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Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 12. Januar 1924.

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erste Seite

Allgemeine Zeitung
Süddeutsches Tagblatt Großdeutsche Rundschau
127. Jahrgang. Nr. 11
München, Samstag den 12. Januar 1924.
Hauptschriftleitung und verantwortlich für Deutsche und Bayerische Politik:
Max Heilgemayr. -- Wirtschaftszeitung u. Auswärtige Politik: Josef Schrepfer.
-- Unpolitische Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. -- Kunst u. Musik: Albin v.
Prybram-Gladona. -- Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. -- Anzeigenteil: Josef
Syiegel, sämtl, in München. -- Redaktion: München, Baaderstr. 1, Tel. 27940. -- Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerstr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk.
[Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erscheint täglich. Bei Störung des Erscheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks besteht kein Anspruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-spaltige
Millimeterzelle im Inseratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10.
Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Postscheckkonto: München 8170.
Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderstraße 1 und 1a. Telefon 24287.
Einzelpreis 10 Pfennig.



[Spaltenumbruch]
Parlamentsreform.

Das vom Reichstag in seiner letzten
Sitzung vor Weihnachten angenommene
Gesetz zur Aenderung des Reichs-
wahlgesetzes,
dem inzwischen auch
der Reichsrat zugestimmt hat, enthält neben
einer Reihe von Einzelheiten zwei wich-
tigere Neuerungen, die erst auf demokra-
tischen Antrag in den Entwurf eingefügt
wurden. Die eine betrifft die Einführung
von Dauerwählerlisten. Die Ver-
zeichnisse der Wahlberechtigten werden nun-
mehr in Listen oder in einer Wähler-
kartei
dauernd geführt und nicht erst
unmittelbar vor der Wahl aufgestellt.
Darüber, daß auf diese Weise die Ueber-
bürdung der Behörden mit der plötzlichen
Ermittlung und Zusammenstellung der
Wahlberechtigten vermieden und zugleich
die Möglichkeit geschaffen wird, die Fristen
für die Wahlen zu verkürzen, war man
sich allseits einig. Deshalb wurde auch
gegen diesen Vorschlag Widerspruch nicht
erhoben.

Anders lag es bei dem Antrag auf Ein-
führung des amerikanischen Wahl-
zettel&sr
;. Diese Einrichtung, die übrigens
aus Belgien stammt, besteht darin, daß die
von den Landesregierungen für jeden Wahl-
kreis amtlich herzustellenden Stimmzettel
alle zugelassenen Kreiswahlvorschläge unter
Angabe der Partei und Hinzufügung der
Namen je der ersten vier Bewerber ent-
halten. Die Stimmabgabe erfolgt dadurch,
daß der Wähler durch ein auf den Stimm-
zettel gesetztes Kreuz oder auf andere
Weise kenntlich macht, welchem der
mehreren Kreiswahlvorschläge, die auf dem
einzigen Zettel vereinigt sind, er die
Stimme geben will. Nach den günstigen
Erfahrungen, die das Land Anhalt be-
reits im Jahre 1920 mit dieser Methode
gemacht hat, hatte der Regierungsentwurf
ihre Einführung den Landesregierungen
fakultativ anheim gestellt. Der Reichstag
hat sie für das ganze Reichsgebiet obli-
gatorisch gemacht
. Es liegt auf der
Hand, daß hierdurch große Ersparnisse an
Papier, Druck, Verteilungs- und Versen-
dungskosten erzielt werden. Aber die
Deutschnationalen und Kommunisten er-
hoben Widerspruch, erstere mit der eigen-
artigen Begründung, daß man keine zu
großen Anforderungen an die Intelligenz
der Wähler stellen dürfe. Die Mehrheit
des Reichstags vermochte sich indes diesem
Bedenken nicht anzuschließen.

Neben dem, was das Gesetz bringt, ist
nun aber einiges bemerkenswert, was es
nicht bringt, obgleich entsprechende An-
träge vorlagen. Hierhin gehört einmal die
Einführung der Wahlpflicht für das
Reich und die Länder,
die von der
deutschnationalen Volkspartei beantragt
war. Es berührt etwas merkwürdig, wenn
eine Partei, die soeben erst ihre Zweifel an
der Intelligenz der Wähler zum Ausdruck
gebracht hatte, nunmehr verlangt, alle diese
Wähler auch noch zwangsweise zur
Ausübung eines Rechts anzuhalten, für das
sie nach ihrer Ansicht vielfach nicht reif sein
dürften. Der Antrag, der im Ausschuß, wie
sich der deutschnationale Redner ausdrückte,
eine "recht schlechte und üble Behandlung"
erfahren hatte, erzielte im Plenum bei der
ersten Abstimmung sogar eine Mehrheit, die
sich bei der zweiten allerdings wieder in
eine Minderheit verwandelte. Nun mag
man zu dem Gedanken der Wahlpflicht im
übrigen stehen wie man will: So viel ist
sicher, daß die Verfolgung der Wahl-
säumigen, die Prüfung ihrer Einwen-
dungen, die Herbeiführung gerichtlicher
Entscheidungen und die Vollstreckung der

[Spaltenumbruch]

verhängten Strafen ein ganzes Heer neuer
Beamten nötig machen würde. Mit dem
Beamtenabbau, wie er jetzt auf der Tages-
ordnung steht, wäre das kaum vereinbar.

Dagegen berührt sich sehr nahe mit dem
Beamtenabbau die Anregung einer Ver-
minderung der Zahl der Abge-
ordneten
. Denn unwillkürlich drängt
sich die Frage auf, warum, wo alles abbaut,
das Parlament allein geschont werden soll,
zumal wenn man sich vergegenwärtigt, daß
Deutschland neben 459 Reichstagsabge-
ordneten noch etwa 1500 Landtagsabge-
ordnete besitzt, und daß der Reichstag vor
dem Jahre 1918, also in dem alten Um-
fange das Reich nur 397 Abgeordnete hatte.
Daß dabei an Diäten, Freifahrtkosten,
Drucksachen, Räumen und allerlei anderen
Aufwendungen unmittelbar erklechliche
Summen zu sparen sind, liegt auf der
Hand. Herr Löbe, der im Rechtsausschuß
als Reichstagspräsident hierzu das Wort
ergriff, führte dies alles sehr eindringlich
aus. Aber es war offenbar, wie im Plenum
der Berichterstatter Dr. Beyerle von der
Bayerischen Volkspartei sagte, ein "heißes
Eisen", das er anrührte. Denn seine Aus-
führungen wurden zwar mit der seiner
[Spaltenumbruch] Stellung gebührenden Achtung angehört,
aber sie fanden doch nur soweit sie nicht
direkte Ablehnung erfuhren, eine sehr ver-
klausulierte Anerkennung, die nicht ein-
mal zu einer endgültigen Antragstellung in
ihrem Sinne führte. Man unterhielt
sich dabei auch über die Frage, welche Zahl
der Wahlberechtigten etwa für den einzel-
nen Abgeordneten zugrunde zu legen wäre,
ob man nicht überhaupt wieder zu einer fe-
sten Gesamtzahl zurückkehren sollte, und
ob das automatische Nachrücken der fest-
stehenden Kandidaten beim Fortfall eines
Vordermannes aufrechterhalten werden
solle. Schließlich schien alles wie das Horn-
berger Schießen auslaufen zu wollen. Dem
war jedoch nicht ganz so. Denn wenn auch
der Reichstag selbst davor zurückscheute, je-
nes heiße Eisen fest anzufassen, so sah sich
doch die Reichsregierung veranlaßt, im
Reichsrat zu erklären, daß sie eine Vorlage
wegen Verminderung der Abgeordneten-
zahl einbringen werde. Zugleich aber regte
sich die Erkenntnis von der Unhaltbarkeit
der gegenwärtigen Zustände in den Län-
dern. Nachdem bereits Braunschweig und
einige andere Länder vorangegangen wa-
ren, ergriff jetzt auch Bayern die Initiative,
[Spaltenumbruch] indem der Landtag einstimmig die Ver-
minderung der Mandate beschloß; und
Sachsen scheint zu folgen Uebrigens beschäf-
tigt sich auch die französische Deputierten-
kammer mit der gleichen Angelegenheit,
sodaß es beinahe den Anschein hat, als ob
die Hypertrophie der Parlamente und des
Parlamentarismus eine internationale Er-
scheinung ist.

So wünschenswert es nun auch erscheint,
diesem Mißstande abzuhelfen, so darf man
sich doch nicht verhehlen, daß es mit der
mechanischen Zahlverminderung nicht getan
ist. Auch hier berührt sich der Parlaments-
abbau mit dem Beamtenabbau, der eben-
falls nicht lediglich durch Entfernung einer
größeren Anzahl von Beamten, sondern nur
durch die Herstellung organischer und funk-
tioneller Veränderungen im Behördenauf-
bau möglich gemacht oder doch zu einer
wirklich befriedigenden Lösung gebracht
werden kann. Der Einwand, der dahin er-
hoben worden ist, daß eine Verringerung
der Zahl der Abgeordneten die Erledigung
der dem Hause obliegenden Arbeit gefähr-
den würde, ist nicht ganz unbegründet. Ihm
kann nur dadurch begegnet werden, daß
man die Zahl der Abgeordneten sondern

[Spaltenumbruch]
Vor der Veröffentlichung der
französischen Antwort
.
[Spaltenumbruch]

Sonderdienst der Allgem. Zeitung.


Einige aus Paris hier
vorliegende Nachrichten scheinen darauf hinzu-
deuten, daß die französische und belgische Re-
gierung im Gegensatz zu ihrer bisherigen Auf-
fassung in ihrer Antwortnote an
Deutschland
eine Ausdehnung des
bisherigen Kreise&sr; der Ruhr- und Rhein-
verhandlungen anregen werde.

Man scheint aber in Brüssel der Auffassung
zu sein, daß das gesamte Reparations-
problem nicht
in die Debatte gezogen wer-
den solle.

An amtlicher Berliner Stelle lag in den
Abendstunden noch keine Nachricht darüber
vor, daß die französische Antwort dem deutschen
Geschäftsträger überreicht sei. Man rechnet
aber damit, daß die Ueberreichung in den späten
Abendstunden in Paris stattfinde.

Die Uebermittelung des umfangreichen Schrift-
stückes, das etwa 15 Seiten umfaßt und in der
üblichen Weise chiffriert nach Berlin telegraphiert
wird, nimmt viel Zeit in Anspruch, so daß mit
der Veröffentlichung erst Samstag
mittags zu rechnen ist.

Auch die deutschen Vorschläge, die
dem Inhalt nach schon aus englischen Blättern
bekannt sind, werden dann veröffentlicht werden.

Die Tätigkeit der Kontroll-
kommission beendet.

In der Militär-Kon-
trollkommission scheint die belgisch-franzö-
sische Auffassung,
daß die Kontrolle nach
dem Versailler Vertrag sich nicht nur auf die
Rückführung des alten Reichsheeres auf ein
100 000 Mann-Heer beschränken, sondern sich
auch auf den dadurch geschaffenen Zustand er-
strecken soll, durchgedrungen zu sein.

Alle von der Militärkontrollkommission gestern
und heute kontrollierten Militärstellen sind im
Laufe der letzten Jahre bereits mehr-
mals kontrolliert
worden.

Mit den morgigen Untersuchungen der Kom-
mission in einigen größeren Städten wird der
Besuch in allen Wehrkreisen zunächst abge-
schlossen
sein.

Die Reichsregierung zu den
Vorgängen in der Pfalz.

Amtlich wird mitgeteilt:
Das Reichskabinett hat sich in der gestri-
gen Nachmittagssitzung der pfälzischen An-
gelegenheit
gewidmet.

[Spaltenumbruch]

Durch die Ermordung des Separatisten-
führers Heinz-Orbis ist die durch die sepa-
ratistischen Putsche und ihre Begünstigung durch
die Besatzungsbehörden geschaffene unhaltbare
Lage blitzartig beleuchtet worden. Seit Wochen
ist die wehrlose Bevölkerung auf Gnade und
Ungnade dem ungehemmten Terror einer
skrupellosen Bande ausgeliefert, die sich
als unbeschränkte Herrin im Lande aufführt.
Plünderungen, Freiheitsberaubungen und Ver-
brechen sind an der Tagesordnung.

Dieser Politik wird die Krone aufgesetzt, wenn
jetzt die verbrecherischen Taten dieser Banden,
die das Gegenteil von Recht und Gesetz sind, als
Verordnungen und Gesetze behandelt
und genau so wie die Gesetze des Reiches und
der Länder vom Bureau der Interalliierten
Rheinlandskommission registriert werden.

Die Reichsregierung hat hiergegen durch die
deutschen Vertretungen in Paris und Brüssel
schärfste Verwahrung einlegen lassen. Die
Reichsregierung sieht mit Stolz auf den bewun-
dernswerten Kampf, den die Bevölkerung auf
ihren gefährdeten Vorposten für Deutschlands
Einheit kämpft. Die Reichsregierung wird im
engsten Einvernehmen mit der bayerischen
Staatsregierung alles, was in ihren
Kräften liegt,
tun, damit nicht noch dem
Willen eines kleinen Haufens von Hochverrätern
der erdrückenden Mehrheit der Bevölkerung eine
Lostrennung aufgenötigt wird, die
ihr mit allen Fasern ihres Herzens widerstrebt.

Die Entente zur Pfalzfrage.

In hiesigen eingeweihten
Kreisen verlautet, daß bis zur Wiederaufnahme der
Besprechungen unter den alliierten Regierungen eine
Erwägung der Frage der bayrischen Pfalz ver-
tagt
werden soll.

Ueber diese Frage herrschen Meinungsverschieden-
heiten. Am 2. Januar entschied sich die Rheinlands-
kommission durch die Majorität der Stimmen der
französischen und belgischen Vertreter gegen die der
britischen Vertreter, verschiedene Erlasse der Separa-
tisten zu registrieren, die angeblich die autonome Re-
gierung der Pfalz bildeten.

Es heißt ferner, daß die belgischen Stimmen seiner-
zeit nur unter der besonderen Bedingung abgegeben
wurden, daß die Registrierung in keiner Form eine
Anerkennung der sogenannten Autonomen Regierung
darstelle, und es ist seither betont worden, daß die An-
erkennung automatisch zehn Tage nach der Registrie-
rung, also vom 12. Januar ab, zu erfolgen hätte.

Infolge des Aufschub&sr;, der jetzt von den Alli-
ierten verfügt worden ist, würde die Registrierung
selbstverständlich nicht am 12. Januar in Kraft treten
können.

Der französische Botschafter Graf Aulaire hat
sich gestern auf das Foreign Office begeben und mit
[Spaltenumbruch] Lord Curzon eine längere Unterredung in der Frage
der Rheinpfalz gehabt.

Curzon wünscht, an Ort und Stelle eine Untersu-
chung von einem britischen Vertreter vornehmen zu
lassen und gab zu verstehen, daß dieser Vertreter sehr
wohl der Generalkonsul in München sein
könnte. Man versichert ferner, daß der englische Außen-
minister beabsichtige, die ganze Angelegenheit dem Gen-
fer Völkerbund zur Begutachtung zu unterbreiten.

Die Lage in Athen.

Angesichts der feindseligen
Haltung der Liberalen und Konservativen Partei hat
der Abgeordnete Roussos auf die Bildung des Kabi-
netts verzichtet.

Man sieht voraus, daß der Regent Herrn Dang-
li&sr
; mit der Bildung eines lediglich aus Liberalen und
Konservativen bestehenden Ministeriums beauftragen
wird. Einem solchen Kabinett würde Venizelo&sr;
seine Unterstützung geben.

Die Kämpfe in Mexiko.

Die mexikanischen Bundes-
truppen haben gestern unter der Führung des Präsi-
denten Obregon ihren Vormarsch auf Veracruz,
das Hauptquartier der Huertisten, aufgenommen. Nach
einem Telegramm von Tambico haben die Bundes-
truppen
Huertolobus eingenommen und den wich-
tigen Knotenpunkt Paolo Blanco besetzt. Sie sind
nunmehr auf dem Vormarsch auf Tuxptam be-
griffen.

Ein neues Stadium der Rheinischen Gold-
notenbank.

Die Verhandlungen
über die Rheinische Goldnotenbank
sind in ein neues Stadium getreten, da die bel-
gische und die französische Regierung erklärt
haben, daß sie in einigen Punkten bereit seien,
der Reichsregierung entgegenzukommen.

Die Reichsregierung hat deraufhin eine neue
Formulierung
ihrer Bedingungen vorge-
nommen. Die Verhandlungen über die ganze
Frage sind erneut in Fluß gekommen.

Der Kampf um die Arbeitszeit.

Der Kampf um
die Arbeitszeit hat hier zu einer von den kommuni-
stischen Elementen geführten und von den freien Ge-
werkschaften gestützten Bewegung geführt, die heute
die Arbeitsniederlegung in einer großen
Zahl von Betrieben erzielte. Die Straßenbahn mußte
bereits den Betrieb einstellen.

Der Kampf in der Metallindustrie geht weiter und
scheint sich von Tag zu Tag zu verschärfen. In
der Industrie von Benrath-Reisholz und Hil-
den
ruhen sämtliche Betriebe. Auch in Düssel-
dorf
verschärft sich der Kampf und ein Uebergreifen
auf andere Bezirke steht bevor.

Hier haben sich die Leitungen des Metallarbeiter-
verbandes und der kommunistischen Betriebsräte ge-
einigt.




Allgemeine Zeitung
Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau
127. Jahrgang. Nr. 11
München, Samstag den 12. Januar 1924.
Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik:
Max Heilgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer.
Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v.
Prybram-Gladona. — Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. — Anzeigenteil: Joſef
Syiegel, ſämtl, in München. — Redaktion: München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk.
[Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige
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Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287.
Einzelpreis 10 Pfennig.



[Spaltenumbruch]
Parlamentsreform.

Das vom Reichstag in ſeiner letzten
Sitzung vor Weihnachten angenommene
Geſetz zur Aenderung des Reichs-
wahlgeſetzes,
dem inzwiſchen auch
der Reichsrat zugeſtimmt hat, enthält neben
einer Reihe von Einzelheiten zwei wich-
tigere Neuerungen, die erſt auf demokra-
tiſchen Antrag in den Entwurf eingefügt
wurden. Die eine betrifft die Einführung
von Dauerwählerliſten. Die Ver-
zeichniſſe der Wahlberechtigten werden nun-
mehr in Liſten oder in einer Wähler-
kartei
dauernd geführt und nicht erſt
unmittelbar vor der Wahl aufgeſtellt.
Darüber, daß auf dieſe Weiſe die Ueber-
bürdung der Behörden mit der plötzlichen
Ermittlung und Zuſammenſtellung der
Wahlberechtigten vermieden und zugleich
die Möglichkeit geſchaffen wird, die Friſten
für die Wahlen zu verkürzen, war man
ſich allſeits einig. Deshalb wurde auch
gegen dieſen Vorſchlag Widerſpruch nicht
erhoben.

Anders lag es bei dem Antrag auf Ein-
führung des amerikaniſchen Wahl-
zettel&ſr
;. Dieſe Einrichtung, die übrigens
aus Belgien ſtammt, beſteht darin, daß die
von den Landesregierungen für jeden Wahl-
kreis amtlich herzuſtellenden Stimmzettel
alle zugelaſſenen Kreiswahlvorſchläge unter
Angabe der Partei und Hinzufügung der
Namen je der erſten vier Bewerber ent-
halten. Die Stimmabgabe erfolgt dadurch,
daß der Wähler durch ein auf den Stimm-
zettel geſetztes Kreuz oder auf andere
Weiſe kenntlich macht, welchem der
mehreren Kreiswahlvorſchläge, die auf dem
einzigen Zettel vereinigt ſind, er die
Stimme geben will. Nach den günſtigen
Erfahrungen, die das Land Anhalt be-
reits im Jahre 1920 mit dieſer Methode
gemacht hat, hatte der Regierungsentwurf
ihre Einführung den Landesregierungen
fakultativ anheim geſtellt. Der Reichstag
hat ſie für das ganze Reichsgebiet obli-
gatoriſch gemacht
. Es liegt auf der
Hand, daß hierdurch große Erſparniſſe an
Papier, Druck, Verteilungs- und Verſen-
dungskoſten erzielt werden. Aber die
Deutſchnationalen und Kommuniſten er-
hoben Widerſpruch, erſtere mit der eigen-
artigen Begründung, daß man keine zu
großen Anforderungen an die Intelligenz
der Wähler ſtellen dürfe. Die Mehrheit
des Reichstags vermochte ſich indes dieſem
Bedenken nicht anzuſchließen.

Neben dem, was das Geſetz bringt, iſt
nun aber einiges bemerkenswert, was es
nicht bringt, obgleich entſprechende An-
träge vorlagen. Hierhin gehört einmal die
Einführung der Wahlpflicht für das
Reich und die Länder,
die von der
deutſchnationalen Volkspartei beantragt
war. Es berührt etwas merkwürdig, wenn
eine Partei, die ſoeben erſt ihre Zweifel an
der Intelligenz der Wähler zum Ausdruck
gebracht hatte, nunmehr verlangt, alle dieſe
Wähler auch noch zwangsweiſe zur
Ausübung eines Rechts anzuhalten, für das
ſie nach ihrer Anſicht vielfach nicht reif ſein
dürften. Der Antrag, der im Ausſchuß, wie
ſich der deutſchnationale Redner ausdrückte,
eine „recht ſchlechte und üble Behandlung“
erfahren hatte, erzielte im Plenum bei der
erſten Abſtimmung ſogar eine Mehrheit, die
ſich bei der zweiten allerdings wieder in
eine Minderheit verwandelte. Nun mag
man zu dem Gedanken der Wahlpflicht im
übrigen ſtehen wie man will: So viel iſt
ſicher, daß die Verfolgung der Wahl-
ſäumigen, die Prüfung ihrer Einwen-
dungen, die Herbeiführung gerichtlicher
Entſcheidungen und die Vollſtreckung der

[Spaltenumbruch]

verhängten Strafen ein ganzes Heer neuer
Beamten nötig machen würde. Mit dem
Beamtenabbau, wie er jetzt auf der Tages-
ordnung ſteht, wäre das kaum vereinbar.

Dagegen berührt ſich ſehr nahe mit dem
Beamtenabbau die Anregung einer Ver-
minderung der Zahl der Abge-
ordneten
. Denn unwillkürlich drängt
ſich die Frage auf, warum, wo alles abbaut,
das Parlament allein geſchont werden ſoll,
zumal wenn man ſich vergegenwärtigt, daß
Deutſchland neben 459 Reichstagsabge-
ordneten noch etwa 1500 Landtagsabge-
ordnete beſitzt, und daß der Reichstag vor
dem Jahre 1918, alſo in dem alten Um-
fange das Reich nur 397 Abgeordnete hatte.
Daß dabei an Diäten, Freifahrtkoſten,
Druckſachen, Räumen und allerlei anderen
Aufwendungen unmittelbar erklechliche
Summen zu ſparen ſind, liegt auf der
Hand. Herr Löbe, der im Rechtsausſchuß
als Reichstagspräſident hierzu das Wort
ergriff, führte dies alles ſehr eindringlich
aus. Aber es war offenbar, wie im Plenum
der Berichterſtatter Dr. Beyerle von der
Bayeriſchen Volkspartei ſagte, ein „heißes
Eiſen“, das er anrührte. Denn ſeine Aus-
führungen wurden zwar mit der ſeiner
[Spaltenumbruch] Stellung gebührenden Achtung angehört,
aber ſie fanden doch nur ſoweit ſie nicht
direkte Ablehnung erfuhren, eine ſehr ver-
klauſulierte Anerkennung, die nicht ein-
mal zu einer endgültigen Antragſtellung in
ihrem Sinne führte. Man unterhielt
ſich dabei auch über die Frage, welche Zahl
der Wahlberechtigten etwa für den einzel-
nen Abgeordneten zugrunde zu legen wäre,
ob man nicht überhaupt wieder zu einer fe-
ſten Geſamtzahl zurückkehren ſollte, und
ob das automatiſche Nachrücken der feſt-
ſtehenden Kandidaten beim Fortfall eines
Vordermannes aufrechterhalten werden
ſolle. Schließlich ſchien alles wie das Horn-
berger Schießen auslaufen zu wollen. Dem
war jedoch nicht ganz ſo. Denn wenn auch
der Reichstag ſelbſt davor zurückſcheute, je-
nes heiße Eiſen feſt anzufaſſen, ſo ſah ſich
doch die Reichsregierung veranlaßt, im
Reichsrat zu erklären, daß ſie eine Vorlage
wegen Verminderung der Abgeordneten-
zahl einbringen werde. Zugleich aber regte
ſich die Erkenntnis von der Unhaltbarkeit
der gegenwärtigen Zuſtände in den Län-
dern. Nachdem bereits Braunſchweig und
einige andere Länder vorangegangen wa-
ren, ergriff jetzt auch Bayern die Initiative,
[Spaltenumbruch] indem der Landtag einſtimmig die Ver-
minderung der Mandate beſchloß; und
Sachſen ſcheint zu folgen Uebrigens beſchäf-
tigt ſich auch die franzöſiſche Deputierten-
kammer mit der gleichen Angelegenheit,
ſodaß es beinahe den Anſchein hat, als ob
die Hypertrophie der Parlamente und des
Parlamentarismus eine internationale Er-
ſcheinung iſt.

So wünſchenswert es nun auch erſcheint,
dieſem Mißſtande abzuhelfen, ſo darf man
ſich doch nicht verhehlen, daß es mit der
mechaniſchen Zahlverminderung nicht getan
iſt. Auch hier berührt ſich der Parlaments-
abbau mit dem Beamtenabbau, der eben-
falls nicht lediglich durch Entfernung einer
größeren Anzahl von Beamten, ſondern nur
durch die Herſtellung organiſcher und funk-
tioneller Veränderungen im Behördenauf-
bau möglich gemacht oder doch zu einer
wirklich befriedigenden Löſung gebracht
werden kann. Der Einwand, der dahin er-
hoben worden iſt, daß eine Verringerung
der Zahl der Abgeordneten die Erledigung
der dem Hauſe obliegenden Arbeit gefähr-
den würde, iſt nicht ganz unbegründet. Ihm
kann nur dadurch begegnet werden, daß
man die Zahl der Abgeordneten ſondern

[Spaltenumbruch]
Vor der Veröffentlichung der
franzöſiſchen Antwort
.
[Spaltenumbruch]

Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.


Einige aus Paris hier
vorliegende Nachrichten ſcheinen darauf hinzu-
deuten, daß die franzöſiſche und belgiſche Re-
gierung im Gegenſatz zu ihrer bisherigen Auf-
faſſung in ihrer Antwortnote an
Deutſchland
eine Ausdehnung des
bisherigen Kreiſe&ſr; der Ruhr- und Rhein-
verhandlungen anregen werde.

Man ſcheint aber in Brüſſel der Auffaſſung
zu ſein, daß das geſamte Reparations-
problem nicht
in die Debatte gezogen wer-
den ſolle.

An amtlicher Berliner Stelle lag in den
Abendſtunden noch keine Nachricht darüber
vor, daß die franzöſiſche Antwort dem deutſchen
Geſchäftsträger überreicht ſei. Man rechnet
aber damit, daß die Ueberreichung in den ſpäten
Abendſtunden in Paris ſtattfinde.

Die Uebermittelung des umfangreichen Schrift-
ſtückes, das etwa 15 Seiten umfaßt und in der
üblichen Weiſe chiffriert nach Berlin telegraphiert
wird, nimmt viel Zeit in Anſpruch, ſo daß mit
der Veröffentlichung erſt Samstag
mittags zu rechnen iſt.

Auch die deutſchen Vorſchläge, die
dem Inhalt nach ſchon aus engliſchen Blättern
bekannt ſind, werden dann veröffentlicht werden.

Die Tätigkeit der Kontroll-
kommiſſion beendet.

In der Militär-Kon-
trollkommiſſion ſcheint die belgiſch-franzö-
ſiſche Auffaſſung,
daß die Kontrolle nach
dem Verſailler Vertrag ſich nicht nur auf die
Rückführung des alten Reichsheeres auf ein
100 000 Mann-Heer beſchränken, ſondern ſich
auch auf den dadurch geſchaffenen Zuſtand er-
ſtrecken ſoll, durchgedrungen zu ſein.

Alle von der Militärkontrollkommiſſion geſtern
und heute kontrollierten Militärſtellen ſind im
Laufe der letzten Jahre bereits mehr-
mals kontrolliert
worden.

Mit den morgigen Unterſuchungen der Kom-
miſſion in einigen größeren Städten wird der
Beſuch in allen Wehrkreiſen zunächſt abge-
ſchloſſen
ſein.

Die Reichsregierung zu den
Vorgängen in der Pfalz.

Amtlich wird mitgeteilt:
Das Reichskabinett hat ſich in der geſtri-
gen Nachmittagsſitzung der pfälziſchen An-
gelegenheit
gewidmet.

[Spaltenumbruch]

Durch die Ermordung des Separatiſten-
führers Heinz-Orbis iſt die durch die ſepa-
ratiſtiſchen Putſche und ihre Begünſtigung durch
die Beſatzungsbehörden geſchaffene unhaltbare
Lage blitzartig beleuchtet worden. Seit Wochen
iſt die wehrloſe Bevölkerung auf Gnade und
Ungnade dem ungehemmten Terror einer
ſkrupelloſen Bande ausgeliefert, die ſich
als unbeſchränkte Herrin im Lande aufführt.
Plünderungen, Freiheitsberaubungen und Ver-
brechen ſind an der Tagesordnung.

Dieſer Politik wird die Krone aufgeſetzt, wenn
jetzt die verbrecheriſchen Taten dieſer Banden,
die das Gegenteil von Recht und Geſetz ſind, als
Verordnungen und Geſetze behandelt
und genau ſo wie die Geſetze des Reiches und
der Länder vom Bureau der Interalliierten
Rheinlandskommiſſion regiſtriert werden.

Die Reichsregierung hat hiergegen durch die
deutſchen Vertretungen in Paris und Brüſſel
ſchärfſte Verwahrung einlegen laſſen. Die
Reichsregierung ſieht mit Stolz auf den bewun-
dernswerten Kampf, den die Bevölkerung auf
ihren gefährdeten Vorpoſten für Deutſchlands
Einheit kämpft. Die Reichsregierung wird im
engſten Einvernehmen mit der bayeriſchen
Staatsregierung alles, was in ihren
Kräften liegt,
tun, damit nicht noch dem
Willen eines kleinen Haufens von Hochverrätern
der erdrückenden Mehrheit der Bevölkerung eine
Lostrennung aufgenötigt wird, die
ihr mit allen Faſern ihres Herzens widerſtrebt.

Die Entente zur Pfalzfrage.

In hieſigen eingeweihten
Kreiſen verlautet, daß bis zur Wiederaufnahme der
Beſprechungen unter den alliierten Regierungen eine
Erwägung der Frage der bayriſchen Pfalz ver-
tagt
werden ſoll.

Ueber dieſe Frage herrſchen Meinungsverſchieden-
heiten. Am 2. Januar entſchied ſich die Rheinlands-
kommiſſion durch die Majorität der Stimmen der
franzöſiſchen und belgiſchen Vertreter gegen die der
britiſchen Vertreter, verſchiedene Erlaſſe der Separa-
tiſten zu regiſtrieren, die angeblich die autonome Re-
gierung der Pfalz bildeten.

Es heißt ferner, daß die belgiſchen Stimmen ſeiner-
zeit nur unter der beſonderen Bedingung abgegeben
wurden, daß die Regiſtrierung in keiner Form eine
Anerkennung der ſogenannten Autonomen Regierung
darſtelle, und es iſt ſeither betont worden, daß die An-
erkennung automatiſch zehn Tage nach der Regiſtrie-
rung, alſo vom 12. Januar ab, zu erfolgen hätte.

Infolge des Aufſchub&ſr;, der jetzt von den Alli-
ierten verfügt worden iſt, würde die Regiſtrierung
ſelbſtverſtändlich nicht am 12. Januar in Kraft treten
können.

Der franzöſiſche Botſchafter Graf Aulaire hat
ſich geſtern auf das Foreign Office begeben und mit
[Spaltenumbruch] Lord Curzon eine längere Unterredung in der Frage
der Rheinpfalz gehabt.

Curzon wünſcht, an Ort und Stelle eine Unterſu-
chung von einem britiſchen Vertreter vornehmen zu
laſſen und gab zu verſtehen, daß dieſer Vertreter ſehr
wohl der Generalkonſul in München ſein
könnte. Man verſichert ferner, daß der engliſche Außen-
miniſter beabſichtige, die ganze Angelegenheit dem Gen-
fer Völkerbund zur Begutachtung zu unterbreiten.

Die Lage in Athen.

Angeſichts der feindſeligen
Haltung der Liberalen und Konſervativen Partei hat
der Abgeordnete Rouſſos auf die Bildung des Kabi-
netts verzichtet.

Man ſieht voraus, daß der Regent Herrn Dang-
li&ſr
; mit der Bildung eines lediglich aus Liberalen und
Konſervativen beſtehenden Miniſteriums beauftragen
wird. Einem ſolchen Kabinett würde Venizelo&ſr;
ſeine Unterſtützung geben.

Die Kämpfe in Mexiko.

Die mexikaniſchen Bundes-
truppen haben geſtern unter der Führung des Präſi-
denten Obregon ihren Vormarſch auf Veracruz,
das Hauptquartier der Huertiſten, aufgenommen. Nach
einem Telegramm von Tambico haben die Bundes-
truppen
Huertolobus eingenommen und den wich-
tigen Knotenpunkt Paolo Blanco beſetzt. Sie ſind
nunmehr auf dem Vormarſch auf Tuxptam be-
griffen.

Ein neues Stadium der Rheiniſchen Gold-
notenbank.

Die Verhandlungen
über die Rheiniſche Goldnotenbank
ſind in ein neues Stadium getreten, da die bel-
giſche und die franzöſiſche Regierung erklärt
haben, daß ſie in einigen Punkten bereit ſeien,
der Reichsregierung entgegenzukommen.

Die Reichsregierung hat deraufhin eine neue
Formulierung
ihrer Bedingungen vorge-
nommen. Die Verhandlungen über die ganze
Frage ſind erneut in Fluß gekommen.

Der Kampf um die Arbeitszeit.

Der Kampf um
die Arbeitszeit hat hier zu einer von den kommuni-
ſtiſchen Elementen geführten und von den freien Ge-
werkſchaften geſtützten Bewegung geführt, die heute
die Arbeitsniederlegung in einer großen
Zahl von Betrieben erzielte. Die Straßenbahn mußte
bereits den Betrieb einſtellen.

Der Kampf in der Metallinduſtrie geht weiter und
ſcheint ſich von Tag zu Tag zu verſchärfen. In
der Induſtrie von Benrath-Reisholz und Hil-
den
ruhen ſämtliche Betriebe. Auch in Düſſel-
dorf
verſchärft ſich der Kampf und ein Uebergreifen
auf andere Bezirke ſteht bevor.

Hier haben ſich die Leitungen des Metallarbeiter-
verbandes und der kommuniſtiſchen Betriebsräte ge-
einigt.



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          <docDate> <hi rendition="#b"> Samstag den 12. Januar 1924.</hi> </docDate>
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[0001] Allgemeine Zeitung Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau127. Jahrgang. Nr. 11 München, Samstag den 12. Januar 1924. Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik: Max Heilgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer. — Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v. Prybram-Gladona. — Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. — Anzeigenteil: Joſef Syiegel, ſämtl, in München. — Redaktion: München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk. [Abbildung] Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be- zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige Millimeterzelle im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10. Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170. Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München, Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287. Einzelpreis 10 Pfennig. Parlamentsreform. Von Eugen Schiffer, Reichsminiſter a. D. Das vom Reichstag in ſeiner letzten Sitzung vor Weihnachten angenommene Geſetz zur Aenderung des Reichs- wahlgeſetzes, dem inzwiſchen auch der Reichsrat zugeſtimmt hat, enthält neben einer Reihe von Einzelheiten zwei wich- tigere Neuerungen, die erſt auf demokra- tiſchen Antrag in den Entwurf eingefügt wurden. Die eine betrifft die Einführung von Dauerwählerliſten. Die Ver- zeichniſſe der Wahlberechtigten werden nun- mehr in Liſten oder in einer Wähler- kartei dauernd geführt und nicht erſt unmittelbar vor der Wahl aufgeſtellt. Darüber, daß auf dieſe Weiſe die Ueber- bürdung der Behörden mit der plötzlichen Ermittlung und Zuſammenſtellung der Wahlberechtigten vermieden und zugleich die Möglichkeit geſchaffen wird, die Friſten für die Wahlen zu verkürzen, war man ſich allſeits einig. Deshalb wurde auch gegen dieſen Vorſchlag Widerſpruch nicht erhoben. Anders lag es bei dem Antrag auf Ein- führung des amerikaniſchen Wahl- zettel&ſr;. Dieſe Einrichtung, die übrigens aus Belgien ſtammt, beſteht darin, daß die von den Landesregierungen für jeden Wahl- kreis amtlich herzuſtellenden Stimmzettel alle zugelaſſenen Kreiswahlvorſchläge unter Angabe der Partei und Hinzufügung der Namen je der erſten vier Bewerber ent- halten. Die Stimmabgabe erfolgt dadurch, daß der Wähler durch ein auf den Stimm- zettel geſetztes Kreuz oder auf andere Weiſe kenntlich macht, welchem der mehreren Kreiswahlvorſchläge, die auf dem einzigen Zettel vereinigt ſind, er die Stimme geben will. Nach den günſtigen Erfahrungen, die das Land Anhalt be- reits im Jahre 1920 mit dieſer Methode gemacht hat, hatte der Regierungsentwurf ihre Einführung den Landesregierungen fakultativ anheim geſtellt. Der Reichstag hat ſie für das ganze Reichsgebiet obli- gatoriſch gemacht. Es liegt auf der Hand, daß hierdurch große Erſparniſſe an Papier, Druck, Verteilungs- und Verſen- dungskoſten erzielt werden. Aber die Deutſchnationalen und Kommuniſten er- hoben Widerſpruch, erſtere mit der eigen- artigen Begründung, daß man keine zu großen Anforderungen an die Intelligenz der Wähler ſtellen dürfe. Die Mehrheit des Reichstags vermochte ſich indes dieſem Bedenken nicht anzuſchließen. Neben dem, was das Geſetz bringt, iſt nun aber einiges bemerkenswert, was es nicht bringt, obgleich entſprechende An- träge vorlagen. Hierhin gehört einmal die Einführung der Wahlpflicht für das Reich und die Länder, die von der deutſchnationalen Volkspartei beantragt war. Es berührt etwas merkwürdig, wenn eine Partei, die ſoeben erſt ihre Zweifel an der Intelligenz der Wähler zum Ausdruck gebracht hatte, nunmehr verlangt, alle dieſe Wähler auch noch zwangsweiſe zur Ausübung eines Rechts anzuhalten, für das ſie nach ihrer Anſicht vielfach nicht reif ſein dürften. Der Antrag, der im Ausſchuß, wie ſich der deutſchnationale Redner ausdrückte, eine „recht ſchlechte und üble Behandlung“ erfahren hatte, erzielte im Plenum bei der erſten Abſtimmung ſogar eine Mehrheit, die ſich bei der zweiten allerdings wieder in eine Minderheit verwandelte. Nun mag man zu dem Gedanken der Wahlpflicht im übrigen ſtehen wie man will: So viel iſt ſicher, daß die Verfolgung der Wahl- ſäumigen, die Prüfung ihrer Einwen- dungen, die Herbeiführung gerichtlicher Entſcheidungen und die Vollſtreckung der verhängten Strafen ein ganzes Heer neuer Beamten nötig machen würde. Mit dem Beamtenabbau, wie er jetzt auf der Tages- ordnung ſteht, wäre das kaum vereinbar. Dagegen berührt ſich ſehr nahe mit dem Beamtenabbau die Anregung einer Ver- minderung der Zahl der Abge- ordneten. Denn unwillkürlich drängt ſich die Frage auf, warum, wo alles abbaut, das Parlament allein geſchont werden ſoll, zumal wenn man ſich vergegenwärtigt, daß Deutſchland neben 459 Reichstagsabge- ordneten noch etwa 1500 Landtagsabge- ordnete beſitzt, und daß der Reichstag vor dem Jahre 1918, alſo in dem alten Um- fange das Reich nur 397 Abgeordnete hatte. Daß dabei an Diäten, Freifahrtkoſten, Druckſachen, Räumen und allerlei anderen Aufwendungen unmittelbar erklechliche Summen zu ſparen ſind, liegt auf der Hand. Herr Löbe, der im Rechtsausſchuß als Reichstagspräſident hierzu das Wort ergriff, führte dies alles ſehr eindringlich aus. Aber es war offenbar, wie im Plenum der Berichterſtatter Dr. Beyerle von der Bayeriſchen Volkspartei ſagte, ein „heißes Eiſen“, das er anrührte. Denn ſeine Aus- führungen wurden zwar mit der ſeiner Stellung gebührenden Achtung angehört, aber ſie fanden doch nur ſoweit ſie nicht direkte Ablehnung erfuhren, eine ſehr ver- klauſulierte Anerkennung, die nicht ein- mal zu einer endgültigen Antragſtellung in ihrem Sinne führte. Man unterhielt ſich dabei auch über die Frage, welche Zahl der Wahlberechtigten etwa für den einzel- nen Abgeordneten zugrunde zu legen wäre, ob man nicht überhaupt wieder zu einer fe- ſten Geſamtzahl zurückkehren ſollte, und ob das automatiſche Nachrücken der feſt- ſtehenden Kandidaten beim Fortfall eines Vordermannes aufrechterhalten werden ſolle. Schließlich ſchien alles wie das Horn- berger Schießen auslaufen zu wollen. Dem war jedoch nicht ganz ſo. Denn wenn auch der Reichstag ſelbſt davor zurückſcheute, je- nes heiße Eiſen feſt anzufaſſen, ſo ſah ſich doch die Reichsregierung veranlaßt, im Reichsrat zu erklären, daß ſie eine Vorlage wegen Verminderung der Abgeordneten- zahl einbringen werde. Zugleich aber regte ſich die Erkenntnis von der Unhaltbarkeit der gegenwärtigen Zuſtände in den Län- dern. Nachdem bereits Braunſchweig und einige andere Länder vorangegangen wa- ren, ergriff jetzt auch Bayern die Initiative, indem der Landtag einſtimmig die Ver- minderung der Mandate beſchloß; und Sachſen ſcheint zu folgen Uebrigens beſchäf- tigt ſich auch die franzöſiſche Deputierten- kammer mit der gleichen Angelegenheit, ſodaß es beinahe den Anſchein hat, als ob die Hypertrophie der Parlamente und des Parlamentarismus eine internationale Er- ſcheinung iſt. So wünſchenswert es nun auch erſcheint, dieſem Mißſtande abzuhelfen, ſo darf man ſich doch nicht verhehlen, daß es mit der mechaniſchen Zahlverminderung nicht getan iſt. Auch hier berührt ſich der Parlaments- abbau mit dem Beamtenabbau, der eben- falls nicht lediglich durch Entfernung einer größeren Anzahl von Beamten, ſondern nur durch die Herſtellung organiſcher und funk- tioneller Veränderungen im Behördenauf- bau möglich gemacht oder doch zu einer wirklich befriedigenden Löſung gebracht werden kann. Der Einwand, der dahin er- hoben worden iſt, daß eine Verringerung der Zahl der Abgeordneten die Erledigung der dem Hauſe obliegenden Arbeit gefähr- den würde, iſt nicht ganz unbegründet. Ihm kann nur dadurch begegnet werden, daß man die Zahl der Abgeordneten ſondern Vor der Veröffentlichung der franzöſiſchen Antwort. Sonderdienſt der Allgem. Zeitung. * Berlin, 11. Jan. Einige aus Paris hier vorliegende Nachrichten ſcheinen darauf hinzu- deuten, daß die franzöſiſche und belgiſche Re- gierung im Gegenſatz zu ihrer bisherigen Auf- faſſung in ihrer Antwortnote an Deutſchland eine Ausdehnung des bisherigen Kreiſe&ſr; der Ruhr- und Rhein- verhandlungen anregen werde. Man ſcheint aber in Brüſſel der Auffaſſung zu ſein, daß das geſamte Reparations- problem nicht in die Debatte gezogen wer- den ſolle. An amtlicher Berliner Stelle lag in den Abendſtunden noch keine Nachricht darüber vor, daß die franzöſiſche Antwort dem deutſchen Geſchäftsträger überreicht ſei. Man rechnet aber damit, daß die Ueberreichung in den ſpäten Abendſtunden in Paris ſtattfinde. Die Uebermittelung des umfangreichen Schrift- ſtückes, das etwa 15 Seiten umfaßt und in der üblichen Weiſe chiffriert nach Berlin telegraphiert wird, nimmt viel Zeit in Anſpruch, ſo daß mit der Veröffentlichung erſt Samstag mittags zu rechnen iſt. Auch die deutſchen Vorſchläge, die dem Inhalt nach ſchon aus engliſchen Blättern bekannt ſind, werden dann veröffentlicht werden. Die Tätigkeit der Kontroll- kommiſſion beendet. * Berlin, 11. Jan. In der Militär-Kon- trollkommiſſion ſcheint die belgiſch-franzö- ſiſche Auffaſſung, daß die Kontrolle nach dem Verſailler Vertrag ſich nicht nur auf die Rückführung des alten Reichsheeres auf ein 100 000 Mann-Heer beſchränken, ſondern ſich auch auf den dadurch geſchaffenen Zuſtand er- ſtrecken ſoll, durchgedrungen zu ſein. Alle von der Militärkontrollkommiſſion geſtern und heute kontrollierten Militärſtellen ſind im Laufe der letzten Jahre bereits mehr- mals kontrolliert worden. Mit den morgigen Unterſuchungen der Kom- miſſion in einigen größeren Städten wird der Beſuch in allen Wehrkreiſen zunächſt abge- ſchloſſen ſein. Die Reichsregierung zu den Vorgängen in der Pfalz. Berlin, 11. Jan. Amtlich wird mitgeteilt: Das Reichskabinett hat ſich in der geſtri- gen Nachmittagsſitzung der pfälziſchen An- gelegenheit gewidmet. Durch die Ermordung des Separatiſten- führers Heinz-Orbis iſt die durch die ſepa- ratiſtiſchen Putſche und ihre Begünſtigung durch die Beſatzungsbehörden geſchaffene unhaltbare Lage blitzartig beleuchtet worden. Seit Wochen iſt die wehrloſe Bevölkerung auf Gnade und Ungnade dem ungehemmten Terror einer ſkrupelloſen Bande ausgeliefert, die ſich als unbeſchränkte Herrin im Lande aufführt. Plünderungen, Freiheitsberaubungen und Ver- brechen ſind an der Tagesordnung. Dieſer Politik wird die Krone aufgeſetzt, wenn jetzt die verbrecheriſchen Taten dieſer Banden, die das Gegenteil von Recht und Geſetz ſind, als Verordnungen und Geſetze behandelt und genau ſo wie die Geſetze des Reiches und der Länder vom Bureau der Interalliierten Rheinlandskommiſſion regiſtriert werden. Die Reichsregierung hat hiergegen durch die deutſchen Vertretungen in Paris und Brüſſel ſchärfſte Verwahrung einlegen laſſen. Die Reichsregierung ſieht mit Stolz auf den bewun- dernswerten Kampf, den die Bevölkerung auf ihren gefährdeten Vorpoſten für Deutſchlands Einheit kämpft. Die Reichsregierung wird im engſten Einvernehmen mit der bayeriſchen Staatsregierung alles, was in ihren Kräften liegt, tun, damit nicht noch dem Willen eines kleinen Haufens von Hochverrätern der erdrückenden Mehrheit der Bevölkerung eine Lostrennung aufgenötigt wird, die ihr mit allen Faſern ihres Herzens widerſtrebt. Die Entente zur Pfalzfrage. London, 11. Januar. In hieſigen eingeweihten Kreiſen verlautet, daß bis zur Wiederaufnahme der Beſprechungen unter den alliierten Regierungen eine Erwägung der Frage der bayriſchen Pfalz ver- tagt werden ſoll. Ueber dieſe Frage herrſchen Meinungsverſchieden- heiten. Am 2. Januar entſchied ſich die Rheinlands- kommiſſion durch die Majorität der Stimmen der franzöſiſchen und belgiſchen Vertreter gegen die der britiſchen Vertreter, verſchiedene Erlaſſe der Separa- tiſten zu regiſtrieren, die angeblich die autonome Re- gierung der Pfalz bildeten. Es heißt ferner, daß die belgiſchen Stimmen ſeiner- zeit nur unter der beſonderen Bedingung abgegeben wurden, daß die Regiſtrierung in keiner Form eine Anerkennung der ſogenannten Autonomen Regierung darſtelle, und es iſt ſeither betont worden, daß die An- erkennung automatiſch zehn Tage nach der Regiſtrie- rung, alſo vom 12. Januar ab, zu erfolgen hätte. Infolge des Aufſchub&ſr;, der jetzt von den Alli- ierten verfügt worden iſt, würde die Regiſtrierung ſelbſtverſtändlich nicht am 12. Januar in Kraft treten können. Der franzöſiſche Botſchafter Graf Aulaire hat ſich geſtern auf das Foreign Office begeben und mit Lord Curzon eine längere Unterredung in der Frage der Rheinpfalz gehabt. Curzon wünſcht, an Ort und Stelle eine Unterſu- chung von einem britiſchen Vertreter vornehmen zu laſſen und gab zu verſtehen, daß dieſer Vertreter ſehr wohl der Generalkonſul in München ſein könnte. Man verſichert ferner, daß der engliſche Außen- miniſter beabſichtige, die ganze Angelegenheit dem Gen- fer Völkerbund zur Begutachtung zu unterbreiten. Die Lage in Athen. Athen, 11. Januar. Angeſichts der feindſeligen Haltung der Liberalen und Konſervativen Partei hat der Abgeordnete Rouſſos auf die Bildung des Kabi- netts verzichtet. Man ſieht voraus, daß der Regent Herrn Dang- li&ſr; mit der Bildung eines lediglich aus Liberalen und Konſervativen beſtehenden Miniſteriums beauftragen wird. Einem ſolchen Kabinett würde Venizelo&ſr; ſeine Unterſtützung geben. Die Kämpfe in Mexiko. Newyork, 11. Januar. Die mexikaniſchen Bundes- truppen haben geſtern unter der Führung des Präſi- denten Obregon ihren Vormarſch auf Veracruz, das Hauptquartier der Huertiſten, aufgenommen. Nach einem Telegramm von Tambico haben die Bundes- truppen Huertolobus eingenommen und den wich- tigen Knotenpunkt Paolo Blanco beſetzt. Sie ſind nunmehr auf dem Vormarſch auf Tuxptam be- griffen. Ein neues Stadium der Rheiniſchen Gold- notenbank. * Berlin, 11. Januar. Die Verhandlungen über die Rheiniſche Goldnotenbank ſind in ein neues Stadium getreten, da die bel- giſche und die franzöſiſche Regierung erklärt haben, daß ſie in einigen Punkten bereit ſeien, der Reichsregierung entgegenzukommen. Die Reichsregierung hat deraufhin eine neue Formulierung ihrer Bedingungen vorge- nommen. Die Verhandlungen über die ganze Frage ſind erneut in Fluß gekommen. Der Kampf um die Arbeitszeit. München-Gladbach, 11. Januar. Der Kampf um die Arbeitszeit hat hier zu einer von den kommuni- ſtiſchen Elementen geführten und von den freien Ge- werkſchaften geſtützten Bewegung geführt, die heute die Arbeitsniederlegung in einer großen Zahl von Betrieben erzielte. Die Straßenbahn mußte bereits den Betrieb einſtellen. Der Kampf in der Metallinduſtrie geht weiter und ſcheint ſich von Tag zu Tag zu verſchärfen. In der Induſtrie von Benrath-Reisholz und Hil- den ruhen ſämtliche Betriebe. Auch in Düſſel- dorf verſchärft ſich der Kampf und ein Uebergreifen auf andere Bezirke ſteht bevor. Hier haben ſich die Leitungen des Metallarbeiter- verbandes und der kommuniſtiſchen Betriebsräte ge- einigt.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 11, 12. Januar 1924, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine11_1924/1>, abgerufen am 16.05.2024.