmindustrie, dann
der Film in der Rechtsprechung und einzelne be-
sonders interessierende Spezialfragen. Wir wer-
den noch eingehend auf einzelnes darin zurück-
kommen.



Zur Psychologie des Briefmarken-
sammlers -- einst und jetzt.

In der langen Reihe schöner, reichhaltiger Mär-
chen- und Erzählungsbücher nimmt mein Mar-
kenalbum den Ehrenplatz ein. Wenn ich zuweilen
nach langem, mühevollen Arbeitstag das Album
zur Hand nehme, es, wie man ein Kind beschenkt,
mit den Neuerwerbungen bereichere und dann
selbstvergessen Blatt um Blatt umwende, beginnt
es seine köstlichen Erzählungen von fremden Län-
dern und Meeren, von fremden und traurigen
Völkerschicksalen; zuweilen erscheint es mir als ein
wahrer Spiegel des Zeitenwandels, mit kluger
Symbolik aus den Provisorien der neuesten Zeit
herauslächelnd, die -- die Doppelüberdruckmarken
sagen es -- sich nicht mehr nur mit Ersatz, sondern
mit dem Ersatz des Ersatzes begnügte, oder mit
Phrasenschwall die pomwöse Aufmachung winzi-
ger Staaten und Stäätchen kündend, während die
erhalten gebliebenen Traditionen anderer, von den
[Spaltenumbruch] traurigen Verhältnissen verschont gebliebener Län-
der sich in dem kaum bemerkbaren Wechsel der
Markenbilder äußert.

Mein Album weiß noch mehr zu erzählen. Aus
vergilbten Briefstücken und Ganzsachen steigen
Groß- und Urgroßvaters Zeiten auf. Ein zier-
licher Lockenkopf, feine, weiße, ein wenig zau-
dernde Hände, Erdöllampe und Kachelofen tau-
chen auf, eine stille, verträumte Atmosphäre um-
gibt Album und Leser. Und ein neues Bild ver-
drängt das alte: Großvater neben dem kleinen,
heißwangigen Markensammler, mit abwehrberei-
tem Arm den kostbaren Schatz vor unvorsichtigen
Kinderhänden schützend: "Dazu bist du noch zu
klein" -- wenn die Kinderhand selbst sich be-
tätigen wollte. Ein anderes, weniger angenehmes
Bild, das ein paar übel zugerichtete Marken ins
Gedächtnis rufen: die tolpatschige Art, wie diese
dummen Händchen, wenn sie heimlich über den
"Schatz" gekommen sind, sich seines Inhalts "er-
freut" haben. Ein Lächeln verdrängt den Aerger
des sachkundigen Sammlers.

Die Art, mit der heute Briefmarken gesammelt
werden, ist nicht geeignet, solche Träumereien zu
begünstigen oder gar die Freude am Sammeln zu
fördern. Die Frage drängt sich auf, ob es unter
den jüngeren (nicht dem Alter nach) überhaupt
noch "Sammler" im alten, schönen, romantischen
Sinne gibt. Spekulation und Habgier haben sich
des Markensammelsports bemächtigt. Wie die
Hamster und Hyänen laufen sie von Laden zu La-
den, von Postamt zu Postamt, kaufen und verkau-
sen, feilschen, tauschen und entdecken immer neue
Arten und Abarten, Fehldrucke und Plattenfeh-
ler, das Steckalbum wie einen Revolver in steter
Bereitschaft. Die unsolide Druckart bei den neuen
Marken begünstigt dieses Treiben. Es sind die
wilden Händler, die den eingesessenen, steuerzah-
lenden gefährlich werden.

Eine andere Spezies dieser Neureichen-Samm-
ler: die ganz Vornehmen und Superklugen, die in
einer Markensammlung eine steuerfreie "Kapi-
talsanlage" sehen und deren "Spezialität nur
ganze Sätze" sind, ungestempelt natürlich, mög-
lichst meter- oder pfundweise. Der Inhalt dieser
Alben ist -- für den wirklichen Sammler --
ebenso schön, wie deren Besitzer ihm widerlich er-
scheinen. Seht euch ein solches Album mit den
fremden, kalten, schweigenden Bildern, ohne Lücke
und ohne Stempel, an, und ihr könnt nicht an-
ders, als euch dahinter einen fettwanstigen Be-
sitzer vorstellen, dessen Blick mit überlegener Lieb-
und Traditionslosigkeit euer eigenes, lückenhaftes
Album mustern würde. Diese Herrschaften wa-
ren es, die den Markensammelsport zu einem
Spekulationsgebiet und den armen Teufeln von
wirklichen Sammlern das Kaufen unmöglich ge-
macht haben, denn "auf den Preis kommt es bei
ihnen nicht an".

Den bedenklichsten Widerhall finden diese ganz
fälschlicherweise mit Sammelwut bezeichneten
Spekulations- und Anlageabsichten bei der Ju-
gend. Nicht nur Politik, auch Markensammeln
kann den Charakter verderben. Und es muß ihn
verderben, wenn es so betrieben wird, wie es lei-
der von dem größten Teil der Jugend geschieht.
Man sieht selten einen Jungen liebevoll oder mit
kindlicher Freude eine Marke betrachten. Die
Spekulationswut hat auch die kindlichen Samm-
ler gepackt und sie zu geschäftstüchtigen Handels-
leuten gemacht, an denen vielleicht mancher schlecht
beratene Vater seine helle Freude haben wird. Be-
sitzgier und unkindlicher Ehrgeiz treibt auch sie
in die Läden und auf die Postämter, wo sie nicht
Tausch-, sondern Verkaufsmaterial erstehen, um
dieses so rasch wie möglich zu Wucherpreisen wie-
der abzustoßen. Die Väter ahnen nicht, was für
ein Verbrechen sie begehen, wenn sie ihren Kin-
dern zu solch schändlichem Treiben das "Betriebs-
kapital" geben. Das Sammeln um der Freude
an den Marken selbst, um der Beschäftigung
mit ihnen, um des Sammelns selbst willen, hat
auch bei der Jugend aufgehört. Die für den wirk-
lichen Sammler wohltätige, nervenentspannende
Beschäftigung mit seinen Marken ist hier zu
krampf- und krankhafter Leidenschaft geworden,
die Geiz, Neid, Raffsucht und gefährliche Schädi-
gung ernster Interessen zur notwendigen Folge
haben. Besonders gefährlich für Kinder, die in
ihrem Vater keinen Kenner und Führer durch die
Wirrnisse des Markensammelsparts besitzen, dessen
auch die erwachsenen Anfänger-Sammler nicht
entraten können.

Ein Führer für alle Fälle ist in den Katalogen
gegeben, die dei dem Umfang der Markenans-
gaben aller Länder einfach unentbehrlich gewor-
den sind, und vor vielfachem Schaden bewahren.
Es ist aber nicht nur der materielle Gesichts-
punkt, der die Hilfe des Katalogs empfehlenswert
macht, sondern mehr noch seine psychologische
Wirkung auf den Sammler, besonders den ju-
gendlichen, sofern er richtigen Gebrauch davon zu
machen versteht und nicht nur auf die Preise, den
sogenannten Wert der Marken, der bei dem ra-
[Spaltenumbruch] schen Umschwung in der Bewertung doch immer
nur ein vergleichsweiser sein kann, sondern auf
die übrigen Dinge des Kataloges achtet, die zu
einer Vertiefung des Verständnisses und damit
der Freude am Sammeln führen. Von den vie-
len Katalogen dieser Art steht der jedem Samm-
ler wenigstens dem Namen nach bekannte Michel-
Katalog, vor kurzem als Europa- und als Ueber-
seeausgabe neu erschienen, an erster Stelle. Nach
"Michel" wird gerechnet, seine Angaben in bezug
auf Abarten, Fehldrucke und dgl. sind maßgebend.
Das Sammeln an Hand des Kataloges wird bei
einigermaßen richtigen Voraussetzungen günstig
auf die Psyche des Sammlers einwirken. Der
richtige Gebrauch des Kataloges wird zum Teil
vor den Gefahren der "Sammelwut", besonders
bei der Jugend, Schutz bieten können. Noch wich-
tiger ist natürlich eine vernünftige Einführung
und Anleitung persönlicher Art, die weg von den
häßlichen Begleitumständen unserer Zeit, zurück
zu dem alten, romantischen Sammelsport führt.



Sport.
Ein Riesenstadion in Leipzig.

Nach Kölner Muster und löblichem Beispiel will
man in der Pleißestadt ebenfalls jetzt ein Sta-
dion errichten, da seltsamerweise die größte
mitteldeutsche Sportstadt
bisher einer
solchen Anlage gänzlichentbehrte, wenn
auch einige größere Fußball- und Hockeyfelder
(z. B. vom Verein für Bewegungsspiele unweit
des Völkerschlachtdenkmals und des Leipziger
Sportklubs) vorhanden waren. Nicht weniger als
drei Pläne sind plötzlich aufgetaucht. Die eine
Anregung ging vom Bezirk Leipzig des Bundes
deutscher Radfahrer aus, die zweite vom Gau
Nordwestsachsen im Verband mitteldeutscher Ball-
spielvereine. Mehr Aussicht auf Erfolg dürfte
ein Vorschlag haben, hinter dem der bekannte
Verein Sportplatz Leipzig, der Besitzer
einer der größten deutschen Radrennbahnen, auf
der namentlich in den Vorkriegsjahren zahlreiche
Rekorde das Licht der Welt erblickt haben, steht.
Der Verein, übrigens eine gemeinnützige Gesell-
schaft, will unmittelbar neben seiner Rad-
rennbahn
das Stadion entstehen lassen, das
neben Fußball- und Hockeyfeldern auch
Laufbahnen, einer Rundbahn für Rad-
fahrer
, Plätze für Schwerathletik und
Radball aufweisen soll. Die Anlage soll bis
zum Flutkanal ausgedehnt werden, so daß auch
die Ruderer und Schwimmsportler zu
Worte kommen können. Das Stadion soll so ge-
baut werden, daß es wirtschaftlich aus sich selbst
bestehen kann. Nach den Plänen sind Plätze für
etwa 4000 Zuschauer zum Sitzen, 65000 Stehplätze
und eine Sondertribüne (100 Meter lang) vorge-
sehen. Die Mittel zum Bau sind sichergestellt,
mit den Arbeiten wird bei Eintritt günstiger
Witterung sofort begonnen werden.

Die Stadt Leipzig würde durch dieses Stadion,
dessen Vorzug vor allem auch in seiner zentralen
Lage, auf den Frankfurter Wiesen, besteht, eine
großzügige, moderne Sportanlage erhalten, die
im Grunde eine gewaltige Förderung des Spor-
tes an sich bedeutet.

Bobrennen am Rißersee.
Ergebnisse: I. Lauf: Bob Zugspitz
(Wackerle) 1:41,5; 2. Bob Edelweiß (Poettinger)
1:42,1; 3. Bob Alpspitz (Frhr. v. Imhof) 2:20;
4. Bob Bayern (Kilian) 2:23,1; 5. Spinne II
(Rittm. Schmidt) gest. -- II. Lauf: 1 Zugspitz
1:39; 2. Alpspitz 1:39,4; 3. Bayern 1:40; 4. Edel-
weiß 2:25,5. Gesamtzeit: 1. Zugspitz 3:20,5;
2. Alpspitz 3:59,4; 3. Bayern 4:03,5; 4. Edelweiß
4:08.


[irrelevantes Material]


[irrelevantes Material]
Mittwoch, den 9. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 8
[Spaltenumbruch]

FILM-ZEITUNG.
Aufgaben der Filmbeſprechung.

Das Gebiet des Films iſt noch durchaus und
grundſätzlich umſtritten; ſowohl von außen herein
als — leider — auch von innen heraus. Ein
großer Teil der Bevölkerung nimmt noch eine
gänzlich oder nur künſtleriſch und ethiſch be-
zogene ablehnende Haltung ein, und ſelbſt unter
den Freunden des Kinos ſind die Erwartungen
recht verſchiedener Natur: ſie ſchwanken zwiſchen
Zeitvertreib und Senſation einer-, geiſtiger An-
regung und künſtleriſcher Erbauung andrerſeits.
Verhängnisvoller, weil ausſchlaggebend für die
Entwicklung des Films iſt die Einſtellung der
Herſteller, deren vielfach einſeitige Spekulation
auf die Inſtinkte des Publikums lange Zeit
Waſſer auf die Mühlen der Filmgegner lieferte
und den Film auf tiefſtem Niveau hielt.

Der Einſatz künſtleriſcher Motive und Ziele hat
ſeinen Spekulanten unrecht gegeben: der mate-
rielle Erfolg blieb durchaus nicht auf den Ver-
brecher-, den Kriminal- und ſonſtigen Senſations-
film beſchränkt, im Gegenteil. Das den künſt-
leriſch vorwärts ſtrebenden Filmautoren und Re-
giſſeuren vom Fabrikanten häufig entgegengehal-
tene Wort: „Das Publikum verlangts“ (den Kitſch
nämlich), hat die Entwicklung Lügen geſtraft: Der
Publikumsgeſchmack muß und will geformt und
geführt werden, er ſelbſt iſt ein charakterloſes
Etwas, dem kein Eigenleben innewohnt.

Dieſe Erkenntnis muß Grundlage für die Kritik
des Films in allen ſeinen Teilen, muß beſtim-
mend ſein für die Einſtellung der Tagespreſſe auf
dieſes Gebiet, das in ſo eminenter Weiſe geeignet
iſt, Einfluß auf das Volksleben zu gewinnen.

Als Wichtigſtes ergibt ſich aus jener Erkennt-
nis: die Alternative „Induſtrie oder Kunſt hat
aufgehört zu beſtehen. Die Bewertung und Be-
urteilung eines Films iſt von der Rückſichtnahme
auf die Induſtrie frei geworden, nachdem deren
Intereſſen ſich mit denen der Allgemeinheit, die
zu vertreten in erſter Linie Sache der Tages-
preſſe iſt, nicht als gegenſätzlich, wie bisher viel-
fach angenommen wurde, ſondern als gleichlau-
fend erwieſen haben. Die Aufgabe der Tages-
preſſe, im Dienſte der Volkskultur die Entwick-
lung auf allen dieſe beeinfluſſenden Gebieten, alſo
auch auf dem Gebiete des Films, zu verfolgen,
zu beurteilen, zu bewerten, deckt ſich reſtlos mit
der Aufgabe, die Filminduſtrie in ihren wirklichen
Intereſſen zu unterſtützen, die in der Richtung
der Qualitätsarbeit, alſo der künſtleriſchen, der
kulturellen Einſtellung verlaufen.

Es iſt darum Pflicht der Tagespreſſe, den Film
ſowohl in ſeiner ſpezifiſch künſtleriſchen als auch
in ſeiner allgemein kulturellen Bedeutung, Ent-
wicklung und Auswirkung kritiſch ernſt zu neh-
men, ohne deshalb die beſonders im Hinblick auf
den Auslandsabſatz notwendigen Rückſichten, deren
Unterſuchung gleichfalls Sache der Tagespreſſe iſt,
zu überſehen. Vor allem aber ſoll verſucht wer-
den, Weſen, Bedeutung und Entwicklungsmög-
lichkeit des Films künſtleriſch-kultureller, tech-
niſcher und wirtſchaftlicher Beziehung dem gro-
ßen, auch dem noch abſeits ſtehenden Publikum
näherzubringen und das Verhältnis zwiſchen Film
und Publikum in dieſem ernſten Sinne zu kon-
ſolidieren. Das Publikum muß und ſoll ſich auf
das, was die Tagespreſſe über Film und Kino
bringt, verlaſſen können, ſoweit dies im Rahmen
von Einzelurteilen möglich iſt.

Was bedeutet der INRI-film?

Millionen meiden das Kino, bezeichnen, aus
Vorurteil oder raſcher Enttäuſchung, Film als
Kitſch und brechen den Stab über ein bislang
noch kaum erſchloſſenes Schaffensgebiet.

Seht euch, ihr Skeptiker und Filmhaſſer, dieſen
INRI- Film einmal an, nein, verſucht, ihn zu er-
fühlen, zu erleben und in euch aufzunehmen und
dann — gerecht zu ſein!

Film war früher bewegte Landſchaft, wurde
Handlung, Senſation, in äußerſte Extreme ge-
trieben, dann dürftige Epiſode, durch Verlegen-
heitspollagen grauſam langweilig, oder Epiſoden-
reihe im hiſtoriſchen Ausſtattungsfilm, hier ſchon
Uebergang zum ausſchließlichen „Bild“. Und das
alles jeweils um ſeiner ſelbſt willen, ohne tieferen
Sinn ohne leitende, einprägſame Idee, bei allem
Willen zum Künſtleriſchen immer nur Anſätze,
zuletzt, im rein Bildhaften, ſogar verheißungsvoll.

Der INRI-Film iſt Geſtalt gewordene Idee.
Das iſt ſein Neues. Das iſt das Schöpferiſche,
dem alles, was bisher Selbſtzweck war, jetzt
dient. Bild, Handlung, Geſchehen, Stimmung
im Manuſkript, Regie, Darſtellung und Technik
ſind aus jener intuitiven, von Idee beherrſchten
Notwendigkeit heraus geſtaltet, die das Weſen
[Spaltenumbruch] allen künſtleriſchen Schaffens und aller ſchöpfe-
riſchen Kunſt iſt.

Dem unter römiſcher Herrſchaft ſtöhnenden
jüdiſchen Volke wird die Kunde: Der Meſſias iſt
gekommen. Es jubelt dem König zu, der es aus
weltlicher Knechtſchaft befreien, es glaubt an den
Erlöſer, der Gewalt mit Gewalt überwinden ſoll.
Der Chriſtus-Idee „Liebe“ gegenüber, deren Reich
nicht von dieſer Welt iſt, wird es zum Verräter;
um ſo gewaltiger die Demonſtrationen der Chri-
ſtus-Liebe in der Heilung der Lahmen, der Toten-
erweckung, der Wandlung der Maria von Magdala
und dem Kreuzestod Chriſti. In der Rahmen-
handlung, die einen für die Befreiung ſeines
Volkes, alſo für eine große Idee zum politiſchen
Mörder Gewordenen im Gefängnis zeigt, trium-
phiert die Erlöſeridee „Liebe“ über die Weltidee
„Gewalt“.

So vollzieht ſich alles Geſchehen im Dienſt der
Chriſtus-Idee. Nirgends ein Neſt Selbſtzweck.
Das Höchſte an darſtelleriſcher Kunſt: die Wand-
lung der Maria von Magdala (Aſta Nielſen)
unter den Augen Chriſti. Stimmungen von un-
erreichter Gewalt und Erlebniswucht in der Berg-
predigt und der Kreuzigungsſzene, Regiekunſt
(Robert Wiene), die gleichwertig ſich nur mehr in
dem Rhythmus der Maſſenſzenen, ſo vor allem
in dem Augenblick, da das Volk die Steine, die
es gegen Maria von Magdala erhoben hat, ſinken
läßt („Wer ohne Sünde iſt, werfe den erſten
Stein!“) und in den gewaltigen Bildern von
Jeruſalem und der großen Tempelſzene manife-
ſtiert. Im tiefften erſchütternd die Darſtellung
des Todes Chriſti.

Die Mängel dieſes Films ſtark hervorheben,
würde gegenüber den bisherigen Filmen ein ſchie-
fes Bild ergeben. Die Rahmenhandlung des erſten
Aktes erſcheint zu breit und mit allzu vielen
Titeln beladen. Wenig glücklich iſt die Perſonifi-
kation des Verſuchers in der Wüſte durch Judas,
die Darſtellung des Jeſus im erſten Teil entſpricht
nicht durchweg dem Leitmotiv und auch die Dar-
ſtellerin der Maria, der Jeſusmutter, läßt zu
wünſchen übrig. All dies und mancherlei andere,
nicht befriedigende Einzelheiten treten jedoch hin-
ter der künſtleriſch und geiſtig gleich gewaltigen
Wirkung vollkommen zurück.

Der Film wird einen Siegeszug nicht nur durch
die Welt, ſondern auch durch die Menſchheit an-
treten.

Jahrbuch der Filminduſtrie.

Was für den Film ſeit langem gefehlt hat,
erklärlich nur durch das jugendliche Alter des
Filmgebietes ſelbſt, iſt nun, dank eines offenbar
ausgezeichneten Archivs der „Lichtbildbühne“, da:
ein glänzend informierender, in der Vollkommen-
heit ſeiner Einzelgebiete und ſeines Geſamtinhalts
für jeden, der mit Film zu tun hat, unentbehr-
lich werdender Almanach. Auf die „Geſchichte der
Filminduſtrie“ folgt eine überſichtliche Statiſtik
der Filmfirmen von 1911—1922, der Entwicklung
der Film-Aktiengeſellſchaften, der Kinos unter
beſonderer Berückſichtigung der Berliner und der
Münchener Verhältniſſe. Dem folgt eine Abtei-
lung über Handel und Verkehr in der Filmindu-
ſtrie, Deutſchlands Filmhandel und Filmkonſum,
die Preisgeſtaltung in der Filminduſtrie, dann
der Film in der Rechtſprechung und einzelne be-
ſonders intereſſierende Spezialfragen. Wir wer-
den noch eingehend auf einzelnes darin zurück-
kommen.



Zur Pſychologie des Briefmarken-
ſammlers — einſt und jetzt.

In der langen Reihe ſchöner, reichhaltiger Mär-
chen- und Erzählungsbücher nimmt mein Mar-
kenalbum den Ehrenplatz ein. Wenn ich zuweilen
nach langem, mühevollen Arbeitstag das Album
zur Hand nehme, es, wie man ein Kind beſchenkt,
mit den Neuerwerbungen bereichere und dann
ſelbſtvergeſſen Blatt um Blatt umwende, beginnt
es ſeine köſtlichen Erzählungen von fremden Län-
dern und Meeren, von fremden und traurigen
Völkerſchickſalen; zuweilen erſcheint es mir als ein
wahrer Spiegel des Zeitenwandels, mit kluger
Symbolik aus den Proviſorien der neueſten Zeit
herauslächelnd, die — die Doppelüberdruckmarken
ſagen es — ſich nicht mehr nur mit Erſatz, ſondern
mit dem Erſatz des Erſatzes begnügte, oder mit
Phraſenſchwall die pomwöſe Aufmachung winzi-
ger Staaten und Stäätchen kündend, während die
erhalten gebliebenen Traditionen anderer, von den
[Spaltenumbruch] traurigen Verhältniſſen verſchont gebliebener Län-
der ſich in dem kaum bemerkbaren Wechſel der
Markenbilder äußert.

Mein Album weiß noch mehr zu erzählen. Aus
vergilbten Briefſtücken und Ganzſachen ſteigen
Groß- und Urgroßvaters Zeiten auf. Ein zier-
licher Lockenkopf, feine, weiße, ein wenig zau-
dernde Hände, Erdöllampe und Kachelofen tau-
chen auf, eine ſtille, verträumte Atmoſphäre um-
gibt Album und Leſer. Und ein neues Bild ver-
drängt das alte: Großvater neben dem kleinen,
heißwangigen Markenſammler, mit abwehrberei-
tem Arm den koſtbaren Schatz vor unvorſichtigen
Kinderhänden ſchützend: „Dazu biſt du noch zu
klein“ — wenn die Kinderhand ſelbſt ſich be-
tätigen wollte. Ein anderes, weniger angenehmes
Bild, das ein paar übel zugerichtete Marken ins
Gedächtnis rufen: die tolpatſchige Art, wie dieſe
dummen Händchen, wenn ſie heimlich über den
„Schatz“ gekommen ſind, ſich ſeines Inhalts „er-
freut“ haben. Ein Lächeln verdrängt den Aerger
des ſachkundigen Sammlers.

Die Art, mit der heute Briefmarken geſammelt
werden, iſt nicht geeignet, ſolche Träumereien zu
begünſtigen oder gar die Freude am Sammeln zu
fördern. Die Frage drängt ſich auf, ob es unter
den jüngeren (nicht dem Alter nach) überhaupt
noch „Sammler“ im alten, ſchönen, romantiſchen
Sinne gibt. Spekulation und Habgier haben ſich
des Markenſammelſports bemächtigt. Wie die
Hamſter und Hyänen laufen ſie von Laden zu La-
den, von Poſtamt zu Poſtamt, kaufen und verkau-
ſen, feilſchen, tauſchen und entdecken immer neue
Arten und Abarten, Fehldrucke und Plattenfeh-
ler, das Steckalbum wie einen Revolver in ſteter
Bereitſchaft. Die unſolide Druckart bei den neuen
Marken begünſtigt dieſes Treiben. Es ſind die
wilden Händler, die den eingeſeſſenen, ſteuerzah-
lenden gefährlich werden.

Eine andere Spezies dieſer Neureichen-Samm-
ler: die ganz Vornehmen und Superklugen, die in
einer Markenſammlung eine ſteuerfreie „Kapi-
talsanlage“ ſehen und deren „Spezialität nur
ganze Sätze“ ſind, ungeſtempelt natürlich, mög-
lichſt meter- oder pfundweiſe. Der Inhalt dieſer
Alben iſt — für den wirklichen Sammler —
ebenſo ſchön, wie deren Beſitzer ihm widerlich er-
ſcheinen. Seht euch ein ſolches Album mit den
fremden, kalten, ſchweigenden Bildern, ohne Lücke
und ohne Stempel, an, und ihr könnt nicht an-
ders, als euch dahinter einen fettwanſtigen Be-
ſitzer vorſtellen, deſſen Blick mit überlegener Lieb-
und Traditionsloſigkeit euer eigenes, lückenhaftes
Album muſtern würde. Dieſe Herrſchaften wa-
ren es, die den Markenſammelſport zu einem
Spekulationsgebiet und den armen Teufeln von
wirklichen Sammlern das Kaufen unmöglich ge-
macht haben, denn „auf den Preis kommt es bei
ihnen nicht an“.

Den bedenklichſten Widerhall finden dieſe ganz
fälſchlicherweiſe mit Sammelwut bezeichneten
Spekulations- und Anlageabſichten bei der Ju-
gend. Nicht nur Politik, auch Markenſammeln
kann den Charakter verderben. Und es muß ihn
verderben, wenn es ſo betrieben wird, wie es lei-
der von dem größten Teil der Jugend geſchieht.
Man ſieht ſelten einen Jungen liebevoll oder mit
kindlicher Freude eine Marke betrachten. Die
Spekulationswut hat auch die kindlichen Samm-
ler gepackt und ſie zu geſchäftstüchtigen Handels-
leuten gemacht, an denen vielleicht mancher ſchlecht
beratene Vater ſeine helle Freude haben wird. Be-
ſitzgier und unkindlicher Ehrgeiz treibt auch ſie
in die Läden und auf die Poſtämter, wo ſie nicht
Tauſch-, ſondern Verkaufsmaterial erſtehen, um
dieſes ſo raſch wie möglich zu Wucherpreiſen wie-
der abzuſtoßen. Die Väter ahnen nicht, was für
ein Verbrechen ſie begehen, wenn ſie ihren Kin-
dern zu ſolch ſchändlichem Treiben das „Betriebs-
kapital“ geben. Das Sammeln um der Freude
an den Marken ſelbſt, um der Beſchäftigung
mit ihnen, um des Sammelns ſelbſt willen, hat
auch bei der Jugend aufgehört. Die für den wirk-
lichen Sammler wohltätige, nervenentſpannende
Beſchäftigung mit ſeinen Marken iſt hier zu
krampf- und krankhafter Leidenſchaft geworden,
die Geiz, Neid, Raffſucht und gefährliche Schädi-
gung ernſter Intereſſen zur notwendigen Folge
haben. Beſonders gefährlich für Kinder, die in
ihrem Vater keinen Kenner und Führer durch die
Wirrniſſe des Markenſammelſparts beſitzen, deſſen
auch die erwachſenen Anfänger-Sammler nicht
entraten können.

Ein Führer für alle Fälle iſt in den Katalogen
gegeben, die dei dem Umfang der Markenans-
gaben aller Länder einfach unentbehrlich gewor-
den ſind, und vor vielfachem Schaden bewahren.
Es iſt aber nicht nur der materielle Geſichts-
punkt, der die Hilfe des Katalogs empfehlenswert
macht, ſondern mehr noch ſeine pſychologiſche
Wirkung auf den Sammler, beſonders den ju-
gendlichen, ſofern er richtigen Gebrauch davon zu
machen verſteht und nicht nur auf die Preiſe, den
ſogenannten Wert der Marken, der bei dem ra-
[Spaltenumbruch] ſchen Umſchwung in der Bewertung doch immer
nur ein vergleichsweiſer ſein kann, ſondern auf
die übrigen Dinge des Kataloges achtet, die zu
einer Vertiefung des Verſtändniſſes und damit
der Freude am Sammeln führen. Von den vie-
len Katalogen dieſer Art ſteht der jedem Samm-
ler wenigſtens dem Namen nach bekannte Michel-
Katalog, vor kurzem als Europa- und als Ueber-
ſeeausgabe neu erſchienen, an erſter Stelle. Nach
„Michel“ wird gerechnet, ſeine Angaben in bezug
auf Abarten, Fehldrucke und dgl. ſind maßgebend.
Das Sammeln an Hand des Kataloges wird bei
einigermaßen richtigen Vorausſetzungen günſtig
auf die Pſyche des Sammlers einwirken. Der
richtige Gebrauch des Kataloges wird zum Teil
vor den Gefahren der „Sammelwut“, beſonders
bei der Jugend, Schutz bieten können. Noch wich-
tiger iſt natürlich eine vernünftige Einführung
und Anleitung perſönlicher Art, die weg von den
häßlichen Begleitumſtänden unſerer Zeit, zurück
zu dem alten, romantiſchen Sammelſport führt.



Sport.
Ein Rieſenſtadion in Leipzig.

Nach Kölner Muſter und löblichem Beiſpiel will
man in der Pleißeſtadt ebenfalls jetzt ein Sta-
dion errichten, da ſeltſamerweiſe die größte
mitteldeutſche Sportſtadt
bisher einer
ſolchen Anlage gänzlichentbehrte, wenn
auch einige größere Fußball- und Hockeyfelder
(z. B. vom Verein für Bewegungsſpiele unweit
des Völkerſchlachtdenkmals und des Leipziger
Sportklubs) vorhanden waren. Nicht weniger als
drei Pläne ſind plötzlich aufgetaucht. Die eine
Anregung ging vom Bezirk Leipzig des Bundes
deutſcher Radfahrer aus, die zweite vom Gau
Nordweſtſachſen im Verband mitteldeutſcher Ball-
ſpielvereine. Mehr Ausſicht auf Erfolg dürfte
ein Vorſchlag haben, hinter dem der bekannte
Verein Sportplatz Leipzig, der Beſitzer
einer der größten deutſchen Radrennbahnen, auf
der namentlich in den Vorkriegsjahren zahlreiche
Rekorde das Licht der Welt erblickt haben, ſteht.
Der Verein, übrigens eine gemeinnützige Geſell-
ſchaft, will unmittelbar neben ſeiner Rad-
rennbahn
das Stadion entſtehen laſſen, das
neben Fußball- und Hockeyfeldern auch
Laufbahnen, einer Rundbahn für Rad-
fahrer
, Plätze für Schwerathletik und
Radball aufweiſen ſoll. Die Anlage ſoll bis
zum Flutkanal ausgedehnt werden, ſo daß auch
die Ruderer und Schwimmſportler zu
Worte kommen können. Das Stadion ſoll ſo ge-
baut werden, daß es wirtſchaftlich aus ſich ſelbſt
beſtehen kann. Nach den Plänen ſind Plätze für
etwa 4000 Zuſchauer zum Sitzen, 65000 Stehplätze
und eine Sondertribüne (100 Meter lang) vorge-
ſehen. Die Mittel zum Bau ſind ſichergeſtellt,
mit den Arbeiten wird bei Eintritt günſtiger
Witterung ſofort begonnen werden.

Die Stadt Leipzig würde durch dieſes Stadion,
deſſen Vorzug vor allem auch in ſeiner zentralen
Lage, auf den Frankfurter Wieſen, beſteht, eine
großzügige, moderne Sportanlage erhalten, die
im Grunde eine gewaltige Förderung des Spor-
tes an ſich bedeutet.

Bobrennen am Rißerſee.
Ergebniſſe: I. Lauf: Bob Zugſpitz
(Wackerle) 1:41,5; 2. Bob Edelweiß (Poettinger)
1:42,1; 3. Bob Alpſpitz (Frhr. v. Imhof) 2:20;
4. Bob Bayern (Kilian) 2:23,1; 5. Spinne II
(Rittm. Schmidt) geſt. — II. Lauf: 1 Zugſpitz
1:39; 2. Alpſpitz 1:39,4; 3. Bayern 1:40; 4. Edel-
weiß 2:25,5. Geſamtzeit: 1. Zugſpitz 3:20,5;
2. Alpſpitz 3:59,4; 3. Bayern 4:03,5; 4. Edelweiß
4:08.


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[7/0007] Mittwoch, den 9. Januar 1924 Allgemeine Zeitung. Nr. 8 FILM-ZEITUNG. Aufgaben der Filmbeſprechung. Das Gebiet des Films iſt noch durchaus und grundſätzlich umſtritten; ſowohl von außen herein als — leider — auch von innen heraus. Ein großer Teil der Bevölkerung nimmt noch eine gänzlich oder nur künſtleriſch und ethiſch be- zogene ablehnende Haltung ein, und ſelbſt unter den Freunden des Kinos ſind die Erwartungen recht verſchiedener Natur: ſie ſchwanken zwiſchen Zeitvertreib und Senſation einer-, geiſtiger An- regung und künſtleriſcher Erbauung andrerſeits. Verhängnisvoller, weil ausſchlaggebend für die Entwicklung des Films iſt die Einſtellung der Herſteller, deren vielfach einſeitige Spekulation auf die Inſtinkte des Publikums lange Zeit Waſſer auf die Mühlen der Filmgegner lieferte und den Film auf tiefſtem Niveau hielt. Der Einſatz künſtleriſcher Motive und Ziele hat ſeinen Spekulanten unrecht gegeben: der mate- rielle Erfolg blieb durchaus nicht auf den Ver- brecher-, den Kriminal- und ſonſtigen Senſations- film beſchränkt, im Gegenteil. Das den künſt- leriſch vorwärts ſtrebenden Filmautoren und Re- giſſeuren vom Fabrikanten häufig entgegengehal- tene Wort: „Das Publikum verlangts“ (den Kitſch nämlich), hat die Entwicklung Lügen geſtraft: Der Publikumsgeſchmack muß und will geformt und geführt werden, er ſelbſt iſt ein charakterloſes Etwas, dem kein Eigenleben innewohnt. Dieſe Erkenntnis muß Grundlage für die Kritik des Films in allen ſeinen Teilen, muß beſtim- mend ſein für die Einſtellung der Tagespreſſe auf dieſes Gebiet, das in ſo eminenter Weiſe geeignet iſt, Einfluß auf das Volksleben zu gewinnen. Als Wichtigſtes ergibt ſich aus jener Erkennt- nis: die Alternative „Induſtrie oder Kunſt hat aufgehört zu beſtehen. Die Bewertung und Be- urteilung eines Films iſt von der Rückſichtnahme auf die Induſtrie frei geworden, nachdem deren Intereſſen ſich mit denen der Allgemeinheit, die zu vertreten in erſter Linie Sache der Tages- preſſe iſt, nicht als gegenſätzlich, wie bisher viel- fach angenommen wurde, ſondern als gleichlau- fend erwieſen haben. Die Aufgabe der Tages- preſſe, im Dienſte der Volkskultur die Entwick- lung auf allen dieſe beeinfluſſenden Gebieten, alſo auch auf dem Gebiete des Films, zu verfolgen, zu beurteilen, zu bewerten, deckt ſich reſtlos mit der Aufgabe, die Filminduſtrie in ihren wirklichen Intereſſen zu unterſtützen, die in der Richtung der Qualitätsarbeit, alſo der künſtleriſchen, der kulturellen Einſtellung verlaufen. Es iſt darum Pflicht der Tagespreſſe, den Film ſowohl in ſeiner ſpezifiſch künſtleriſchen als auch in ſeiner allgemein kulturellen Bedeutung, Ent- wicklung und Auswirkung kritiſch ernſt zu neh- men, ohne deshalb die beſonders im Hinblick auf den Auslandsabſatz notwendigen Rückſichten, deren Unterſuchung gleichfalls Sache der Tagespreſſe iſt, zu überſehen. Vor allem aber ſoll verſucht wer- den, Weſen, Bedeutung und Entwicklungsmög- lichkeit des Films künſtleriſch-kultureller, tech- niſcher und wirtſchaftlicher Beziehung dem gro- ßen, auch dem noch abſeits ſtehenden Publikum näherzubringen und das Verhältnis zwiſchen Film und Publikum in dieſem ernſten Sinne zu kon- ſolidieren. Das Publikum muß und ſoll ſich auf das, was die Tagespreſſe über Film und Kino bringt, verlaſſen können, ſoweit dies im Rahmen von Einzelurteilen möglich iſt. Was bedeutet der INRI-film? Millionen meiden das Kino, bezeichnen, aus Vorurteil oder raſcher Enttäuſchung, Film als Kitſch und brechen den Stab über ein bislang noch kaum erſchloſſenes Schaffensgebiet. Seht euch, ihr Skeptiker und Filmhaſſer, dieſen INRI- Film einmal an, nein, verſucht, ihn zu er- fühlen, zu erleben und in euch aufzunehmen und dann — gerecht zu ſein! Film war früher bewegte Landſchaft, wurde Handlung, Senſation, in äußerſte Extreme ge- trieben, dann dürftige Epiſode, durch Verlegen- heitspollagen grauſam langweilig, oder Epiſoden- reihe im hiſtoriſchen Ausſtattungsfilm, hier ſchon Uebergang zum ausſchließlichen „Bild“. Und das alles jeweils um ſeiner ſelbſt willen, ohne tieferen Sinn ohne leitende, einprägſame Idee, bei allem Willen zum Künſtleriſchen immer nur Anſätze, zuletzt, im rein Bildhaften, ſogar verheißungsvoll. Der INRI-Film iſt Geſtalt gewordene Idee. Das iſt ſein Neues. Das iſt das Schöpferiſche, dem alles, was bisher Selbſtzweck war, jetzt dient. Bild, Handlung, Geſchehen, Stimmung im Manuſkript, Regie, Darſtellung und Technik ſind aus jener intuitiven, von Idee beherrſchten Notwendigkeit heraus geſtaltet, die das Weſen allen künſtleriſchen Schaffens und aller ſchöpfe- riſchen Kunſt iſt. Dem unter römiſcher Herrſchaft ſtöhnenden jüdiſchen Volke wird die Kunde: Der Meſſias iſt gekommen. Es jubelt dem König zu, der es aus weltlicher Knechtſchaft befreien, es glaubt an den Erlöſer, der Gewalt mit Gewalt überwinden ſoll. Der Chriſtus-Idee „Liebe“ gegenüber, deren Reich nicht von dieſer Welt iſt, wird es zum Verräter; um ſo gewaltiger die Demonſtrationen der Chri- ſtus-Liebe in der Heilung der Lahmen, der Toten- erweckung, der Wandlung der Maria von Magdala und dem Kreuzestod Chriſti. In der Rahmen- handlung, die einen für die Befreiung ſeines Volkes, alſo für eine große Idee zum politiſchen Mörder Gewordenen im Gefängnis zeigt, trium- phiert die Erlöſeridee „Liebe“ über die Weltidee „Gewalt“. So vollzieht ſich alles Geſchehen im Dienſt der Chriſtus-Idee. Nirgends ein Neſt Selbſtzweck. Das Höchſte an darſtelleriſcher Kunſt: die Wand- lung der Maria von Magdala (Aſta Nielſen) unter den Augen Chriſti. Stimmungen von un- erreichter Gewalt und Erlebniswucht in der Berg- predigt und der Kreuzigungsſzene, Regiekunſt (Robert Wiene), die gleichwertig ſich nur mehr in dem Rhythmus der Maſſenſzenen, ſo vor allem in dem Augenblick, da das Volk die Steine, die es gegen Maria von Magdala erhoben hat, ſinken läßt („Wer ohne Sünde iſt, werfe den erſten Stein!“) und in den gewaltigen Bildern von Jeruſalem und der großen Tempelſzene manife- ſtiert. Im tiefften erſchütternd die Darſtellung des Todes Chriſti. Die Mängel dieſes Films ſtark hervorheben, würde gegenüber den bisherigen Filmen ein ſchie- fes Bild ergeben. Die Rahmenhandlung des erſten Aktes erſcheint zu breit und mit allzu vielen Titeln beladen. Wenig glücklich iſt die Perſonifi- kation des Verſuchers in der Wüſte durch Judas, die Darſtellung des Jeſus im erſten Teil entſpricht nicht durchweg dem Leitmotiv und auch die Dar- ſtellerin der Maria, der Jeſusmutter, läßt zu wünſchen übrig. All dies und mancherlei andere, nicht befriedigende Einzelheiten treten jedoch hin- ter der künſtleriſch und geiſtig gleich gewaltigen Wirkung vollkommen zurück. Der Film wird einen Siegeszug nicht nur durch die Welt, ſondern auch durch die Menſchheit an- treten. E. I. Jahrbuch der Filminduſtrie. Was für den Film ſeit langem gefehlt hat, erklärlich nur durch das jugendliche Alter des Filmgebietes ſelbſt, iſt nun, dank eines offenbar ausgezeichneten Archivs der „Lichtbildbühne“, da: ein glänzend informierender, in der Vollkommen- heit ſeiner Einzelgebiete und ſeines Geſamtinhalts für jeden, der mit Film zu tun hat, unentbehr- lich werdender Almanach. Auf die „Geſchichte der Filminduſtrie“ folgt eine überſichtliche Statiſtik der Filmfirmen von 1911—1922, der Entwicklung der Film-Aktiengeſellſchaften, der Kinos unter beſonderer Berückſichtigung der Berliner und der Münchener Verhältniſſe. Dem folgt eine Abtei- lung über Handel und Verkehr in der Filmindu- ſtrie, Deutſchlands Filmhandel und Filmkonſum, die Preisgeſtaltung in der Filminduſtrie, dann der Film in der Rechtſprechung und einzelne be- ſonders intereſſierende Spezialfragen. Wir wer- den noch eingehend auf einzelnes darin zurück- kommen. E. I. Zur Pſychologie des Briefmarken- ſammlers — einſt und jetzt. Von Ernst Iros, München. In der langen Reihe ſchöner, reichhaltiger Mär- chen- und Erzählungsbücher nimmt mein Mar- kenalbum den Ehrenplatz ein. Wenn ich zuweilen nach langem, mühevollen Arbeitstag das Album zur Hand nehme, es, wie man ein Kind beſchenkt, mit den Neuerwerbungen bereichere und dann ſelbſtvergeſſen Blatt um Blatt umwende, beginnt es ſeine köſtlichen Erzählungen von fremden Län- dern und Meeren, von fremden und traurigen Völkerſchickſalen; zuweilen erſcheint es mir als ein wahrer Spiegel des Zeitenwandels, mit kluger Symbolik aus den Proviſorien der neueſten Zeit herauslächelnd, die — die Doppelüberdruckmarken ſagen es — ſich nicht mehr nur mit Erſatz, ſondern mit dem Erſatz des Erſatzes begnügte, oder mit Phraſenſchwall die pomwöſe Aufmachung winzi- ger Staaten und Stäätchen kündend, während die erhalten gebliebenen Traditionen anderer, von den traurigen Verhältniſſen verſchont gebliebener Län- der ſich in dem kaum bemerkbaren Wechſel der Markenbilder äußert. Mein Album weiß noch mehr zu erzählen. Aus vergilbten Briefſtücken und Ganzſachen ſteigen Groß- und Urgroßvaters Zeiten auf. Ein zier- licher Lockenkopf, feine, weiße, ein wenig zau- dernde Hände, Erdöllampe und Kachelofen tau- chen auf, eine ſtille, verträumte Atmoſphäre um- gibt Album und Leſer. Und ein neues Bild ver- drängt das alte: Großvater neben dem kleinen, heißwangigen Markenſammler, mit abwehrberei- tem Arm den koſtbaren Schatz vor unvorſichtigen Kinderhänden ſchützend: „Dazu biſt du noch zu klein“ — wenn die Kinderhand ſelbſt ſich be- tätigen wollte. Ein anderes, weniger angenehmes Bild, das ein paar übel zugerichtete Marken ins Gedächtnis rufen: die tolpatſchige Art, wie dieſe dummen Händchen, wenn ſie heimlich über den „Schatz“ gekommen ſind, ſich ſeines Inhalts „er- freut“ haben. Ein Lächeln verdrängt den Aerger des ſachkundigen Sammlers. Die Art, mit der heute Briefmarken geſammelt werden, iſt nicht geeignet, ſolche Träumereien zu begünſtigen oder gar die Freude am Sammeln zu fördern. Die Frage drängt ſich auf, ob es unter den jüngeren (nicht dem Alter nach) überhaupt noch „Sammler“ im alten, ſchönen, romantiſchen Sinne gibt. Spekulation und Habgier haben ſich des Markenſammelſports bemächtigt. Wie die Hamſter und Hyänen laufen ſie von Laden zu La- den, von Poſtamt zu Poſtamt, kaufen und verkau- ſen, feilſchen, tauſchen und entdecken immer neue Arten und Abarten, Fehldrucke und Plattenfeh- ler, das Steckalbum wie einen Revolver in ſteter Bereitſchaft. Die unſolide Druckart bei den neuen Marken begünſtigt dieſes Treiben. Es ſind die wilden Händler, die den eingeſeſſenen, ſteuerzah- lenden gefährlich werden. Eine andere Spezies dieſer Neureichen-Samm- ler: die ganz Vornehmen und Superklugen, die in einer Markenſammlung eine ſteuerfreie „Kapi- talsanlage“ ſehen und deren „Spezialität nur ganze Sätze“ ſind, ungeſtempelt natürlich, mög- lichſt meter- oder pfundweiſe. Der Inhalt dieſer Alben iſt — für den wirklichen Sammler — ebenſo ſchön, wie deren Beſitzer ihm widerlich er- ſcheinen. Seht euch ein ſolches Album mit den fremden, kalten, ſchweigenden Bildern, ohne Lücke und ohne Stempel, an, und ihr könnt nicht an- ders, als euch dahinter einen fettwanſtigen Be- ſitzer vorſtellen, deſſen Blick mit überlegener Lieb- und Traditionsloſigkeit euer eigenes, lückenhaftes Album muſtern würde. Dieſe Herrſchaften wa- ren es, die den Markenſammelſport zu einem Spekulationsgebiet und den armen Teufeln von wirklichen Sammlern das Kaufen unmöglich ge- macht haben, denn „auf den Preis kommt es bei ihnen nicht an“. Den bedenklichſten Widerhall finden dieſe ganz fälſchlicherweiſe mit Sammelwut bezeichneten Spekulations- und Anlageabſichten bei der Ju- gend. Nicht nur Politik, auch Markenſammeln kann den Charakter verderben. Und es muß ihn verderben, wenn es ſo betrieben wird, wie es lei- der von dem größten Teil der Jugend geſchieht. Man ſieht ſelten einen Jungen liebevoll oder mit kindlicher Freude eine Marke betrachten. Die Spekulationswut hat auch die kindlichen Samm- ler gepackt und ſie zu geſchäftstüchtigen Handels- leuten gemacht, an denen vielleicht mancher ſchlecht beratene Vater ſeine helle Freude haben wird. Be- ſitzgier und unkindlicher Ehrgeiz treibt auch ſie in die Läden und auf die Poſtämter, wo ſie nicht Tauſch-, ſondern Verkaufsmaterial erſtehen, um dieſes ſo raſch wie möglich zu Wucherpreiſen wie- der abzuſtoßen. Die Väter ahnen nicht, was für ein Verbrechen ſie begehen, wenn ſie ihren Kin- dern zu ſolch ſchändlichem Treiben das „Betriebs- kapital“ geben. Das Sammeln um der Freude an den Marken ſelbſt, um der Beſchäftigung mit ihnen, um des Sammelns ſelbſt willen, hat auch bei der Jugend aufgehört. Die für den wirk- lichen Sammler wohltätige, nervenentſpannende Beſchäftigung mit ſeinen Marken iſt hier zu krampf- und krankhafter Leidenſchaft geworden, die Geiz, Neid, Raffſucht und gefährliche Schädi- gung ernſter Intereſſen zur notwendigen Folge haben. Beſonders gefährlich für Kinder, die in ihrem Vater keinen Kenner und Führer durch die Wirrniſſe des Markenſammelſparts beſitzen, deſſen auch die erwachſenen Anfänger-Sammler nicht entraten können. Ein Führer für alle Fälle iſt in den Katalogen gegeben, die dei dem Umfang der Markenans- gaben aller Länder einfach unentbehrlich gewor- den ſind, und vor vielfachem Schaden bewahren. Es iſt aber nicht nur der materielle Geſichts- punkt, der die Hilfe des Katalogs empfehlenswert macht, ſondern mehr noch ſeine pſychologiſche Wirkung auf den Sammler, beſonders den ju- gendlichen, ſofern er richtigen Gebrauch davon zu machen verſteht und nicht nur auf die Preiſe, den ſogenannten Wert der Marken, der bei dem ra- ſchen Umſchwung in der Bewertung doch immer nur ein vergleichsweiſer ſein kann, ſondern auf die übrigen Dinge des Kataloges achtet, die zu einer Vertiefung des Verſtändniſſes und damit der Freude am Sammeln führen. Von den vie- len Katalogen dieſer Art ſteht der jedem Samm- ler wenigſtens dem Namen nach bekannte Michel- Katalog, vor kurzem als Europa- und als Ueber- ſeeausgabe neu erſchienen, an erſter Stelle. Nach „Michel“ wird gerechnet, ſeine Angaben in bezug auf Abarten, Fehldrucke und dgl. ſind maßgebend. Das Sammeln an Hand des Kataloges wird bei einigermaßen richtigen Vorausſetzungen günſtig auf die Pſyche des Sammlers einwirken. Der richtige Gebrauch des Kataloges wird zum Teil vor den Gefahren der „Sammelwut“, beſonders bei der Jugend, Schutz bieten können. Noch wich- tiger iſt natürlich eine vernünftige Einführung und Anleitung perſönlicher Art, die weg von den häßlichen Begleitumſtänden unſerer Zeit, zurück zu dem alten, romantiſchen Sammelſport führt. Sport. Ein Rieſenſtadion in Leipzig. Nach Kölner Muſter und löblichem Beiſpiel will man in der Pleißeſtadt ebenfalls jetzt ein Sta- dion errichten, da ſeltſamerweiſe die größte mitteldeutſche Sportſtadt bisher einer ſolchen Anlage gänzlichentbehrte, wenn auch einige größere Fußball- und Hockeyfelder (z. B. vom Verein für Bewegungsſpiele unweit des Völkerſchlachtdenkmals und des Leipziger Sportklubs) vorhanden waren. Nicht weniger als drei Pläne ſind plötzlich aufgetaucht. Die eine Anregung ging vom Bezirk Leipzig des Bundes deutſcher Radfahrer aus, die zweite vom Gau Nordweſtſachſen im Verband mitteldeutſcher Ball- ſpielvereine. Mehr Ausſicht auf Erfolg dürfte ein Vorſchlag haben, hinter dem der bekannte Verein Sportplatz Leipzig, der Beſitzer einer der größten deutſchen Radrennbahnen, auf der namentlich in den Vorkriegsjahren zahlreiche Rekorde das Licht der Welt erblickt haben, ſteht. Der Verein, übrigens eine gemeinnützige Geſell- ſchaft, will unmittelbar neben ſeiner Rad- rennbahn das Stadion entſtehen laſſen, das neben Fußball- und Hockeyfeldern auch Laufbahnen, einer Rundbahn für Rad- fahrer, Plätze für Schwerathletik und Radball aufweiſen ſoll. Die Anlage ſoll bis zum Flutkanal ausgedehnt werden, ſo daß auch die Ruderer und Schwimmſportler zu Worte kommen können. Das Stadion ſoll ſo ge- baut werden, daß es wirtſchaftlich aus ſich ſelbſt beſtehen kann. Nach den Plänen ſind Plätze für etwa 4000 Zuſchauer zum Sitzen, 65000 Stehplätze und eine Sondertribüne (100 Meter lang) vorge- ſehen. Die Mittel zum Bau ſind ſichergeſtellt, mit den Arbeiten wird bei Eintritt günſtiger Witterung ſofort begonnen werden. Die Stadt Leipzig würde durch dieſes Stadion, deſſen Vorzug vor allem auch in ſeiner zentralen Lage, auf den Frankfurter Wieſen, beſteht, eine großzügige, moderne Sportanlage erhalten, die im Grunde eine gewaltige Förderung des Spor- tes an ſich bedeutet. Bobrennen am Rißerſee. Ergebniſſe: I. Lauf: Bob Zugſpitz (Wackerle) 1:41,5; 2. Bob Edelweiß (Poettinger) 1:42,1; 3. Bob Alpſpitz (Frhr. v. Imhof) 2:20; 4. Bob Bayern (Kilian) 2:23,1; 5. Spinne II (Rittm. Schmidt) geſt. — II. Lauf: 1 Zugſpitz 1:39; 2. Alpſpitz 1:39,4; 3. Bayern 1:40; 4. Edel- weiß 2:25,5. Geſamtzeit: 1. Zugſpitz 3:20,5; 2. Alpſpitz 3:59,4; 3. Bayern 4:03,5; 4. Edelweiß 4:08. _ _

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 8, vom 9. Januar 1924, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine08_1924/7>, abgerufen am 31.10.2024.