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Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 12. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] würde als ein wahrer Hirt die ihm anvertraute Heerde führen und vertheidigen,
und sich mit dem König von Italien versöhnen.

Was uns vielleicht in diesen Gedanken und Vorschlägen als überschwäng-
lich und unpraktisch berühren könnte, mögen wir der Phantasie des Südländers
und dem einsamen von der Welt abgeschnittenen Lebensgange des Mönchs und
Verfolgten zu gute halten. Aber ein Mann von solch tiefreligiöser Gesinnung und
solch sittenreinem Wandel, wie Fra Andrea, welcher in der Liebe zur Kirche und zur
Menschheit selbstlos geworden, alle Leiden und Kämpfe muthig auf sich nahm und
in der freudenlosen Einsamkeit seiner Seele ungebrochen duldete und stritt, dem
unter so vielen Enttäuschungen der Glaube an den Sieg der Wahrheit und des
Rechts nicht entrissen werden konnte, ist eine Natur aus dem Stoffe der Helden der
kirchlichen Reformationen. Sein Glaube wird ihn nicht betrügen, und das Opfer
seines Lebens wird nicht vergeblich gebracht sein!



Aus München.

Der Bildhauer Anton Heß hat die kolossalen
Statuen (in Kelheimer Kalkstein) vollendet, welche nächster Tage unser neues
Rathhaus zieren werden. Sie stellen die vier Bürgertugenden in selbstredenden
äußerst gelungen charakterisirten Gestalten dar. Zuerst der Gewerbfleiß, eine
prächtige dralle Jünglingsgestalt, in welcher die freudige volle Zuversicht des
Lebens pulsirt; mit dem Hammer in der sehnigen Faust repräsentirt der Geselle
die ewig junge Kraft, welche einen soliden Bürgerstand zu gründen strebt. Der
Jüngling unternimmt den Aufbau des Hauses, worauf das Winkelmaß und die
als Stütze benützten Bausteine hindeuten; er bildet die Basis aller Bürgertugenden,
auf welcher der häusliche Herd aufgebaut wird. Heß zeigt in liebevollster Ausfüh-
rung die Häuslichkeit als die sorgsame Mutter mit dem Kindlein auf dem Arm;
Spinnrocken und Spindel weisen auf die waltende Hausfrau, die zugleich Repräsen-
tantin der Treue, der Erziehung und des Bürgerreichthums ist. Der Schutz des
Hauses bleibt dem Vater anvertraut, welcher als Bürgermuth vorgeführt ist, eine
ganz ausgezeichnete Gestalt; kein Ritter und kein Landsknecht, sondern in bürger-
licher Waffenkleidung, in defensiver Stellung, auf einer Mauerzinne stehend, einen
mittelalterlichen Leibprotector in der entschlossenen Faust, stützt er sich auf den mit
dem Münchener Wappenbilde gezierten Schild, und späht, bereit zur Abwehr, der
Gefahr entgegen. Diese ruhig, klar und fest blickende Entschlossenheit, die unter
dem breiten Eisenhut so sicher ausschaut, bereit sein gutes Recht und das Heilig-
thum des Hauses zu vertheidigen, ist meisterhaft in der ganzen Figur ausgesprochen.
Dazu gesellt sich eine liebreizende Jungfrau, die Mildthätigkeit, welche einem armen
Kinde Brod spendet und so zugleich Repräsentantin der Religion und Armenpflege
ist. Die Figuren sind so edel und groß wie die Ausführung tüchtig und verstän-
dig, ebenso entfernt von jeder idealen Phraseologie wie von grasser Realistik, ein
wahres Kunstwerk und eine echte Zier dieses Baues, der bei fortschreitender Aus-
führung immer mehr Freunde gewinnt. Selbst unser sel. Ludwig Lange, welcher
für einen reichen Renaissance-Bau schwärmte, würde jetzt dem Meister Hauberrisser
versöhnt die Hand reichen!

Nachträglich haben wir noch den Tod des Historienmalers Karl Friedrich
Fries zu melden. Im National-Museum ist er mit einem Frescobild (Bayern
erhält die Kurwürde 1623) vertreten. Als Künstler geschätzt, in höchst angenehmen,
mehr als behäbigen Verhältnissen lebend, floh derselbe, wie man sagt, um uner-
träglich gewordenen Familienereignissen zu entgehen, nach St. Gallen, wo er am
22 Spt. in Folge der erlebten Gemüthserschütterung am gebrochenen Herzen starb.
Sein unglückliches Ende klingt wie der romanhafte Schluß einer Tragödie.

In den jüngsten Tagen hat sich ein neuer "Verein für Kunst- und
Culturgeschichte" constituirt, in welchem sich die wissenschaftlichen Kräfte der
in gelinde Anarchie gerathenen frühern Alterthums-Vereine neu zusammenfanden.
Der Verein stellt sich "die Aufgabe das Interesse für die Denkmäler der Kunst und
des Kunsthandwerks in ihrer künstlerischen und culturhistorischen Bedeutung für
Vergangenheit und Gegenwart zu beleben und zu fördern." Dazu wird in den
regelmäßigen Sitzungen immer ein Vortrag gehalten, "welcher die Aufgabe hat
in einer dem allgemeinen Verständnisse zugänglichen Form einzelne bedeutende
Denkmäler oder Gruppen zu erläutern, kunsthistorische Fragen zu besprechen, neue
Entdeckungen und die Resultate der jüngsten wissenschaftlichen Forschungen mitzu-
theilen und in ihren Beziehungen für die Wissenschaft wie für das Leben zu erör-
tern." Außerdem wird der Verein "gemeinsame Besuche der hiesigen Kunstsamm-
lungen veranstalten um die Schätze derselben durch orientirende Vorträge zu er-
läutern." Die guten Namen eines H. Brunn, Christ, Foltz, Ernst Förster, Hefner-
Alteneck, Jul. Meyer, Zumbusch, Bezold und Liliencron, Ramberg u. s. w. ver-
bürgen das Beste und die schönsten Erwartungen.

Heute beginnt der in siebenjähriger Frist wiederkehrende sog. Schäffler-
Tanz, welcher dann beinahe die ganze Faschingszeit über währt. Die Sage er-
zählt: einst habe ein großes Sterben in der Stadt regiert, veranlaßt durch einen
in einem Brunnen tauchenden Lintwurm, der endlich hervorgelockt und mit List ge-
tödtet wurde (daher das sog. Wurmeck bei Einmündung der Theatiner-Schwabin-
ger-Straße in den frühern Schrannenplatz. Nun habe sich, obgleich der Presten im
Abnehmen, doch lange niemand in die Gassen gewagt, bis die Schäffler (Böttiger)
zuerst wieder Muth faßten, unter Trommel und Pfeifen in stattlicher Handwerkstracht
vor die Häuserzogen, mit ihren grünumwundenen Reifen ihre alten Tänze aufführten
und so die Leute wieder hervorlockten. Wann dieß geschehen sei, steht nicht fest;
einige sind mit 1517 zufrieden, eine andere Nachricht geht auf 1463 und andere
datiren den Ursprung noch weiter hinauf. Und das mit Recht. Die Schäffler
waren damals die ersten welche sich wieder hervorwagten, aber sie führten ihren
Tanz nicht zum erstenmal auf, sondern erinnerten sich bei dieser Gelegenheit nur
wieder ihres uralten Handwerker-Ceremoniells. Es war keine neue Erfindung,
sondern ein altes Recht, kein Fastnachtsspiel, sondern ein heiliger Cult germani-
scher Zeit, aus den schönsten Tagen unseres deutschen Heidenthums, ebenso alt und
ehedem heilig wie die von Tacitus geschilderten Fechterspiele und Schwerttänze,
wie das feltsame Brunnenspringen der Metzger, wie die Privilegien der Weber,
Schlosser u. s. w. Ursprünglich gieng mit den Schäfflern noch etwas mit herum,
[Spaltenumbruch] die sog. "Gretel in der Butten," welche sich bis zu Anfang dieses Jahrhunderts
erhielt, dann aber als gar zu sinnlos wegbleiben mußte. In der Butte steckte der
Hanswurst -- nach Vorbild des etruskischen Mantus nicht das erste Götterbild,
aus welchem eine Fratze und Kinderspott geworden. Die alten Gebräuche nützen
sich ab wie das Gepräge einer lange umlaufenden Münze, deren Schrift und
Bild verschwunden ist, und doch bleibt es dasselbe Metall und für den Kundigen
werthvoll.



Neueste Posten.

In einer Münchener Correspondenz der "Donau-
Ztg." wird behauptet, daß der Initiativantrag der Abg. Dr. Schüttinger und Dr. Karl
Barth im Ausschuß einen "unverhofften Succurs" durch den Abg. v. Schlör gefunden
habe; diese Nachricht bedarf indeß einer Erläuterung. Hr. v. Schlör war, wie uns
mitgetheilt wird, der Ansicht, daß zur Aufgabe von Reservatrechten die Minister
die vorausgehende Zustimmung der Kammer nothwendig hätten, allein er erklärte sich
entschieden gegen den Initiativ-Antrag, wie er auch mit den andern liberalgesinnten
Mitgliedern des Ausschusses gegen den Antrag gestimmt hat. Ein Mitglied des
Ausschusses, noch dazu ein rechtskundiges, machte den Versuch, ob der Antrag nicht
mit einfacher Mehrheit in der Kammer zur Annahme gelangen könnte, allein es
wurde dem andererseits entschieden entgegen getreten, und der Versuch auch sogleich
wieder aufgegeben.

Der Redacteur der demokratischen "Süddeutschen
Post," welchem von der Polizeidirection München die wiederholt nachgesuchte Colportage-
Erlaubniß für sein Blatt beharrlich versagt worden ist, hat hiewegen sich beschwerend
an die Abgeordnetenkammer gewendet. Der mit dem Referat hierüber im vierten
Ausschuß betraute Pfarrer Dr. Pfahler beantragt, entsprechend der Bitte des Beschwerde-
führers, die Kammer wolle den König um Aufhebung des Art. 38 des Preßgesetzes
(welcher die Colportage von Druckschriften ohne polizeiliche Bewilligung verbietet) bitten.
Er sagt: "Dieß ist im gegenwärtigen Augenblick um so mehr angezeigt, als nach Arti-
kel 184 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich der Verkauf, die Vertheilung, Ver-
breitung, Ausstellung und Anschlagung unzüchtiger Schriften, Abbildungen oder Dar-
stellungen ohnehin mit sehr fühlbarer Strafe belegt ist. Das einzige Bedenken das in
dieser Hinsicht entgegenstünde, wäre dieses daß wegen Verbreitung etc. irreligiöser, glau-
bensloser und glaubensfeindlicher Schriften eine gesetzliche Ahndung künftighin nicht
existire. Allein Referent ist der Ansicht daß es nach dieser Richtung nicht schlechter
werden kann als es ist, auch wenn Art. 38 des allegirten Gesetzes fällt, zumal nach bishe-
riger Praxis eine Beziehung dieses Artikel auf derlei Schriften doch nur mehr oder min-
der von der Polizeiwillkür abhängig bleibt, und sich immer mehr herausstellt daß die
religiöse Wahrheit durch ihre innere Kraft sich selber zum Siege verhelfen muß und wird."

-- Graf Lerchenfeld, Referent im III. Ausschuß der Kammer der Reichsräthe über den
Gesetzentwurf, die Abänderung einiger Bestimmungen des Gesetzes über Heimath, Ver-
ehelichung und Aufenthalt betreffend, beantragt Zustimmung zu den Art. 1, 3, 4, 6
bis 11 des Entwurfs in der von der Abgeordnetenkammer beschlossenen Fassung. Die
Beschlußfassung über Art. 2 beantragt er abhängig zu machen von den Erklärungen
der Staatsregierung über das Maß der Belastung welche durch denselben von der
Staatscasse ab- und den Gemeinden zugewälzt werden soll (indem darnach unter ge-
wissen Voraussetzungen heimathlose Staatsangehörige nach Ablauf von 5 oder 10 Jah-
ren von selbst die Heimath in der Aufenthaltsgemeinde erwerben würden), dann dar-
über ob alle Fremde, nicht bloß Angehörige des Deutschen Reichs, Anspruch auf die
Erwerbung dieser gesetzlichen Heimath haben sollen. Art. 5, welcher die Ungültigkeit
der ohne polizeiliche Verehelichungsscheine im Ausland geschlossenen Ehen unter gewissen
Voraussetzungen beseitigt, beantragt Referent ganz zu streichen, weil ihm die betreffende
Frage nicht wichtig genug erscheint um eine theilweise Aenderung des Gesetzes zu recht-
fertigen.

"Kreuzzeitung" und "Germania" fahren fort gegen
den Gesetzentwurf, durch welchen der Geistlichkeit das ausschließliche Recht die
Schulaufsicht zu handhaben entzogen werden soll, zu agitiren. Ersteres Blatt
beklagt wiederholt daß man den evangelischen Oberkirchenrath nicht zu Rathe ge-
zogen und allen Ueberlieferungen zuwider die Rücksichten habe fallen lassen welche
bisher nie verläugnet worden seien. Die "Germania" andererseits sucht in den
katholischen Kreisen den Kampf gegen die Vorlage zu entflammen. Dieser Kampf
soll durch Petitionen an das Herren- und Abgeordnetenhaus geführt werden. Auf
nächsten Sonntag ist eine große katholische Volksversammlung anberaumt, von
welcher die Petitionen votirt werden sollen. Ursprünglich hat man lediglich dem
Abgeordnetenhaus eine Petition übergeben wollen, heut aber bringt die "Ger-
mania" folgende Notiz: "Wir machen unsere Gesinnungsgenossen darauf auf-
merksam daß es sich empfiehlt, die gegen den Schulaufsichts-Gesetzentwurf gerich-
teten Petitionen in duplo anfertigen zu lassen, und das eine Exemplar an das
Haus der Abgeordneten, das andere an das Herrenhaus zu senden, weil beide
Häuser über das Schicksal des Gesetzentwurfs zu entscheiden haben. Eile ist
geboten." Offenbar ist der von der "Germania" angegebene Grund der Angehung
des Herrenhauses nicht der eigentliche; man hat sich vielmehr zu diesem Schritte
wahrscheinlich deßhalb entschlossen, weil man von dem Herrenhaus eher eine
Berücksichtigung der Petition erwartet als von dem Abgeordnetenhause. Freilich
werden auch im Abgeordnetenhaus, und zwar nicht bloß auf der rechten, sondern
auch auf der linken Seite sich Gegner des Entwurfs erheben. Die letzteren sind
Theoretiker welchen der Entwurf nicht weit genug geht. -- Der Justizminister soll
die untergebenen Organe angewiesen haben schleunigst eine statistische Feststellung an-
zufertigen, inwiefern in den letzten zwei Jahren Abänderungen der Erkenntnisse erster
Instanz durch die Appellationsgerichte lediglich auf Grund einer andern Rechts-
ansicht des zweiten Richters stattgefunden haben, oder eine Folge neuer Anführun-
gen der Parteien gewesen sind. Diese statistische Feststellung soll jedenfalls bei der
weiteren Berathung der neuen Proceßordnung eine Rolle spielen, da der Entwurf
bekanntlich neuen Partei-Anführungen in zweiter Instanz nicht zulassen will. --
Das hier unter sämmtliche Regimenter vertheilte Commando württembergischer
Sergenten und Unterofficiere wird am 13 d. M. Berlin wieder verlassen und in
seine Garnisonen zurückkehren. Die Gesammtstärke desselben betrug 128 Mann
und war aus dem württembergischen Armeecorps derartig ausgezogen daß mit
Ausnahme des 8. Regiments, welches in Straßburg steht, und eines Jäger-
Bataillons, das in Colmar garnisonirt, je eine Compagnie einen Sergenten und
einen Unterofficier abgab. Die Mannschaften finden, wie die "Sp. Ztg." wissen
will, den erlernten preußischen Dienst durchaus nicht schwieriger oder strenger als
den ihrigen, sie scheiden mit großem Bedauern von Berlin, da sie überall mit
größter Höflichkeit und Zuvorkommenheit aufgenommen wurden und haben dem
Gewährsmann der "Sp. Ztg." versichert daß es ihnen besonders deßhalb so ge-

[Spaltenumbruch] würde als ein wahrer Hirt die ihm anvertraute Heerde führen und vertheidigen,
und ſich mit dem König von Italien verſöhnen.

Was uns vielleicht in dieſen Gedanken und Vorſchlägen als überſchwäng-
lich und unpraktiſch berühren könnte, mögen wir der Phantaſie des Südländers
und dem einſamen von der Welt abgeſchnittenen Lebensgange des Mönchs und
Verfolgten zu gute halten. Aber ein Mann von ſolch tiefreligiöſer Geſinnung und
ſolch ſittenreinem Wandel, wie Fra Andrea, welcher in der Liebe zur Kirche und zur
Menſchheit ſelbſtlos geworden, alle Leiden und Kämpfe muthig auf ſich nahm und
in der freudenloſen Einſamkeit ſeiner Seele ungebrochen duldete und ſtritt, dem
unter ſo vielen Enttäuſchungen der Glaube an den Sieg der Wahrheit und des
Rechts nicht entriſſen werden konnte, iſt eine Natur aus dem Stoffe der Helden der
kirchlichen Reformationen. Sein Glaube wird ihn nicht betrügen, und das Opfer
ſeines Lebens wird nicht vergeblich gebracht ſein!



Aus München.

Der Bildhauer Anton Heß hat die koloſſalen
Statuen (in Kelheimer Kalkſtein) vollendet, welche nächſter Tage unſer neues
Rathhaus zieren werden. Sie ſtellen die vier Bürgertugenden in ſelbſtredenden
äußerſt gelungen charakteriſirten Geſtalten dar. Zuerſt der Gewerbfleiß, eine
prächtige dralle Jünglingsgeſtalt, in welcher die freudige volle Zuverſicht des
Lebens pulſirt; mit dem Hammer in der ſehnigen Fauſt repräſentirt der Geſelle
die ewig junge Kraft, welche einen ſoliden Bürgerſtand zu gründen ſtrebt. Der
Jüngling unternimmt den Aufbau des Hauſes, worauf das Winkelmaß und die
als Stütze benützten Bauſteine hindeuten; er bildet die Baſis aller Bürgertugenden,
auf welcher der häusliche Herd aufgebaut wird. Heß zeigt in liebevollſter Ausfüh-
rung die Häuslichkeit als die ſorgſame Mutter mit dem Kindlein auf dem Arm;
Spinnrocken und Spindel weiſen auf die waltende Hausfrau, die zugleich Repräſen-
tantin der Treue, der Erziehung und des Bürgerreichthums iſt. Der Schutz des
Hauſes bleibt dem Vater anvertraut, welcher als Bürgermuth vorgeführt iſt, eine
ganz ausgezeichnete Geſtalt; kein Ritter und kein Landsknecht, ſondern in bürger-
licher Waffenkleidung, in defenſiver Stellung, auf einer Mauerzinne ſtehend, einen
mittelalterlichen Leibprotector in der entſchloſſenen Fauſt, ſtützt er ſich auf den mit
dem Münchener Wappenbilde gezierten Schild, und ſpäht, bereit zur Abwehr, der
Gefahr entgegen. Dieſe ruhig, klar und feſt blickende Entſchloſſenheit, die unter
dem breiten Eiſenhut ſo ſicher ausſchaut, bereit ſein gutes Recht und das Heilig-
thum des Hauſes zu vertheidigen, iſt meiſterhaft in der ganzen Figur ausgeſprochen.
Dazu geſellt ſich eine liebreizende Jungfrau, die Mildthätigkeit, welche einem armen
Kinde Brod ſpendet und ſo zugleich Repräſentantin der Religion und Armenpflege
iſt. Die Figuren ſind ſo edel und groß wie die Ausführung tüchtig und verſtän-
dig, ebenſo entfernt von jeder idealen Phraſeologie wie von graſſer Realiſtik, ein
wahres Kunſtwerk und eine echte Zier dieſes Baues, der bei fortſchreitender Aus-
führung immer mehr Freunde gewinnt. Selbſt unſer ſel. Ludwig Lange, welcher
für einen reichen Renaiſſance-Bau ſchwärmte, würde jetzt dem Meiſter Hauberriſſer
verſöhnt die Hand reichen!

Nachträglich haben wir noch den Tod des Hiſtorienmalers Karl Friedrich
Fries zu melden. Im National-Muſeum iſt er mit einem Frescobild (Bayern
erhält die Kurwürde 1623) vertreten. Als Künſtler geſchätzt, in höchſt angenehmen,
mehr als behäbigen Verhältniſſen lebend, floh derſelbe, wie man ſagt, um uner-
träglich gewordenen Familienereigniſſen zu entgehen, nach St. Gallen, wo er am
22 Spt. in Folge der erlebten Gemüthserſchütterung am gebrochenen Herzen ſtarb.
Sein unglückliches Ende klingt wie der romanhafte Schluß einer Tragödie.

In den jüngſten Tagen hat ſich ein neuer „Verein für Kunſt- und
Culturgeſchichte“ conſtituirt, in welchem ſich die wiſſenſchaftlichen Kräfte der
in gelinde Anarchie gerathenen frühern Alterthums-Vereine neu zuſammenfanden.
Der Verein ſtellt ſich „die Aufgabe das Intereſſe für die Denkmäler der Kunſt und
des Kunſthandwerks in ihrer künſtleriſchen und culturhiſtoriſchen Bedeutung für
Vergangenheit und Gegenwart zu beleben und zu fördern.“ Dazu wird in den
regelmäßigen Sitzungen immer ein Vortrag gehalten, „welcher die Aufgabe hat
in einer dem allgemeinen Verſtändniſſe zugänglichen Form einzelne bedeutende
Denkmäler oder Gruppen zu erläutern, kunſthiſtoriſche Fragen zu beſprechen, neue
Entdeckungen und die Reſultate der jüngſten wiſſenſchaftlichen Forſchungen mitzu-
theilen und in ihren Beziehungen für die Wiſſenſchaft wie für das Leben zu erör-
tern.“ Außerdem wird der Verein „gemeinſame Beſuche der hieſigen Kunſtſamm-
lungen veranſtalten um die Schätze derſelben durch orientirende Vorträge zu er-
läutern.“ Die guten Namen eines H. Brunn, Chriſt, Foltz, Ernſt Förſter, Hefner-
Alteneck, Jul. Meyer, Zumbuſch, Bezold und Liliencron, Ramberg u. ſ. w. ver-
bürgen das Beſte und die ſchönſten Erwartungen.

Heute beginnt der in ſiebenjähriger Friſt wiederkehrende ſog. Schäffler-
Tanz, welcher dann beinahe die ganze Faſchingszeit über währt. Die Sage er-
zählt: einſt habe ein großes Sterben in der Stadt regiert, veranlaßt durch einen
in einem Brunnen tauchenden Lintwurm, der endlich hervorgelockt und mit Liſt ge-
tödtet wurde (daher das ſog. Wurmeck bei Einmündung der Theatiner-Schwabin-
ger-Straße in den frühern Schrannenplatz. Nun habe ſich, obgleich der Preſten im
Abnehmen, doch lange niemand in die Gaſſen gewagt, bis die Schäffler (Böttiger)
zuerſt wieder Muth faßten, unter Trommel und Pfeifen in ſtattlicher Handwerkstracht
vor die Häuſerzogen, mit ihren grünumwundenen Reifen ihre alten Tänze aufführten
und ſo die Leute wieder hervorlockten. Wann dieß geſchehen ſei, ſteht nicht feſt;
einige ſind mit 1517 zufrieden, eine andere Nachricht geht auf 1463 und andere
datiren den Urſprung noch weiter hinauf. Und das mit Recht. Die Schäffler
waren damals die erſten welche ſich wieder hervorwagten, aber ſie führten ihren
Tanz nicht zum erſtenmal auf, ſondern erinnerten ſich bei dieſer Gelegenheit nur
wieder ihres uralten Handwerker-Ceremoniells. Es war keine neue Erfindung,
ſondern ein altes Recht, kein Faſtnachtsſpiel, ſondern ein heiliger Cult germani-
ſcher Zeit, aus den ſchönſten Tagen unſeres deutſchen Heidenthums, ebenſo alt und
ehedem heilig wie die von Tacitus geſchilderten Fechterſpiele und Schwerttänze,
wie das feltſame Brunnenſpringen der Metzger, wie die Privilegien der Weber,
Schloſſer u. ſ. w. Urſprünglich gieng mit den Schäfflern noch etwas mit herum,
[Spaltenumbruch] die ſog. „Gretel in der Butten,“ welche ſich bis zu Anfang dieſes Jahrhunderts
erhielt, dann aber als gar zu ſinnlos wegbleiben mußte. In der Butte ſteckte der
Hanswurſt — nach Vorbild des etruskiſchen Mantus nicht das erſte Götterbild,
aus welchem eine Fratze und Kinderſpott geworden. Die alten Gebräuche nützen
ſich ab wie das Gepräge einer lange umlaufenden Münze, deren Schrift und
Bild verſchwunden iſt, und doch bleibt es dasſelbe Metall und für den Kundigen
werthvoll.



Neueſte Poſten.

In einer Münchener Correſpondenz der „Donau-
Ztg.“ wird behauptet, daß der Initiativantrag der Abg. Dr. Schüttinger und Dr. Karl
Barth im Ausſchuß einen „unverhofften Succurs“ durch den Abg. v. Schlör gefunden
habe; dieſe Nachricht bedarf indeß einer Erläuterung. Hr. v. Schlör war, wie uns
mitgetheilt wird, der Anſicht, daß zur Aufgabe von Reſervatrechten die Miniſter
die vorausgehende Zuſtimmung der Kammer nothwendig hätten, allein er erklärte ſich
entſchieden gegen den Initiativ-Antrag, wie er auch mit den andern liberalgeſinnten
Mitgliedern des Ausſchuſſes gegen den Antrag geſtimmt hat. Ein Mitglied des
Ausſchuſſes, noch dazu ein rechtskundiges, machte den Verſuch, ob der Antrag nicht
mit einfacher Mehrheit in der Kammer zur Annahme gelangen könnte, allein es
wurde dem andererſeits entſchieden entgegen getreten, und der Verſuch auch ſogleich
wieder aufgegeben.

Der Redacteur der demokratiſchen „Süddeutſchen
Poſt,“ welchem von der Polizeidirection München die wiederholt nachgeſuchte Colportage-
Erlaubniß für ſein Blatt beharrlich verſagt worden iſt, hat hiewegen ſich beſchwerend
an die Abgeordnetenkammer gewendet. Der mit dem Referat hierüber im vierten
Ausſchuß betraute Pfarrer Dr. Pfahler beantragt, entſprechend der Bitte des Beſchwerde-
führers, die Kammer wolle den König um Aufhebung des Art. 38 des Preßgeſetzes
(welcher die Colportage von Druckſchriften ohne polizeiliche Bewilligung verbietet) bitten.
Er ſagt: „Dieß iſt im gegenwärtigen Augenblick um ſo mehr angezeigt, als nach Arti-
kel 184 des Strafgeſetzbuches für das Deutſche Reich der Verkauf, die Vertheilung, Ver-
breitung, Ausſtellung und Anſchlagung unzüchtiger Schriften, Abbildungen oder Dar-
ſtellungen ohnehin mit ſehr fühlbarer Strafe belegt iſt. Das einzige Bedenken das in
dieſer Hinſicht entgegenſtünde, wäre dieſes daß wegen Verbreitung ꝛc. irreligiöſer, glau-
bensloſer und glaubensfeindlicher Schriften eine geſetzliche Ahndung künftighin nicht
exiſtire. Allein Referent iſt der Anſicht daß es nach dieſer Richtung nicht ſchlechter
werden kann als es iſt, auch wenn Art. 38 des allegirten Geſetzes fällt, zumal nach bishe-
riger Praxis eine Beziehung dieſes Artikel auf derlei Schriften doch nur mehr oder min-
der von der Polizeiwillkür abhängig bleibt, und ſich immer mehr herausſtellt daß die
religiöſe Wahrheit durch ihre innere Kraft ſich ſelber zum Siege verhelfen muß und wird.“

— Graf Lerchenfeld, Referent im III. Ausſchuß der Kammer der Reichsräthe über den
Geſetzentwurf, die Abänderung einiger Beſtimmungen des Geſetzes über Heimath, Ver-
ehelichung und Aufenthalt betreffend, beantragt Zuſtimmung zu den Art. 1, 3, 4, 6
bis 11 des Entwurfs in der von der Abgeordnetenkammer beſchloſſenen Faſſung. Die
Beſchlußfaſſung über Art. 2 beantragt er abhängig zu machen von den Erklärungen
der Staatsregierung über das Maß der Belaſtung welche durch denſelben von der
Staatscaſſe ab- und den Gemeinden zugewälzt werden ſoll (indem darnach unter ge-
wiſſen Vorausſetzungen heimathloſe Staatsangehörige nach Ablauf von 5 oder 10 Jah-
ren von ſelbſt die Heimath in der Aufenthaltsgemeinde erwerben würden), dann dar-
über ob alle Fremde, nicht bloß Angehörige des Deutſchen Reichs, Anſpruch auf die
Erwerbung dieſer geſetzlichen Heimath haben ſollen. Art. 5, welcher die Ungültigkeit
der ohne polizeiliche Verehelichungsſcheine im Ausland geſchloſſenen Ehen unter gewiſſen
Vorausſetzungen beſeitigt, beantragt Referent ganz zu ſtreichen, weil ihm die betreffende
Frage nicht wichtig genug erſcheint um eine theilweiſe Aenderung des Geſetzes zu recht-
fertigen.

„Kreuzzeitung“ und „Germania“ fahren fort gegen
den Geſetzentwurf, durch welchen der Geiſtlichkeit das ausſchließliche Recht die
Schulaufſicht zu handhaben entzogen werden ſoll, zu agitiren. Erſteres Blatt
beklagt wiederholt daß man den evangeliſchen Oberkirchenrath nicht zu Rathe ge-
zogen und allen Ueberlieferungen zuwider die Rückſichten habe fallen laſſen welche
bisher nie verläugnet worden ſeien. Die „Germania“ andererſeits ſucht in den
katholiſchen Kreiſen den Kampf gegen die Vorlage zu entflammen. Dieſer Kampf
ſoll durch Petitionen an das Herren- und Abgeordnetenhaus geführt werden. Auf
nächſten Sonntag iſt eine große katholiſche Volksverſammlung anberaumt, von
welcher die Petitionen votirt werden ſollen. Urſprünglich hat man lediglich dem
Abgeordnetenhaus eine Petition übergeben wollen, heut aber bringt die „Ger-
mania“ folgende Notiz: „Wir machen unſere Geſinnungsgenoſſen darauf auf-
merkſam daß es ſich empfiehlt, die gegen den Schulaufſichts-Geſetzentwurf gerich-
teten Petitionen in duplo anfertigen zu laſſen, und das eine Exemplar an das
Haus der Abgeordneten, das andere an das Herrenhaus zu ſenden, weil beide
Häuſer über das Schickſal des Geſetzentwurfs zu entſcheiden haben. Eile iſt
geboten.“ Offenbar iſt der von der „Germania“ angegebene Grund der Angehung
des Herrenhauſes nicht der eigentliche; man hat ſich vielmehr zu dieſem Schritte
wahrſcheinlich deßhalb entſchloſſen, weil man von dem Herrenhaus eher eine
Berückſichtigung der Petition erwartet als von dem Abgeordnetenhauſe. Freilich
werden auch im Abgeordnetenhaus, und zwar nicht bloß auf der rechten, ſondern
auch auf der linken Seite ſich Gegner des Entwurfs erheben. Die letzteren ſind
Theoretiker welchen der Entwurf nicht weit genug geht. — Der Juſtizminiſter ſoll
die untergebenen Organe angewieſen haben ſchleunigſt eine ſtatiſtiſche Feſtſtellung an-
zufertigen, inwiefern in den letzten zwei Jahren Abänderungen der Erkenntniſſe erſter
Inſtanz durch die Appellationsgerichte lediglich auf Grund einer andern Rechts-
anſicht des zweiten Richters ſtattgefunden haben, oder eine Folge neuer Anführun-
gen der Parteien geweſen ſind. Dieſe ſtatiſtiſche Feſtſtellung ſoll jedenfalls bei der
weiteren Berathung der neuen Proceßordnung eine Rolle ſpielen, da der Entwurf
bekanntlich neuen Partei-Anführungen in zweiter Inſtanz nicht zulaſſen will. —
Das hier unter ſämmtliche Regimenter vertheilte Commando württembergiſcher
Sergenten und Unterofficiere wird am 13 d. M. Berlin wieder verlaſſen und in
ſeine Garniſonen zurückkehren. Die Geſammtſtärke desſelben betrug 128 Mann
und war aus dem württembergiſchen Armeecorps derartig ausgezogen daß mit
Ausnahme des 8. Regiments, welches in Straßburg ſteht, und eines Jäger-
Bataillons, das in Colmar garniſonirt, je eine Compagnie einen Sergenten und
einen Unterofficier abgab. Die Mannſchaften finden, wie die „Sp. Ztg.“ wiſſen
will, den erlernten preußiſchen Dienſt durchaus nicht ſchwieriger oder ſtrenger als
den ihrigen, ſie ſcheiden mit großem Bedauern von Berlin, da ſie überall mit
größter Höflichkeit und Zuvorkommenheit aufgenommen wurden und haben dem
Gewährsmann der „Sp. Ztg.“ verſichert daß es ihnen beſonders deßhalb ſo ge-

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                    <p>Der Bildhauer Anton Heß hat die kolo&#x017F;&#x017F;alen<lb/>
Statuen (in Kelheimer Kalk&#x017F;tein) vollendet, welche näch&#x017F;ter Tage un&#x017F;er neues<lb/>
Rathhaus zieren werden. Sie &#x017F;tellen die vier Bürgertugenden in &#x017F;elb&#x017F;tredenden<lb/>
äußer&#x017F;t gelungen charakteri&#x017F;irten Ge&#x017F;talten dar. Zuer&#x017F;t der Gewerbfleiß, eine<lb/>
prächtige dralle Jünglingsge&#x017F;talt, in welcher die freudige volle Zuver&#x017F;icht des<lb/>
Lebens pul&#x017F;irt; mit dem Hammer in der &#x017F;ehnigen Fau&#x017F;t reprä&#x017F;entirt der Ge&#x017F;elle<lb/>
die ewig junge Kraft, welche einen &#x017F;oliden Bürger&#x017F;tand zu gründen &#x017F;trebt. Der<lb/>
Jüngling unternimmt den Aufbau des Hau&#x017F;es, worauf das Winkelmaß und die<lb/>
als Stütze benützten Bau&#x017F;teine hindeuten; er bildet die Ba&#x017F;is aller Bürgertugenden,<lb/>
auf welcher der häusliche Herd aufgebaut wird. Heß zeigt in liebevoll&#x017F;ter Ausfüh-<lb/>
rung die Häuslichkeit als die &#x017F;org&#x017F;ame Mutter mit dem Kindlein auf dem Arm;<lb/>
Spinnrocken und Spindel wei&#x017F;en auf die waltende Hausfrau, die zugleich Reprä&#x017F;en-<lb/>
tantin der Treue, der Erziehung und des Bürgerreichthums i&#x017F;t. Der Schutz des<lb/>
Hau&#x017F;es bleibt dem Vater anvertraut, welcher als Bürgermuth vorgeführt i&#x017F;t, eine<lb/>
ganz ausgezeichnete Ge&#x017F;talt; kein Ritter und kein Landsknecht, &#x017F;ondern in bürger-<lb/>
licher Waffenkleidung, in defen&#x017F;iver Stellung, auf einer Mauerzinne &#x017F;tehend, einen<lb/>
mittelalterlichen Leibprotector in der ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Fau&#x017F;t, &#x017F;tützt er &#x017F;ich auf den mit<lb/>
dem Münchener Wappenbilde gezierten Schild, und &#x017F;päht, bereit zur Abwehr, der<lb/>
Gefahr entgegen. Die&#x017F;e ruhig, klar und fe&#x017F;t blickende Ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit, die unter<lb/>
dem breiten Ei&#x017F;enhut &#x017F;o &#x017F;icher aus&#x017F;chaut, bereit &#x017F;ein gutes Recht und das Heilig-<lb/>
thum des Hau&#x017F;es zu vertheidigen, i&#x017F;t mei&#x017F;terhaft in der ganzen Figur ausge&#x017F;prochen.<lb/>
Dazu ge&#x017F;ellt &#x017F;ich eine liebreizende Jungfrau, die Mildthätigkeit, welche einem armen<lb/>
Kinde Brod &#x017F;pendet und &#x017F;o zugleich Reprä&#x017F;entantin der Religion und Armenpflege<lb/>
i&#x017F;t. Die Figuren &#x017F;ind &#x017F;o edel und groß wie die Ausführung tüchtig und ver&#x017F;tän-<lb/>
dig, eben&#x017F;o entfernt von jeder idealen Phra&#x017F;eologie wie von gra&#x017F;&#x017F;er Reali&#x017F;tik, ein<lb/>
wahres Kun&#x017F;twerk und eine echte Zier die&#x017F;es Baues, der bei fort&#x017F;chreitender Aus-<lb/>
führung immer mehr Freunde gewinnt. Selb&#x017F;t un&#x017F;er &#x017F;el. Ludwig Lange, welcher<lb/>
für einen reichen Renai&#x017F;&#x017F;ance-Bau &#x017F;chwärmte, würde jetzt dem Mei&#x017F;ter Hauberri&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ver&#x017F;öhnt die Hand reichen!</p>
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                    <p>Nachträglich haben wir noch den Tod des Hi&#x017F;torienmalers Karl Friedrich<lb/>
Fries zu melden. Im National-Mu&#x017F;eum i&#x017F;t er mit einem Frescobild (Bayern<lb/>
erhält die Kurwürde 1623) vertreten. Als Kün&#x017F;tler ge&#x017F;chätzt, in höch&#x017F;t angenehmen,<lb/>
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träglich gewordenen Familienereigni&#x017F;&#x017F;en zu entgehen, nach St. Gallen, wo er am<lb/>
22 Spt. in Folge der erlebten Gemüthser&#x017F;chütterung am gebrochenen Herzen &#x017F;tarb.<lb/>
Sein unglückliches Ende klingt wie der romanhafte Schluß einer Tragödie.</p>
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                    <p>In den jüng&#x017F;ten Tagen hat &#x017F;ich ein neuer &#x201E;Verein für Kun&#x017F;t- und<lb/>
Culturge&#x017F;chichte&#x201C; con&#x017F;tituirt, in welchem &#x017F;ich die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Kräfte der<lb/>
in gelinde Anarchie gerathenen frühern Alterthums-Vereine neu zu&#x017F;ammenfanden.<lb/>
Der Verein &#x017F;tellt &#x017F;ich &#x201E;die Aufgabe das Intere&#x017F;&#x017F;e für die Denkmäler der Kun&#x017F;t und<lb/>
des Kun&#x017F;thandwerks in ihrer kün&#x017F;tleri&#x017F;chen und culturhi&#x017F;tori&#x017F;chen Bedeutung für<lb/>
Vergangenheit und Gegenwart zu beleben und zu fördern.&#x201C; Dazu wird in den<lb/>
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Denkmäler oder Gruppen zu erläutern, kun&#x017F;thi&#x017F;tori&#x017F;che Fragen zu be&#x017F;prechen, neue<lb/>
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theilen und in ihren Beziehungen für die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft wie für das Leben zu erör-<lb/>
tern.&#x201C; Außerdem wird der Verein &#x201E;gemein&#x017F;ame Be&#x017F;uche der hie&#x017F;igen Kun&#x017F;t&#x017F;amm-<lb/>
lungen veran&#x017F;talten um die Schätze der&#x017F;elben durch orientirende Vorträge zu er-<lb/>
läutern.&#x201C; Die guten Namen eines H. Brunn, Chri&#x017F;t, Foltz, Ern&#x017F;t För&#x017F;ter, Hefner-<lb/>
Alteneck, Jul. Meyer, Zumbu&#x017F;ch, Bezold und Liliencron, Ramberg u. &#x017F;. w. ver-<lb/>
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                    <p>Heute beginnt der in &#x017F;iebenjähriger Fri&#x017F;t wiederkehrende &#x017F;og. Schäffler-<lb/>
Tanz, welcher dann beinahe die ganze Fa&#x017F;chingszeit über währt. Die Sage er-<lb/>
zählt: ein&#x017F;t habe ein großes Sterben in der Stadt regiert, veranlaßt durch einen<lb/>
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tödtet wurde (daher das &#x017F;og. Wurmeck bei Einmündung der Theatiner-Schwabin-<lb/>
ger-Straße in den frühern Schrannenplatz. Nun habe &#x017F;ich, obgleich der Pre&#x017F;ten im<lb/>
Abnehmen, doch lange niemand in die Ga&#x017F;&#x017F;en gewagt, bis die Schäffler (Böttiger)<lb/>
zuer&#x017F;t wieder Muth faßten, unter Trommel und Pfeifen in &#x017F;tattlicher Handwerkstracht<lb/>
vor die Häu&#x017F;erzogen, mit ihren grünumwundenen Reifen ihre alten Tänze aufführten<lb/>
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einige &#x017F;ind mit 1517 zufrieden, eine andere Nachricht geht auf 1463 und andere<lb/>
datiren den Ur&#x017F;prung noch weiter hinauf. Und das mit Recht. Die Schäffler<lb/>
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Tanz nicht zum er&#x017F;tenmal auf, &#x017F;ondern erinnerten &#x017F;ich bei die&#x017F;er Gelegenheit nur<lb/>
wieder ihres uralten Handwerker-Ceremoniells. Es war keine neue Erfindung,<lb/>
&#x017F;ondern ein altes Recht, kein Fa&#x017F;tnachts&#x017F;piel, &#x017F;ondern ein heiliger Cult germani-<lb/>
&#x017F;cher Zeit, aus den &#x017F;chön&#x017F;ten Tagen un&#x017F;eres deut&#x017F;chen Heidenthums, eben&#x017F;o alt und<lb/>
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Hanswur&#x017F;t &#x2014; nach Vorbild des etruski&#x017F;chen Mantus nicht das er&#x017F;te Götterbild,<lb/>
aus welchem eine Fratze und Kinder&#x017F;pott geworden. Die alten Gebräuche nützen<lb/>
&#x017F;ich ab wie das Gepräge einer lange umlaufenden Münze, deren Schrift und<lb/>
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                  <p>In einer Münchener Corre&#x017F;pondenz der &#x201E;Donau-<lb/>
Ztg.&#x201C; wird behauptet, daß der Initiativantrag der Abg. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Schüttinger und <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Karl<lb/>
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                  <p>Der Redacteur der demokrati&#x017F;chen &#x201E;Süddeut&#x017F;chen<lb/>
Po&#x017F;t,&#x201C; welchem von der Polizeidirection München die wiederholt nachge&#x017F;uchte Colportage-<lb/>
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Aus&#x017F;chuß betraute Pfarrer <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Pfahler beantragt, ent&#x017F;prechend der Bitte des Be&#x017F;chwerde-<lb/>
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(welcher die Colportage von Druck&#x017F;chriften ohne polizeiliche Bewilligung verbietet) bitten.<lb/>
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&#x2014; Graf Lerchenfeld, Referent im <hi rendition="#aq">III.</hi> Aus&#x017F;chuß der Kammer der Reichsräthe über den<lb/>
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&#x017F;oll durch Petitionen an das Herren- und Abgeordnetenhaus geführt werden. Auf<lb/>
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Abgeordnetenhaus eine Petition übergeben wollen, heut aber bringt die &#x201E;Ger-<lb/>
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Haus der Abgeordneten, das andere an das Herrenhaus zu &#x017F;enden, weil beide<lb/>
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Berück&#x017F;ichtigung der Petition erwartet als von dem Abgeordnetenhau&#x017F;e. Freilich<lb/>
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Sergenten und Unterofficiere wird am 13 d. M. Berlin wieder verla&#x017F;&#x017F;en und in<lb/>
&#x017F;eine Garni&#x017F;onen zurückkehren. Die Ge&#x017F;ammt&#x017F;tärke des&#x017F;elben betrug 128 Mann<lb/>
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Bataillons, das in Colmar garni&#x017F;onirt, je eine Compagnie einen Sergenten und<lb/>
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[172/0012] würde als ein wahrer Hirt die ihm anvertraute Heerde führen und vertheidigen, und ſich mit dem König von Italien verſöhnen. Was uns vielleicht in dieſen Gedanken und Vorſchlägen als überſchwäng- lich und unpraktiſch berühren könnte, mögen wir der Phantaſie des Südländers und dem einſamen von der Welt abgeſchnittenen Lebensgange des Mönchs und Verfolgten zu gute halten. Aber ein Mann von ſolch tiefreligiöſer Geſinnung und ſolch ſittenreinem Wandel, wie Fra Andrea, welcher in der Liebe zur Kirche und zur Menſchheit ſelbſtlos geworden, alle Leiden und Kämpfe muthig auf ſich nahm und in der freudenloſen Einſamkeit ſeiner Seele ungebrochen duldete und ſtritt, dem unter ſo vielen Enttäuſchungen der Glaube an den Sieg der Wahrheit und des Rechts nicht entriſſen werden konnte, iſt eine Natur aus dem Stoffe der Helden der kirchlichen Reformationen. Sein Glaube wird ihn nicht betrügen, und das Opfer ſeines Lebens wird nicht vergeblich gebracht ſein! Johannes Huber. Aus München.̐ München, 7 Jan. Der Bildhauer Anton Heß hat die koloſſalen Statuen (in Kelheimer Kalkſtein) vollendet, welche nächſter Tage unſer neues Rathhaus zieren werden. Sie ſtellen die vier Bürgertugenden in ſelbſtredenden äußerſt gelungen charakteriſirten Geſtalten dar. Zuerſt der Gewerbfleiß, eine prächtige dralle Jünglingsgeſtalt, in welcher die freudige volle Zuverſicht des Lebens pulſirt; mit dem Hammer in der ſehnigen Fauſt repräſentirt der Geſelle die ewig junge Kraft, welche einen ſoliden Bürgerſtand zu gründen ſtrebt. Der Jüngling unternimmt den Aufbau des Hauſes, worauf das Winkelmaß und die als Stütze benützten Bauſteine hindeuten; er bildet die Baſis aller Bürgertugenden, auf welcher der häusliche Herd aufgebaut wird. Heß zeigt in liebevollſter Ausfüh- rung die Häuslichkeit als die ſorgſame Mutter mit dem Kindlein auf dem Arm; Spinnrocken und Spindel weiſen auf die waltende Hausfrau, die zugleich Repräſen- tantin der Treue, der Erziehung und des Bürgerreichthums iſt. Der Schutz des Hauſes bleibt dem Vater anvertraut, welcher als Bürgermuth vorgeführt iſt, eine ganz ausgezeichnete Geſtalt; kein Ritter und kein Landsknecht, ſondern in bürger- licher Waffenkleidung, in defenſiver Stellung, auf einer Mauerzinne ſtehend, einen mittelalterlichen Leibprotector in der entſchloſſenen Fauſt, ſtützt er ſich auf den mit dem Münchener Wappenbilde gezierten Schild, und ſpäht, bereit zur Abwehr, der Gefahr entgegen. Dieſe ruhig, klar und feſt blickende Entſchloſſenheit, die unter dem breiten Eiſenhut ſo ſicher ausſchaut, bereit ſein gutes Recht und das Heilig- thum des Hauſes zu vertheidigen, iſt meiſterhaft in der ganzen Figur ausgeſprochen. Dazu geſellt ſich eine liebreizende Jungfrau, die Mildthätigkeit, welche einem armen Kinde Brod ſpendet und ſo zugleich Repräſentantin der Religion und Armenpflege iſt. Die Figuren ſind ſo edel und groß wie die Ausführung tüchtig und verſtän- dig, ebenſo entfernt von jeder idealen Phraſeologie wie von graſſer Realiſtik, ein wahres Kunſtwerk und eine echte Zier dieſes Baues, der bei fortſchreitender Aus- führung immer mehr Freunde gewinnt. Selbſt unſer ſel. Ludwig Lange, welcher für einen reichen Renaiſſance-Bau ſchwärmte, würde jetzt dem Meiſter Hauberriſſer verſöhnt die Hand reichen! Nachträglich haben wir noch den Tod des Hiſtorienmalers Karl Friedrich Fries zu melden. Im National-Muſeum iſt er mit einem Frescobild (Bayern erhält die Kurwürde 1623) vertreten. Als Künſtler geſchätzt, in höchſt angenehmen, mehr als behäbigen Verhältniſſen lebend, floh derſelbe, wie man ſagt, um uner- träglich gewordenen Familienereigniſſen zu entgehen, nach St. Gallen, wo er am 22 Spt. in Folge der erlebten Gemüthserſchütterung am gebrochenen Herzen ſtarb. Sein unglückliches Ende klingt wie der romanhafte Schluß einer Tragödie. In den jüngſten Tagen hat ſich ein neuer „Verein für Kunſt- und Culturgeſchichte“ conſtituirt, in welchem ſich die wiſſenſchaftlichen Kräfte der in gelinde Anarchie gerathenen frühern Alterthums-Vereine neu zuſammenfanden. Der Verein ſtellt ſich „die Aufgabe das Intereſſe für die Denkmäler der Kunſt und des Kunſthandwerks in ihrer künſtleriſchen und culturhiſtoriſchen Bedeutung für Vergangenheit und Gegenwart zu beleben und zu fördern.“ Dazu wird in den regelmäßigen Sitzungen immer ein Vortrag gehalten, „welcher die Aufgabe hat in einer dem allgemeinen Verſtändniſſe zugänglichen Form einzelne bedeutende Denkmäler oder Gruppen zu erläutern, kunſthiſtoriſche Fragen zu beſprechen, neue Entdeckungen und die Reſultate der jüngſten wiſſenſchaftlichen Forſchungen mitzu- theilen und in ihren Beziehungen für die Wiſſenſchaft wie für das Leben zu erör- tern.“ Außerdem wird der Verein „gemeinſame Beſuche der hieſigen Kunſtſamm- lungen veranſtalten um die Schätze derſelben durch orientirende Vorträge zu er- läutern.“ Die guten Namen eines H. Brunn, Chriſt, Foltz, Ernſt Förſter, Hefner- Alteneck, Jul. Meyer, Zumbuſch, Bezold und Liliencron, Ramberg u. ſ. w. ver- bürgen das Beſte und die ſchönſten Erwartungen. Heute beginnt der in ſiebenjähriger Friſt wiederkehrende ſog. Schäffler- Tanz, welcher dann beinahe die ganze Faſchingszeit über währt. Die Sage er- zählt: einſt habe ein großes Sterben in der Stadt regiert, veranlaßt durch einen in einem Brunnen tauchenden Lintwurm, der endlich hervorgelockt und mit Liſt ge- tödtet wurde (daher das ſog. Wurmeck bei Einmündung der Theatiner-Schwabin- ger-Straße in den frühern Schrannenplatz. Nun habe ſich, obgleich der Preſten im Abnehmen, doch lange niemand in die Gaſſen gewagt, bis die Schäffler (Böttiger) zuerſt wieder Muth faßten, unter Trommel und Pfeifen in ſtattlicher Handwerkstracht vor die Häuſerzogen, mit ihren grünumwundenen Reifen ihre alten Tänze aufführten und ſo die Leute wieder hervorlockten. Wann dieß geſchehen ſei, ſteht nicht feſt; einige ſind mit 1517 zufrieden, eine andere Nachricht geht auf 1463 und andere datiren den Urſprung noch weiter hinauf. Und das mit Recht. Die Schäffler waren damals die erſten welche ſich wieder hervorwagten, aber ſie führten ihren Tanz nicht zum erſtenmal auf, ſondern erinnerten ſich bei dieſer Gelegenheit nur wieder ihres uralten Handwerker-Ceremoniells. Es war keine neue Erfindung, ſondern ein altes Recht, kein Faſtnachtsſpiel, ſondern ein heiliger Cult germani- ſcher Zeit, aus den ſchönſten Tagen unſeres deutſchen Heidenthums, ebenſo alt und ehedem heilig wie die von Tacitus geſchilderten Fechterſpiele und Schwerttänze, wie das feltſame Brunnenſpringen der Metzger, wie die Privilegien der Weber, Schloſſer u. ſ. w. Urſprünglich gieng mit den Schäfflern noch etwas mit herum, die ſog. „Gretel in der Butten,“ welche ſich bis zu Anfang dieſes Jahrhunderts erhielt, dann aber als gar zu ſinnlos wegbleiben mußte. In der Butte ſteckte der Hanswurſt — nach Vorbild des etruskiſchen Mantus nicht das erſte Götterbild, aus welchem eine Fratze und Kinderſpott geworden. Die alten Gebräuche nützen ſich ab wie das Gepräge einer lange umlaufenden Münze, deren Schrift und Bild verſchwunden iſt, und doch bleibt es dasſelbe Metall und für den Kundigen werthvoll. Neueſte Poſten.  München, 11 Jan. In einer Münchener Correſpondenz der „Donau- Ztg.“ wird behauptet, daß der Initiativantrag der Abg. Dr. Schüttinger und Dr. Karl Barth im Ausſchuß einen „unverhofften Succurs“ durch den Abg. v. Schlör gefunden habe; dieſe Nachricht bedarf indeß einer Erläuterung. Hr. v. Schlör war, wie uns mitgetheilt wird, der Anſicht, daß zur Aufgabe von Reſervatrechten die Miniſter die vorausgehende Zuſtimmung der Kammer nothwendig hätten, allein er erklärte ſich entſchieden gegen den Initiativ-Antrag, wie er auch mit den andern liberalgeſinnten Mitgliedern des Ausſchuſſes gegen den Antrag geſtimmt hat. Ein Mitglied des Ausſchuſſes, noch dazu ein rechtskundiges, machte den Verſuch, ob der Antrag nicht mit einfacher Mehrheit in der Kammer zur Annahme gelangen könnte, allein es wurde dem andererſeits entſchieden entgegen getreten, und der Verſuch auch ſogleich wieder aufgegeben. × München, 11 Jan. Der Redacteur der demokratiſchen „Süddeutſchen Poſt,“ welchem von der Polizeidirection München die wiederholt nachgeſuchte Colportage- Erlaubniß für ſein Blatt beharrlich verſagt worden iſt, hat hiewegen ſich beſchwerend an die Abgeordnetenkammer gewendet. Der mit dem Referat hierüber im vierten Ausſchuß betraute Pfarrer Dr. Pfahler beantragt, entſprechend der Bitte des Beſchwerde- führers, die Kammer wolle den König um Aufhebung des Art. 38 des Preßgeſetzes (welcher die Colportage von Druckſchriften ohne polizeiliche Bewilligung verbietet) bitten. Er ſagt: „Dieß iſt im gegenwärtigen Augenblick um ſo mehr angezeigt, als nach Arti- kel 184 des Strafgeſetzbuches für das Deutſche Reich der Verkauf, die Vertheilung, Ver- breitung, Ausſtellung und Anſchlagung unzüchtiger Schriften, Abbildungen oder Dar- ſtellungen ohnehin mit ſehr fühlbarer Strafe belegt iſt. Das einzige Bedenken das in dieſer Hinſicht entgegenſtünde, wäre dieſes daß wegen Verbreitung ꝛc. irreligiöſer, glau- bensloſer und glaubensfeindlicher Schriften eine geſetzliche Ahndung künftighin nicht exiſtire. Allein Referent iſt der Anſicht daß es nach dieſer Richtung nicht ſchlechter werden kann als es iſt, auch wenn Art. 38 des allegirten Geſetzes fällt, zumal nach bishe- riger Praxis eine Beziehung dieſes Artikel auf derlei Schriften doch nur mehr oder min- der von der Polizeiwillkür abhängig bleibt, und ſich immer mehr herausſtellt daß die religiöſe Wahrheit durch ihre innere Kraft ſich ſelber zum Siege verhelfen muß und wird.“ — Graf Lerchenfeld, Referent im III. Ausſchuß der Kammer der Reichsräthe über den Geſetzentwurf, die Abänderung einiger Beſtimmungen des Geſetzes über Heimath, Ver- ehelichung und Aufenthalt betreffend, beantragt Zuſtimmung zu den Art. 1, 3, 4, 6 bis 11 des Entwurfs in der von der Abgeordnetenkammer beſchloſſenen Faſſung. Die Beſchlußfaſſung über Art. 2 beantragt er abhängig zu machen von den Erklärungen der Staatsregierung über das Maß der Belaſtung welche durch denſelben von der Staatscaſſe ab- und den Gemeinden zugewälzt werden ſoll (indem darnach unter ge- wiſſen Vorausſetzungen heimathloſe Staatsangehörige nach Ablauf von 5 oder 10 Jah- ren von ſelbſt die Heimath in der Aufenthaltsgemeinde erwerben würden), dann dar- über ob alle Fremde, nicht bloß Angehörige des Deutſchen Reichs, Anſpruch auf die Erwerbung dieſer geſetzlichen Heimath haben ſollen. Art. 5, welcher die Ungültigkeit der ohne polizeiliche Verehelichungsſcheine im Ausland geſchloſſenen Ehen unter gewiſſen Vorausſetzungen beſeitigt, beantragt Referent ganz zu ſtreichen, weil ihm die betreffende Frage nicht wichtig genug erſcheint um eine theilweiſe Aenderung des Geſetzes zu recht- fertigen. * Berlin, 9 Jan. „Kreuzzeitung“ und „Germania“ fahren fort gegen den Geſetzentwurf, durch welchen der Geiſtlichkeit das ausſchließliche Recht die Schulaufſicht zu handhaben entzogen werden ſoll, zu agitiren. Erſteres Blatt beklagt wiederholt daß man den evangeliſchen Oberkirchenrath nicht zu Rathe ge- zogen und allen Ueberlieferungen zuwider die Rückſichten habe fallen laſſen welche bisher nie verläugnet worden ſeien. Die „Germania“ andererſeits ſucht in den katholiſchen Kreiſen den Kampf gegen die Vorlage zu entflammen. Dieſer Kampf ſoll durch Petitionen an das Herren- und Abgeordnetenhaus geführt werden. Auf nächſten Sonntag iſt eine große katholiſche Volksverſammlung anberaumt, von welcher die Petitionen votirt werden ſollen. Urſprünglich hat man lediglich dem Abgeordnetenhaus eine Petition übergeben wollen, heut aber bringt die „Ger- mania“ folgende Notiz: „Wir machen unſere Geſinnungsgenoſſen darauf auf- merkſam daß es ſich empfiehlt, die gegen den Schulaufſichts-Geſetzentwurf gerich- teten Petitionen in duplo anfertigen zu laſſen, und das eine Exemplar an das Haus der Abgeordneten, das andere an das Herrenhaus zu ſenden, weil beide Häuſer über das Schickſal des Geſetzentwurfs zu entſcheiden haben. Eile iſt geboten.“ Offenbar iſt der von der „Germania“ angegebene Grund der Angehung des Herrenhauſes nicht der eigentliche; man hat ſich vielmehr zu dieſem Schritte wahrſcheinlich deßhalb entſchloſſen, weil man von dem Herrenhaus eher eine Berückſichtigung der Petition erwartet als von dem Abgeordnetenhauſe. Freilich werden auch im Abgeordnetenhaus, und zwar nicht bloß auf der rechten, ſondern auch auf der linken Seite ſich Gegner des Entwurfs erheben. Die letzteren ſind Theoretiker welchen der Entwurf nicht weit genug geht. — Der Juſtizminiſter ſoll die untergebenen Organe angewieſen haben ſchleunigſt eine ſtatiſtiſche Feſtſtellung an- zufertigen, inwiefern in den letzten zwei Jahren Abänderungen der Erkenntniſſe erſter Inſtanz durch die Appellationsgerichte lediglich auf Grund einer andern Rechts- anſicht des zweiten Richters ſtattgefunden haben, oder eine Folge neuer Anführun- gen der Parteien geweſen ſind. Dieſe ſtatiſtiſche Feſtſtellung ſoll jedenfalls bei der weiteren Berathung der neuen Proceßordnung eine Rolle ſpielen, da der Entwurf bekanntlich neuen Partei-Anführungen in zweiter Inſtanz nicht zulaſſen will. — Das hier unter ſämmtliche Regimenter vertheilte Commando württembergiſcher Sergenten und Unterofficiere wird am 13 d. M. Berlin wieder verlaſſen und in ſeine Garniſonen zurückkehren. Die Geſammtſtärke desſelben betrug 128 Mann und war aus dem württembergiſchen Armeecorps derartig ausgezogen daß mit Ausnahme des 8. Regiments, welches in Straßburg ſteht, und eines Jäger- Bataillons, das in Colmar garniſonirt, je eine Compagnie einen Sergenten und einen Unterofficier abgab. Die Mannſchaften finden, wie die „Sp. Ztg.“ wiſſen will, den erlernten preußiſchen Dienſt durchaus nicht ſchwieriger oder ſtrenger als den ihrigen, ſie ſcheiden mit großem Bedauern von Berlin, da ſie überall mit größter Höflichkeit und Zuvorkommenheit aufgenommen wurden und haben dem Gewährsmann der „Sp. Ztg.“ verſichert daß es ihnen beſonders deßhalb ſo ge-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 12. Januar 1872, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine12_1872/12>, abgerufen am 31.10.2024.