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Allgemeine Zeitung, Nr. 136, 22. März 1908.

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Seite 2. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 22. März 1908. Nr. 136.
[Spaltenumbruch] liberale Stimme für einen Gefolgsmann derer um Lieber-
mann v. Sonnenberg ist ein Unding. Zudem sind im Wahl-
kampf gerade die Nationalliberalen besonders heftig mit
gen Antisemiten zusammengeraten, während die Gegner-
schaft zwischen den liberalen Gruppen in ruhiger Weise
ausgetragen wurde.


Die Stichwahl im Reichstags-
wahlkreise Emden-Norden wird, wie verlautet, am
1. April stattfinden.

Stimmungsmache.

*** Das Berliner Tageblatt, das Leibblatt der Ein-
spänner aus dem sozialliberalen Lager, für die die Block-
politik den Weltuntergang ankündigt, wühlt noch im letzten
Augenblick, um dem Kompromiß über das Reichsvereins-
gesetz die eine oder andere Stimme abzujagen. So schreibt
heute das Blatt:

Die Zahl derjenigen freisinnigen Abgeordneten der drei
Fraktionen, die entschlossen sind, der sogenannten Fraktions-
dißiplin zum Trotz bei der Abstimmung im Plenum gegen
das Kompromiß
in der Sprachenfrage zu stimmen, ist
im Wachsen begriffen. Bisher erklärten nur Hauß-
mann und Dohrn, daß sie bei der Durchdrückung des § 7 nicht
mitwirken würden. Jetzt haben sich mehrere andere frei-
sinnige Abgeordnete angeschlossen, so daß es wahrscheinlich ist,
daß der parlamentarische Freisinn nicht vollzählig für das
Ausnahmegesetz eintreten wird.

Die Informationen des Berliner Tageblattes über die
Stimmungen in der linksliberalen Fraktionsgemeinschaft
haben sich bis jetzt meist als apokryph erwiesen, und so wird
es auch diesmal sein. Die "sogenannte" Fraktionsdißiplin
wird sich bewähren, wenn auch wirklich ein Eigenbrödler
seine Abwege geht.

Harden über seinen Prozeß.

In der neuesten Nummer der Zukunft spricht Harden
weiter über seinen zweiten Prozeß, er tritt nun aus der Re-
serve, in der er sich zunächst noch gehalten hatte, völlig her-
aus: Auch die Versetzung des Amtsrichters Dr. Kern be-
weist, daß ein Richter in des Teufels Küche kommt, sobald
er intellektuell und sittlich hoch genug steht, um die blüten-
weise Unschuld und den selbstlosen Patriotismus des
Herrn Maximilian Harden gebührend zu würdigen. Doch
dieses Lied kennt man schon, wie auch das folgende·von der
"Fälscherkunst des Berliner Preßgesindes" und dem "schmie-
rigen Troß, der Herrn Hardens Verteidiger und Zeugen
wochenlang beschimpft". Einigen Reiz der Neuheit hat da-
gegen die Abrechnung mit dem Staatssekretär Dern-
burg,
der es fürchterlich büßen muß, von Herrn Harden
und seiner Sache öffentlich abgerückt zu sein. Als er, der
an der Spitze der Darmstädter Bank sich nicht länger halten
konnte, zum Kolonialdirektor ernannt wurde, weil Herr
Harden gerade im rechten Augenblick dem Reichskanzler
suggeriert hatte, daß der Posten einem Bankmann gegeben
werden müsse, sagte Herr Harden soviel Gutes über ihn,
"wie die Ueberzeugung erlaubte". Nun aber erlaubt die
Ueberzeugung schlechterdings nichts Gutes mehr, wohl aber
eine ganze Serie von spitzigen Bosheiten und groben
Schmähungen. Herr Harden kann nur bedauern, "daß er
ihm und seinesgleichen je seine Tür geöffnet hat", und ver-
sprechen, daß er ihm, "wenn er sich wieder erdreistet, mit
noch heller brennendem Licht heimleuchten" wird. Nachdem
er so gesprochen, setzt sich Herr Harden auf den Stuhl der
Weltgeschichte und des Weltgerichts und dekretiert, daß der
Rechtslehrer Heinrich Dernburg der einzige in der Familie
ist, dessen Name Anspruch auf dauernde Geltung hat.

Dann kehrt er zu dem Prozeß zurück. Er war ent-
schlossen, "in dem neuen Verfahren einen umständlichen
Wahrheitsbeweis, der wieder Aergernis geben müßte, sich
nicht aufdrängen zu lassen". Was er sagen wollte, hatte er
gesagt, und bewirkt, was er bewirken wollte. Der Gerichts-
hof mochte ihn verurteilen, wenn das Gewissen es ihm er-
laubte. Und auf die schutzlose Höhe dieser heroischen Re-
signation hat Herr Harden sich gestellt, obwohl er schon im
November gehört hatte, Landgerichtsdirektor Lehmann --
der Leiter des zweiten Prozesses -- habe in einer Gesell-
schaft laut gesagt: "Der Kerl muß verurteilt werden."
Dieser Herr Lehmann, so sagte man ihm weiter, ist über-
[Spaltenumbruch] haupt so ziemlich der unangenehmste Vorsitzende, der zu er-
denken wäre, einer, der nicht vom Ankläger den Beweis
der Schuld, sondern vom Angeklagten den Be-
weis der Unschuld
fordert (eine Verirrung, die ge-
rade einem Mann wie Harden unerhört scheinen muß!),
Diabetiker, höchst eigensinnig und nervös usw. Aber wie
gesagt, Herr Harden wollte in diesem zweiten Verfahren
einen Wahrheitsbeweis nicht führen. Konnten die der
Politik entrückten Herren ihren Lebensrest retten, konnte
der Rechtsstreit rasch und still verschafft werden; er hatte
nichts dagegen, selbst wenn es auf seine Kosten ginge. Daß
doch die Welt für die geistige Größe dieses Systemwechsels
vom ersten zum zweiten Prozeß sogar nicht reif, daß sie
grausam genug gewesen ist, auf ihn, den Kranken, der
zartesten Schonung bedürftigen Mann die eigenen Me-
thoden aus dem ersten Prozeß anzuwenden! Aber nein,
man hatte nichts als brutale Härte gegen den sterbens-
kranken Angeklagten. "Und einst dünkelte man sich im
Deutschland der Feuerbach und Ihering mit hehrer Huma-
nität."

Die zweite Hälfte des Artikels ist dem Kronzeugen Dr.
Ludwig Frey gewidmet, der bekanntlich die Gräfin Moltke
für hysterisch erklärt hat. Zu seiner Vernichtung werden
fünf Briefe abgedruckt, die Frey in den Jahren 1898 und
1899 teils an die Gräfin Moltke, teils an ihre Mutter ge-
richtet hat. Vorerst ist der Effekt der Enthüllungen sehr
bescheiden. Aber sie beweisen, daß Harden sein System
jetzt wieder ändert.

Der Protest der Reichstagsjournalisten

gegen die unerhörte Beleidigung durch den Abg. Gröber
und den ungenügenden Schutz, den das Präsidium ihnen
hat angedeihen lassen, findet mit Ausnahme einiger kleri-
kaler Organe die gesamte deutsche Presse mit hocherfreu-
licher Einmütigkeit zu den Gekränkten stehend. Die Ber-
liner Blätter erscheinen überhaupt ohne Reichstagsberichte,
im sonstigen Reich begnügt man sich mit einer kurzen Skiz-
zierung des Ganges und Ergebnisses der Verhandlungen,
ohne einen Redner zu nennen. Wer weiß, ob die Presse und
Publikum nicht an dieser beschränkten Art der Bericht-
erstattung überhaupt Geschmack finden, so daß der Reichs-
tag künftighin seine Reden mehr zu eigenem Gebrauch bei
"geschlossenen Fenstern" halten kann. Die heilsame päda-
gogische Wirkung einer solchen Maßregel hat sich schon ge-
stern gezeigt. Kein Mensch legt Wert darauf, zu reden,
wenn er nicht gedruckt wird. Vielleicht liegt also in diesem
Journalistenstreik die Erlösung unseres Zeitalters von der
nachgerade tödlichen Vielrederei der Parlamente.

Der Wiener Nuntius und Baron Aehrenthal.

* Die Neue Freie Presse schreibt:

Wie heute hier in geistlichen Kreisen verlautet, seien Nach-
richten aus Rom eingelaufen, denen zufolge Papst Pius X. die
Haltung des Nuntius in der Wahrmund-Angelegenheit durchaus
billige.

Auch die Mitglieder des österreichischen Episkopats scheinen
dem Nuntius zu erkennen gegeben zu haben, daß sie den von ihm
bei Frhrn. v. Aehrenthal gemachten Schritt begreifen und gut-
heißen.

In klerikalen Kreisen hält man eine Applanie-
rungdes Mißverständnisses
zwischen Frhrn. v. Aehren-
thal und dem päpstlichen Nuntius für durchaus nicht unwahr-
scheinlich. Man nimmt an, daß Monsignore Fürst Granito di
Belmonte dem Minister des Aeußern nach dessen Rückkehr vom
Semmering, wohin Baron Aehrenthal sich mit seiner Gemahlin
zu mehrtägiger Erholung begeben hat, einen Besuch machen
werde. Anläßlich dieses Besuches dürfte es zur Bereinigung der
Angelegenheit zwischen dem Minister des Aenßern und dem
apostolischen Nuntius kommen.



-- Die kaiserliche Familie wird auch in diesem Som-
mer einige Wochen in Schloß Wilhelmshöhe verleben.

-- Zu dem Tode des Hauptmanns Glauning in
Kamerun
wird mitgeteilt, daß der Offizier die Arbeiten der
im Nordwesten tätigen Grenzkommission auf Veranlassung des
Gouvernements sichern sollte. Das Muntschi-Gebiet liegt unge-
fähr auf der Mitte der noch unkorrigierten Nordwestgrenze Ka-
meruns (Linie Assidinge-Yola-Bogen). Der Tod des Hauptmanns
Glauning bedeutet für die Schutztruppe von Kamerun einen
schweren Verlust.

[Spaltenumbruch]
Politische Nachrichten.
Eduard Zellers Tod.

Bei dem Sohne Eduard
Zellers,
Professor Dr. Albert Zeller, sind zahlreicht
Trauerkundgebungen eingelaufen, an ihrer Spitze ein warm
empfundenes Telegramm des Kaisers, welches nach
dem Schwäbischen Merkur folgenden Wortlaut hat:

Berlin, 20. März 1908.
Ich nehme an dem Hinscheiden Ihres Herrn Vaters herz
lichen Anteil und spreche Ihnen mein wärmstes Beileid aus
Mit der ganzen gebildeten Welt vereinige ich mich an der
Bahre des großen Philosophen in Trauer und Dankbarkeit
für die hervorragenden Dienste, die der Verewigte der Wissen-
schaft und besonders dem deutschen Geistesleben geleistet hat.
Der Name Eduard Zeller ist in die Reihe der edelsten Söhne
des deutschen Volkes eingetragen und wird stets nur mit Stolz
und Bewunderung genannt werden.
(gez.) Wilhelm I. R.

Ebenso ist von dem preußischen Kultusminister Dr.
Holle ein Telegramm eingetroffen, welches folgender-
maßen lautet:

Bei dem schweren Verlust, von dem Sie und die Ihrigen
betroffen worden sind, bitte ich Sie, meiner innigsten und auf-
richtigsten Anteilnahme versichert zu sein. In Ihrem Herrn
Vater verliert die wissenschaftliche Welt einen ihrer ausge
zeichnetsten Vertreter, die hiesige Friedrich-Wilhelm-Universität
ihren gefeierten Senior, zu dem sie allezeit dankbar empor-
geblickt hat. Auch die Universitätsverwaltung wird stets der
seltenen Verdienste eingedenk bleiben, die der große Geschicht-
schreiber der Philosophie sich als Forscher und Lehrer er-
worben hat.
Frankreich in Marokko.

Der Berliner Gewährsmann der Süddeutschen Reichs-
korrespondenz schreibt: Die jüngsten Erfolge des Generals
d'Amade gegen die Schaujastämme scheinen manchen fran-
zösischen Marokkopolitikern noch nicht zu genügen. Heute
liest man in einer Pariser Depesche über Vorbereitungen
zur Besetzung des Hafens von Saffi, wo bisher keine Un-
ruhen entstanden waren. Wir fassen solche Meldungen nur
als Ausdruck nichtamtlicher Wünsche auf, die wir mit den
Absichten der französischen Politik, soweit sie wiederholt
dargelegt worden sind, nicht verwechseln wollen. Wir kön-
nen nicht glauben, daß in Saffiein zweites Casa-
blanca geschaffen werden soll.

Im Echo de Paris wurden kürzlich Mitteilungen ver-
öffentlicht, wonach dem französischen Ministerium des
Aeußern von mehreren Signatarmächten der Akte von Alge-
ciras gute Wünsche für einen baldigen Erfolg der fran-
zösischen Waffen zugegangen sein sollten. In der Tat mögen,
vor den letzten Gefechten, solche Wünsche an mehr als einer
Stelle geäußert worden sein. Man wünschte den Waffen-
erfolg, weil man wohl überall das Ende des Blutvergießens
in Nordafrika herbeisehnt. Eine Ermunterung aber, die
militärischen Operationen zu verlängern oder zu erweitern,
wie es das Echo de Paris darzustellen sucht, ist unseres
Wissens von keiner Seite ausgegangen.

Hieran schließen wir folgende Depeschen:

* Paris, 21. März. Nach einem Telegramm des Generals
d'Amade von gestern herrscht bei den Zajaus- und
Zaras-Stämmen, die abgesondert von den Schaujas leben,
eine gewisse Erregung. Die Mahalla Abd-uk-Asis', die nach
Fez marschieren sollte, habe den Marsch unterbrochen. -- Der
Spezialkorrespondent des Matin meldet aus Dar-Uled-
Fatima
vom 15. März, daß in einem an diesem Tage statt-
gehabten Kampfe mehrere Zeltlager der Schaujastämme auf eine
Entfernung von drei Kilometern mit Schrapnells zusammenge-
schossen wurden.

* Paris, 21. März. Der Petit Parissen erklärt in einer an-
scheinend offiziösen Mitteilung, daß niemals davon die Rede
gewesen sei, französische Truppen behufs Besetzung von
Saffi und Azemur zu entsenden. Wenn Abd ul Asis
in einiger Zeit mit seinen eigenen Streitkräften diese Besetzung
vornehmen würde, dann würde er einfach von seinem durch die
Algeciras-Akte anerkannten Rechte Gebrauch machen. Der Gou-
verneur von Mazagan beschäftige sich mit der Absicht, eine
Truppenabteilung nach Mazagan zu entsenden. Auch dieser Plan
könne gewiß nicht verdächtig erscheinen.

(Weitere Nachrichten siehe Seite 5.)
[Spaltenumbruch]
Vom Berliner Kunstleben.
Die Fritz Werner-Ausstellung in der Akademie.

Das Lebenswerk eines Achtzigjährigen steht vor uns,
eines Mannes, der mit sechsunddreißig Jahren die Radier-
nadel mit dem Pinsel vertauschte und ihn noch heute mit
bewunderungswürdiger Sicherheit führt. Schon für An-
fang Januar war uns diese Ausstellung verheißen gewesen,
aber da hielten die Engländer Einzug in das Akademie-
gebäude am Pariser Platz, und alles, was in Berlin für
kunstverständig gelten wollte, schob sich durch die Säle,
stachelte sich gegenseitig zur Bewunderung an und schwärmte
für alte englische Kunst, als ob da nicht, von
einigen Glanzstücken der Bildnismalerei, einigen Land-
schaften Constables abgesehen, neben manchem schlecht und
recht hingestrichenen Stück reichlich Mittelware die Wände
bedeckt hätte; Porträt bei Porträt, vielerlei nicht viel.

Hm, hm, dieser Constable! Ob er sich wohl unter dieser
Gesellschaft von "süßen" Ladies -- wie oft hörte ich dieses
Beiwort --, unter diesen steifbeinigen Lords, den Admiralen
und Generalen so ganz behaglich gefühlt hätte? In ihm
spukt ja, wollen wir genauer hinschauen, der Gottseibeiuns
des Impressionismus voraus; er schilderte die Welt, wie
sie war, nicht wie sie aussehen wollte oder sollte. Mehr
wesensverwandt hätte den alten Landschafter das berührt,
was heute dort hängt.

Fritz Werners Hand und Auge hat sich an den Fran-
zosen der 50er Jahre geschult; von ihnen ist er beeinflußt
worden. Falsch dagegen ist's, ihn einen Schüler Bonnats
oder Meissoniers zu nennen. Ein freundschaftlicher Um-
gang mit einem Könner macht diesen noch nicht zu unserem
Lehrer. Lehnte doch Werner bei seinem ersten Aufenthalt
in Paris ab, sich von Decamps im Malen ausbilden zu
lassen, als dieser den ehemaligen Kupferstecher dabei be-
obachtete, wie er jungen französischen Malern die Hände
auf ihren Gemälden verbesserte und zeichnete. Mit der-
selben Hartnäckigkeit erhält sich die Legende von Werners
Schülerschaft bei Menzel. Der im Besitz der National-
galerie befindliche Briefwechsel dieser beiden, der seiner
Veröffentlichung harrt, wird damit aufräumen und zeigen,
daß Werner die einzige wahre Freundschaft Menzels ge-
wesen ist; der Freund war er ihm und mehr noch: der Dol-
metscher Menzelscher Kunst. Sein Grabstichel verschaffte
[Spaltenumbruch] den Bildern des klug berechnenden Malers in einer Zeit,
wo außer dem billigen Steindruck nur der Kupferstich und
die Radierung Vervielfältigungsmittel waren, weitere
Verbreitung, und Menzel wußte wohl, warum er sich Wer-
ners Hilfe für sein Gemälde der Königskrönung in Königs-
berg sicherte: das blitzschnelle Erfassen des Augenblicks auf
dem Papier des Skizzenbuchs, die unbestechliche Treue in
der Wiedergabe des Geschauten war diesem Helfer zu eigen.

Die gleiche Neigung beider für die Darstellung der
friderizianischen Zeit mag ein Uebriges getan haben, in
dem oberflächlichen Beschauer den Glauben an jene Legende
zu stärken; wer näher zusieht und vergleicht, weiß, wie sehr
ihre Malweise sich voneinander unterscheidet. Vor allem
war Menzel kein Kolorist, Werner ist farbenfreudig. Ein
Blick auf das von Menzel 1859 gemalte Bildnis Werners
genügt, um dies zu erkennen; jeder Leuchtkraft bar, aus-
gestattet mit allen Vorzügen der Charakteristik, beweist es
in dieser Umgebung klärlich, welche eigenen Wege der
Jüngere gegangen ist.

Niemals Akademiker im alten bösen Sinne, ist dieses
Mitglied der Akademie den Spuren der großen Franzosen
gefolgt: er malte im freien Licht -- draußen im Walde
von Barbizon und anderswo -- diese Werke aus den Jahren
1867, 1868 und 1869 waren für die Ausstellung nicht zu
erlangen und sind in französischem Besitz -- und in Deutsch-
land war das Verständnis dafür nur wenigen Kennern auf-
gegangen. Ein deutscher Freilichtmaler vor dem großen
Kriege! Es ist gut, sich heute, wo der Kampf der verschie-
denen Schulen tobt, daran zu erinnern. Das große Publi-
kum wurde auf den bisher nur in engerem Kreise geschätzten
Künstler aufmerksam durch die "Grenadiere und Ammen
in Unterhaltung". Das schlug durch; es war weder die ge-
malte Novelle, noch ein ausgeklügelter Vorgang. Was die
langen Kerle am Gitter von Sanssouci den drallen Spree-
wälderinnen für Späße erzählten mit Schmunzeln, konnte
sich jeder denken; man schmunzelte unwillkürlich mit und
brauchte keinen Lichtenberg zur Erklärung. Aber das war
nicht das Bemerkenswerte an dem Bilde. Die Fachleute
stutzten: da war etwas anderes gemalt, als sonst gemalt zu
werden pflegte. "Warum hast du keinen Schlagschatten ge-
malt?" fragte Altmeister Menzel. "Ich habe keinen ge-
sehen," war die Antwort. Mir scheint die Erwähnung
dieses Gesprächs aus dem Jahre 1874 angebracht, weil es
ein Licht auf gewisse jetzt überwundene Anschauungen
[Spaltenumbruch] wirft. Und so marschieren neben den Grenadieren des
alten Fritz der Fahnenjunker vom 11. Regiment auf, die
Trommler, die Trompeter der Zietenhusaren von 1775, die
Marketenderin zwischen den Regimentern Dessau und Bay-
reuth, die ganze farbige Welt des Zopfs und mit ihr Pots-
dam, Rheinsberg, Sanssouci, Alt-Ruppin, Bruchsal Lud-
wigsburg, zum Teil Jnnenräume, in denen sich das Leben
jener Tage abspielte. Architekturstücke wundervoller Art.
Ob ein Kirchenraum oder ein Schloßzimmer oder eine Ge-
mäldegalerie uns entgegentritt und scheinbar peinlich genau
in allen Einzelheiten ausgeführt erscheint, bei näherer Be-
trachtung entdecken wir, wie sicher und mit wie geringen
Mitteln diese farbige Wirkung auf unser Auge erzeugt
worden ist. Es liegt nichts Kleinliches in dieser Kunst, sie
geht auf den Gesamteindruck, mag der Pinsel noch so spitz
gewesen sein. Freilich, einer bestimmten Schule läßt sich
Werner nicht eingliedern; sein Oelbild "Aus Oud'mannen-
huis" könnte in jeder Sezessionsausstellung mit hohen
Ehren bestehen, und die beiden Landschaften von Antibes
(1868 und 1869) dürften ohne Jahresbezeichnung einem
Kunstgelehrten zu raten geben: fein in der Ausführung,
sind sie zugleich großzügig und zeigen, daß eine andere
Handschrift wie die Bettlerstadt Hindeloopen, über die der
salzige Hauch vom Breezand hinstreicht, die Bibliothek zu
Weimar oder gar der Kaiser als Prinz Wilhelm an der
Spitze der Fahnenkompagnie. Gerade dieses Bild mit
seinem Volksgedränge ist ungemein flott hingeworfen,
lebendig in der Bewegung. Auf dem Bilde "Besuch beim
Antiquar" gewahren wir diesen mit einem Käufer in Be-
trachtung der "Hille Bobbe" von Frans Hals. Wie stets,
hat hier der Künstler an Selbsterlebtes angeknüpft: er
stand, während seines Aufenthalts in Holland, einmal in
Unterhandlung wegen Ankaufs dieses Halsschen Meister-
stücks, um es zu erwerben und dem Museum in Berlin an-
zubieten. Andere Kauflustige mischten sich dann hinein,
und so ist die berühmte Hexe erst auf dem Umwege über
die Suermondtsche Galerie, inzwischen freilich nicht billiger
geworden, nach Berlin gelangt.

Werners Vielseitigkeit ist erstaunlich. Richt daß er sich
als Landschafter in England ebenso gut wie an der Azur-
küste, in Sizilien, in der Altmark betätigt hat, daß er sich
als Tiermaler mit Glück versucht, Vorfälle des täglichen
Lebens zwanglos, wie sie sich bieten, ohne Aufdringlichkeit
mit Humor zu behandeln, dabei stets das rein Malerische

Seite 2. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 22. März 1908. Nr. 136.
[Spaltenumbruch] liberale Stimme für einen Gefolgsmann derer um Lieber-
mann v. Sonnenberg iſt ein Unding. Zudem ſind im Wahl-
kampf gerade die Nationalliberalen beſonders heftig mit
gen Antiſemiten zuſammengeraten, während die Gegner-
ſchaft zwiſchen den liberalen Gruppen in ruhiger Weiſe
ausgetragen wurde.


Die Stichwahl im Reichstags-
wahlkreiſe Emden-Norden wird, wie verlautet, am
1. April ſtattfinden.

Stimmungsmache.

*** Das Berliner Tageblatt, das Leibblatt der Ein-
ſpänner aus dem ſozialliberalen Lager, für die die Block-
politik den Weltuntergang ankündigt, wühlt noch im letzten
Augenblick, um dem Kompromiß über das Reichsvereins-
geſetz die eine oder andere Stimme abzujagen. So ſchreibt
heute das Blatt:

Die Zahl derjenigen freiſinnigen Abgeordneten der drei
Fraktionen, die entſchloſſen ſind, der ſogenannten Fraktions-
diſziplin zum Trotz bei der Abſtimmung im Plenum gegen
das Kompromiß
in der Sprachenfrage zu ſtimmen, iſt
im Wachſen begriffen. Bisher erklärten nur Hauß-
mann und Dohrn, daß ſie bei der Durchdrückung des § 7 nicht
mitwirken würden. Jetzt haben ſich mehrere andere frei-
ſinnige Abgeordnete angeſchloſſen, ſo daß es wahrſcheinlich iſt,
daß der parlamentariſche Freiſinn nicht vollzählig für das
Ausnahmegeſetz eintreten wird.

Die Informationen des Berliner Tageblattes über die
Stimmungen in der linksliberalen Fraktionsgemeinſchaft
haben ſich bis jetzt meiſt als apokryph erwieſen, und ſo wird
es auch diesmal ſein. Die „ſogenannte“ Fraktionsdiſziplin
wird ſich bewähren, wenn auch wirklich ein Eigenbrödler
ſeine Abwege geht.

Harden über ſeinen Prozeß.

In der neueſten Nummer der Zukunft ſpricht Harden
weiter über ſeinen zweiten Prozeß, er tritt nun aus der Re-
ſerve, in der er ſich zunächſt noch gehalten hatte, völlig her-
aus: Auch die Verſetzung des Amtsrichters Dr. Kern be-
weiſt, daß ein Richter in des Teufels Küche kommt, ſobald
er intellektuell und ſittlich hoch genug ſteht, um die blüten-
weiſe Unſchuld und den ſelbſtloſen Patriotismus des
Herrn Maximilian Harden gebührend zu würdigen. Doch
dieſes Lied kennt man ſchon, wie auch das folgende·von der
„Fälſcherkunſt des Berliner Preßgeſindes“ und dem „ſchmie-
rigen Troß, der Herrn Hardens Verteidiger und Zeugen
wochenlang beſchimpft“. Einigen Reiz der Neuheit hat da-
gegen die Abrechnung mit dem Staatsſekretär Dern-
burg,
der es fürchterlich büßen muß, von Herrn Harden
und ſeiner Sache öffentlich abgerückt zu ſein. Als er, der
an der Spitze der Darmſtädter Bank ſich nicht länger halten
konnte, zum Kolonialdirektor ernannt wurde, weil Herr
Harden gerade im rechten Augenblick dem Reichskanzler
ſuggeriert hatte, daß der Poſten einem Bankmann gegeben
werden müſſe, ſagte Herr Harden ſoviel Gutes über ihn,
„wie die Ueberzeugung erlaubte“. Nun aber erlaubt die
Ueberzeugung ſchlechterdings nichts Gutes mehr, wohl aber
eine ganze Serie von ſpitzigen Bosheiten und groben
Schmähungen. Herr Harden kann nur bedauern, „daß er
ihm und ſeinesgleichen je ſeine Tür geöffnet hat“, und ver-
ſprechen, daß er ihm, „wenn er ſich wieder erdreiſtet, mit
noch heller brennendem Licht heimleuchten“ wird. Nachdem
er ſo geſprochen, ſetzt ſich Herr Harden auf den Stuhl der
Weltgeſchichte und des Weltgerichts und dekretiert, daß der
Rechtslehrer Heinrich Dernburg der einzige in der Familie
iſt, deſſen Name Anſpruch auf dauernde Geltung hat.

Dann kehrt er zu dem Prozeß zurück. Er war ent-
ſchloſſen, „in dem neuen Verfahren einen umſtändlichen
Wahrheitsbeweis, der wieder Aergernis geben müßte, ſich
nicht aufdrängen zu laſſen“. Was er ſagen wollte, hatte er
geſagt, und bewirkt, was er bewirken wollte. Der Gerichts-
hof mochte ihn verurteilen, wenn das Gewiſſen es ihm er-
laubte. Und auf die ſchutzloſe Höhe dieſer heroiſchen Re-
ſignation hat Herr Harden ſich geſtellt, obwohl er ſchon im
November gehört hatte, Landgerichtsdirektor Lehmann —
der Leiter des zweiten Prozeſſes — habe in einer Geſell-
ſchaft laut geſagt: „Der Kerl muß verurteilt werden.“
Dieſer Herr Lehmann, ſo ſagte man ihm weiter, iſt über-
[Spaltenumbruch] haupt ſo ziemlich der unangenehmſte Vorſitzende, der zu er-
denken wäre, einer, der nicht vom Ankläger den Beweis
der Schuld, ſondern vom Angeklagten den Be-
weis der Unſchuld
fordert (eine Verirrung, die ge-
rade einem Mann wie Harden unerhört ſcheinen muß!),
Diabetiker, höchſt eigenſinnig und nervös uſw. Aber wie
geſagt, Herr Harden wollte in dieſem zweiten Verfahren
einen Wahrheitsbeweis nicht führen. Konnten die der
Politik entrückten Herren ihren Lebensreſt retten, konnte
der Rechtsſtreit raſch und ſtill verſchafft werden; er hatte
nichts dagegen, ſelbſt wenn es auf ſeine Koſten ginge. Daß
doch die Welt für die geiſtige Größe dieſes Syſtemwechſels
vom erſten zum zweiten Prozeß ſogar nicht reif, daß ſie
grauſam genug geweſen iſt, auf ihn, den Kranken, der
zarteſten Schonung bedürftigen Mann die eigenen Me-
thoden aus dem erſten Prozeß anzuwenden! Aber nein,
man hatte nichts als brutale Härte gegen den ſterbens-
kranken Angeklagten. „Und einſt dünkelte man ſich im
Deutſchland der Feuerbach und Ihering mit hehrer Huma-
nität.“

Die zweite Hälfte des Artikels iſt dem Kronzeugen Dr.
Ludwig Frey gewidmet, der bekanntlich die Gräfin Moltke
für hyſteriſch erklärt hat. Zu ſeiner Vernichtung werden
fünf Briefe abgedruckt, die Frey in den Jahren 1898 und
1899 teils an die Gräfin Moltke, teils an ihre Mutter ge-
richtet hat. Vorerſt iſt der Effekt der Enthüllungen ſehr
beſcheiden. Aber ſie beweiſen, daß Harden ſein Syſtem
jetzt wieder ändert.

Der Proteſt der Reichstagsjournaliſten

gegen die unerhörte Beleidigung durch den Abg. Gröber
und den ungenügenden Schutz, den das Präſidium ihnen
hat angedeihen laſſen, findet mit Ausnahme einiger kleri-
kaler Organe die geſamte deutſche Preſſe mit hocherfreu-
licher Einmütigkeit zu den Gekränkten ſtehend. Die Ber-
liner Blätter erſcheinen überhaupt ohne Reichstagsberichte,
im ſonſtigen Reich begnügt man ſich mit einer kurzen Skiz-
zierung des Ganges und Ergebniſſes der Verhandlungen,
ohne einen Redner zu nennen. Wer weiß, ob die Preſſe und
Publikum nicht an dieſer beſchränkten Art der Bericht-
erſtattung überhaupt Geſchmack finden, ſo daß der Reichs-
tag künftighin ſeine Reden mehr zu eigenem Gebrauch bei
„geſchloſſenen Fenſtern“ halten kann. Die heilſame päda-
gogiſche Wirkung einer ſolchen Maßregel hat ſich ſchon ge-
ſtern gezeigt. Kein Menſch legt Wert darauf, zu reden,
wenn er nicht gedruckt wird. Vielleicht liegt alſo in dieſem
Journaliſtenſtreik die Erlöſung unſeres Zeitalters von der
nachgerade tödlichen Vielrederei der Parlamente.

Der Wiener Nuntius und Baron Aehrenthal.

* Die Neue Freie Preſſe ſchreibt:

Wie heute hier in geiſtlichen Kreiſen verlautet, ſeien Nach-
richten aus Rom eingelaufen, denen zufolge Papſt Pius X. die
Haltung des Nuntius in der Wahrmund-Angelegenheit durchaus
billige.

Auch die Mitglieder des öſterreichiſchen Epiſkopats ſcheinen
dem Nuntius zu erkennen gegeben zu haben, daß ſie den von ihm
bei Frhrn. v. Aehrenthal gemachten Schritt begreifen und gut-
heißen.

In klerikalen Kreiſen hält man eine Applanie-
rungdes Mißverſtändniſſes
zwiſchen Frhrn. v. Aehren-
thal und dem päpſtlichen Nuntius für durchaus nicht unwahr-
ſcheinlich. Man nimmt an, daß Monſignore Fürſt Granito di
Belmonte dem Miniſter des Aeußern nach deſſen Rückkehr vom
Semmering, wohin Baron Aehrenthal ſich mit ſeiner Gemahlin
zu mehrtägiger Erholung begeben hat, einen Beſuch machen
werde. Anläßlich dieſes Beſuches dürfte es zur Bereinigung der
Angelegenheit zwiſchen dem Miniſter des Aenßern und dem
apoſtoliſchen Nuntius kommen.



— Die kaiſerliche Familie wird auch in dieſem Som-
mer einige Wochen in Schloß Wilhelmshöhe verleben.

— Zu dem Tode des Hauptmanns Glauning in
Kamerun
wird mitgeteilt, daß der Offizier die Arbeiten der
im Nordweſten tätigen Grenzkommiſſion auf Veranlaſſung des
Gouvernements ſichern ſollte. Das Muntſchi-Gebiet liegt unge-
fähr auf der Mitte der noch unkorrigierten Nordweſtgrenze Ka-
meruns (Linie Aſſidinge-Yola-Bogen). Der Tod des Hauptmanns
Glauning bedeutet für die Schutztruppe von Kamerun einen
ſchweren Verluſt.

[Spaltenumbruch]
Politiſche Nachrichten.
Eduard Zellers Tod.

Bei dem Sohne Eduard
Zellers,
Profeſſor Dr. Albert Zeller, ſind zahlreicht
Trauerkundgebungen eingelaufen, an ihrer Spitze ein warm
empfundenes Telegramm des Kaiſers, welches nach
dem Schwäbiſchen Merkur folgenden Wortlaut hat:

Berlin, 20. März 1908.
Ich nehme an dem Hinſcheiden Ihres Herrn Vaters herz
lichen Anteil und ſpreche Ihnen mein wärmſtes Beileid aus
Mit der ganzen gebildeten Welt vereinige ich mich an der
Bahre des großen Philoſophen in Trauer und Dankbarkeit
für die hervorragenden Dienſte, die der Verewigte der Wiſſen-
ſchaft und beſonders dem deutſchen Geiſtesleben geleiſtet hat.
Der Name Eduard Zeller iſt in die Reihe der edelſten Söhne
des deutſchen Volkes eingetragen und wird ſtets nur mit Stolz
und Bewunderung genannt werden.
(gez.) Wilhelm I. R.

Ebenſo iſt von dem preußiſchen Kultusminiſter Dr.
Holle ein Telegramm eingetroffen, welches folgender-
maßen lautet:

Bei dem ſchweren Verluſt, von dem Sie und die Ihrigen
betroffen worden ſind, bitte ich Sie, meiner innigſten und auf-
richtigſten Anteilnahme verſichert zu ſein. In Ihrem Herrn
Vater verliert die wiſſenſchaftliche Welt einen ihrer ausge
zeichnetſten Vertreter, die hieſige Friedrich-Wilhelm-Univerſität
ihren gefeierten Senior, zu dem ſie allezeit dankbar empor-
geblickt hat. Auch die Univerſitätsverwaltung wird ſtets der
ſeltenen Verdienſte eingedenk bleiben, die der große Geſchicht-
ſchreiber der Philoſophie ſich als Forſcher und Lehrer er-
worben hat.
Frankreich in Marokko.

Der Berliner Gewährsmann der Süddeutſchen Reichs-
korreſpondenz ſchreibt: Die jüngſten Erfolge des Generals
d’Amade gegen die Schaujaſtämme ſcheinen manchen fran-
zöſiſchen Marokkopolitikern noch nicht zu genügen. Heute
lieſt man in einer Pariſer Depeſche über Vorbereitungen
zur Beſetzung des Hafens von Saffi, wo bisher keine Un-
ruhen entſtanden waren. Wir faſſen ſolche Meldungen nur
als Ausdruck nichtamtlicher Wünſche auf, die wir mit den
Abſichten der franzöſiſchen Politik, ſoweit ſie wiederholt
dargelegt worden ſind, nicht verwechſeln wollen. Wir kön-
nen nicht glauben, daß in Saffiein zweites Caſa-
blanca geſchaffen werden ſoll.

Im Echo de Paris wurden kürzlich Mitteilungen ver-
öffentlicht, wonach dem franzöſiſchen Miniſterium des
Aeußern von mehreren Signatarmächten der Akte von Alge-
ciras gute Wünſche für einen baldigen Erfolg der fran-
zöſiſchen Waffen zugegangen ſein ſollten. In der Tat mögen,
vor den letzten Gefechten, ſolche Wünſche an mehr als einer
Stelle geäußert worden ſein. Man wünſchte den Waffen-
erfolg, weil man wohl überall das Ende des Blutvergießens
in Nordafrika herbeiſehnt. Eine Ermunterung aber, die
militäriſchen Operationen zu verlängern oder zu erweitern,
wie es das Echo de Paris darzuſtellen ſucht, iſt unſeres
Wiſſens von keiner Seite ausgegangen.

Hieran ſchließen wir folgende Depeſchen:

* Paris, 21. März. Nach einem Telegramm des Generals
d’Amade von geſtern herrſcht bei den Zajaus- und
Zaras-Stämmen, die abgeſondert von den Schaujas leben,
eine gewiſſe Erregung. Die Mahalla Abd-uk-Aſis’, die nach
Fez marſchieren ſollte, habe den Marſch unterbrochen. — Der
Spezialkorreſpondent des Matin meldet aus Dar-Uled-
Fatima
vom 15. März, daß in einem an dieſem Tage ſtatt-
gehabten Kampfe mehrere Zeltlager der Schaujaſtämme auf eine
Entfernung von drei Kilometern mit Schrapnells zuſammenge-
ſchoſſen wurden.

* Paris, 21. März. Der Petit Pariſſen erklärt in einer an-
ſcheinend offiziöſen Mitteilung, daß niemals davon die Rede
geweſen ſei, franzöſiſche Truppen behufs Beſetzung von
Saffi und Azemur zu entſenden. Wenn Abd ul Aſis
in einiger Zeit mit ſeinen eigenen Streitkräften dieſe Beſetzung
vornehmen würde, dann würde er einfach von ſeinem durch die
Algeciras-Akte anerkannten Rechte Gebrauch machen. Der Gou-
verneur von Mazagan beſchäftige ſich mit der Abſicht, eine
Truppenabteilung nach Mazagan zu entſenden. Auch dieſer Plan
könne gewiß nicht verdächtig erſcheinen.

(Weitere Nachrichten ſiehe Seite 5.)
[Spaltenumbruch]
Vom Berliner Kunſtleben.
Die Fritz Werner-Ausſtellung in der Akademie.

Das Lebenswerk eines Achtzigjährigen ſteht vor uns,
eines Mannes, der mit ſechsunddreißig Jahren die Radier-
nadel mit dem Pinſel vertauſchte und ihn noch heute mit
bewunderungswürdiger Sicherheit führt. Schon für An-
fang Januar war uns dieſe Ausſtellung verheißen geweſen,
aber da hielten die Engländer Einzug in das Akademie-
gebäude am Pariſer Platz, und alles, was in Berlin für
kunſtverſtändig gelten wollte, ſchob ſich durch die Säle,
ſtachelte ſich gegenſeitig zur Bewunderung an und ſchwärmte
für alte engliſche Kunſt, als ob da nicht, von
einigen Glanzſtücken der Bildnismalerei, einigen Land-
ſchaften Conſtables abgeſehen, neben manchem ſchlecht und
recht hingeſtrichenen Stück reichlich Mittelware die Wände
bedeckt hätte; Porträt bei Porträt, vielerlei nicht viel.

Hm, hm, dieſer Conſtable! Ob er ſich wohl unter dieſer
Geſellſchaft von „ſüßen“ Ladies — wie oft hörte ich dieſes
Beiwort —, unter dieſen ſteifbeinigen Lords, den Admiralen
und Generalen ſo ganz behaglich gefühlt hätte? In ihm
ſpukt ja, wollen wir genauer hinſchauen, der Gottſeibeiuns
des Impreſſionismus voraus; er ſchilderte die Welt, wie
ſie war, nicht wie ſie ausſehen wollte oder ſollte. Mehr
weſensverwandt hätte den alten Landſchafter das berührt,
was heute dort hängt.

Fritz Werners Hand und Auge hat ſich an den Fran-
zoſen der 50er Jahre geſchult; von ihnen iſt er beeinflußt
worden. Falſch dagegen iſt’s, ihn einen Schüler Bonnats
oder Meiſſoniers zu nennen. Ein freundſchaftlicher Um-
gang mit einem Könner macht dieſen noch nicht zu unſerem
Lehrer. Lehnte doch Werner bei ſeinem erſten Aufenthalt
in Paris ab, ſich von Decamps im Malen ausbilden zu
laſſen, als dieſer den ehemaligen Kupferſtecher dabei be-
obachtete, wie er jungen franzöſiſchen Malern die Hände
auf ihren Gemälden verbeſſerte und zeichnete. Mit der-
ſelben Hartnäckigkeit erhält ſich die Legende von Werners
Schülerſchaft bei Menzel. Der im Beſitz der National-
galerie befindliche Briefwechſel dieſer beiden, der ſeiner
Veröffentlichung harrt, wird damit aufräumen und zeigen,
daß Werner die einzige wahre Freundſchaft Menzels ge-
weſen iſt; der Freund war er ihm und mehr noch: der Dol-
metſcher Menzelſcher Kunſt. Sein Grabſtichel verſchaffte
[Spaltenumbruch] den Bildern des klug berechnenden Malers in einer Zeit,
wo außer dem billigen Steindruck nur der Kupferſtich und
die Radierung Vervielfältigungsmittel waren, weitere
Verbreitung, und Menzel wußte wohl, warum er ſich Wer-
ners Hilfe für ſein Gemälde der Königskrönung in Königs-
berg ſicherte: das blitzſchnelle Erfaſſen des Augenblicks auf
dem Papier des Skizzenbuchs, die unbeſtechliche Treue in
der Wiedergabe des Geſchauten war dieſem Helfer zu eigen.

Die gleiche Neigung beider für die Darſtellung der
friderizianiſchen Zeit mag ein Uebriges getan haben, in
dem oberflächlichen Beſchauer den Glauben an jene Legende
zu ſtärken; wer näher zuſieht und vergleicht, weiß, wie ſehr
ihre Malweiſe ſich voneinander unterſcheidet. Vor allem
war Menzel kein Koloriſt, Werner iſt farbenfreudig. Ein
Blick auf das von Menzel 1859 gemalte Bildnis Werners
genügt, um dies zu erkennen; jeder Leuchtkraft bar, aus-
geſtattet mit allen Vorzügen der Charakteriſtik, beweiſt es
in dieſer Umgebung klärlich, welche eigenen Wege der
Jüngere gegangen iſt.

Niemals Akademiker im alten böſen Sinne, iſt dieſes
Mitglied der Akademie den Spuren der großen Franzoſen
gefolgt: er malte im freien Licht — draußen im Walde
von Barbizon und anderswo — dieſe Werke aus den Jahren
1867, 1868 und 1869 waren für die Ausſtellung nicht zu
erlangen und ſind in franzöſiſchem Beſitz — und in Deutſch-
land war das Verſtändnis dafür nur wenigen Kennern auf-
gegangen. Ein deutſcher Freilichtmaler vor dem großen
Kriege! Es iſt gut, ſich heute, wo der Kampf der verſchie-
denen Schulen tobt, daran zu erinnern. Das große Publi-
kum wurde auf den bisher nur in engerem Kreiſe geſchätzten
Künſtler aufmerkſam durch die „Grenadiere und Ammen
in Unterhaltung“. Das ſchlug durch; es war weder die ge-
malte Novelle, noch ein ausgeklügelter Vorgang. Was die
langen Kerle am Gitter von Sansſouci den drallen Spree-
wälderinnen für Späße erzählten mit Schmunzeln, konnte
ſich jeder denken; man ſchmunzelte unwillkürlich mit und
brauchte keinen Lichtenberg zur Erklärung. Aber das war
nicht das Bemerkenswerte an dem Bilde. Die Fachleute
ſtutzten: da war etwas anderes gemalt, als ſonſt gemalt zu
werden pflegte. „Warum haſt du keinen Schlagſchatten ge-
malt?“ fragte Altmeiſter Menzel. „Ich habe keinen ge-
ſehen,“ war die Antwort. Mir ſcheint die Erwähnung
dieſes Geſprächs aus dem Jahre 1874 angebracht, weil es
ein Licht auf gewiſſe jetzt überwundene Anſchauungen
[Spaltenumbruch] wirft. Und ſo marſchieren neben den Grenadieren des
alten Fritz der Fahnenjunker vom 11. Regiment auf, die
Trommler, die Trompeter der Zietenhuſaren von 1775, die
Marketenderin zwiſchen den Regimentern Deſſau und Bay-
reuth, die ganze farbige Welt des Zopfs und mit ihr Pots-
dam, Rheinsberg, Sansſouci, Alt-Ruppin, Bruchſal Lud-
wigsburg, zum Teil Jnnenräume, in denen ſich das Leben
jener Tage abſpielte. Architekturſtücke wundervoller Art.
Ob ein Kirchenraum oder ein Schloßzimmer oder eine Ge-
mäldegalerie uns entgegentritt und ſcheinbar peinlich genau
in allen Einzelheiten ausgeführt erſcheint, bei näherer Be-
trachtung entdecken wir, wie ſicher und mit wie geringen
Mitteln dieſe farbige Wirkung auf unſer Auge erzeugt
worden iſt. Es liegt nichts Kleinliches in dieſer Kunſt, ſie
geht auf den Geſamteindruck, mag der Pinſel noch ſo ſpitz
geweſen ſein. Freilich, einer beſtimmten Schule läßt ſich
Werner nicht eingliedern; ſein Oelbild „Aus Oud’mannen-
huis“ könnte in jeder Sezeſſionsausſtellung mit hohen
Ehren beſtehen, und die beiden Landſchaften von Antibes
(1868 und 1869) dürften ohne Jahresbezeichnung einem
Kunſtgelehrten zu raten geben: fein in der Ausführung,
ſind ſie zugleich großzügig und zeigen, daß eine andere
Handſchrift wie die Bettlerſtadt Hindeloopen, über die der
ſalzige Hauch vom Breezand hinſtreicht, die Bibliothek zu
Weimar oder gar der Kaiſer als Prinz Wilhelm an der
Spitze der Fahnenkompagnie. Gerade dieſes Bild mit
ſeinem Volksgedränge iſt ungemein flott hingeworfen,
lebendig in der Bewegung. Auf dem Bilde „Beſuch beim
Antiquar“ gewahren wir dieſen mit einem Käufer in Be-
trachtung der „Hille Bobbe“ von Frans Hals. Wie ſtets,
hat hier der Künſtler an Selbſterlebtes angeknüpft: er
ſtand, während ſeines Aufenthalts in Holland, einmal in
Unterhandlung wegen Ankaufs dieſes Halsſchen Meiſter-
ſtücks, um es zu erwerben und dem Muſeum in Berlin an-
zubieten. Andere Kaufluſtige miſchten ſich dann hinein,
und ſo iſt die berühmte Hexe erſt auf dem Umwege über
die Suermondtſche Galerie, inzwiſchen freilich nicht billiger
geworden, nach Berlin gelangt.

Werners Vielſeitigkeit iſt erſtaunlich. Richt daß er ſich
als Landſchafter in England ebenſo gut wie an der Azur-
küſte, in Sizilien, in der Altmark betätigt hat, daß er ſich
als Tiermaler mit Glück verſucht, Vorfälle des täglichen
Lebens zwanglos, wie ſie ſich bieten, ohne Aufdringlichkeit
mit Humor zu behandeln, dabei ſtets das rein Maleriſche

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[2/0002] Seite 2. München, Sonntag Allgemeine Zeitung 22. März 1908. Nr. 136. liberale Stimme für einen Gefolgsmann derer um Lieber- mann v. Sonnenberg iſt ein Unding. Zudem ſind im Wahl- kampf gerade die Nationalliberalen beſonders heftig mit gen Antiſemiten zuſammengeraten, während die Gegner- ſchaft zwiſchen den liberalen Gruppen in ruhiger Weiſe ausgetragen wurde. * Leer, 21. März. Die Stichwahl im Reichstags- wahlkreiſe Emden-Norden wird, wie verlautet, am 1. April ſtattfinden. Stimmungsmache. *** Das Berliner Tageblatt, das Leibblatt der Ein- ſpänner aus dem ſozialliberalen Lager, für die die Block- politik den Weltuntergang ankündigt, wühlt noch im letzten Augenblick, um dem Kompromiß über das Reichsvereins- geſetz die eine oder andere Stimme abzujagen. So ſchreibt heute das Blatt: Die Zahl derjenigen freiſinnigen Abgeordneten der drei Fraktionen, die entſchloſſen ſind, der ſogenannten Fraktions- diſziplin zum Trotz bei der Abſtimmung im Plenum gegen das Kompromiß in der Sprachenfrage zu ſtimmen, iſt im Wachſen begriffen. Bisher erklärten nur Hauß- mann und Dohrn, daß ſie bei der Durchdrückung des § 7 nicht mitwirken würden. Jetzt haben ſich mehrere andere frei- ſinnige Abgeordnete angeſchloſſen, ſo daß es wahrſcheinlich iſt, daß der parlamentariſche Freiſinn nicht vollzählig für das Ausnahmegeſetz eintreten wird. Die Informationen des Berliner Tageblattes über die Stimmungen in der linksliberalen Fraktionsgemeinſchaft haben ſich bis jetzt meiſt als apokryph erwieſen, und ſo wird es auch diesmal ſein. Die „ſogenannte“ Fraktionsdiſziplin wird ſich bewähren, wenn auch wirklich ein Eigenbrödler ſeine Abwege geht. Harden über ſeinen Prozeß. In der neueſten Nummer der Zukunft ſpricht Harden weiter über ſeinen zweiten Prozeß, er tritt nun aus der Re- ſerve, in der er ſich zunächſt noch gehalten hatte, völlig her- aus: Auch die Verſetzung des Amtsrichters Dr. Kern be- weiſt, daß ein Richter in des Teufels Küche kommt, ſobald er intellektuell und ſittlich hoch genug ſteht, um die blüten- weiſe Unſchuld und den ſelbſtloſen Patriotismus des Herrn Maximilian Harden gebührend zu würdigen. Doch dieſes Lied kennt man ſchon, wie auch das folgende·von der „Fälſcherkunſt des Berliner Preßgeſindes“ und dem „ſchmie- rigen Troß, der Herrn Hardens Verteidiger und Zeugen wochenlang beſchimpft“. Einigen Reiz der Neuheit hat da- gegen die Abrechnung mit dem Staatsſekretär Dern- burg, der es fürchterlich büßen muß, von Herrn Harden und ſeiner Sache öffentlich abgerückt zu ſein. Als er, der an der Spitze der Darmſtädter Bank ſich nicht länger halten konnte, zum Kolonialdirektor ernannt wurde, weil Herr Harden gerade im rechten Augenblick dem Reichskanzler ſuggeriert hatte, daß der Poſten einem Bankmann gegeben werden müſſe, ſagte Herr Harden ſoviel Gutes über ihn, „wie die Ueberzeugung erlaubte“. Nun aber erlaubt die Ueberzeugung ſchlechterdings nichts Gutes mehr, wohl aber eine ganze Serie von ſpitzigen Bosheiten und groben Schmähungen. Herr Harden kann nur bedauern, „daß er ihm und ſeinesgleichen je ſeine Tür geöffnet hat“, und ver- ſprechen, daß er ihm, „wenn er ſich wieder erdreiſtet, mit noch heller brennendem Licht heimleuchten“ wird. Nachdem er ſo geſprochen, ſetzt ſich Herr Harden auf den Stuhl der Weltgeſchichte und des Weltgerichts und dekretiert, daß der Rechtslehrer Heinrich Dernburg der einzige in der Familie iſt, deſſen Name Anſpruch auf dauernde Geltung hat. Dann kehrt er zu dem Prozeß zurück. Er war ent- ſchloſſen, „in dem neuen Verfahren einen umſtändlichen Wahrheitsbeweis, der wieder Aergernis geben müßte, ſich nicht aufdrängen zu laſſen“. Was er ſagen wollte, hatte er geſagt, und bewirkt, was er bewirken wollte. Der Gerichts- hof mochte ihn verurteilen, wenn das Gewiſſen es ihm er- laubte. Und auf die ſchutzloſe Höhe dieſer heroiſchen Re- ſignation hat Herr Harden ſich geſtellt, obwohl er ſchon im November gehört hatte, Landgerichtsdirektor Lehmann — der Leiter des zweiten Prozeſſes — habe in einer Geſell- ſchaft laut geſagt: „Der Kerl muß verurteilt werden.“ Dieſer Herr Lehmann, ſo ſagte man ihm weiter, iſt über- haupt ſo ziemlich der unangenehmſte Vorſitzende, der zu er- denken wäre, einer, der nicht vom Ankläger den Beweis der Schuld, ſondern vom Angeklagten den Be- weis der Unſchuld fordert (eine Verirrung, die ge- rade einem Mann wie Harden unerhört ſcheinen muß!), Diabetiker, höchſt eigenſinnig und nervös uſw. Aber wie geſagt, Herr Harden wollte in dieſem zweiten Verfahren einen Wahrheitsbeweis nicht führen. Konnten die der Politik entrückten Herren ihren Lebensreſt retten, konnte der Rechtsſtreit raſch und ſtill verſchafft werden; er hatte nichts dagegen, ſelbſt wenn es auf ſeine Koſten ginge. Daß doch die Welt für die geiſtige Größe dieſes Syſtemwechſels vom erſten zum zweiten Prozeß ſogar nicht reif, daß ſie grauſam genug geweſen iſt, auf ihn, den Kranken, der zarteſten Schonung bedürftigen Mann die eigenen Me- thoden aus dem erſten Prozeß anzuwenden! Aber nein, man hatte nichts als brutale Härte gegen den ſterbens- kranken Angeklagten. „Und einſt dünkelte man ſich im Deutſchland der Feuerbach und Ihering mit hehrer Huma- nität.“ Die zweite Hälfte des Artikels iſt dem Kronzeugen Dr. Ludwig Frey gewidmet, der bekanntlich die Gräfin Moltke für hyſteriſch erklärt hat. Zu ſeiner Vernichtung werden fünf Briefe abgedruckt, die Frey in den Jahren 1898 und 1899 teils an die Gräfin Moltke, teils an ihre Mutter ge- richtet hat. Vorerſt iſt der Effekt der Enthüllungen ſehr beſcheiden. Aber ſie beweiſen, daß Harden ſein Syſtem jetzt wieder ändert. Der Proteſt der Reichstagsjournaliſten gegen die unerhörte Beleidigung durch den Abg. Gröber und den ungenügenden Schutz, den das Präſidium ihnen hat angedeihen laſſen, findet mit Ausnahme einiger kleri- kaler Organe die geſamte deutſche Preſſe mit hocherfreu- licher Einmütigkeit zu den Gekränkten ſtehend. Die Ber- liner Blätter erſcheinen überhaupt ohne Reichstagsberichte, im ſonſtigen Reich begnügt man ſich mit einer kurzen Skiz- zierung des Ganges und Ergebniſſes der Verhandlungen, ohne einen Redner zu nennen. Wer weiß, ob die Preſſe und Publikum nicht an dieſer beſchränkten Art der Bericht- erſtattung überhaupt Geſchmack finden, ſo daß der Reichs- tag künftighin ſeine Reden mehr zu eigenem Gebrauch bei „geſchloſſenen Fenſtern“ halten kann. Die heilſame päda- gogiſche Wirkung einer ſolchen Maßregel hat ſich ſchon ge- ſtern gezeigt. Kein Menſch legt Wert darauf, zu reden, wenn er nicht gedruckt wird. Vielleicht liegt alſo in dieſem Journaliſtenſtreik die Erlöſung unſeres Zeitalters von der nachgerade tödlichen Vielrederei der Parlamente. Der Wiener Nuntius und Baron Aehrenthal. * Die Neue Freie Preſſe ſchreibt: Wie heute hier in geiſtlichen Kreiſen verlautet, ſeien Nach- richten aus Rom eingelaufen, denen zufolge Papſt Pius X. die Haltung des Nuntius in der Wahrmund-Angelegenheit durchaus billige. Auch die Mitglieder des öſterreichiſchen Epiſkopats ſcheinen dem Nuntius zu erkennen gegeben zu haben, daß ſie den von ihm bei Frhrn. v. Aehrenthal gemachten Schritt begreifen und gut- heißen. In klerikalen Kreiſen hält man eine Applanie- rungdes Mißverſtändniſſes zwiſchen Frhrn. v. Aehren- thal und dem päpſtlichen Nuntius für durchaus nicht unwahr- ſcheinlich. Man nimmt an, daß Monſignore Fürſt Granito di Belmonte dem Miniſter des Aeußern nach deſſen Rückkehr vom Semmering, wohin Baron Aehrenthal ſich mit ſeiner Gemahlin zu mehrtägiger Erholung begeben hat, einen Beſuch machen werde. Anläßlich dieſes Beſuches dürfte es zur Bereinigung der Angelegenheit zwiſchen dem Miniſter des Aenßern und dem apoſtoliſchen Nuntius kommen. — Die kaiſerliche Familie wird auch in dieſem Som- mer einige Wochen in Schloß Wilhelmshöhe verleben. — Zu dem Tode des Hauptmanns Glauning in Kamerun wird mitgeteilt, daß der Offizier die Arbeiten der im Nordweſten tätigen Grenzkommiſſion auf Veranlaſſung des Gouvernements ſichern ſollte. Das Muntſchi-Gebiet liegt unge- fähr auf der Mitte der noch unkorrigierten Nordweſtgrenze Ka- meruns (Linie Aſſidinge-Yola-Bogen). Der Tod des Hauptmanns Glauning bedeutet für die Schutztruppe von Kamerun einen ſchweren Verluſt. Politiſche Nachrichten. Eduard Zellers Tod. * Stuttgart, 21. März. Bei dem Sohne Eduard Zellers, Profeſſor Dr. Albert Zeller, ſind zahlreicht Trauerkundgebungen eingelaufen, an ihrer Spitze ein warm empfundenes Telegramm des Kaiſers, welches nach dem Schwäbiſchen Merkur folgenden Wortlaut hat: Berlin, 20. März 1908. Ich nehme an dem Hinſcheiden Ihres Herrn Vaters herz lichen Anteil und ſpreche Ihnen mein wärmſtes Beileid aus Mit der ganzen gebildeten Welt vereinige ich mich an der Bahre des großen Philoſophen in Trauer und Dankbarkeit für die hervorragenden Dienſte, die der Verewigte der Wiſſen- ſchaft und beſonders dem deutſchen Geiſtesleben geleiſtet hat. Der Name Eduard Zeller iſt in die Reihe der edelſten Söhne des deutſchen Volkes eingetragen und wird ſtets nur mit Stolz und Bewunderung genannt werden. (gez.) Wilhelm I. R. Ebenſo iſt von dem preußiſchen Kultusminiſter Dr. Holle ein Telegramm eingetroffen, welches folgender- maßen lautet: Bei dem ſchweren Verluſt, von dem Sie und die Ihrigen betroffen worden ſind, bitte ich Sie, meiner innigſten und auf- richtigſten Anteilnahme verſichert zu ſein. In Ihrem Herrn Vater verliert die wiſſenſchaftliche Welt einen ihrer ausge zeichnetſten Vertreter, die hieſige Friedrich-Wilhelm-Univerſität ihren gefeierten Senior, zu dem ſie allezeit dankbar empor- geblickt hat. Auch die Univerſitätsverwaltung wird ſtets der ſeltenen Verdienſte eingedenk bleiben, die der große Geſchicht- ſchreiber der Philoſophie ſich als Forſcher und Lehrer er- worben hat. Frankreich in Marokko. Der Berliner Gewährsmann der Süddeutſchen Reichs- korreſpondenz ſchreibt: Die jüngſten Erfolge des Generals d’Amade gegen die Schaujaſtämme ſcheinen manchen fran- zöſiſchen Marokkopolitikern noch nicht zu genügen. Heute lieſt man in einer Pariſer Depeſche über Vorbereitungen zur Beſetzung des Hafens von Saffi, wo bisher keine Un- ruhen entſtanden waren. Wir faſſen ſolche Meldungen nur als Ausdruck nichtamtlicher Wünſche auf, die wir mit den Abſichten der franzöſiſchen Politik, ſoweit ſie wiederholt dargelegt worden ſind, nicht verwechſeln wollen. Wir kön- nen nicht glauben, daß in Saffiein zweites Caſa- blanca geſchaffen werden ſoll. Im Echo de Paris wurden kürzlich Mitteilungen ver- öffentlicht, wonach dem franzöſiſchen Miniſterium des Aeußern von mehreren Signatarmächten der Akte von Alge- ciras gute Wünſche für einen baldigen Erfolg der fran- zöſiſchen Waffen zugegangen ſein ſollten. In der Tat mögen, vor den letzten Gefechten, ſolche Wünſche an mehr als einer Stelle geäußert worden ſein. Man wünſchte den Waffen- erfolg, weil man wohl überall das Ende des Blutvergießens in Nordafrika herbeiſehnt. Eine Ermunterung aber, die militäriſchen Operationen zu verlängern oder zu erweitern, wie es das Echo de Paris darzuſtellen ſucht, iſt unſeres Wiſſens von keiner Seite ausgegangen. Hieran ſchließen wir folgende Depeſchen: * Paris, 21. März. Nach einem Telegramm des Generals d’Amade von geſtern herrſcht bei den Zajaus- und Zaras-Stämmen, die abgeſondert von den Schaujas leben, eine gewiſſe Erregung. Die Mahalla Abd-uk-Aſis’, die nach Fez marſchieren ſollte, habe den Marſch unterbrochen. — Der Spezialkorreſpondent des Matin meldet aus Dar-Uled- Fatima vom 15. März, daß in einem an dieſem Tage ſtatt- gehabten Kampfe mehrere Zeltlager der Schaujaſtämme auf eine Entfernung von drei Kilometern mit Schrapnells zuſammenge- ſchoſſen wurden. * Paris, 21. März. Der Petit Pariſſen erklärt in einer an- ſcheinend offiziöſen Mitteilung, daß niemals davon die Rede geweſen ſei, franzöſiſche Truppen behufs Beſetzung von Saffi und Azemur zu entſenden. Wenn Abd ul Aſis in einiger Zeit mit ſeinen eigenen Streitkräften dieſe Beſetzung vornehmen würde, dann würde er einfach von ſeinem durch die Algeciras-Akte anerkannten Rechte Gebrauch machen. Der Gou- verneur von Mazagan beſchäftige ſich mit der Abſicht, eine Truppenabteilung nach Mazagan zu entſenden. Auch dieſer Plan könne gewiß nicht verdächtig erſcheinen. (Weitere Nachrichten ſiehe Seite 5.) Vom Berliner Kunſtleben. Die Fritz Werner-Ausſtellung in der Akademie. Das Lebenswerk eines Achtzigjährigen ſteht vor uns, eines Mannes, der mit ſechsunddreißig Jahren die Radier- nadel mit dem Pinſel vertauſchte und ihn noch heute mit bewunderungswürdiger Sicherheit führt. Schon für An- fang Januar war uns dieſe Ausſtellung verheißen geweſen, aber da hielten die Engländer Einzug in das Akademie- gebäude am Pariſer Platz, und alles, was in Berlin für kunſtverſtändig gelten wollte, ſchob ſich durch die Säle, ſtachelte ſich gegenſeitig zur Bewunderung an und ſchwärmte für alte engliſche Kunſt, als ob da nicht, von einigen Glanzſtücken der Bildnismalerei, einigen Land- ſchaften Conſtables abgeſehen, neben manchem ſchlecht und recht hingeſtrichenen Stück reichlich Mittelware die Wände bedeckt hätte; Porträt bei Porträt, vielerlei nicht viel. Hm, hm, dieſer Conſtable! Ob er ſich wohl unter dieſer Geſellſchaft von „ſüßen“ Ladies — wie oft hörte ich dieſes Beiwort —, unter dieſen ſteifbeinigen Lords, den Admiralen und Generalen ſo ganz behaglich gefühlt hätte? In ihm ſpukt ja, wollen wir genauer hinſchauen, der Gottſeibeiuns des Impreſſionismus voraus; er ſchilderte die Welt, wie ſie war, nicht wie ſie ausſehen wollte oder ſollte. Mehr weſensverwandt hätte den alten Landſchafter das berührt, was heute dort hängt. Fritz Werners Hand und Auge hat ſich an den Fran- zoſen der 50er Jahre geſchult; von ihnen iſt er beeinflußt worden. Falſch dagegen iſt’s, ihn einen Schüler Bonnats oder Meiſſoniers zu nennen. Ein freundſchaftlicher Um- gang mit einem Könner macht dieſen noch nicht zu unſerem Lehrer. Lehnte doch Werner bei ſeinem erſten Aufenthalt in Paris ab, ſich von Decamps im Malen ausbilden zu laſſen, als dieſer den ehemaligen Kupferſtecher dabei be- obachtete, wie er jungen franzöſiſchen Malern die Hände auf ihren Gemälden verbeſſerte und zeichnete. Mit der- ſelben Hartnäckigkeit erhält ſich die Legende von Werners Schülerſchaft bei Menzel. Der im Beſitz der National- galerie befindliche Briefwechſel dieſer beiden, der ſeiner Veröffentlichung harrt, wird damit aufräumen und zeigen, daß Werner die einzige wahre Freundſchaft Menzels ge- weſen iſt; der Freund war er ihm und mehr noch: der Dol- metſcher Menzelſcher Kunſt. Sein Grabſtichel verſchaffte den Bildern des klug berechnenden Malers in einer Zeit, wo außer dem billigen Steindruck nur der Kupferſtich und die Radierung Vervielfältigungsmittel waren, weitere Verbreitung, und Menzel wußte wohl, warum er ſich Wer- ners Hilfe für ſein Gemälde der Königskrönung in Königs- berg ſicherte: das blitzſchnelle Erfaſſen des Augenblicks auf dem Papier des Skizzenbuchs, die unbeſtechliche Treue in der Wiedergabe des Geſchauten war dieſem Helfer zu eigen. Die gleiche Neigung beider für die Darſtellung der friderizianiſchen Zeit mag ein Uebriges getan haben, in dem oberflächlichen Beſchauer den Glauben an jene Legende zu ſtärken; wer näher zuſieht und vergleicht, weiß, wie ſehr ihre Malweiſe ſich voneinander unterſcheidet. Vor allem war Menzel kein Koloriſt, Werner iſt farbenfreudig. Ein Blick auf das von Menzel 1859 gemalte Bildnis Werners genügt, um dies zu erkennen; jeder Leuchtkraft bar, aus- geſtattet mit allen Vorzügen der Charakteriſtik, beweiſt es in dieſer Umgebung klärlich, welche eigenen Wege der Jüngere gegangen iſt. Niemals Akademiker im alten böſen Sinne, iſt dieſes Mitglied der Akademie den Spuren der großen Franzoſen gefolgt: er malte im freien Licht — draußen im Walde von Barbizon und anderswo — dieſe Werke aus den Jahren 1867, 1868 und 1869 waren für die Ausſtellung nicht zu erlangen und ſind in franzöſiſchem Beſitz — und in Deutſch- land war das Verſtändnis dafür nur wenigen Kennern auf- gegangen. Ein deutſcher Freilichtmaler vor dem großen Kriege! Es iſt gut, ſich heute, wo der Kampf der verſchie- denen Schulen tobt, daran zu erinnern. Das große Publi- kum wurde auf den bisher nur in engerem Kreiſe geſchätzten Künſtler aufmerkſam durch die „Grenadiere und Ammen in Unterhaltung“. Das ſchlug durch; es war weder die ge- malte Novelle, noch ein ausgeklügelter Vorgang. Was die langen Kerle am Gitter von Sansſouci den drallen Spree- wälderinnen für Späße erzählten mit Schmunzeln, konnte ſich jeder denken; man ſchmunzelte unwillkürlich mit und brauchte keinen Lichtenberg zur Erklärung. Aber das war nicht das Bemerkenswerte an dem Bilde. Die Fachleute ſtutzten: da war etwas anderes gemalt, als ſonſt gemalt zu werden pflegte. „Warum haſt du keinen Schlagſchatten ge- malt?“ fragte Altmeiſter Menzel. „Ich habe keinen ge- ſehen,“ war die Antwort. Mir ſcheint die Erwähnung dieſes Geſprächs aus dem Jahre 1874 angebracht, weil es ein Licht auf gewiſſe jetzt überwundene Anſchauungen wirft. Und ſo marſchieren neben den Grenadieren des alten Fritz der Fahnenjunker vom 11. Regiment auf, die Trommler, die Trompeter der Zietenhuſaren von 1775, die Marketenderin zwiſchen den Regimentern Deſſau und Bay- reuth, die ganze farbige Welt des Zopfs und mit ihr Pots- dam, Rheinsberg, Sansſouci, Alt-Ruppin, Bruchſal Lud- wigsburg, zum Teil Jnnenräume, in denen ſich das Leben jener Tage abſpielte. Architekturſtücke wundervoller Art. Ob ein Kirchenraum oder ein Schloßzimmer oder eine Ge- mäldegalerie uns entgegentritt und ſcheinbar peinlich genau in allen Einzelheiten ausgeführt erſcheint, bei näherer Be- trachtung entdecken wir, wie ſicher und mit wie geringen Mitteln dieſe farbige Wirkung auf unſer Auge erzeugt worden iſt. Es liegt nichts Kleinliches in dieſer Kunſt, ſie geht auf den Geſamteindruck, mag der Pinſel noch ſo ſpitz geweſen ſein. Freilich, einer beſtimmten Schule läßt ſich Werner nicht eingliedern; ſein Oelbild „Aus Oud’mannen- huis“ könnte in jeder Sezeſſionsausſtellung mit hohen Ehren beſtehen, und die beiden Landſchaften von Antibes (1868 und 1869) dürften ohne Jahresbezeichnung einem Kunſtgelehrten zu raten geben: fein in der Ausführung, ſind ſie zugleich großzügig und zeigen, daß eine andere Handſchrift wie die Bettlerſtadt Hindeloopen, über die der ſalzige Hauch vom Breezand hinſtreicht, die Bibliothek zu Weimar oder gar der Kaiſer als Prinz Wilhelm an der Spitze der Fahnenkompagnie. Gerade dieſes Bild mit ſeinem Volksgedränge iſt ungemein flott hingeworfen, lebendig in der Bewegung. Auf dem Bilde „Beſuch beim Antiquar“ gewahren wir dieſen mit einem Käufer in Be- trachtung der „Hille Bobbe“ von Frans Hals. Wie ſtets, hat hier der Künſtler an Selbſterlebtes angeknüpft: er ſtand, während ſeines Aufenthalts in Holland, einmal in Unterhandlung wegen Ankaufs dieſes Halsſchen Meiſter- ſtücks, um es zu erwerben und dem Muſeum in Berlin an- zubieten. Andere Kaufluſtige miſchten ſich dann hinein, und ſo iſt die berühmte Hexe erſt auf dem Umwege über die Suermondtſche Galerie, inzwiſchen freilich nicht billiger geworden, nach Berlin gelangt. Werners Vielſeitigkeit iſt erſtaunlich. Richt daß er ſich als Landſchafter in England ebenſo gut wie an der Azur- küſte, in Sizilien, in der Altmark betätigt hat, daß er ſich als Tiermaler mit Glück verſucht, Vorfälle des täglichen Lebens zwanglos, wie ſie ſich bieten, ohne Aufdringlichkeit mit Humor zu behandeln, dabei ſtets das rein Maleriſche

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 136, 22. März 1908, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine136_1908/2>, abgerufen am 29.05.2024.