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Allgemeine Zeitung, Nr. 105, 15. April 1849.

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[Spaltenumbruch] horn sich gleichsam als die Befreier der Kirche von den durch den Staat
ihr angelegten Fesseln betrachteten. Dieß war zur Hälfte der Fall, zur
Hälfte beruhte es auf einer Selbsttäuschung. Frei wurde die Kirche in-
sofern, als sie von jetzt an Selbstzweck wurde: Sie hat dem Staate un-
ter Friedrich Wilhelm dem IV. wahrlich keine Früchte getragen. Aber in-
sofern, als zur Freiheit auch die Selbstregierung gehört, blieb die Kirche
so unfrei als zuvor. Der Minister stellte höchstens in diesem Punkte einige
Experimente mit ihr an.

Daß das Experimentiren ein Hauptfehler des Ministeriums Eich-
horn war, zeigte sich namentlich bei dem Unterrichtswesen, dem Hr.
Eilers (cin Schüler und ehemaliger genauer Freund Schlossers, wie wir
so eben hören, später die rechte Hand Eichhorns) einen einzelnen Abschnitt
seines Buches widmet. In seinem Munde hat das Urtheil, kein Staat
habe je so große Mittel aufgeboten, so große Kräfte in Bewegung ge-
setzt um Volks- und wissenschaftliche Bildung zu heben, als Preußen
unter dem Ministerium Altenstein -- besondere Bedeutung. Von
den Verdiensten dagegen die er Eichhorn auch in diesem Punkte zuschreibt,
können wir uns schwer überzeugen. Die eigentlichen Schulen hatten wohl
unter Altenstein eine Blüthe erreicht die im Augenblicke sich nicht mehr
steigern ließ. Es blieben daher nur noch die Universitäten übrig, bei
denen das Bedürsniß einer großen Reform vorlag. Hier nun hat Eich-
horn gehandelt wie preußische Beamte so oft handeln: anstatt durch eine
große Reform der Zeit wahrhaft zu genügen, werfen sie alles durchein-
ander und befriedigen ihre Launen, anstatt dem vollen Bewußtseyn der
Zeitgenossen zu genügen. Ein wahrhaft und im bessern Sinne des Wor-
tes conservativer Mann wird sich stets wohl bedenken, ehe er bei so großen
und eigenthümlichen nationalen Instituten, wie die deutschen Universitäten
mit ihrem von Eichhorn im innersten Kerne bedroht gewesenen akademi-
schen Leben und Treiben sind, unternommene Veränderungen vertheidigt,
wenn sie nicht das unverkennbare Gepräge wahrhaft großartiger Reformen,
sondern das der Willkühr und des Beliebens an sich tragen.



Der Kampf vor Eckernförde.

Meine gestrigen Berichte über die glän-
zende Waffenthat des 5 April kann ich heute, nachdem ich so eben
von Eckernförde zurückkehre, als Augen- und Ohrenzeuge bestätigen
und ergänzen: was ich um so lieber thue, je verworrener und ungenauer
die Berichte der heutigen Hamburger Blätter sind.*) Quellen meiner
Darstellung sind die Erzählungen der holsteinischen Kanoniere und die
Aussagen der gefangenen Dänen. Am 5 um 71/2 Uhr Morgens begannen
das Linienschiff Christian VIII und die Fregatte Gesion nebst zwei Dampfern
ihr Feuer auf unsere Schanzen, die Nordschanze (bei Borby oder Louisen-
berg) mit 8 Geschützen und die Südschanze (hart an der Südseite des
Städtchens) mit 4 Achtzehnpfündern. In jener befehligte der preußische
Lieutenant Jungmann, in dieser zwei holsteinische Unterofficiere Preußer
und Stinde. Die dänischen Schiffe hatten sich tief in den Hafen zwischen
die Batterien und die Stadt gelegt, so daß unsere Schanzen ihre wenigen
Geschütze nicht einmal alle konnten spielen lassen. Nach wenigen Stunden
mußten die zwei Dampfer sich zurückziehen, und der eine derselben soll
nach Aussagen von Fischern vor dem Hafen gesunken seyn. Um 1 Uhr
zogen die beiden Kriegsschiffe die weiße Flagge auf und begehrten zu par-
lamentiren. Sie verlangten freien Abzug und drohten widrigenfalls die
wehrlose Stadt zu beschießen. Darüber vergingen einige Stunden; aber
*)
[Spaltenumbruch] die unerschrockenen Bürger erklärten, man möge auf ihre Stadt keine Rück-
sicht nehmen. So begann das Feuer gegen 5 Uhr Nachmittags aufs
neue. Das Linienschiff veränderte seine Stellung und legte sich auf die
Nordostseite der Südbatterie, wo es aber dem Feuer derselben noch
mehr ausgesetzt war. Endlich um 61/2 Uhr strichen beide Schiffe die Flagge
vor der von ihnen so gehaßten "Insurgentenfahne", dem glorreichen schwarz-
roth-goldnen Banner! Das Linienschiff fing an seine Mannschaft ans
Ufer zu bringen; von der Fregatte kamen zunächst nur die Officiere. Aber
schon nach 8 Uhr, als von der Mannschaft des Linienschiffs, mit Einschluß
der Todten und Verwundeten, noch etwa 200 Mann an Bord waren, und
in dem Augenblick wo unser junger Held Preußer an Bord gegangen
war um die Ausschiffung zu betreiben, flog das riesige Schiff mit einem
furchtbaren Krachen in die Luft. Es hatte nach Aussage der Officiere
schon während des Vormittagskampfs von einer glühenden Kugel unserer
Südschanze in seinen untern mit Vorräthen aller Art vollgestopften Räu-
men Feuer gefangen, ohne daß es den Zimmerleuten gelungen war das-
selbe zu löschen; das Feuer glimmte in dem Holzwerke fort und fort, und
erreichte endlich die Pulverkammer. Die geretteten und kriegsgefangenen
Officiere und Mannschaften brachte man in der Kirche des Orts unter
und sorgte auf das liebreichste für ihre Verpflegung. Unterdessen hatte
man von Deutscher Seite, aus Mangel an genügender Mannschaft, die
Fregatte Gesion mit dem größten Theil ihrer Besatzung bis zu einer späten
Stunde der Nacht so zu sagen sich selbst überlassen, und nur acht thürin-
gische Infanteristen als Wache an Bord gesetzt. Aus Besorgniß daß mit
Anbruch des Tags die Fregatte vielleicht Hülfe von außen erhalten und
zu entkommen suchen möchte, gingen der Kieler Schiffsbauer Schow und
sechzehn Bürger freiwillig an Bord, setzten einige Segel bei, und brachten
die stolze Gesion in den innersten Winkel des Hafens in Sicherheit; dann
wurde die kriegsgefangene Mannschaft auch von der Fregatte ans Land ge-
setzt, und gestern Vormittag sämmtliche Gefangene, Officiere und Ma-
trosen, nach Rendsburg abgeführt. Dieß ist im großen und ganzen der
Hergang dieses wunderbaren Gefechtes; ich trage nur einige Einzelheiten
und Bemerkungen nach. Nach Aussage der Gefangenen warnten einige
erfahrene alte Bootsleute die Officiere den Kampf mit den Batterien
nicht zu beginnen, denn es werde ihr Verderben seyn; aber die Instruc-
tionen aus Kopenhagen lauteten unabweislich dahin die Schanzen der In-
surgenten zu vernichten, weil sie sich schon in der vorigen Woche "erdreistet"
hatten auf ein dänisches Schiff zu schießen. Unsere Kanoniere waren
lauter junge Recruten von 18 bis 21 Jahren die zum erstenmal im Feuer
standen; aber der Schleswig-Holsteiner ist durch seine kalte Ruhe ein ge-
borner Artillerist. "In der ersten halben Stunde", sagte mir einer dieser
jungen Helden, "kam uns die Sache etwas ungewohnt vor; aber bald
sahen wir daß wir dem Feind überlegen waren." Wenn die dänischen
Kanonen aufblitzten, hätten sich die 30 jungen Bursche immer "ganz ge-
müthlich" (nach Stinde's Ausdruck) hinter ihre Erdwälle niedergeduckt,
um sich sogleich zu erheben und ihre wohlgezielten Schüsse auf die Schiffe
zu senden. Zu Anfang des Gefechts warf eine dänische Kugel die deutsche
Fahne auf der Südschanze um, und die ganze Mannschaft des Linienschiffs
brüllte Hurrah, aber bald erhob sich mitten im Kugelregen das Reichs-
banner wieder. Nur zu Anfang feuerten unsere Leute mit glühenden
Kugeln. Diese wurden in kleinen Oefen geglüht, mit einem eisernen
Löffel in das schon gerichtete Rohr gebracht, und dann noch eine Verladung
von nasseme Heu darauf gesetzt; aber bald wurde ihnen dieß Verfahren zu
umständlich. Als der Feind Waffenstillstand begehrte, hatten sie sich fast
verschossen; die Waffenruhe wurde benutzt um neue Munition herbeizu-
schaffen. Im ganzen haben die Dänen etwa 5000 Schüsse gethan, die
deutschen Batterien etwa 400, wobei die kleinen Sechspfünder der Nassauer
nicht mitgezählt sind, die nur an dem Takelwerk und auf dem offenen Deck
des Linienschiffs Schaden anrichten konnten. Auf deutscher Seite sind
nur vier Menschen geblieben: der tapfere Preußer, den der Herzog von
Gotha so eben zum Officier befördert hatte; ferner ein Kanonier auf der
Nordschanze, ein reußischer Infanterist und eine alte Frau in Eckernförde;
sechs Mann sind verwundet. Die Nassauer haben keinen Verlust. Auch
in die Stadt sind nur ein paar Duzend Kugeln geflogen. Blicken wir
jetzt auf die Seite des Feindes. Seine größtentheils ungeübten Mann-
schaften gingen, trotz aller dänischen Ruhmredigkeit, nach ihrem eignen
Geständnisse höchst ungern in den Kampf. Ihre Verluste waren unge-
heuer. Die Gesion lag einige Zeit so daß unser Geschütz ihre Verdecke der
Länge nach bestrich, und daß Eine Kugel 5 bis 6 Mann auf einmal umriß.
Sie hatte zu Ende des Gefechts mehr als 40 Todte und mehr als 60 Ver-
wundete. Der Verlust des Linienschiffs läßt sich nicht genau angeben,
weil die meisten Verwundeten mit in die Luft geflogen sind. Die gestern
früh herausgefischten Leichen und Ertrunkenen bilden einen gräßlichen
Haufen. Zuletzt weigerten sich die Besatzungen diesen fruchtlosen Ver-
zweiflungskampf länger fortzusetzen, und die beiden stolzesten Schiffe der

*) Wir geben auch diesen Bericht, da er die in der gestrigen Beilage ent-
haitene ausführliche Erzählung da und dort ergänzt. Kleine Wieder-
holungen sind nicht zu vermeiden. R. d. Allg. Ztg.
*) einen Blick thun: "Soll die evangelische Kirche der katholischen ferner mit
Würde und Kraft gegenüberstehen, so ist Verjüngung und Umgestaltung
nothwendig. Diese kann aber nur frei aus ihr selbst hervorgehen. Ist
ihr Princip dazu kräftig? Kein evangelischer Christ wird daran zwei-
feln!" -- Wie liegt die Sache? Die Kirche ist in einem großen, viel-
leicht in ihrem größten Theil ihrer geistigen Organisation abgestorben,
andere Geister haben ihre Wohnungen in Besitz genommen. Ist das Salz
dumm geworden, womit soll man es wieder salzig machen? Vermittlung
zwischen Glauben und Wissen ist nur solange denkbar, als beide sich gleich-
kräftig, wahr und hochmuthslos gegenüberstehen und ohne principielle
Feindschaft Vermittlung suchen. Aber eine hochmüthige Philosophie hat
den Glauben niedergeworfen und zertreten. Ist wircklich eine Theologie
im Werden, die den Hochmuth züchtigen und den Glauben als höchste
Potenz der Vernunft rechtfertigen kann?" -- "Einheit der evangelischen
Kirche deutscher Nation!" Dieß ist für die Kräftigung ihres Lebens ein
Hauptgesichtspunkt. In der Wirklichkeit ist sie durch besondere Interes-
sen in ebenso verschiedene Theile getheilt als Deutschland einzelne Staa-
ten hat, so wie einst die Zollinien den deutschen Commers zerstückelten.
Hier ein pietistisches, dort rationalistisches oder polizeiliches, überall eine
das freie eigenthümliche Leben der Kirche beengendes, nirgends ein das-
selbe beförderndes Kirchenregiment!"

[Spaltenumbruch] horn ſich gleichſam als die Befreier der Kirche von den durch den Staat
ihr angelegten Feſſeln betrachteten. Dieß war zur Hälfte der Fall, zur
Hälfte beruhte es auf einer Selbſttäuſchung. Frei wurde die Kirche in-
ſofern, als ſie von jetzt an Selbſtzweck wurde: Sie hat dem Staate un-
ter Friedrich Wilhelm dem IV. wahrlich keine Früchte getragen. Aber in-
ſofern, als zur Freiheit auch die Selbſtregierung gehört, blieb die Kirche
ſo unfrei als zuvor. Der Miniſter ſtellte höchſtens in dieſem Punkte einige
Experimente mit ihr an.

Daß das Experimentiren ein Hauptfehler des Miniſteriums Eich-
horn war, zeigte ſich namentlich bei dem Unterrichtsweſen, dem Hr.
Eilers (cin Schüler und ehemaliger genauer Freund Schloſſers, wie wir
ſo eben hören, ſpäter die rechte Hand Eichhorns) einen einzelnen Abſchnitt
ſeines Buches widmet. In ſeinem Munde hat das Urtheil, kein Staat
habe je ſo große Mittel aufgeboten, ſo große Kräfte in Bewegung ge-
ſetzt um Volks- und wiſſenſchaftliche Bildung zu heben, als Preußen
unter dem Miniſterium Altenſtein — beſondere Bedeutung. Von
den Verdienſten dagegen die er Eichhorn auch in dieſem Punkte zuſchreibt,
können wir uns ſchwer überzeugen. Die eigentlichen Schulen hatten wohl
unter Altenſtein eine Blüthe erreicht die im Augenblicke ſich nicht mehr
ſteigern ließ. Es blieben daher nur noch die Univerſitäten übrig, bei
denen das Bedürſniß einer großen Reform vorlag. Hier nun hat Eich-
horn gehandelt wie preußiſche Beamte ſo oft handeln: anſtatt durch eine
große Reform der Zeit wahrhaft zu genügen, werfen ſie alles durchein-
ander und befriedigen ihre Launen, anſtatt dem vollen Bewußtſeyn der
Zeitgenoſſen zu genügen. Ein wahrhaft und im beſſern Sinne des Wor-
tes conſervativer Mann wird ſich ſtets wohl bedenken, ehe er bei ſo großen
und eigenthümlichen nationalen Inſtituten, wie die deutſchen Univerſitäten
mit ihrem von Eichhorn im innerſten Kerne bedroht geweſenen akademi-
ſchen Leben und Treiben ſind, unternommene Veränderungen vertheidigt,
wenn ſie nicht das unverkennbare Gepräge wahrhaft großartiger Reformen,
ſondern das der Willkühr und des Beliebens an ſich tragen.



Der Kampf vor Eckernförde.

Meine geſtrigen Berichte über die glän-
zende Waffenthat des 5 April kann ich heute, nachdem ich ſo eben
von Eckernförde zurückkehre, als Augen- und Ohrenzeuge beſtätigen
und ergänzen: was ich um ſo lieber thue, je verworrener und ungenauer
die Berichte der heutigen Hamburger Blätter ſind.*) Quellen meiner
Darſtellung ſind die Erzählungen der holſteiniſchen Kanoniere und die
Ausſagen der gefangenen Dänen. Am 5 um 7½ Uhr Morgens begannen
das Linienſchiff Chriſtian VIII und die Fregatte Geſion nebſt zwei Dampfern
ihr Feuer auf unſere Schanzen, die Nordſchanze (bei Borby oder Louiſen-
berg) mit 8 Geſchützen und die Südſchanze (hart an der Südſeite des
Städtchens) mit 4 Achtzehnpfündern. In jener befehligte der preußiſche
Lieutenant Jungmann, in dieſer zwei holſteiniſche Unterofficiere Preußer
und Stinde. Die däniſchen Schiffe hatten ſich tief in den Hafen zwiſchen
die Batterien und die Stadt gelegt, ſo daß unſere Schanzen ihre wenigen
Geſchütze nicht einmal alle konnten ſpielen laſſen. Nach wenigen Stunden
mußten die zwei Dampfer ſich zurückziehen, und der eine derſelben ſoll
nach Ausſagen von Fiſchern vor dem Hafen geſunken ſeyn. Um 1 Uhr
zogen die beiden Kriegsſchiffe die weiße Flagge auf und begehrten zu par-
lamentiren. Sie verlangten freien Abzug und drohten widrigenfalls die
wehrloſe Stadt zu beſchießen. Darüber vergingen einige Stunden; aber
*)
[Spaltenumbruch] die unerſchrockenen Bürger erklärten, man möge auf ihre Stadt keine Rück-
ſicht nehmen. So begann das Feuer gegen 5 Uhr Nachmittags aufs
neue. Das Linienſchiff veränderte ſeine Stellung und legte ſich auf die
Nordoſtſeite der Südbatterie, wo es aber dem Feuer derſelben noch
mehr ausgeſetzt war. Endlich um 6½ Uhr ſtrichen beide Schiffe die Flagge
vor der von ihnen ſo gehaßten „Inſurgentenfahne“, dem glorreichen ſchwarz-
roth-goldnen Banner! Das Linienſchiff fing an ſeine Mannſchaft ans
Ufer zu bringen; von der Fregatte kamen zunächſt nur die Officiere. Aber
ſchon nach 8 Uhr, als von der Mannſchaft des Linienſchiffs, mit Einſchluß
der Todten und Verwundeten, noch etwa 200 Mann an Bord waren, und
in dem Augenblick wo unſer junger Held Preußer an Bord gegangen
war um die Ausſchiffung zu betreiben, flog das rieſige Schiff mit einem
furchtbaren Krachen in die Luft. Es hatte nach Ausſage der Officiere
ſchon während des Vormittagskampfs von einer glühenden Kugel unſerer
Südſchanze in ſeinen untern mit Vorräthen aller Art vollgeſtopften Räu-
men Feuer gefangen, ohne daß es den Zimmerleuten gelungen war das-
ſelbe zu löſchen; das Feuer glimmte in dem Holzwerke fort und fort, und
erreichte endlich die Pulverkammer. Die geretteten und kriegsgefangenen
Officiere und Mannſchaften brachte man in der Kirche des Orts unter
und ſorgte auf das liebreichſte für ihre Verpflegung. Unterdeſſen hatte
man von Deutſcher Seite, aus Mangel an genügender Mannſchaft, die
Fregatte Geſion mit dem größten Theil ihrer Beſatzung bis zu einer ſpäten
Stunde der Nacht ſo zu ſagen ſich ſelbſt überlaſſen, und nur acht thürin-
giſche Infanteriſten als Wache an Bord geſetzt. Aus Beſorgniß daß mit
Anbruch des Tags die Fregatte vielleicht Hülfe von außen erhalten und
zu entkommen ſuchen möchte, gingen der Kieler Schiffsbauer Schow und
ſechzehn Bürger freiwillig an Bord, ſetzten einige Segel bei, und brachten
die ſtolze Geſion in den innerſten Winkel des Hafens in Sicherheit; dann
wurde die kriegsgefangene Mannſchaft auch von der Fregatte ans Land ge-
ſetzt, und geſtern Vormittag ſämmtliche Gefangene, Officiere und Ma-
troſen, nach Rendsburg abgeführt. Dieß iſt im großen und ganzen der
Hergang dieſes wunderbaren Gefechtes; ich trage nur einige Einzelheiten
und Bemerkungen nach. Nach Ausſage der Gefangenen warnten einige
erfahrene alte Bootsleute die Officiere den Kampf mit den Batterien
nicht zu beginnen, denn es werde ihr Verderben ſeyn; aber die Inſtruc-
tionen aus Kopenhagen lauteten unabweislich dahin die Schanzen der In-
ſurgenten zu vernichten, weil ſie ſich ſchon in der vorigen Woche „erdreiſtet“
hatten auf ein däniſches Schiff zu ſchießen. Unſere Kanoniere waren
lauter junge Recruten von 18 bis 21 Jahren die zum erſtenmal im Feuer
ſtanden; aber der Schleswig-Holſteiner iſt durch ſeine kalte Ruhe ein ge-
borner Artilleriſt. „In der erſten halben Stunde“, ſagte mir einer dieſer
jungen Helden, „kam uns die Sache etwas ungewohnt vor; aber bald
ſahen wir daß wir dem Feind überlegen waren.“ Wenn die däniſchen
Kanonen aufblitzten, hätten ſich die 30 jungen Burſche immer „ganz ge-
müthlich“ (nach Stinde’s Ausdruck) hinter ihre Erdwälle niedergeduckt,
um ſich ſogleich zu erheben und ihre wohlgezielten Schüſſe auf die Schiffe
zu ſenden. Zu Anfang des Gefechts warf eine däniſche Kugel die deutſche
Fahne auf der Südſchanze um, und die ganze Mannſchaft des Linienſchiffs
brüllte Hurrah, aber bald erhob ſich mitten im Kugelregen das Reichs-
banner wieder. Nur zu Anfang feuerten unſere Leute mit glühenden
Kugeln. Dieſe wurden in kleinen Oefen geglüht, mit einem eiſernen
Löffel in das ſchon gerichtete Rohr gebracht, und dann noch eine Verladung
von naſſeme Heu darauf geſetzt; aber bald wurde ihnen dieß Verfahren zu
umſtändlich. Als der Feind Waffenſtillſtand begehrte, hatten ſie ſich faſt
verſchoſſen; die Waffenruhe wurde benutzt um neue Munition herbeizu-
ſchaffen. Im ganzen haben die Dänen etwa 5000 Schüſſe gethan, die
deutſchen Batterien etwa 400, wobei die kleinen Sechspfünder der Naſſauer
nicht mitgezählt ſind, die nur an dem Takelwerk und auf dem offenen Deck
des Linienſchiffs Schaden anrichten konnten. Auf deutſcher Seite ſind
nur vier Menſchen geblieben: der tapfere Preußer, den der Herzog von
Gotha ſo eben zum Officier befördert hatte; ferner ein Kanonier auf der
Nordſchanze, ein reußiſcher Infanteriſt und eine alte Frau in Eckernförde;
ſechs Mann ſind verwundet. Die Naſſauer haben keinen Verluſt. Auch
in die Stadt ſind nur ein paar Duzend Kugeln geflogen. Blicken wir
jetzt auf die Seite des Feindes. Seine größtentheils ungeübten Mann-
ſchaften gingen, trotz aller däniſchen Ruhmredigkeit, nach ihrem eignen
Geſtändniſſe höchſt ungern in den Kampf. Ihre Verluſte waren unge-
heuer. Die Geſion lag einige Zeit ſo daß unſer Geſchütz ihre Verdecke der
Länge nach beſtrich, und daß Eine Kugel 5 bis 6 Mann auf einmal umriß.
Sie hatte zu Ende des Gefechts mehr als 40 Todte und mehr als 60 Ver-
wundete. Der Verluſt des Linienſchiffs läßt ſich nicht genau angeben,
weil die meiſten Verwundeten mit in die Luft geflogen ſind. Die geſtern
früh herausgefiſchten Leichen und Ertrunkenen bilden einen gräßlichen
Haufen. Zuletzt weigerten ſich die Beſatzungen dieſen fruchtloſen Ver-
zweiflungskampf länger fortzuſetzen, und die beiden ſtolzeſten Schiffe der

*) Wir geben auch dieſen Bericht, da er die in der geſtrigen Beilage ent-
haitene ausführliche Erzählung da und dort ergänzt. Kleine Wieder-
holungen ſind nicht zu vermeiden. R. d. Allg. Ztg.
*) einen Blick thun: „Soll die evangeliſche Kirche der katholiſchen ferner mit
Würde und Kraft gegenüberſtehen, ſo iſt Verjüngung und Umgeſtaltung
nothwendig. Dieſe kann aber nur frei aus ihr ſelbſt hervorgehen. Iſt
ihr Princip dazu kräftig? Kein evangeliſcher Chriſt wird daran zwei-
feln!“ — Wie liegt die Sache? Die Kirche iſt in einem großen, viel-
leicht in ihrem größten Theil ihrer geiſtigen Organiſation abgeſtorben,
andere Geiſter haben ihre Wohnungen in Beſitz genommen. Iſt das Salz
dumm geworden, womit ſoll man es wieder ſalzig machen? Vermittlung
zwiſchen Glauben und Wiſſen iſt nur ſolange denkbar, als beide ſich gleich-
kräftig, wahr und hochmuthslos gegenüberſtehen und ohne principielle
Feindſchaft Vermittlung ſuchen. Aber eine hochmüthige Philoſophie hat
den Glauben niedergeworfen und zertreten. Iſt wircklich eine Theologie
im Werden, die den Hochmuth züchtigen und den Glauben als höchſte
Potenz der Vernunft rechtfertigen kann?“ — „Einheit der evangeliſchen
Kirche deutſcher Nation!“ Dieß iſt für die Kräftigung ihres Lebens ein
Hauptgeſichtspunkt. In der Wirklichkeit iſt ſie durch beſondere Intereſ-
ſen in ebenſo verſchiedene Theile getheilt als Deutſchland einzelne Staa-
ten hat, ſo wie einſt die Zollinien den deutſchen Commers zerſtückelten.
Hier ein pietiſtiſches, dort rationaliſtiſches oder polizeiliches, überall eine
das freie eigenthümliche Leben der Kirche beengendes, nirgends ein das-
ſelbe beförderndes Kirchenregiment!“
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[1616/0012] horn ſich gleichſam als die Befreier der Kirche von den durch den Staat ihr angelegten Feſſeln betrachteten. Dieß war zur Hälfte der Fall, zur Hälfte beruhte es auf einer Selbſttäuſchung. Frei wurde die Kirche in- ſofern, als ſie von jetzt an Selbſtzweck wurde: Sie hat dem Staate un- ter Friedrich Wilhelm dem IV. wahrlich keine Früchte getragen. Aber in- ſofern, als zur Freiheit auch die Selbſtregierung gehört, blieb die Kirche ſo unfrei als zuvor. Der Miniſter ſtellte höchſtens in dieſem Punkte einige Experimente mit ihr an. Daß das Experimentiren ein Hauptfehler des Miniſteriums Eich- horn war, zeigte ſich namentlich bei dem Unterrichtsweſen, dem Hr. Eilers (cin Schüler und ehemaliger genauer Freund Schloſſers, wie wir ſo eben hören, ſpäter die rechte Hand Eichhorns) einen einzelnen Abſchnitt ſeines Buches widmet. In ſeinem Munde hat das Urtheil, kein Staat habe je ſo große Mittel aufgeboten, ſo große Kräfte in Bewegung ge- ſetzt um Volks- und wiſſenſchaftliche Bildung zu heben, als Preußen unter dem Miniſterium Altenſtein — beſondere Bedeutung. Von den Verdienſten dagegen die er Eichhorn auch in dieſem Punkte zuſchreibt, können wir uns ſchwer überzeugen. Die eigentlichen Schulen hatten wohl unter Altenſtein eine Blüthe erreicht die im Augenblicke ſich nicht mehr ſteigern ließ. Es blieben daher nur noch die Univerſitäten übrig, bei denen das Bedürſniß einer großen Reform vorlag. Hier nun hat Eich- horn gehandelt wie preußiſche Beamte ſo oft handeln: anſtatt durch eine große Reform der Zeit wahrhaft zu genügen, werfen ſie alles durchein- ander und befriedigen ihre Launen, anſtatt dem vollen Bewußtſeyn der Zeitgenoſſen zu genügen. Ein wahrhaft und im beſſern Sinne des Wor- tes conſervativer Mann wird ſich ſtets wohl bedenken, ehe er bei ſo großen und eigenthümlichen nationalen Inſtituten, wie die deutſchen Univerſitäten mit ihrem von Eichhorn im innerſten Kerne bedroht geweſenen akademi- ſchen Leben und Treiben ſind, unternommene Veränderungen vertheidigt, wenn ſie nicht das unverkennbare Gepräge wahrhaft großartiger Reformen, ſondern das der Willkühr und des Beliebens an ſich tragen. Der Kampf vor Eckernförde. r Kiel, 7 April. Meine geſtrigen Berichte über die glän- zende Waffenthat des 5 April kann ich heute, nachdem ich ſo eben von Eckernförde zurückkehre, als Augen- und Ohrenzeuge beſtätigen und ergänzen: was ich um ſo lieber thue, je verworrener und ungenauer die Berichte der heutigen Hamburger Blätter ſind. *) Quellen meiner Darſtellung ſind die Erzählungen der holſteiniſchen Kanoniere und die Ausſagen der gefangenen Dänen. Am 5 um 7½ Uhr Morgens begannen das Linienſchiff Chriſtian VIII und die Fregatte Geſion nebſt zwei Dampfern ihr Feuer auf unſere Schanzen, die Nordſchanze (bei Borby oder Louiſen- berg) mit 8 Geſchützen und die Südſchanze (hart an der Südſeite des Städtchens) mit 4 Achtzehnpfündern. In jener befehligte der preußiſche Lieutenant Jungmann, in dieſer zwei holſteiniſche Unterofficiere Preußer und Stinde. Die däniſchen Schiffe hatten ſich tief in den Hafen zwiſchen die Batterien und die Stadt gelegt, ſo daß unſere Schanzen ihre wenigen Geſchütze nicht einmal alle konnten ſpielen laſſen. Nach wenigen Stunden mußten die zwei Dampfer ſich zurückziehen, und der eine derſelben ſoll nach Ausſagen von Fiſchern vor dem Hafen geſunken ſeyn. Um 1 Uhr zogen die beiden Kriegsſchiffe die weiße Flagge auf und begehrten zu par- lamentiren. Sie verlangten freien Abzug und drohten widrigenfalls die wehrloſe Stadt zu beſchießen. Darüber vergingen einige Stunden; aber *) die unerſchrockenen Bürger erklärten, man möge auf ihre Stadt keine Rück- ſicht nehmen. So begann das Feuer gegen 5 Uhr Nachmittags aufs neue. Das Linienſchiff veränderte ſeine Stellung und legte ſich auf die Nordoſtſeite der Südbatterie, wo es aber dem Feuer derſelben noch mehr ausgeſetzt war. Endlich um 6½ Uhr ſtrichen beide Schiffe die Flagge vor der von ihnen ſo gehaßten „Inſurgentenfahne“, dem glorreichen ſchwarz- roth-goldnen Banner! Das Linienſchiff fing an ſeine Mannſchaft ans Ufer zu bringen; von der Fregatte kamen zunächſt nur die Officiere. Aber ſchon nach 8 Uhr, als von der Mannſchaft des Linienſchiffs, mit Einſchluß der Todten und Verwundeten, noch etwa 200 Mann an Bord waren, und in dem Augenblick wo unſer junger Held Preußer an Bord gegangen war um die Ausſchiffung zu betreiben, flog das rieſige Schiff mit einem furchtbaren Krachen in die Luft. Es hatte nach Ausſage der Officiere ſchon während des Vormittagskampfs von einer glühenden Kugel unſerer Südſchanze in ſeinen untern mit Vorräthen aller Art vollgeſtopften Räu- men Feuer gefangen, ohne daß es den Zimmerleuten gelungen war das- ſelbe zu löſchen; das Feuer glimmte in dem Holzwerke fort und fort, und erreichte endlich die Pulverkammer. Die geretteten und kriegsgefangenen Officiere und Mannſchaften brachte man in der Kirche des Orts unter und ſorgte auf das liebreichſte für ihre Verpflegung. Unterdeſſen hatte man von Deutſcher Seite, aus Mangel an genügender Mannſchaft, die Fregatte Geſion mit dem größten Theil ihrer Beſatzung bis zu einer ſpäten Stunde der Nacht ſo zu ſagen ſich ſelbſt überlaſſen, und nur acht thürin- giſche Infanteriſten als Wache an Bord geſetzt. Aus Beſorgniß daß mit Anbruch des Tags die Fregatte vielleicht Hülfe von außen erhalten und zu entkommen ſuchen möchte, gingen der Kieler Schiffsbauer Schow und ſechzehn Bürger freiwillig an Bord, ſetzten einige Segel bei, und brachten die ſtolze Geſion in den innerſten Winkel des Hafens in Sicherheit; dann wurde die kriegsgefangene Mannſchaft auch von der Fregatte ans Land ge- ſetzt, und geſtern Vormittag ſämmtliche Gefangene, Officiere und Ma- troſen, nach Rendsburg abgeführt. Dieß iſt im großen und ganzen der Hergang dieſes wunderbaren Gefechtes; ich trage nur einige Einzelheiten und Bemerkungen nach. Nach Ausſage der Gefangenen warnten einige erfahrene alte Bootsleute die Officiere den Kampf mit den Batterien nicht zu beginnen, denn es werde ihr Verderben ſeyn; aber die Inſtruc- tionen aus Kopenhagen lauteten unabweislich dahin die Schanzen der In- ſurgenten zu vernichten, weil ſie ſich ſchon in der vorigen Woche „erdreiſtet“ hatten auf ein däniſches Schiff zu ſchießen. Unſere Kanoniere waren lauter junge Recruten von 18 bis 21 Jahren die zum erſtenmal im Feuer ſtanden; aber der Schleswig-Holſteiner iſt durch ſeine kalte Ruhe ein ge- borner Artilleriſt. „In der erſten halben Stunde“, ſagte mir einer dieſer jungen Helden, „kam uns die Sache etwas ungewohnt vor; aber bald ſahen wir daß wir dem Feind überlegen waren.“ Wenn die däniſchen Kanonen aufblitzten, hätten ſich die 30 jungen Burſche immer „ganz ge- müthlich“ (nach Stinde’s Ausdruck) hinter ihre Erdwälle niedergeduckt, um ſich ſogleich zu erheben und ihre wohlgezielten Schüſſe auf die Schiffe zu ſenden. Zu Anfang des Gefechts warf eine däniſche Kugel die deutſche Fahne auf der Südſchanze um, und die ganze Mannſchaft des Linienſchiffs brüllte Hurrah, aber bald erhob ſich mitten im Kugelregen das Reichs- banner wieder. Nur zu Anfang feuerten unſere Leute mit glühenden Kugeln. Dieſe wurden in kleinen Oefen geglüht, mit einem eiſernen Löffel in das ſchon gerichtete Rohr gebracht, und dann noch eine Verladung von naſſeme Heu darauf geſetzt; aber bald wurde ihnen dieß Verfahren zu umſtändlich. Als der Feind Waffenſtillſtand begehrte, hatten ſie ſich faſt verſchoſſen; die Waffenruhe wurde benutzt um neue Munition herbeizu- ſchaffen. Im ganzen haben die Dänen etwa 5000 Schüſſe gethan, die deutſchen Batterien etwa 400, wobei die kleinen Sechspfünder der Naſſauer nicht mitgezählt ſind, die nur an dem Takelwerk und auf dem offenen Deck des Linienſchiffs Schaden anrichten konnten. Auf deutſcher Seite ſind nur vier Menſchen geblieben: der tapfere Preußer, den der Herzog von Gotha ſo eben zum Officier befördert hatte; ferner ein Kanonier auf der Nordſchanze, ein reußiſcher Infanteriſt und eine alte Frau in Eckernförde; ſechs Mann ſind verwundet. Die Naſſauer haben keinen Verluſt. Auch in die Stadt ſind nur ein paar Duzend Kugeln geflogen. Blicken wir jetzt auf die Seite des Feindes. Seine größtentheils ungeübten Mann- ſchaften gingen, trotz aller däniſchen Ruhmredigkeit, nach ihrem eignen Geſtändniſſe höchſt ungern in den Kampf. Ihre Verluſte waren unge- heuer. Die Geſion lag einige Zeit ſo daß unſer Geſchütz ihre Verdecke der Länge nach beſtrich, und daß Eine Kugel 5 bis 6 Mann auf einmal umriß. Sie hatte zu Ende des Gefechts mehr als 40 Todte und mehr als 60 Ver- wundete. Der Verluſt des Linienſchiffs läßt ſich nicht genau angeben, weil die meiſten Verwundeten mit in die Luft geflogen ſind. Die geſtern früh herausgefiſchten Leichen und Ertrunkenen bilden einen gräßlichen Haufen. Zuletzt weigerten ſich die Beſatzungen dieſen fruchtloſen Ver- zweiflungskampf länger fortzuſetzen, und die beiden ſtolzeſten Schiffe der *) Wir geben auch dieſen Bericht, da er die in der geſtrigen Beilage ent- haitene ausführliche Erzählung da und dort ergänzt. Kleine Wieder- holungen ſind nicht zu vermeiden. R. d. Allg. Ztg. *) einen Blick thun: „Soll die evangeliſche Kirche der katholiſchen ferner mit Würde und Kraft gegenüberſtehen, ſo iſt Verjüngung und Umgeſtaltung nothwendig. Dieſe kann aber nur frei aus ihr ſelbſt hervorgehen. Iſt ihr Princip dazu kräftig? Kein evangeliſcher Chriſt wird daran zwei- feln!“ — Wie liegt die Sache? Die Kirche iſt in einem großen, viel- leicht in ihrem größten Theil ihrer geiſtigen Organiſation abgeſtorben, andere Geiſter haben ihre Wohnungen in Beſitz genommen. Iſt das Salz dumm geworden, womit ſoll man es wieder ſalzig machen? Vermittlung zwiſchen Glauben und Wiſſen iſt nur ſolange denkbar, als beide ſich gleich- kräftig, wahr und hochmuthslos gegenüberſtehen und ohne principielle Feindſchaft Vermittlung ſuchen. Aber eine hochmüthige Philoſophie hat den Glauben niedergeworfen und zertreten. Iſt wircklich eine Theologie im Werden, die den Hochmuth züchtigen und den Glauben als höchſte Potenz der Vernunft rechtfertigen kann?“ — „Einheit der evangeliſchen Kirche deutſcher Nation!“ Dieß iſt für die Kräftigung ihres Lebens ein Hauptgeſichtspunkt. In der Wirklichkeit iſt ſie durch beſondere Intereſ- ſen in ebenſo verſchiedene Theile getheilt als Deutſchland einzelne Staa- ten hat, ſo wie einſt die Zollinien den deutſchen Commers zerſtückelten. Hier ein pietiſtiſches, dort rationaliſtiſches oder polizeiliches, überall eine das freie eigenthümliche Leben der Kirche beengendes, nirgends ein das- ſelbe beförderndes Kirchenregiment!“

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-09-16T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 105, 15. April 1849, S. 1616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine105_1849/12>, abgerufen am 01.06.2024.