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Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 13. Januar 1924.

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Allgemeine Zeitung
Süddeutsches Tagblatt Großdeutsche Rundschau
127. Jahrgang. Nr. 12
München, Sonntag den 13. Januar 1924.
Hauptschriftleitung und verantwortlich für Deutsche und Bayerische Politik:
Max Heilgemayr. -- Wirtschaftszeitung u. Auswärtige Politik: Josef Schrepfer.
-- Unpolitische Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. -- Kunst u. Musik: Albin v.
Probram-Gladona. -- Feuilleton u. Theater: Walter Fotzick. -- Anzeigenteil: Josef
Spiegel, sämtl. in München. -- Redaktion: München, Baaderstr. 1, Tel. 27940. -- Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerstr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk.
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Die Allgemeine Zeitung erscheint täglich. Bei Störung des Erscheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks besteht kein Anspruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-spaltige
Millimeterzeile im Inseratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10.
Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Postscheckkonto: München 8170.
Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München. Baaderstraße 1 und 1a. Telefon 24287.
Einzelpreis 10 Pfennig.

Französisches Heuchelspiel

Man wünscht angeblich Verhandlungen auf breiterer Grundlage

[Spaltenumbruch]

Sonderdienst der Allgem. Zeitung.


In politischen
Kreisen Frankreichs tritt das Interesse an
den technischen Ruhr- und Rheinfragen voll-
ständig zurüch hinter die Frage, ob Deutsch-
land zu den Unterhandlungen mit
Frankreich auf breitester Grund-
lage
bereit sei.

Herrn von Hoesch soll am Quai d'Orsai
erklärt worden sein, daß die im Memoran-
dum behandelten Probleme und überhaupt
alle zwischen Frankreich und Deutschland
schwebenden Einzelfragen ein ganz anderes
Aussehen bekommen werden, sobald man
sie von dem erhöhten Niveau einer General-
verhandlung über die Zukunft der
deutsch-französischen Beziehun-
gen
aus betrachten könnte.

Der deutschen Regierung sei also der Weg
gezeigt, der zu befriedigenden Lösungen der
Einzelfragen führen könne. Falls Deutsch-
land es ablehne, diesen höheren Verhand-
lungsboden zu betreten, so wäre es nach
französischer Auffassung ganz überflüssig,
sofort auf die im Memorandum behandelten
Einzelfragen und auf die abgelehnten deut-
schen Vorschläge zurückzukommen.

Die angeblich entgegenkommen-
den Erklärungen
, die Herr von Hoesch
am Quai d'Orsai erhalten hat, scheinen also
zu bedeuten, daß Frankreich die bestehenden
Verhandlungen über die Regelung der Ruhr-
und Rheinfrage abbrechen will und diesen
Abbruch nur durch das Verlangen nach
neuen Verhandlungen
auf breiterer
Grundlage zu markieren sucht.

Die Erläuterungen französischer politischer
Kreise zu der jetzigen Haltung Poincares
[Spaltenumbruch] besagen weiter, daß, wenn die deutsche Re-
gierung die technischen Fragen weiterhin in
den Vordergrund stellen und mit der Ab-
lehnung der deutschen Vorschläge in der
französischen Presse nur Propaganda trei-
ben sollte, daraus der Schluß gezogen wer-
den sollte, daß Deutschland eine umfassende
Verständigung mit Frankreich nicht wünsche.

Die Antwort wird nicht
veröffentlicht

Eine richtige Bewer-
tung der französischen und belgischen Antwort
auf die deutschen Vorschläge zu der künftigen
Gestaltung der Verhältnisse im besetzten Gebiet
wird erst möglich sein, wenn der Wortlaut
der beiden Noten
vorliegt.

Es ist nicht beabsichtigt, diesen Wortlaut zu
veröffentlichen, da nach einer deutsch-französischen
Vereinbarung die Vertraulichkeit der diploma-
tischen Verhandlungen gewahrt werden soll.

Soweit sich aus dem Inhalt der belgischen
Antwort
auch auf die französische
schließen läßt, die sicher in den sachlichen Fragen
nicht entgegenkommender sein wird, ergibt sich
daraus, daß die beiden Regierungen in der
aktuellen Frage der Rhein- und Ruhr-
verhältnisse
die deutschen Vorschläge ab-
lehnen,
dagegen für die zukünftige Gestal-
tung der deutsch-französischen und der deutsch-
belgischen Beziehungen gewisse Aussichten
eröffnen.

Bei genauerer Ueberprüfung ist es aber sehr
zweifelhaft, ob dieser günstige Eindruck sich auf-
recht erhalten läßt. Es fällt auf, daß der Wunsch
nach einer Ausdehnung der Verhandlungen vom
rein technischen Gebiet auf das gesamte wirt-
schaftspolitische Gebiet gerade von Frankreich
ausgeht, das bis jetzt stets erklären ließ, man
könne nur über technische Fragen mit der
Reichsregierung verhandeln und müsse jede
selbständige Lösung späteren Beratungen über-
lassen.

[Spaltenumbruch]
Der Standpunkt der Reichs-
regierung

Die Reichsregierung
würde, wenn es wahr wäre, daß die fran-
zösischen Wünsche nach Ausdehnung
der Verhandlungsbasis
ehrlich ge-
meint sind, darauf hinweisen, daß die seiner-
zeit unter der Kanzlerschaft Dr. Cuno
vorgelegten deutschen Reparationsvorschläge
auch heute noch eine geeignete Grundlage
für eine ernsthafte Diskussion bieten können.

Für die Finanzierung deutscher Sachliefe-
rungen nach diesen Reparationsvorschlägen
wäre allerdings eine internationale
Anleihe
notwendig, da das Reich selbst
im jetzigen Zustand seiner Finanzen Sach-
lieferungen nicht sofort bezah-
len
könnte.

Voraussetzung dafür, daß die Reichsregie-
rung sich auf eine Erörterung des gesamten
Problems einlassen kann, ist die Herstel-
lung der Grenzen des Reiches

und die Achtung der deutschen Souveränität
innerhalb dieser Grenzen auf Grund der
abgeschlossenen Verträge, wobei es für die
Reichsregierung selbstverständlich ist, daß
auch die Freigabe der besetzten Gebiete nach
Maßgabe der vertraglichen Bestim-
mungen
in den dafür vorgesehenen Fri-
sten stattfindet. Deutsche Leistungen können
jedenfalls nur aufgebracht werden, wenn
der Erfolg die Wiedererlangung der deut-
schen Freiheit
ist.



[Spaltenumbruch]
Um die Rheinpfalz
England drückt auf Poincare

Die Protestnote, welche
die Botschaft in Paris und die Gesandtschaft
in Brüssel zu überreichen angewiesen wur-
den, hat folgenden Wortlaut:

Es mehren sich die Anzeichen daß die In-
teralliierte Rheinlandskommission in immer
fortschreitendem Maße die sogen. Re-
gierung der "Autonomen Pfalz"

als die Inhaberin der legitimen Regie-
rungsgewalt in der bayerischen Pfalz an-
erkennt
. So ist der deutschen Reichs-
regierung bekanntgeworden, daß die Inter-
alliierte Rheinlandskommission Verordnun-
gen dieser sog. Regierung am 2. Januar regi-
striert hat. Dies wird bestätigt durch eine
Bekanntmachung des französi-
schen Kreisdelegierten in Zwei-
brücken
, Oberstleutnant Defort, die in den
Pfälzer Blättern veröffentlicht wird und
folgenden Wortlaut hat:

"Nachdem die Interalliierte Rheinlands-
kommission die Verordnungen der Regie-
rung der Autonomen Pfalz, die ihr von
dieser zur Genehmigung unterbreitet wur-
den, am 2. Januar 1924 amtlich eingetragen
hat, muß die Bekanntmachung des Delegier-
ten von Zweibrücken vom 4. Januar 1924
an die dortigen bayerischen Behörden als
null und nichtig betrachtet werden. Gezeich-
net Defort."

Zum Verständnis dieser Bekanntmachung
mag bemerkt werden, daß die in der bevor-
stehenden Bekanntmachung widerrufene
frühere Verlautbarung des Kreisdelegierten
dahin gegangen wäre, daß die Regierung
[Spaltenumbruch] der Autonomen Pfalz nicht offiziell aner-
kannt sei und daß deshalb die Interalliierte
Rheinlandskommission ihre Verordnungen
nicht registriert habe. Es steht also fest, daß
die Interalliierte Rheinlandskommission
die Anführer des hoch verräteri-
schen Unternehmens
in der Pfalz in
aller Form als legitime gesetz-
gebende Gewalt
anerkennt.

Die deutsche Regierung legt gegen diesen
unerhörten Vorgang Verwahrung ein und
fordert, daß die dortige Regierung sofort
dagegen einschreitet.


Amtlich wird gemeldet:
Die englische Regierung hat sich energisch für
eine unvoreingenommene und unmittelbare Un-
tersuchung der separatistischen Be-
wegung in der Pfalz
eingesetzt. Die eng-
lische Regierung kann sich gegenwärtig nicht mit
dem Hinweis zufrieden geben, daß diese Bewe-
gung der spontane Ausdruck des Wunsches der
Bevölkerung ist, sich vom Deutschen Reiche los-
zutrennen. Lord Kilmarnock, der englische
Vertreter in der Rheinlandskommission, hat kürz-
lich gegen die Registrierung der separatistischen
autonomen Regierung der Pfalz gestimmt. Nach
englischer Auffassung ist es unverständlich, daß,
wenn eine solche autonome Regierungsform dem
allgemeinen Wunsche der Bevölkerung entsprochen
hätte, sie nicht auf dem vorgeschriebenen verfas-
sungsmäßigen Wege herbeigeführt werde. Die
Frage kann nach englischer Auffassung nur nach
den Bestimmungen der Weimarer Verfas-
sung
entschieden werden, und man ist in Lon-
don der Auffassung, daß die Rheinlandskommis-
sion unter keinen Umständen berech-
tigt
ist, die Anerkennung irgendeines autonom
gewordenen Teiles des Deutschen Reiches auszu-
sprechen.


Der "Daily Telegraph"
meldet, daß die englische Regierung
trotz des Einspruches der französischen Re-
gierung den englischen General-
[Spaltenumbruch] konsul in München nach der Pfalz

entsandt habe, um die Lage in diesem Ge-
biete an Ort und Stelle zu prüfen.

Französischer Schwindel

Das W.T.B. verbreitet
eine französische Meldung, wonach der
französische Delegierte in Ludwigshafen, Mene-
trier
, einen Brief bekommen habe, unterschrie-
ben von 5 Oberländern, die sich des Atten-
tats auf Heinz
rühmen. Französischerseits
sucht man mit dieser Meldung die Tat auf eine
bayerische Organisation zurückzu-
führen.

Die Meldung ist natürlich ein franzö-
sischer Schwindel
. Ihr gegenüber muß
mit aller Entschiedenheit festgestellt werden, daß
als Täter Leute aus dem rechtsrheinischen
Bayern nach Lage der Dinge nicht in Frage
kommen können.

Die Rheinische Goldnotenbank

In der gestrigen Sitzung der
Handelskammer wurde Geheimrat Louis Hagen
einstimmig zum Präsidenten wiedergewählt. Die-
ser führte dann in einer Vorschau auf die wich-
tigsten Aufgaben des neuen Jahres aus:

Seit gestern sei in der Frage der Rheinisch-
westfälischen Goldnotenbank eine Wendung zum
Bessern eingetreten. In einer gründlichen Aus-
sprache mit der Reichsregierung sei es gelungen,
sie davon zu überzeugen, daß die Zulassung der
Goldnotenbank unter gewissen Kautelen im deut-
schen Gesamtinteresse liege und so schnell wie mög-
lich durchgesetzt werden müsse. Er sei heute in
Besitz eines Briefes des Reichskanzlers gelangt,
der eine Bestätigung der Aussprache enthalte.

Er müsse wünschen, daß diese Bedingungen, die
das äußerste Entgegenkommen der Reichregierung
darstellen, von den Franzosen und Belgiern ange-
nommen würden und er hoffe, daß man in Kob-
lenz Verständnis dafür zeige, daß die Frage
nicht einseitig geregelt, sondern im gegenseitigen
Einverständnis gelöst werden müsse.

Die Auflösung der italienischen Kammer

Nach dem "Giornale d'Italia"
hat der König bereits das Dekret über die Auf-
lösung der Kammer unterzeichnet. Es soll am
nächsten Donnerstaa veröffentlicht werden.

[Spaltenumbruch]
Möglichkeiten deutscher Politik

Die politische und wirtschaftliche Lage
unseres Vaterlandes ist so unsicher, daß es
nicht nur eines heißen Herzens, sondern
auch eines kühlen Kopfes bedarf, um uns
alle vor dem Schlimmsten zu bewahren. Die
Vorgänge jüngst in München zeigen doch
mit erschreckender Deutlichkeit, wohin auch
edelste nationale Begeisterung führen kann,
wenn sie nicht von nüchterner Erkenntnis
der Tatsachen und der jeweils vorhandenen
Möglichkeiten gelenkt und gezügelt wird.
Diese Erkenntnis ist die unerfreulichste, die
sich für den tatkräftigen Politiker und erst
recht für tatenfrohe Jugend ergeben kann:
die Unmöglichkeit zu entschiedenem, auf ein
nahes Ziel eingestelltem Handeln.

Bestimmend für unser Schicksal ist die
außenpolitische Lage, die Wucht des
verlorenen Krieges. Teils durch feindliche
Uebermacht gezwungen, teils durch unbe-
greifliche Selbstbezichtigung und Selbst-
entwaffnung haben wir uns unter ein Joch
gebeugt, das wir weder tragen noch ab-
schütteln können. Restlos erfüllen können
wir nicht. Nicht nur deswegen, weil die uns
auferlegten Verpflichtungen über unsere
Kräfte gehen, sondern vor allem deswegen,
weil unser schlimmster und zurzeit mäch-
tigster Feind, Poincare, gar nicht will, daß
wir erfüllen. Er erstrebt nicht Wieder-
gutmachung, sondern Sicherheit und Vor-
herrschaft. Beides glaubt er nur durch die
völlige Erniedrigung und Zertrümmerung
der politischen und wirtschaftlichen Groß-
macht Deutschland erreichen zu können.
Sein Vorgehen ist viel zu logisch, als daß
wir mit seiner Aenderung anders als unter
einem Zwange rechnen dürfen.

Diesen Zwang können wir heute nicht
ausüben. Vorwürfe über begangene Dumm-
heiten bringen uns nicht weiter Wir sind
entwaffnet und nicht in der Lage, einen
Krieg gegen Frankreich zu führen. Zu
einem Kampfe, wie ihn vor hundert Jahren
Spanien gegen Napoleon führte, einem bar-
barischen Kleinkriege mit Gift und Dolch,
der heute zweifellos zunächst ganze Städte
und Industriebezirke in Trümmer legen
würde, ist die seelische Voraussetzung im
deutschen Volke nicht gegeben.

Bei Erkenntnis dieser Tatsachen bleibt
unserer auswärtigen Politik nichts übrig,
als zwischen den beiden Extremen zu
lavieren: nach Möglichkeit zu leisten, wozu
wir uns verpflichtet haben; gegen unbe-
rechtigte Forderungen Widerstand zu
leisten; vor allem der Schuldlüge ent-
gegenzuwirken und die gerechtere Beurtei-
lung der Vergangenheit durchzusetzen. Wir
müssen warten lernen; warten auf den
Umschwung, der kommen muß, weil die
Versailler Regelung keine dauernd mögliche
ist: warten auf die Isolierung Frankreichs,
die England, Amerika und andere in offene
Feindschaft zu unserem westlichen Nachbarn
bringt; warten auf die Zeit, die uns die
Möglichkeit einer Abschüttelung des Ver-
sailler Joches bringt. Diese Zeit muß
kommen. Unsere wichtigste politische Auf-
gabe ist, uns so lange am Leben und
bei Kräften zu erhalten, daß wir dann
innerlich und äußerlich gerüstet und bereit
sind.

Von dieser Aufgabe muß auch die In-
nenpolitik
beherrscht sein, die nach dem
Worte Rankes unter dem Primate der
Außenpolitik steht. Sie muß sammeln und
schonen, erhalten und aufbauen; muß vor
allem sich im Rahmen des Möglichen hal-
ten und darf nicht dazu führen, daß die we-
nigen Kräfte, die uns noch verblieben sind,
sich im Bruderkampfe verzehren.

Man empfiehlt die Reichstagsauf-
lösung
. Und es mag sein, daß der heutige
Reichstag nicht mehr der Stimmung der


Allgemeine Zeitung
Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau
127. Jahrgang. Nr. 12
München, Sonntag den 13. Januar 1924.
Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik:
Max Heilgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer.
Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v.
Probram-Gladona. — Feuilleton u. Theater: Walter Fotzick. — Anzeigenteil: Joſef
Spiegel, ſämtl. in München. — Redaktion: München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk.
[Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige
Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10.
Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170.
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Einzelpreis 10 Pfennig.

Franzöſiſches Heuchelſpiel

Man wünſcht angeblich Verhandlungen auf breiterer Grundlage

[Spaltenumbruch]

Sonderdienſt der Allgem. Zeitung.


In politiſchen
Kreiſen Frankreichs tritt das Intereſſe an
den techniſchen Ruhr- und Rheinfragen voll-
ſtändig zurüch hinter die Frage, ob Deutſch-
land zu den Unterhandlungen mit
Frankreich auf breiteſter Grund-
lage
bereit ſei.

Herrn von Hoeſch ſoll am Quai d’Orſai
erklärt worden ſein, daß die im Memoran-
dum behandelten Probleme und überhaupt
alle zwiſchen Frankreich und Deutſchland
ſchwebenden Einzelfragen ein ganz anderes
Ausſehen bekommen werden, ſobald man
ſie von dem erhöhten Niveau einer General-
verhandlung über die Zukunft der
deutſch-franzöſiſchen Beziehun-
gen
aus betrachten könnte.

Der deutſchen Regierung ſei alſo der Weg
gezeigt, der zu befriedigenden Löſungen der
Einzelfragen führen könne. Falls Deutſch-
land es ablehne, dieſen höheren Verhand-
lungsboden zu betreten, ſo wäre es nach
franzöſiſcher Auffaſſung ganz überflüſſig,
ſofort auf die im Memorandum behandelten
Einzelfragen und auf die abgelehnten deut-
ſchen Vorſchläge zurückzukommen.

Die angeblich entgegenkommen-
den Erklärungen
, die Herr von Hoeſch
am Quai d’Orſai erhalten hat, ſcheinen alſo
zu bedeuten, daß Frankreich die beſtehenden
Verhandlungen über die Regelung der Ruhr-
und Rheinfrage abbrechen will und dieſen
Abbruch nur durch das Verlangen nach
neuen Verhandlungen
auf breiterer
Grundlage zu markieren ſucht.

Die Erläuterungen franzöſiſcher politiſcher
Kreiſe zu der jetzigen Haltung Poincarés
[Spaltenumbruch] beſagen weiter, daß, wenn die deutſche Re-
gierung die techniſchen Fragen weiterhin in
den Vordergrund ſtellen und mit der Ab-
lehnung der deutſchen Vorſchläge in der
franzöſiſchen Preſſe nur Propaganda trei-
ben ſollte, daraus der Schluß gezogen wer-
den ſollte, daß Deutſchland eine umfaſſende
Verſtändigung mit Frankreich nicht wünſche.

Die Antwort wird nicht
veröffentlicht

Eine richtige Bewer-
tung der franzöſiſchen und belgiſchen Antwort
auf die deutſchen Vorſchläge zu der künftigen
Geſtaltung der Verhältniſſe im beſetzten Gebiet
wird erſt möglich ſein, wenn der Wortlaut
der beiden Noten
vorliegt.

Es iſt nicht beabſichtigt, dieſen Wortlaut zu
veröffentlichen, da nach einer deutſch-franzöſiſchen
Vereinbarung die Vertraulichkeit der diploma-
tiſchen Verhandlungen gewahrt werden ſoll.

Soweit ſich aus dem Inhalt der belgiſchen
Antwort
auch auf die franzöſiſche
ſchließen läßt, die ſicher in den ſachlichen Fragen
nicht entgegenkommender ſein wird, ergibt ſich
daraus, daß die beiden Regierungen in der
aktuellen Frage der Rhein- und Ruhr-
verhältniſſe
die deutſchen Vorſchläge ab-
lehnen,
dagegen für die zukünftige Geſtal-
tung der deutſch-franzöſiſchen und der deutſch-
belgiſchen Beziehungen gewiſſe Ausſichten
eröffnen.

Bei genauerer Ueberprüfung iſt es aber ſehr
zweifelhaft, ob dieſer günſtige Eindruck ſich auf-
recht erhalten läßt. Es fällt auf, daß der Wunſch
nach einer Ausdehnung der Verhandlungen vom
rein techniſchen Gebiet auf das geſamte wirt-
ſchaftspolitiſche Gebiet gerade von Frankreich
ausgeht, das bis jetzt ſtets erklären ließ, man
könne nur über techniſche Fragen mit der
Reichsregierung verhandeln und müſſe jede
ſelbſtändige Löſung ſpäteren Beratungen über-
laſſen.

[Spaltenumbruch]
Der Standpunkt der Reichs-
regierung

Die Reichsregierung
würde, wenn es wahr wäre, daß die fran-
zöſiſchen Wünſche nach Ausdehnung
der Verhandlungsbaſis
ehrlich ge-
meint ſind, darauf hinweiſen, daß die ſeiner-
zeit unter der Kanzlerſchaft Dr. Cuno
vorgelegten deutſchen Reparationsvorſchläge
auch heute noch eine geeignete Grundlage
für eine ernſthafte Diskuſſion bieten können.

Für die Finanzierung deutſcher Sachliefe-
rungen nach dieſen Reparationsvorſchlägen
wäre allerdings eine internationale
Anleihe
notwendig, da das Reich ſelbſt
im jetzigen Zuſtand ſeiner Finanzen Sach-
lieferungen nicht ſofort bezah-
len
könnte.

Vorausſetzung dafür, daß die Reichsregie-
rung ſich auf eine Erörterung des geſamten
Problems einlaſſen kann, iſt die Herſtel-
lung der Grenzen des Reiches

und die Achtung der deutſchen Souveränität
innerhalb dieſer Grenzen auf Grund der
abgeſchloſſenen Verträge, wobei es für die
Reichsregierung ſelbſtverſtändlich iſt, daß
auch die Freigabe der beſetzten Gebiete nach
Maßgabe der vertraglichen Beſtim-
mungen
in den dafür vorgeſehenen Fri-
ſten ſtattfindet. Deutſche Leiſtungen können
jedenfalls nur aufgebracht werden, wenn
der Erfolg die Wiedererlangung der deut-
ſchen Freiheit
iſt.



[Spaltenumbruch]
Um die Rheinpfalz
England drückt auf Poincaré

Die Proteſtnote, welche
die Botſchaft in Paris und die Geſandtſchaft
in Brüſſel zu überreichen angewieſen wur-
den, hat folgenden Wortlaut:

Es mehren ſich die Anzeichen daß die In-
teralliierte Rheinlandskommiſſion in immer
fortſchreitendem Maße die ſogen. Re-
gierung der „Autonomen Pfalz“

als die Inhaberin der legitimen Regie-
rungsgewalt in der bayeriſchen Pfalz an-
erkennt
. So iſt der deutſchen Reichs-
regierung bekanntgeworden, daß die Inter-
alliierte Rheinlandskommiſſion Verordnun-
gen dieſer ſog. Regierung am 2. Januar regi-
ſtriert hat. Dies wird beſtätigt durch eine
Bekanntmachung des franzöſi-
ſchen Kreisdelegierten in Zwei-
brücken
, Oberſtleutnant Defort, die in den
Pfälzer Blättern veröffentlicht wird und
folgenden Wortlaut hat:

„Nachdem die Interalliierte Rheinlands-
kommiſſion die Verordnungen der Regie-
rung der Autonomen Pfalz, die ihr von
dieſer zur Genehmigung unterbreitet wur-
den, am 2. Januar 1924 amtlich eingetragen
hat, muß die Bekanntmachung des Delegier-
ten von Zweibrücken vom 4. Januar 1924
an die dortigen bayeriſchen Behörden als
null und nichtig betrachtet werden. Gezeich-
net Defort.“

Zum Verſtändnis dieſer Bekanntmachung
mag bemerkt werden, daß die in der bevor-
ſtehenden Bekanntmachung widerrufene
frühere Verlautbarung des Kreisdelegierten
dahin gegangen wäre, daß die Regierung
[Spaltenumbruch] der Autonomen Pfalz nicht offiziell aner-
kannt ſei und daß deshalb die Interalliierte
Rheinlandskommiſſion ihre Verordnungen
nicht regiſtriert habe. Es ſteht alſo feſt, daß
die Interalliierte Rheinlandskommiſſion
die Anführer des hoch verräteri-
ſchen Unternehmens
in der Pfalz in
aller Form als legitime geſetz-
gebende Gewalt
anerkennt.

Die deutſche Regierung legt gegen dieſen
unerhörten Vorgang Verwahrung ein und
fordert, daß die dortige Regierung ſofort
dagegen einſchreitet.


Amtlich wird gemeldet:
Die engliſche Regierung hat ſich energiſch für
eine unvoreingenommene und unmittelbare Un-
terſuchung der ſeparatiſtiſchen Be-
wegung in der Pfalz
eingeſetzt. Die eng-
liſche Regierung kann ſich gegenwärtig nicht mit
dem Hinweis zufrieden geben, daß dieſe Bewe-
gung der ſpontane Ausdruck des Wunſches der
Bevölkerung iſt, ſich vom Deutſchen Reiche los-
zutrennen. Lord Kilmarnock, der engliſche
Vertreter in der Rheinlandskommiſſion, hat kürz-
lich gegen die Regiſtrierung der ſeparatiſtiſchen
autonomen Regierung der Pfalz geſtimmt. Nach
engliſcher Auffaſſung iſt es unverſtändlich, daß,
wenn eine ſolche autonome Regierungsform dem
allgemeinen Wunſche der Bevölkerung entſprochen
hätte, ſie nicht auf dem vorgeſchriebenen verfaſ-
ſungsmäßigen Wege herbeigeführt werde. Die
Frage kann nach engliſcher Auffaſſung nur nach
den Beſtimmungen der Weimarer Verfaſ-
ſung
entſchieden werden, und man iſt in Lon-
don der Auffaſſung, daß die Rheinlandskommiſ-
ſion unter keinen Umſtänden berech-
tigt
iſt, die Anerkennung irgendeines autonom
gewordenen Teiles des Deutſchen Reiches auszu-
ſprechen.


Der „Daily Telegraph“
meldet, daß die engliſche Regierung
trotz des Einſpruches der franzöſiſchen Re-
gierung den engliſchen General-
[Spaltenumbruch] konſul in München nach der Pfalz

entſandt habe, um die Lage in dieſem Ge-
biete an Ort und Stelle zu prüfen.

Franzöſiſcher Schwindel

Das W.T.B. verbreitet
eine franzöſiſche Meldung, wonach der
franzöſiſche Delegierte in Ludwigshafen, Mene-
trier
, einen Brief bekommen habe, unterſchrie-
ben von 5 Oberländern, die ſich des Atten-
tats auf Heinz
rühmen. Franzöſiſcherſeits
ſucht man mit dieſer Meldung die Tat auf eine
bayeriſche Organiſation zurückzu-
führen.

Die Meldung iſt natürlich ein franzö-
ſiſcher Schwindel
. Ihr gegenüber muß
mit aller Entſchiedenheit feſtgeſtellt werden, daß
als Täter Leute aus dem rechtsrheiniſchen
Bayern nach Lage der Dinge nicht in Frage
kommen können.

Die Rheiniſche Goldnotenbank

In der geſtrigen Sitzung der
Handelskammer wurde Geheimrat Louis Hagen
einſtimmig zum Präſidenten wiedergewählt. Die-
ſer führte dann in einer Vorſchau auf die wich-
tigſten Aufgaben des neuen Jahres aus:

Seit geſtern ſei in der Frage der Rheiniſch-
weſtfäliſchen Goldnotenbank eine Wendung zum
Beſſern eingetreten. In einer gründlichen Aus-
ſprache mit der Reichsregierung ſei es gelungen,
ſie davon zu überzeugen, daß die Zulaſſung der
Goldnotenbank unter gewiſſen Kautelen im deut-
ſchen Geſamtintereſſe liege und ſo ſchnell wie mög-
lich durchgeſetzt werden müſſe. Er ſei heute in
Beſitz eines Briefes des Reichskanzlers gelangt,
der eine Beſtätigung der Ausſprache enthalte.

Er müſſe wünſchen, daß dieſe Bedingungen, die
das äußerſte Entgegenkommen der Reichregierung
darſtellen, von den Franzoſen und Belgiern ange-
nommen würden und er hoffe, daß man in Kob-
lenz Verſtändnis dafür zeige, daß die Frage
nicht einſeitig geregelt, ſondern im gegenſeitigen
Einverſtändnis gelöſt werden müſſe.

Die Auflöſung der italieniſchen Kammer

Nach dem „Giornale d’Italia“
hat der König bereits das Dekret über die Auf-
löſung der Kammer unterzeichnet. Es ſoll am
nächſten Donnerstaa veröffentlicht werden.

[Spaltenumbruch]
Möglichkeiten deutſcher Politik

Die politiſche und wirtſchaftliche Lage
unſeres Vaterlandes iſt ſo unſicher, daß es
nicht nur eines heißen Herzens, ſondern
auch eines kühlen Kopfes bedarf, um uns
alle vor dem Schlimmſten zu bewahren. Die
Vorgänge jüngſt in München zeigen doch
mit erſchreckender Deutlichkeit, wohin auch
edelſte nationale Begeiſterung führen kann,
wenn ſie nicht von nüchterner Erkenntnis
der Tatſachen und der jeweils vorhandenen
Möglichkeiten gelenkt und gezügelt wird.
Dieſe Erkenntnis iſt die unerfreulichſte, die
ſich für den tatkräftigen Politiker und erſt
recht für tatenfrohe Jugend ergeben kann:
die Unmöglichkeit zu entſchiedenem, auf ein
nahes Ziel eingeſtelltem Handeln.

Beſtimmend für unſer Schickſal iſt die
außenpolitiſche Lage, die Wucht des
verlorenen Krieges. Teils durch feindliche
Uebermacht gezwungen, teils durch unbe-
greifliche Selbſtbezichtigung und Selbſt-
entwaffnung haben wir uns unter ein Joch
gebeugt, das wir weder tragen noch ab-
ſchütteln können. Reſtlos erfüllen können
wir nicht. Nicht nur deswegen, weil die uns
auferlegten Verpflichtungen über unſere
Kräfte gehen, ſondern vor allem deswegen,
weil unſer ſchlimmſter und zurzeit mäch-
tigſter Feind, Poincaré, gar nicht will, daß
wir erfüllen. Er erſtrebt nicht Wieder-
gutmachung, ſondern Sicherheit und Vor-
herrſchaft. Beides glaubt er nur durch die
völlige Erniedrigung und Zertrümmerung
der politiſchen und wirtſchaftlichen Groß-
macht Deutſchland erreichen zu können.
Sein Vorgehen iſt viel zu logiſch, als daß
wir mit ſeiner Aenderung anders als unter
einem Zwange rechnen dürfen.

Dieſen Zwang können wir heute nicht
ausüben. Vorwürfe über begangene Dumm-
heiten bringen uns nicht weiter Wir ſind
entwaffnet und nicht in der Lage, einen
Krieg gegen Frankreich zu führen. Zu
einem Kampfe, wie ihn vor hundert Jahren
Spanien gegen Napoleon führte, einem bar-
bariſchen Kleinkriege mit Gift und Dolch,
der heute zweifellos zunächſt ganze Städte
und Induſtriebezirke in Trümmer legen
würde, iſt die ſeeliſche Vorausſetzung im
deutſchen Volke nicht gegeben.

Bei Erkenntnis dieſer Tatſachen bleibt
unſerer auswärtigen Politik nichts übrig,
als zwiſchen den beiden Extremen zu
lavieren: nach Möglichkeit zu leiſten, wozu
wir uns verpflichtet haben; gegen unbe-
rechtigte Forderungen Widerſtand zu
leiſten; vor allem der Schuldlüge ent-
gegenzuwirken und die gerechtere Beurtei-
lung der Vergangenheit durchzuſetzen. Wir
müſſen warten lernen; warten auf den
Umſchwung, der kommen muß, weil die
Verſailler Regelung keine dauernd mögliche
iſt: warten auf die Iſolierung Frankreichs,
die England, Amerika und andere in offene
Feindſchaft zu unſerem weſtlichen Nachbarn
bringt; warten auf die Zeit, die uns die
Möglichkeit einer Abſchüttelung des Ver-
ſailler Joches bringt. Dieſe Zeit muß
kommen. Unſere wichtigſte politiſche Auf-
gabe iſt, uns ſo lange am Leben und
bei Kräften zu erhalten, daß wir dann
innerlich und äußerlich gerüſtet und bereit
ſind.

Von dieſer Aufgabe muß auch die In-
nenpolitik
beherrſcht ſein, die nach dem
Worte Rankes unter dem Primate der
Außenpolitik ſteht. Sie muß ſammeln und
ſchonen, erhalten und aufbauen; muß vor
allem ſich im Rahmen des Möglichen hal-
ten und darf nicht dazu führen, daß die we-
nigen Kräfte, die uns noch verblieben ſind,
ſich im Bruderkampfe verzehren.

Man empfiehlt die Reichstagsauf-
löſung
. Und es mag ſein, daß der heutige
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          <docDate> <hi rendition="#b"> Sonntag den 13. Januar 1924.</hi> </docDate>
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Spiegel, &#x017F;ämtl. in München. &#x2014; <hi rendition="#g">Redaktion</hi>: München, Baader&#x017F;tr. 1, Tel. 27940. &#x2014; Berliner<lb/>
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[0001] Allgemeine Zeitung Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau127. Jahrgang. Nr. 12 München, Sonntag den 13. Januar 1924. Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik: Max Heilgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer. — Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v. Probram-Gladona. — Feuilleton u. Theater: Walter Fotzick. — Anzeigenteil: Joſef Spiegel, ſämtl. in München. — Redaktion: München, Baaderſtr. 1, Tel. 27940. — Berliner Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9, Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk. [Abbildung] Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be- zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10. Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170. Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München. Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287. Einzelpreis 10 Pfennig. Franzöſiſches Heuchelſpiel Man wünſcht angeblich Verhandlungen auf breiterer Grundlage Sonderdienſt der Allgem. Zeitung. * Paris, 12. Januar. In politiſchen Kreiſen Frankreichs tritt das Intereſſe an den techniſchen Ruhr- und Rheinfragen voll- ſtändig zurüch hinter die Frage, ob Deutſch- land zu den Unterhandlungen mit Frankreich auf breiteſter Grund- lage bereit ſei. Herrn von Hoeſch ſoll am Quai d’Orſai erklärt worden ſein, daß die im Memoran- dum behandelten Probleme und überhaupt alle zwiſchen Frankreich und Deutſchland ſchwebenden Einzelfragen ein ganz anderes Ausſehen bekommen werden, ſobald man ſie von dem erhöhten Niveau einer General- verhandlung über die Zukunft der deutſch-franzöſiſchen Beziehun- gen aus betrachten könnte. Der deutſchen Regierung ſei alſo der Weg gezeigt, der zu befriedigenden Löſungen der Einzelfragen führen könne. Falls Deutſch- land es ablehne, dieſen höheren Verhand- lungsboden zu betreten, ſo wäre es nach franzöſiſcher Auffaſſung ganz überflüſſig, ſofort auf die im Memorandum behandelten Einzelfragen und auf die abgelehnten deut- ſchen Vorſchläge zurückzukommen. Die angeblich entgegenkommen- den Erklärungen, die Herr von Hoeſch am Quai d’Orſai erhalten hat, ſcheinen alſo zu bedeuten, daß Frankreich die beſtehenden Verhandlungen über die Regelung der Ruhr- und Rheinfrage abbrechen will und dieſen Abbruch nur durch das Verlangen nach neuen Verhandlungen auf breiterer Grundlage zu markieren ſucht. Die Erläuterungen franzöſiſcher politiſcher Kreiſe zu der jetzigen Haltung Poincarés beſagen weiter, daß, wenn die deutſche Re- gierung die techniſchen Fragen weiterhin in den Vordergrund ſtellen und mit der Ab- lehnung der deutſchen Vorſchläge in der franzöſiſchen Preſſe nur Propaganda trei- ben ſollte, daraus der Schluß gezogen wer- den ſollte, daß Deutſchland eine umfaſſende Verſtändigung mit Frankreich nicht wünſche. Die Antwort wird nicht veröffentlicht * Berlin, 12. Jan. Eine richtige Bewer- tung der franzöſiſchen und belgiſchen Antwort auf die deutſchen Vorſchläge zu der künftigen Geſtaltung der Verhältniſſe im beſetzten Gebiet wird erſt möglich ſein, wenn der Wortlaut der beiden Noten vorliegt. Es iſt nicht beabſichtigt, dieſen Wortlaut zu veröffentlichen, da nach einer deutſch-franzöſiſchen Vereinbarung die Vertraulichkeit der diploma- tiſchen Verhandlungen gewahrt werden ſoll. Soweit ſich aus dem Inhalt der belgiſchen Antwort auch auf die franzöſiſche ſchließen läßt, die ſicher in den ſachlichen Fragen nicht entgegenkommender ſein wird, ergibt ſich daraus, daß die beiden Regierungen in der aktuellen Frage der Rhein- und Ruhr- verhältniſſe die deutſchen Vorſchläge ab- lehnen, dagegen für die zukünftige Geſtal- tung der deutſch-franzöſiſchen und der deutſch- belgiſchen Beziehungen gewiſſe Ausſichten eröffnen. Bei genauerer Ueberprüfung iſt es aber ſehr zweifelhaft, ob dieſer günſtige Eindruck ſich auf- recht erhalten läßt. Es fällt auf, daß der Wunſch nach einer Ausdehnung der Verhandlungen vom rein techniſchen Gebiet auf das geſamte wirt- ſchaftspolitiſche Gebiet gerade von Frankreich ausgeht, das bis jetzt ſtets erklären ließ, man könne nur über techniſche Fragen mit der Reichsregierung verhandeln und müſſe jede ſelbſtändige Löſung ſpäteren Beratungen über- laſſen. Der Standpunkt der Reichs- regierung * Berlin, 12. Jan. Die Reichsregierung würde, wenn es wahr wäre, daß die fran- zöſiſchen Wünſche nach Ausdehnung der Verhandlungsbaſis ehrlich ge- meint ſind, darauf hinweiſen, daß die ſeiner- zeit unter der Kanzlerſchaft Dr. Cuno vorgelegten deutſchen Reparationsvorſchläge auch heute noch eine geeignete Grundlage für eine ernſthafte Diskuſſion bieten können. Für die Finanzierung deutſcher Sachliefe- rungen nach dieſen Reparationsvorſchlägen wäre allerdings eine internationale Anleihe notwendig, da das Reich ſelbſt im jetzigen Zuſtand ſeiner Finanzen Sach- lieferungen nicht ſofort bezah- len könnte. Vorausſetzung dafür, daß die Reichsregie- rung ſich auf eine Erörterung des geſamten Problems einlaſſen kann, iſt die Herſtel- lung der Grenzen des Reiches und die Achtung der deutſchen Souveränität innerhalb dieſer Grenzen auf Grund der abgeſchloſſenen Verträge, wobei es für die Reichsregierung ſelbſtverſtändlich iſt, daß auch die Freigabe der beſetzten Gebiete nach Maßgabe der vertraglichen Beſtim- mungen in den dafür vorgeſehenen Fri- ſten ſtattfindet. Deutſche Leiſtungen können jedenfalls nur aufgebracht werden, wenn der Erfolg die Wiedererlangung der deut- ſchen Freiheit iſt. Um die Rheinpfalz England drückt auf Poincaré Berlin, 12. Jan. Die Proteſtnote, welche die Botſchaft in Paris und die Geſandtſchaft in Brüſſel zu überreichen angewieſen wur- den, hat folgenden Wortlaut: Es mehren ſich die Anzeichen daß die In- teralliierte Rheinlandskommiſſion in immer fortſchreitendem Maße die ſogen. Re- gierung der „Autonomen Pfalz“ als die Inhaberin der legitimen Regie- rungsgewalt in der bayeriſchen Pfalz an- erkennt. So iſt der deutſchen Reichs- regierung bekanntgeworden, daß die Inter- alliierte Rheinlandskommiſſion Verordnun- gen dieſer ſog. Regierung am 2. Januar regi- ſtriert hat. Dies wird beſtätigt durch eine Bekanntmachung des franzöſi- ſchen Kreisdelegierten in Zwei- brücken, Oberſtleutnant Defort, die in den Pfälzer Blättern veröffentlicht wird und folgenden Wortlaut hat: „Nachdem die Interalliierte Rheinlands- kommiſſion die Verordnungen der Regie- rung der Autonomen Pfalz, die ihr von dieſer zur Genehmigung unterbreitet wur- den, am 2. Januar 1924 amtlich eingetragen hat, muß die Bekanntmachung des Delegier- ten von Zweibrücken vom 4. Januar 1924 an die dortigen bayeriſchen Behörden als null und nichtig betrachtet werden. Gezeich- net Defort.“ Zum Verſtändnis dieſer Bekanntmachung mag bemerkt werden, daß die in der bevor- ſtehenden Bekanntmachung widerrufene frühere Verlautbarung des Kreisdelegierten dahin gegangen wäre, daß die Regierung der Autonomen Pfalz nicht offiziell aner- kannt ſei und daß deshalb die Interalliierte Rheinlandskommiſſion ihre Verordnungen nicht regiſtriert habe. Es ſteht alſo feſt, daß die Interalliierte Rheinlandskommiſſion die Anführer des hoch verräteri- ſchen Unternehmens in der Pfalz in aller Form als legitime geſetz- gebende Gewalt anerkennt. Die deutſche Regierung legt gegen dieſen unerhörten Vorgang Verwahrung ein und fordert, daß die dortige Regierung ſofort dagegen einſchreitet. London, 12. Januar. Amtlich wird gemeldet: Die engliſche Regierung hat ſich energiſch für eine unvoreingenommene und unmittelbare Un- terſuchung der ſeparatiſtiſchen Be- wegung in der Pfalz eingeſetzt. Die eng- liſche Regierung kann ſich gegenwärtig nicht mit dem Hinweis zufrieden geben, daß dieſe Bewe- gung der ſpontane Ausdruck des Wunſches der Bevölkerung iſt, ſich vom Deutſchen Reiche los- zutrennen. Lord Kilmarnock, der engliſche Vertreter in der Rheinlandskommiſſion, hat kürz- lich gegen die Regiſtrierung der ſeparatiſtiſchen autonomen Regierung der Pfalz geſtimmt. Nach engliſcher Auffaſſung iſt es unverſtändlich, daß, wenn eine ſolche autonome Regierungsform dem allgemeinen Wunſche der Bevölkerung entſprochen hätte, ſie nicht auf dem vorgeſchriebenen verfaſ- ſungsmäßigen Wege herbeigeführt werde. Die Frage kann nach engliſcher Auffaſſung nur nach den Beſtimmungen der Weimarer Verfaſ- ſung entſchieden werden, und man iſt in Lon- don der Auffaſſung, daß die Rheinlandskommiſ- ſion unter keinen Umſtänden berech- tigt iſt, die Anerkennung irgendeines autonom gewordenen Teiles des Deutſchen Reiches auszu- ſprechen. London, 12. Jan. Der „Daily Telegraph“ meldet, daß die engliſche Regierung trotz des Einſpruches der franzöſiſchen Re- gierung den engliſchen General- konſul in München nach der Pfalz entſandt habe, um die Lage in dieſem Ge- biete an Ort und Stelle zu prüfen. Franzöſiſcher Schwindel Heidelberg, 12. Jan. Das W.T.B. verbreitet eine franzöſiſche Meldung, wonach der franzöſiſche Delegierte in Ludwigshafen, Mene- trier, einen Brief bekommen habe, unterſchrie- ben von 5 Oberländern, die ſich des Atten- tats auf Heinz rühmen. Franzöſiſcherſeits ſucht man mit dieſer Meldung die Tat auf eine bayeriſche Organiſation zurückzu- führen. Die Meldung iſt natürlich ein franzö- ſiſcher Schwindel. Ihr gegenüber muß mit aller Entſchiedenheit feſtgeſtellt werden, daß als Täter Leute aus dem rechtsrheiniſchen Bayern nach Lage der Dinge nicht in Frage kommen können. Die Rheiniſche Goldnotenbank Köln, 12. Jan. In der geſtrigen Sitzung der Handelskammer wurde Geheimrat Louis Hagen einſtimmig zum Präſidenten wiedergewählt. Die- ſer führte dann in einer Vorſchau auf die wich- tigſten Aufgaben des neuen Jahres aus: Seit geſtern ſei in der Frage der Rheiniſch- weſtfäliſchen Goldnotenbank eine Wendung zum Beſſern eingetreten. In einer gründlichen Aus- ſprache mit der Reichsregierung ſei es gelungen, ſie davon zu überzeugen, daß die Zulaſſung der Goldnotenbank unter gewiſſen Kautelen im deut- ſchen Geſamtintereſſe liege und ſo ſchnell wie mög- lich durchgeſetzt werden müſſe. Er ſei heute in Beſitz eines Briefes des Reichskanzlers gelangt, der eine Beſtätigung der Ausſprache enthalte. Er müſſe wünſchen, daß dieſe Bedingungen, die das äußerſte Entgegenkommen der Reichregierung darſtellen, von den Franzoſen und Belgiern ange- nommen würden und er hoffe, daß man in Kob- lenz Verſtändnis dafür zeige, daß die Frage nicht einſeitig geregelt, ſondern im gegenſeitigen Einverſtändnis gelöſt werden müſſe. Die Auflöſung der italieniſchen Kammer Mailand, 12. Jan. Nach dem „Giornale d’Italia“ hat der König bereits das Dekret über die Auf- löſung der Kammer unterzeichnet. Es ſoll am nächſten Donnerstaa veröffentlicht werden. Möglichkeiten deutſcher Politik Die politiſche und wirtſchaftliche Lage unſeres Vaterlandes iſt ſo unſicher, daß es nicht nur eines heißen Herzens, ſondern auch eines kühlen Kopfes bedarf, um uns alle vor dem Schlimmſten zu bewahren. Die Vorgänge jüngſt in München zeigen doch mit erſchreckender Deutlichkeit, wohin auch edelſte nationale Begeiſterung führen kann, wenn ſie nicht von nüchterner Erkenntnis der Tatſachen und der jeweils vorhandenen Möglichkeiten gelenkt und gezügelt wird. Dieſe Erkenntnis iſt die unerfreulichſte, die ſich für den tatkräftigen Politiker und erſt recht für tatenfrohe Jugend ergeben kann: die Unmöglichkeit zu entſchiedenem, auf ein nahes Ziel eingeſtelltem Handeln. Beſtimmend für unſer Schickſal iſt die außenpolitiſche Lage, die Wucht des verlorenen Krieges. Teils durch feindliche Uebermacht gezwungen, teils durch unbe- greifliche Selbſtbezichtigung und Selbſt- entwaffnung haben wir uns unter ein Joch gebeugt, das wir weder tragen noch ab- ſchütteln können. Reſtlos erfüllen können wir nicht. Nicht nur deswegen, weil die uns auferlegten Verpflichtungen über unſere Kräfte gehen, ſondern vor allem deswegen, weil unſer ſchlimmſter und zurzeit mäch- tigſter Feind, Poincaré, gar nicht will, daß wir erfüllen. Er erſtrebt nicht Wieder- gutmachung, ſondern Sicherheit und Vor- herrſchaft. Beides glaubt er nur durch die völlige Erniedrigung und Zertrümmerung der politiſchen und wirtſchaftlichen Groß- macht Deutſchland erreichen zu können. Sein Vorgehen iſt viel zu logiſch, als daß wir mit ſeiner Aenderung anders als unter einem Zwange rechnen dürfen. Dieſen Zwang können wir heute nicht ausüben. Vorwürfe über begangene Dumm- heiten bringen uns nicht weiter Wir ſind entwaffnet und nicht in der Lage, einen Krieg gegen Frankreich zu führen. Zu einem Kampfe, wie ihn vor hundert Jahren Spanien gegen Napoleon führte, einem bar- bariſchen Kleinkriege mit Gift und Dolch, der heute zweifellos zunächſt ganze Städte und Induſtriebezirke in Trümmer legen würde, iſt die ſeeliſche Vorausſetzung im deutſchen Volke nicht gegeben. Bei Erkenntnis dieſer Tatſachen bleibt unſerer auswärtigen Politik nichts übrig, als zwiſchen den beiden Extremen zu lavieren: nach Möglichkeit zu leiſten, wozu wir uns verpflichtet haben; gegen unbe- rechtigte Forderungen Widerſtand zu leiſten; vor allem der Schuldlüge ent- gegenzuwirken und die gerechtere Beurtei- lung der Vergangenheit durchzuſetzen. Wir müſſen warten lernen; warten auf den Umſchwung, der kommen muß, weil die Verſailler Regelung keine dauernd mögliche iſt: warten auf die Iſolierung Frankreichs, die England, Amerika und andere in offene Feindſchaft zu unſerem weſtlichen Nachbarn bringt; warten auf die Zeit, die uns die Möglichkeit einer Abſchüttelung des Ver- ſailler Joches bringt. Dieſe Zeit muß kommen. Unſere wichtigſte politiſche Auf- gabe iſt, uns ſo lange am Leben und bei Kräften zu erhalten, daß wir dann innerlich und äußerlich gerüſtet und bereit ſind. Von dieſer Aufgabe muß auch die In- nenpolitik beherrſcht ſein, die nach dem Worte Rankes unter dem Primate der Außenpolitik ſteht. Sie muß ſammeln und ſchonen, erhalten und aufbauen; muß vor allem ſich im Rahmen des Möglichen hal- ten und darf nicht dazu führen, daß die we- nigen Kräfte, die uns noch verblieben ſind, ſich im Bruderkampfe verzehren. Man empfiehlt die Reichstagsauf- löſung. Und es mag ſein, daß der heutige Reichstag nicht mehr der Stimmung der

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 12, 13. Januar 1924, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine12_1924/1>, abgerufen am 15.05.2024.