Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.

Bild:
<< vorherige Seite
[Spaltenumbruch]
Oregon 5 September 1870 106,633 Dollars.
Pennsylvania 1 December 1870 31,107,186 "
Rhode Island 1 April 1870 2,774,000 "
Süd-Carolina 31 October 1870 7,665,908 "
Tennessee 1 Januar 1871 38,945,852 "
Texas 1 Januar 1871 930,000 "
Vermont 1 Januar 1871 1,227,000 "
Virginia 31 December 1870 47,390,839 "
Summe: 344,090,787 Dollars.


Aus der französischen Nationalversammlung.

Nach der Eröffnung der Sitzung nimmt die Ver-
sammlung ohne Discussion die Nachtragsconvention zum Frankfurter Frieden, unter-
zeichnet am 11 December 1871, an. Graf d'Harcourt liest den Vericht über die
Vorlage, dem wir folgende Stelle entnehmen: "Der Mangel einer Stipulation, welche
gewöhnlich, um nicht zu sagen immer, in den Friedensverträgen ihren Platz findet, war
schon in demjenigen vom 10 Mai bemerkt worden. Wir waren höchlichst erstaunt und
betrübt demselben auch in der Convention vom 11 December nicht zu begegnen. Wir
wollen von einer Amnestie für diejenigen unserer Landsleute sprechen die Deutsch-
land noch heut in Folge von Verurtheilungen, welche die Kriegsgerichte ausgesprochen,
als Gefangene zurückhält. Wenn in dieser Weise von den gewöhnlichsten internationalen
Gebräuchen abgewichen wurde, so seien Sie überzeugt daß die französischen Bevoll-
mächtigten nicht Schuld daran haben. Die Amnestie, welche sie nicht erlangen konnten,
wird die deutsche Regierung ohne Zweifel für ihre Pflicht halten unter einer andern
Form zu verwirklichen. Wir hegen gleichzeitig die feste Zuversicht daß unsere Mitbürger,
treu den Ermahnungen des Präsidenten der Republik, sich in Zukunft jedes Vorgangs
enthalten werden der einen Vorwand für neue Härten darbieten könnte."
Die Ver-
sammlung geht zur Berathung der Vorlage betreffend die Besteuerung der Mobi-
liarwerthe
über. Raudot bekämpft die Argumente welche gestern Hr. v. Soubeyran
gegen die Mobiliensteuer vorgebracht. Er glaubt nicht daß diese Abgabe dem Auslande
zu gute komme. Preußen hatte im Jahre 1815 keinen großen Capitalmarkt, und dennoch
hat sich seine Vevölkerung in 50 Jahren verdoppelt. Wodurch? Durch die Hingebung
an den Ackerbau. Das ist besser als die Verbreitung fremder Werthpapiere im Lande,
welche durch die Lockung von Wucherzinsen die Capitalien an die Börse ziehen. Das
mag man an der Börse gut finden, aber im Lande beklagt man sich darob. Wir sind
nicht hier um theoretische Discussionen zu unterhalten, sondern um praktische Lösungen
zu finden. Ich bin sicher daß man in allen Ministerien, und namentlich im Kriegs-
ministerium, große Ersparnisse erzielen kann. Buffet: Es gibt keine einzige Steuer
gegen welche nicht ernste Einwürfe erhoben werden könnten; aber da wir gezwungen
sind mit irgendeiner Steuer eine Vernunftheirath einzugehen, ist es unumgänglich daß
wir diese Ehe auf die am wenigsten unangenehme Weise schließen. Man darf ohne
Zweifel die Wirkung welche die Besteuerung der Börsenwerthe auf den Capitalmarkt
haben kann nicht übertreiben. Uns kommt es vor allem jetzt darauf an daß das Aus-
land seine Gelder in Frankreich placire und französische Werthe kaufe. Darum würde
diese Steuer so verhängnißvoll sein, weil sie das fremde Capital abhielte zu uns zu
kommen. Die Commission wollte eine allgemeine Einkommensteuer; die Regierung will
nur das Capital treffen. Beide Projecte sind sich mithin gänzlich entgegengesetzt. Der
Finanzminister unterscheidet die Einkünfte welche man leicht besteuern kann, und die-
jenigen welche sich verheimlichen lassen. Er will aber nur die ersteren besteuern. Ist
dieß ein annehmbares Princip? Und dabei ist er nicht einmal consequent; denn er be-
steuert nicht die Darlehen auf Hypotheken und ebensowenig die Rente, noch gar die
Schatzscheine. Und diese letzteren läßt er mit Recht frei ausgehen, weil ihre Besteuerung
nur eine Mystification wäre; denn der Staat selbst hätte sie zu tragen. Ich bin, wie
Hr. Thiers im Jahre 1848, für eine allgemeine Einkommensteuer; aber bei der Regie-
rungsvorlage, welche die Obligationen besteuert, trifft die Abgabe lediglich den Inhaber,
und der Werth der Obligation wird sich im Verhältnisse der Besteuerung vermindern.
Nur eine allgemeine Einkommensteuer wird anempfohlen werden können. Finanzminister
Pouyer-Quertier: Ich glaubte daß die Frage der allgemeinen Einkommensteuer
definitiv von der Kammer beseitigt sei. (Sehr gut! rechts.) Die Regierung hatte schon
einmal gesagt: Wir wollen keine Inquisition! Darum verlangte sie 30 Millionen von
der Besteuerung der Mobiliarwerthe allein. Man kann die Actien- und Obligationen-
Inhaber nicht mit den Kaufleuten in eine Reihe stellen. Die erstern sind nur engagirt
soweit sie ihr Geld in solchen Werthen angelegt haben, während die Kaufleute mit ihrem
ganzen Vermögen einstehen müssen und der Gefahr des Bankerotts ausgesetzt sind. Die
Kaufleute zahlen schon die Patentsteuer, obgleich dieselbe in der ersten Classe noch nicht
hoch genug gegriffen ist. Die wahre Frage um die es sich handelt, ist: zu ermessen
welche Wirkung die Besteuerung der Mobiliarwerthe auf den öffentlichen Credit haben
würde. Darüber soll die Kammer entscheiden. Damit schließt die Sitzung. -- Hr. Vau-
train hat seinen Sitz im linken Centrum eingenommen.



Dentsches Reich.

In den Sitzungen der Kammerausschüsse,
welche zur Zeit über den Initiativantrag Barth-Schüttinger und über die Be-
schwerde des Bischofs von Augsburg berathen, scheint es an sehr lebhaften Scenen
nicht zu fehlen. So soll, wie ein Münchener Correspondent der "Donauzeitung"
wissen will, im Beschwerdeausschusse neulich Hr. v. Lutz die Aeußerung gethan
haben: nicht von ihm sei die Verfassung verletzt worden durch sein Verhalten gegen
die jüngsten Concilbeschlüsse und deren Consequenzen, wohl aber von dem weiland
Cultusminister Hrn. v. Zwehl, als derselbe im J. 1854 die Verkündigung des
neuen Dogma von der unbefleckten Empfängniß zugelassen habe. "Als Hr. v. Lutz
diese seine Aeußerung im Protokolle wiedergegeben fand, protestirte er lebhaft da-
gegen, und meinte: er würde sie nicht gethan haben wenn er gewußt hätte daß sie
ins Protokoll komme. Die Mehrheit des Ausschusses aber bestimmte daß es dabei
sein Verbleiben habe, die Aeußerung sei geschehen, das Protokoll bleibe bestehen."
Auf die bevorstehenden Plenarverhandlungen über den Initiativantrag und die
bischöfliche Beschwerde darf man allerdings, wie die "Donauzeitung" meint,
"einigermaßen gespannt" sein. Vor Mitte oder Ende nächster Woche werden jedoch
diese Gegenstände nicht auf die Tagesordnung kommen. Die Klerikalen sind darauf
gefaßt daß die Negierung bei Gelegenheit dieser Debatten und der daran sich
knüpfenden Verurtheilung ihres Systems von Seite der Kammermehrheit zur
längst geplanten Auflösung des Landtags schreiten werde.

Der pens. Regierungspräsident Hr. v. Hohe, vormals Präsident der Regie-
rung der Pfalz, dann von Niederbayern, ist nach längerem Leiden gestern Morgen
gestorben.

[Spaltenumbruch]

Lycealprofessor Dr. Diendorfer widmet in der
"Postzeitung" seinem ehemaligen Lehrer und "nun leider auch ehemaligen Collegen,"
Greil, einen Nachruf, woraus wir ersehen daß letzterer im bayerischen Walde, auf
der sogenannten Oberbreitenau, im Jahre 1819 geboren ist, im Pfarrvicariat
Bodenmais, wie Hr. Diendorfer hervorhebt, für den der Mensch überhaupt in
erster Linie Pfarrkind und Diöcesane, und dann erst Angehöriger irgend eines ver-
suchsweisen Staatengebildes zu sein scheint. Da die Oberbreitenau als kleines
Sibirien gilt, so besuchte der junge Greil gar keine deutsche Schule, im Winter
nicht wegen der frühzeitig anfallenden Schneemassen, noch auch im Sommer, dessen
kurze Dauer zur Anspan nung aller vorhandenen Arbeitskräfte benützt werden
mußte. Greil trat dessenungeachtet schon im 13. Jahre in die Deggendorfer Latein-
schule; lediglich sein Vater, ein armer Söldner, soll es gewesen sein der ihn lesen,
schreiben und rechnen lehrte. Daher, meint der Nekrolog, sein Haß gegen den
"Schulzwang," was wir zur Ehre des Verstorbenen entschieden nicht annehmen.
1844 zum Priester gew eiht, erhielt Greil wegen des damals herrschenden Mangels
an geprüften Studienlehrern schon 1845 eine Anstellung als solcher, also ohne
eine Staatsconcursprüfung gemacht zu haben, die ja Personen geistlichen Standes
selbst heutzutage noch häusig geschenkt wird! Von achtenswerthen Eigenschaften
der Person, die wir gerne zugeben, absehend, zählen wir uns nicht zu
den Bewunderern des Verewigten, aber einen besseren Biographen als seinen
"leider ehemaligen Collegen" hätten wir ihm von Herzen gewünscht. "Greil,
schreibt derselbe, war eben eine eckige und markige, aber grundehrliche Natur."
Markig, aber grundehrlich! "Er konnte sich, erfahren wir weiter, auch im prakti-
schen Leben niemals zu Concessionen an den Weltgeist gewöhnen. Er trug daher
stets auch als Landtags- und Reichstagsabgeordneter als Halsbinde das einfache
ernste römische Collar." Wenn man in Passau schon eine schwarze Cravatte mit
gewöhnlichem Umschlagkragen als Concession an den Weltgeist betrachtet, was mag
das Jahrhundert von dieser Diöcese zu erwarten haben! "Wie sehr die Casino-
Mitglieder,
deducirt der Biograph weiter, den Verlust des so bewährten Freun-
des fühlten, das zeigte die allgemeine Theilnahme an den Trauergottesdiensten
für den Verlebten." Und ferner: "Was er angestrebt, was er gethan, was er
erreicht oder nicht erreicht, und endlich was er gelitten hat, das hat sich vor den
Augen der Mitwelt abgewickelt." Der Nekrolog ist, wie man sieht, in logischer
und stylistischer Beziehung eine bemerkenswerthe Leistung, und wir verdenken es der
"Donauzeitung" nicht wenn sie s. Z. anklopfend bemerkte: daß, wenn der erste Ersatz-
mann verzichten würde, dann für Greil ein anderer Passauer Professor, nämlich
Hr. Dr. Diendorfer, in die Kammer treten könne. Bauer Kinateder hat aber den
freundlichen Wink ignorirt und nicht verzichtet, und somit bleibt die wissenschaftliche
Lücke offen. Wir fühlen uns zu keinem verbesserten Nekrolog, wohl aber zu der Be-
merkung gedrungen daß der Autodidakt von Bischofsmais ein Talent war im eminen-
testen Sinne des Wortes, daß aber gerade seine spätere Richtung -- und namentlich die
traurige Beschränktheit die er seinem vielberufenen Budgetreferat zu Grunde legte --
den Beweis liefert wie gewisse bischöfliche Erziehungssysteme im Stande sind selbst
die gewaltigste und herrlichste Naturanlage zur einseitigen Verkümmerung zu brin-
gen. Unter andern Gesichtskreisen großgezogen, hätte der Reichstagsabgeordnete
Greil, bei seiner heutzutage nicht mehr gewöhnlichen Willensstärke, dem Vater-
land Dienste leisten können die selbst dem ungeschicktesten Biographen die Aufgabe
erleichterten. Die Phrase daß er sich den Tod auf dem parlamentarischen Schlacht-
felde geholt, beruht auf Uebertreibung; wenigstens ist es nicht denkbar daß jemand
in Folge politischer Aufregung die schwarzen Blattern bekommt. Hätte Greil in
Berlin sein in gesundheitspolizeilicher Beziehung übel notirtes Quartier nicht trotz
aller Warnung ein zweitesmal bezogen, er wäre heute noch der anerkannte Jupiter
des ultramontanen Berges. Auch seine körperlichen Kräfte waren gigantisch.
Schreiber dieser Zeilen sah selbst wie er in einer heiteren Abendgesellschaft mit
einer Hand, wobei er den Ellbogen in die Hüfte stemmte, einen Strohsessel auf
den Tisch hinaufhob. Daran wäre allerdings nichts besonderes, aber auf dem
Sessel saß sein Freund und Kammercollege, Hr. Pfarrer Sch.! Eine fernere An-
gabe der "Postzeitung," daß er eine Weltgeschichte in 59 Bänden schreiben wollte,
beruht hoffentlich auf einem Druckfehler. Zu Quellenstudien hatte er nicht die
Muße, und sein Schreibestyl war präcis.


Die "Corr. Stern" hat gestern ein Wort gesprochen,
das gewiß schon längst vielen auf der Zunge lag, ohne indeß den treffenden Aus-
druck gefunden zu haben, indem sie rügte daß die Telegraphenbureaux uns mit
vollständig werthlosen und gleichgültigen Nachrichten aus Frankreich überschütten;
die Wichtigkeit welche deutsche Blätter den bei den französischen Nachwahlen sich
bekämpfenden Candidaten beizulegen scheinen, muß den Franzosen als eine Ve-
stätigung ihres Größenwahnsinns gelten, welchen zu steigern eben wir Deutsche
schon früher überschwängliches geleistet haben. Ihren Ueberdruß an dem Ge-
zänk unseres westlichen Nachbarn spricht heut auch die "N. A. Z." mit derben
Worten aus: "Unsere Leser," sagt sie, "werden nicht verlangen Tag für Tag
Bülletins über den Verlauf der Geistesstörungen zu erhalten deren Schauplatz
die französischen Blätter sind. Unseres Erachtens wird von dem was in
Frankreich vorgcht, in Deutschland noch immer zu viel Notiz genommen." Ein
anderer in demselben Blatte befindlicher Artikel moquirt sich über die telegraphi-
schen Berichte aus Lille über die dortige Nachwahl: "Eine unerträgliche Spannung,
in der wir noch gestern befangen waren, ist so eben durch das Telegramm aus Lille
gehoben worden. Tausende werden sich mit uns erleichtert fühlen, und die Wohlthat
empfinden welche der Telegraph durch solche Mittheilungen der civilisirten Welt ge-
währt. Gott sei Dank, nunmehr liegt das Resultat der Ergänzungswahlen für die
Nationalversammlung (natürlich der Nation) zu Lille definitiv vor, und alle Un-
gewißheit darüber wer im Departement du Nord gewählt ist hat jetzt ein Ende!
Es kehren jetzt gerade die Jahrestage wieder da unser tapferes Nordheer dem
"stets siegreichen" Faidherbe regelmäßig die Gelegenheit darbot in Lille eine Unter-
kunft zu suchen. Und aus diesem Lille kommt uns nun die erhebende Gemüths-
bewegung dieser definitiven Nesultate der mikroskopischen Beobachtungen franzö-
sischer Weltereignisse. Wie geschmackvoll!"
Die von der "Ofsiciösen" zur Schau
getragene Gleichgültigkeit gegen die französischen Angelegenheiten ist aber cum
grano salis zu verstehen. In derselben heutigen Nummer ist ein der "Patrie"
entnommenes Artikelchen über die französische Cavallerie abgedruckt und mit einigen
Bemerkungen versehen, welche uns den Eindruck machen als sei deren Verfasser
über diesen Gegenstand besser unterrichtet als die "Patrie" selber. -- Das "Mil.-

[Spaltenumbruch]
Oregon 5 September 1870 106,633 Dollars.
Pennſylvania 1 December 1870 31,107,186 „
Rhode Island 1 April 1870 2,774,000 „
Süd-Carolina 31 October 1870 7,665,908 „
Tenneſſee 1 Januar 1871 38,945,852 „
Texas 1 Januar 1871 930,000 „
Vermont 1 Januar 1871 1,227,000 „
Virginia 31 December 1870 47,390,839 „
Summe: 344,090,787 Dollars.


Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung.

Nach der Eröffnung der Sitzung nimmt die Ver-
ſammlung ohne Discuſſion die Nachtragsconvention zum Frankfurter Frieden, unter-
zeichnet am 11 December 1871, an. Graf d’Harcourt liest den Vericht über die
Vorlage, dem wir folgende Stelle entnehmen: „Der Mangel einer Stipulation, welche
gewöhnlich, um nicht zu ſagen immer, in den Friedensverträgen ihren Platz findet, war
ſchon in demjenigen vom 10 Mai bemerkt worden. Wir waren höchlichſt erſtaunt und
betrübt demſelben auch in der Convention vom 11 December nicht zu begegnen. Wir
wollen von einer Amneſtie für diejenigen unſerer Landsleute ſprechen die Deutſch-
land noch heut in Folge von Verurtheilungen, welche die Kriegsgerichte ausgeſprochen,
als Gefangene zurückhält. Wenn in dieſer Weiſe von den gewöhnlichſten internationalen
Gebräuchen abgewichen wurde, ſo ſeien Sie überzeugt daß die franzöſiſchen Bevoll-
mächtigten nicht Schuld daran haben. Die Amneſtie, welche ſie nicht erlangen konnten,
wird die deutſche Regierung ohne Zweifel für ihre Pflicht halten unter einer andern
Form zu verwirklichen. Wir hegen gleichzeitig die feſte Zuverſicht daß unſere Mitbürger,
treu den Ermahnungen des Präſidenten der Republik, ſich in Zukunft jedes Vorgangs
enthalten werden der einen Vorwand für neue Härten darbieten könnte.“
Die Ver-
ſammlung geht zur Berathung der Vorlage betreffend die Beſteuerung der Mobi-
liarwerthe
über. Raudot bekämpft die Argumente welche geſtern Hr. v. Soubeyran
gegen die Mobilienſteuer vorgebracht. Er glaubt nicht daß dieſe Abgabe dem Auslande
zu gute komme. Preußen hatte im Jahre 1815 keinen großen Capitalmarkt, und dennoch
hat ſich ſeine Vevölkerung in 50 Jahren verdoppelt. Wodurch? Durch die Hingebung
an den Ackerbau. Das iſt beſſer als die Verbreitung fremder Werthpapiere im Lande,
welche durch die Lockung von Wucherzinſen die Capitalien an die Börſe ziehen. Das
mag man an der Börſe gut finden, aber im Lande beklagt man ſich darob. Wir ſind
nicht hier um theoretiſche Discuſſionen zu unterhalten, ſondern um praktiſche Löſungen
zu finden. Ich bin ſicher daß man in allen Miniſterien, und namentlich im Kriegs-
miniſterium, große Erſparniſſe erzielen kann. Buffet: Es gibt keine einzige Steuer
gegen welche nicht ernſte Einwürfe erhoben werden könnten; aber da wir gezwungen
ſind mit irgendeiner Steuer eine Vernunftheirath einzugehen, iſt es unumgänglich daß
wir dieſe Ehe auf die am wenigſten unangenehme Weiſe ſchließen. Man darf ohne
Zweifel die Wirkung welche die Beſteuerung der Börſenwerthe auf den Capitalmarkt
haben kann nicht übertreiben. Uns kommt es vor allem jetzt darauf an daß das Aus-
land ſeine Gelder in Frankreich placire und franzöſiſche Werthe kaufe. Darum würde
dieſe Steuer ſo verhängnißvoll ſein, weil ſie das fremde Capital abhielte zu uns zu
kommen. Die Commiſſion wollte eine allgemeine Einkommenſteuer; die Regierung will
nur das Capital treffen. Beide Projecte ſind ſich mithin gänzlich entgegengeſetzt. Der
Finanzminiſter unterſcheidet die Einkünfte welche man leicht beſteuern kann, und die-
jenigen welche ſich verheimlichen laſſen. Er will aber nur die erſteren beſteuern. Iſt
dieß ein annehmbares Princip? Und dabei iſt er nicht einmal conſequent; denn er be-
ſteuert nicht die Darlehen auf Hypotheken und ebenſowenig die Rente, noch gar die
Schatzſcheine. Und dieſe letzteren läßt er mit Recht frei ausgehen, weil ihre Beſteuerung
nur eine Myſtification wäre; denn der Staat ſelbſt hätte ſie zu tragen. Ich bin, wie
Hr. Thiers im Jahre 1848, für eine allgemeine Einkommenſteuer; aber bei der Regie-
rungsvorlage, welche die Obligationen beſteuert, trifft die Abgabe lediglich den Inhaber,
und der Werth der Obligation wird ſich im Verhältniſſe der Beſteuerung vermindern.
Nur eine allgemeine Einkommenſteuer wird anempfohlen werden können. Finanzminiſter
Pouyer-Quertier: Ich glaubte daß die Frage der allgemeinen Einkommenſteuer
definitiv von der Kammer beſeitigt ſei. (Sehr gut! rechts.) Die Regierung hatte ſchon
einmal geſagt: Wir wollen keine Inquiſition! Darum verlangte ſie 30 Millionen von
der Beſteuerung der Mobiliarwerthe allein. Man kann die Actien- und Obligationen-
Inhaber nicht mit den Kaufleuten in eine Reihe ſtellen. Die erſtern ſind nur engagirt
ſoweit ſie ihr Geld in ſolchen Werthen angelegt haben, während die Kaufleute mit ihrem
ganzen Vermögen einſtehen müſſen und der Gefahr des Bankerotts ausgeſetzt ſind. Die
Kaufleute zahlen ſchon die Patentſteuer, obgleich dieſelbe in der erſten Claſſe noch nicht
hoch genug gegriffen iſt. Die wahre Frage um die es ſich handelt, iſt: zu ermeſſen
welche Wirkung die Beſteuerung der Mobiliarwerthe auf den öffentlichen Credit haben
würde. Darüber ſoll die Kammer entſcheiden. Damit ſchließt die Sitzung. — Hr. Vau-
train hat ſeinen Sitz im linken Centrum eingenommen.



Dentſches Reich.

In den Sitzungen der Kammerausſchüſſe,
welche zur Zeit über den Initiativantrag Barth-Schüttinger und über die Be-
ſchwerde des Biſchofs von Augsburg berathen, ſcheint es an ſehr lebhaften Scenen
nicht zu fehlen. So ſoll, wie ein Münchener Correſpondent der „Donauzeitung“
wiſſen will, im Beſchwerdeausſchuſſe neulich Hr. v. Lutz die Aeußerung gethan
haben: nicht von ihm ſei die Verfaſſung verletzt worden durch ſein Verhalten gegen
die jüngſten Concilbeſchlüſſe und deren Conſequenzen, wohl aber von dem weiland
Cultusminiſter Hrn. v. Zwehl, als derſelbe im J. 1854 die Verkündigung des
neuen Dogma von der unbefleckten Empfängniß zugelaſſen habe. „Als Hr. v. Lutz
dieſe ſeine Aeußerung im Protokolle wiedergegeben fand, proteſtirte er lebhaft da-
gegen, und meinte: er würde ſie nicht gethan haben wenn er gewußt hätte daß ſie
ins Protokoll komme. Die Mehrheit des Ausſchuſſes aber beſtimmte daß es dabei
ſein Verbleiben habe, die Aeußerung ſei geſchehen, das Protokoll bleibe beſtehen.“
Auf die bevorſtehenden Plenarverhandlungen über den Initiativantrag und die
biſchöfliche Beſchwerde darf man allerdings, wie die „Donauzeitung“ meint,
„einigermaßen geſpannt“ ſein. Vor Mitte oder Ende nächſter Woche werden jedoch
dieſe Gegenſtände nicht auf die Tagesordnung kommen. Die Klerikalen ſind darauf
gefaßt daß die Negierung bei Gelegenheit dieſer Debatten und der daran ſich
knüpfenden Verurtheilung ihres Syſtems von Seite der Kammermehrheit zur
längſt geplanten Auflöſung des Landtags ſchreiten werde.

Der penſ. Regierungspräſident Hr. v. Hohe, vormals Präſident der Regie-
rung der Pfalz, dann von Niederbayern, iſt nach längerem Leiden geſtern Morgen
geſtorben.

[Spaltenumbruch]

Lycealprofeſſor Dr. Diendorfer widmet in der
„Poſtzeitung“ ſeinem ehemaligen Lehrer und „nun leider auch ehemaligen Collegen,“
Greil, einen Nachruf, woraus wir erſehen daß letzterer im bayeriſchen Walde, auf
der ſogenannten Oberbreitenau, im Jahre 1819 geboren iſt, im Pfarrvicariat
Bodenmais, wie Hr. Diendorfer hervorhebt, für den der Menſch überhaupt in
erſter Linie Pfarrkind und Diöceſane, und dann erſt Angehöriger irgend eines ver-
ſuchsweiſen Staatengebildes zu ſein ſcheint. Da die Oberbreitenau als kleines
Sibirien gilt, ſo beſuchte der junge Greil gar keine deutſche Schule, im Winter
nicht wegen der frühzeitig anfallenden Schneemaſſen, noch auch im Sommer, deſſen
kurze Dauer zur Anſpan nung aller vorhandenen Arbeitskräfte benützt werden
mußte. Greil trat deſſenungeachtet ſchon im 13. Jahre in die Deggendorfer Latein-
ſchule; lediglich ſein Vater, ein armer Söldner, ſoll es geweſen ſein der ihn leſen,
ſchreiben und rechnen lehrte. Daher, meint der Nekrolog, ſein Haß gegen den
„Schulzwang,“ was wir zur Ehre des Verſtorbenen entſchieden nicht annehmen.
1844 zum Prieſter gew eiht, erhielt Greil wegen des damals herrſchenden Mangels
an geprüften Studienlehrern ſchon 1845 eine Anſtellung als ſolcher, alſo ohne
eine Staatsconcursprüfung gemacht zu haben, die ja Perſonen geiſtlichen Standes
ſelbſt heutzutage noch häuſig geſchenkt wird! Von achtenswerthen Eigenſchaften
der Perſon, die wir gerne zugeben, abſehend, zählen wir uns nicht zu
den Bewunderern des Verewigten, aber einen beſſeren Biographen als ſeinen
„leider ehemaligen Collegen“ hätten wir ihm von Herzen gewünſcht. „Greil,
ſchreibt derſelbe, war eben eine eckige und markige, aber grundehrliche Natur.“
Markig, aber grundehrlich! „Er konnte ſich, erfahren wir weiter, auch im prakti-
ſchen Leben niemals zu Conceſſionen an den Weltgeiſt gewöhnen. Er trug daher
ſtets auch als Landtags- und Reichstagsabgeordneter als Halsbinde das einfache
ernſte römiſche Collar.“ Wenn man in Paſſau ſchon eine ſchwarze Cravatte mit
gewöhnlichem Umſchlagkragen als Conceſſion an den Weltgeiſt betrachtet, was mag
das Jahrhundert von dieſer Diöceſe zu erwarten haben! „Wie ſehr die Caſino-
Mitglieder,
deducirt der Biograph weiter, den Verluſt des ſo bewährten Freun-
des fühlten, das zeigte die allgemeine Theilnahme an den Trauergottesdienſten
für den Verlebten.“ Und ferner: „Was er angeſtrebt, was er gethan, was er
erreicht oder nicht erreicht, und endlich was er gelitten hat, das hat ſich vor den
Augen der Mitwelt abgewickelt.“ Der Nekrolog iſt, wie man ſieht, in logiſcher
und ſtyliſtiſcher Beziehung eine bemerkenswerthe Leiſtung, und wir verdenken es der
„Donauzeitung“ nicht wenn ſie ſ. Z. anklopfend bemerkte: daß, wenn der erſte Erſatz-
mann verzichten würde, dann für Greil ein anderer Paſſauer Profeſſor, nämlich
Hr. Dr. Diendorfer, in die Kammer treten könne. Bauer Kinateder hat aber den
freundlichen Wink ignorirt und nicht verzichtet, und ſomit bleibt die wiſſenſchaftliche
Lücke offen. Wir fühlen uns zu keinem verbeſſerten Nekrolog, wohl aber zu der Be-
merkung gedrungen daß der Autodidakt von Biſchofsmais ein Talent war im eminen-
teſten Sinne des Wortes, daß aber gerade ſeine ſpätere Richtung — und namentlich die
traurige Beſchränktheit die er ſeinem vielberufenen Budgetreferat zu Grunde legte —
den Beweis liefert wie gewiſſe biſchöfliche Erziehungsſyſteme im Stande ſind ſelbſt
die gewaltigſte und herrlichſte Naturanlage zur einſeitigen Verkümmerung zu brin-
gen. Unter andern Geſichtskreiſen großgezogen, hätte der Reichstagsabgeordnete
Greil, bei ſeiner heutzutage nicht mehr gewöhnlichen Willensſtärke, dem Vater-
land Dienſte leiſten können die ſelbſt dem ungeſchickteſten Biographen die Aufgabe
erleichterten. Die Phraſe daß er ſich den Tod auf dem parlamentariſchen Schlacht-
felde geholt, beruht auf Uebertreibung; wenigſtens iſt es nicht denkbar daß jemand
in Folge politiſcher Aufregung die ſchwarzen Blattern bekommt. Hätte Greil in
Berlin ſein in geſundheitspolizeilicher Beziehung übel notirtes Quartier nicht trotz
aller Warnung ein zweitesmal bezogen, er wäre heute noch der anerkannte Jupiter
des ultramontanen Berges. Auch ſeine körperlichen Kräfte waren gigantiſch.
Schreiber dieſer Zeilen ſah ſelbſt wie er in einer heiteren Abendgeſellſchaft mit
einer Hand, wobei er den Ellbogen in die Hüfte ſtemmte, einen Strohſeſſel auf
den Tiſch hinaufhob. Daran wäre allerdings nichts beſonderes, aber auf dem
Seſſel ſaß ſein Freund und Kammercollege, Hr. Pfarrer Sch.! Eine fernere An-
gabe der „Poſtzeitung,“ daß er eine Weltgeſchichte in 59 Bänden ſchreiben wollte,
beruht hoffentlich auf einem Druckfehler. Zu Quellenſtudien hatte er nicht die
Muße, und ſein Schreibeſtyl war präcis.


Die „Corr. Stern“ hat geſtern ein Wort geſprochen,
das gewiß ſchon längſt vielen auf der Zunge lag, ohne indeß den treffenden Aus-
druck gefunden zu haben, indem ſie rügte daß die Telegraphenbureaux uns mit
vollſtändig werthloſen und gleichgültigen Nachrichten aus Frankreich überſchütten;
die Wichtigkeit welche deutſche Blätter den bei den franzöſiſchen Nachwahlen ſich
bekämpfenden Candidaten beizulegen ſcheinen, muß den Franzoſen als eine Ve-
ſtätigung ihres Größenwahnſinns gelten, welchen zu ſteigern eben wir Deutſche
ſchon früher überſchwängliches geleiſtet haben. Ihren Ueberdruß an dem Ge-
zänk unſeres weſtlichen Nachbarn ſpricht heut auch die „N. A. Z.“ mit derben
Worten aus: „Unſere Leſer,“ ſagt ſie, „werden nicht verlangen Tag für Tag
Bülletins über den Verlauf der Geiſtesſtörungen zu erhalten deren Schauplatz
die franzöſiſchen Blätter ſind. Unſeres Erachtens wird von dem was in
Frankreich vorgcht, in Deutſchland noch immer zu viel Notiz genommen.“ Ein
anderer in demſelben Blatte befindlicher Artikel moquirt ſich über die telegraphi-
ſchen Berichte aus Lille über die dortige Nachwahl: „Eine unerträgliche Spannung,
in der wir noch geſtern befangen waren, iſt ſo eben durch das Telegramm aus Lille
gehoben worden. Tauſende werden ſich mit uns erleichtert fühlen, und die Wohlthat
empfinden welche der Telegraph durch ſolche Mittheilungen der civiliſirten Welt ge-
währt. Gott ſei Dank, nunmehr liegt das Reſultat der Ergänzungswahlen für die
Nationalverſammlung (natürlich der Nation) zu Lille definitiv vor, und alle Un-
gewißheit darüber wer im Departement du Nord gewählt iſt hat jetzt ein Ende!
Es kehren jetzt gerade die Jahrestage wieder da unſer tapferes Nordheer dem
„ſtets ſiegreichen“ Faidherbe regelmäßig die Gelegenheit darbot in Lille eine Unter-
kunft zu ſuchen. Und aus dieſem Lille kommt uns nun die erhebende Gemüths-
bewegung dieſer definitiven Neſultate der mikroſkopiſchen Beobachtungen franzö-
ſiſcher Weltereigniſſe. Wie geſchmackvoll!“
Die von der „Ofſiciöſen“ zur Schau
getragene Gleichgültigkeit gegen die franzöſiſchen Angelegenheiten iſt aber cum
grano salis zu verſtehen. In derſelben heutigen Nummer iſt ein der „Patrie“
entnommenes Artikelchen über die franzöſiſche Cavallerie abgedruckt und mit einigen
Bemerkungen verſehen, welche uns den Eindruck machen als ſei deren Verfaſſer
über dieſen Gegenſtand beſſer unterrichtet als die „Patrie“ ſelber. — Das „Mil.-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jPoliticalNews" n="1">
        <div n="2">
          <div type="jArticle" n="3">
            <pb facs="#f0004" n="180"/>
            <cb/>
            <list>
              <item>Oregon 5 September 1870 106,633 Dollars.</item><lb/>
              <item>Penn&#x017F;ylvania 1 December 1870 31,107,186 &#x201E;</item><lb/>
              <item>Rhode Island 1 April 1870 2,774,000 &#x201E;</item><lb/>
              <item>Süd-Carolina 31 October 1870 7,665,908 &#x201E;</item><lb/>
              <item>Tenne&#x017F;&#x017F;ee 1 Januar 1871 38,945,852 &#x201E;</item><lb/>
              <item>Texas 1 Januar 1871 930,000 &#x201E;</item><lb/>
              <item>Vermont 1 Januar 1871 1,227,000 &#x201E;</item><lb/>
              <item>Virginia 31 December 1870 47,390,839 &#x201E;</item><lb/>
              <item> <hi rendition="#et">Summe: 344,090,787 Dollars.</hi> </item>
            </list>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Aus der franzö&#x017F;i&#x017F;chen Nationalver&#x017F;ammlung.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>* <hi rendition="#b">Ver&#x017F;ailles,</hi> 9 Jan.</dateline><lb/>
            <p>Nach der Eröffnung der Sitzung nimmt die Ver-<lb/>
&#x017F;ammlung ohne Discu&#x017F;&#x017F;ion die Nachtragsconvention zum Frankfurter Frieden, unter-<lb/>
zeichnet am 11 December 1871, an. Graf d&#x2019;<hi rendition="#g">Harcourt</hi> liest den Vericht über die<lb/>
Vorlage, dem wir folgende Stelle entnehmen: <cit><quote>&#x201E;Der Mangel einer Stipulation, welche<lb/>
gewöhnlich, um nicht zu &#x017F;agen immer, in den Friedensverträgen ihren Platz findet, war<lb/>
&#x017F;chon in demjenigen vom 10 Mai bemerkt worden. Wir waren höchlich&#x017F;t er&#x017F;taunt und<lb/>
betrübt dem&#x017F;elben auch in der Convention vom 11 December nicht zu begegnen. Wir<lb/>
wollen von einer Amne&#x017F;tie für diejenigen un&#x017F;erer Landsleute &#x017F;prechen die Deut&#x017F;ch-<lb/>
land noch heut in Folge von Verurtheilungen, welche die Kriegsgerichte ausge&#x017F;prochen,<lb/>
als Gefangene zurückhält. Wenn in die&#x017F;er Wei&#x017F;e von den gewöhnlich&#x017F;ten internationalen<lb/>
Gebräuchen abgewichen wurde, &#x017F;o &#x017F;eien Sie überzeugt daß die franzö&#x017F;i&#x017F;chen Bevoll-<lb/>
mächtigten nicht Schuld daran haben. Die Amne&#x017F;tie, welche &#x017F;ie nicht erlangen konnten,<lb/>
wird die deut&#x017F;che Regierung ohne Zweifel für ihre Pflicht halten unter einer andern<lb/>
Form zu verwirklichen. Wir hegen gleichzeitig die fe&#x017F;te Zuver&#x017F;icht daß un&#x017F;ere Mitbürger,<lb/>
treu den Ermahnungen des Prä&#x017F;identen der Republik, &#x017F;ich in Zukunft jedes Vorgangs<lb/>
enthalten werden der einen Vorwand für neue Härten darbieten könnte.&#x201C;</quote></cit> Die Ver-<lb/>
&#x017F;ammlung geht zur Berathung der Vorlage betreffend die <hi rendition="#g">Be&#x017F;teuerung der Mobi-<lb/>
liarwerthe</hi> über. <hi rendition="#g">Raudot</hi> bekämpft die Argumente welche ge&#x017F;tern Hr. v. Soubeyran<lb/>
gegen die Mobilien&#x017F;teuer vorgebracht. Er glaubt nicht daß die&#x017F;e Abgabe dem Auslande<lb/>
zu gute komme. Preußen hatte im Jahre 1815 keinen großen Capitalmarkt, und dennoch<lb/>
hat &#x017F;ich &#x017F;eine Vevölkerung in 50 Jahren verdoppelt. Wodurch? Durch die Hingebung<lb/>
an den Ackerbau. Das i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er als die Verbreitung fremder Werthpapiere im Lande,<lb/>
welche durch die Lockung von Wucherzin&#x017F;en die Capitalien an die Bör&#x017F;e ziehen. Das<lb/>
mag man an der Bör&#x017F;e gut finden, aber im Lande beklagt man &#x017F;ich darob. Wir &#x017F;ind<lb/>
nicht hier um theoreti&#x017F;che Discu&#x017F;&#x017F;ionen zu unterhalten, &#x017F;ondern um prakti&#x017F;che Lö&#x017F;ungen<lb/>
zu finden. Ich bin &#x017F;icher daß man in allen Mini&#x017F;terien, und namentlich im Kriegs-<lb/>
mini&#x017F;terium, große Er&#x017F;parni&#x017F;&#x017F;e erzielen kann. <hi rendition="#g">Buffet:</hi> Es gibt keine einzige Steuer<lb/>
gegen welche nicht ern&#x017F;te Einwürfe erhoben werden könnten; aber da wir gezwungen<lb/>
&#x017F;ind mit irgendeiner Steuer eine Vernunftheirath einzugehen, i&#x017F;t es unumgänglich daß<lb/>
wir die&#x017F;e Ehe auf die am wenig&#x017F;ten unangenehme Wei&#x017F;e &#x017F;chließen. Man darf ohne<lb/>
Zweifel die Wirkung welche die Be&#x017F;teuerung der Bör&#x017F;enwerthe auf den Capitalmarkt<lb/>
haben kann nicht übertreiben. Uns kommt es vor allem jetzt darauf an daß das Aus-<lb/>
land &#x017F;eine Gelder in Frankreich placire und franzö&#x017F;i&#x017F;che Werthe kaufe. Darum würde<lb/>
die&#x017F;e Steuer &#x017F;o verhängnißvoll &#x017F;ein, weil &#x017F;ie das fremde Capital abhielte zu uns zu<lb/>
kommen. Die Commi&#x017F;&#x017F;ion wollte eine allgemeine Einkommen&#x017F;teuer; die Regierung will<lb/>
nur das Capital treffen. Beide Projecte &#x017F;ind &#x017F;ich mithin gänzlich entgegenge&#x017F;etzt. Der<lb/>
Finanzmini&#x017F;ter unter&#x017F;cheidet die Einkünfte welche man leicht be&#x017F;teuern kann, und die-<lb/>
jenigen welche &#x017F;ich verheimlichen la&#x017F;&#x017F;en. Er will aber nur die er&#x017F;teren be&#x017F;teuern. I&#x017F;t<lb/>
dieß ein annehmbares Princip? Und dabei i&#x017F;t er nicht einmal con&#x017F;equent; denn er be-<lb/>
&#x017F;teuert nicht die Darlehen auf Hypotheken und eben&#x017F;owenig die Rente, noch gar die<lb/>
Schatz&#x017F;cheine. Und die&#x017F;e letzteren läßt er mit Recht frei ausgehen, weil ihre Be&#x017F;teuerung<lb/>
nur eine My&#x017F;tification wäre; denn der Staat &#x017F;elb&#x017F;t hätte &#x017F;ie zu tragen. Ich bin, wie<lb/>
Hr. Thiers im Jahre 1848, für eine allgemeine Einkommen&#x017F;teuer; aber bei der Regie-<lb/>
rungsvorlage, welche die Obligationen be&#x017F;teuert, trifft die Abgabe lediglich den Inhaber,<lb/>
und der Werth der Obligation wird &#x017F;ich im Verhältni&#x017F;&#x017F;e der Be&#x017F;teuerung vermindern.<lb/>
Nur eine allgemeine Einkommen&#x017F;teuer wird anempfohlen werden können. Finanzmini&#x017F;ter<lb/><hi rendition="#g">Pouyer-Quertier:</hi> Ich glaubte daß die Frage der allgemeinen Einkommen&#x017F;teuer<lb/>
definitiv von der Kammer be&#x017F;eitigt &#x017F;ei. (Sehr gut! rechts.) Die Regierung hatte &#x017F;chon<lb/>
einmal ge&#x017F;agt: Wir wollen keine Inqui&#x017F;ition! Darum verlangte &#x017F;ie 30 Millionen von<lb/>
der Be&#x017F;teuerung der Mobiliarwerthe allein. Man kann die Actien- und Obligationen-<lb/>
Inhaber nicht mit den Kaufleuten in <hi rendition="#g">eine</hi> Reihe &#x017F;tellen. Die er&#x017F;tern &#x017F;ind nur engagirt<lb/>
&#x017F;oweit &#x017F;ie ihr Geld in &#x017F;olchen Werthen angelegt haben, während die Kaufleute mit ihrem<lb/>
ganzen Vermögen ein&#x017F;tehen mü&#x017F;&#x017F;en und der Gefahr des Bankerotts ausge&#x017F;etzt &#x017F;ind. Die<lb/>
Kaufleute zahlen &#x017F;chon die Patent&#x017F;teuer, obgleich die&#x017F;elbe in der er&#x017F;ten Cla&#x017F;&#x017F;e noch nicht<lb/>
hoch genug gegriffen i&#x017F;t. Die wahre Frage um die es &#x017F;ich handelt, i&#x017F;t: zu erme&#x017F;&#x017F;en<lb/>
welche Wirkung die Be&#x017F;teuerung der Mobiliarwerthe auf den öffentlichen Credit haben<lb/>
würde. Darüber &#x017F;oll die Kammer ent&#x017F;cheiden. Damit &#x017F;chließt die Sitzung. &#x2014; Hr. Vau-<lb/>
train hat &#x017F;einen Sitz im linken Centrum eingenommen.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Dent&#x017F;ches Reich.</hi> </head><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Bayern,</hi> 12 Jan.</dateline><lb/>
            <p>In den Sitzungen der Kammeraus&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
welche zur Zeit über den Initiativantrag Barth-Schüttinger und über die Be-<lb/>
&#x017F;chwerde des Bi&#x017F;chofs von Augsburg berathen, &#x017F;cheint es an &#x017F;ehr lebhaften Scenen<lb/>
nicht zu fehlen. So &#x017F;oll, wie ein Münchener Corre&#x017F;pondent der &#x201E;Donauzeitung&#x201C;<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en will, im Be&#x017F;chwerdeaus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;e neulich Hr. v. Lutz die Aeußerung gethan<lb/>
haben: nicht von ihm &#x017F;ei die Verfa&#x017F;&#x017F;ung verletzt worden durch &#x017F;ein Verhalten gegen<lb/>
die jüng&#x017F;ten Concilbe&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e und deren Con&#x017F;equenzen, wohl aber von dem weiland<lb/>
Cultusmini&#x017F;ter Hrn. v. Zwehl, als der&#x017F;elbe im J. 1854 die Verkündigung des<lb/>
neuen Dogma von der unbefleckten Empfängniß zugela&#x017F;&#x017F;en habe. &#x201E;Als Hr. v. Lutz<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;eine Aeußerung im Protokolle wiedergegeben fand, prote&#x017F;tirte er lebhaft da-<lb/>
gegen, und meinte: er würde &#x017F;ie nicht gethan haben wenn er gewußt hätte daß &#x017F;ie<lb/>
ins Protokoll komme. Die Mehrheit des Aus&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es aber be&#x017F;timmte daß es dabei<lb/>
&#x017F;ein Verbleiben habe, die Aeußerung &#x017F;ei ge&#x017F;chehen, das Protokoll bleibe be&#x017F;tehen.&#x201C;<lb/>
Auf die bevor&#x017F;tehenden Plenarverhandlungen über den Initiativantrag und die<lb/>
bi&#x017F;chöfliche Be&#x017F;chwerde darf man allerdings, wie die &#x201E;Donauzeitung&#x201C; meint,<lb/>
&#x201E;einigermaßen ge&#x017F;pannt&#x201C; &#x017F;ein. Vor Mitte oder Ende näch&#x017F;ter Woche werden jedoch<lb/>
die&#x017F;e Gegen&#x017F;tände nicht auf die Tagesordnung kommen. Die Klerikalen &#x017F;ind darauf<lb/>
gefaßt daß die Negierung bei Gelegenheit die&#x017F;er Debatten und der daran &#x017F;ich<lb/>
knüpfenden Verurtheilung ihres Sy&#x017F;tems von Seite der Kammermehrheit zur<lb/>
läng&#x017F;t geplanten Auflö&#x017F;ung des Landtags &#x017F;chreiten werde.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <p>Der pen&#x017F;. Regierungsprä&#x017F;ident Hr. v. Hohe, vormals Prä&#x017F;ident der Regie-<lb/>
rung der Pfalz, dann von Niederbayern, i&#x017F;t nach längerem Leiden ge&#x017F;tern Morgen<lb/>
ge&#x017F;torben.</p><lb/>
            <cb/>
          </div>
          <div type="jComment" n="3">
            <dateline>&#x25B3; <hi rendition="#b">München,</hi> 11 Jan.</dateline><lb/>
            <p>Lycealprofe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Diendorfer widmet in der<lb/>
&#x201E;Po&#x017F;tzeitung&#x201C; &#x017F;einem ehemaligen Lehrer und &#x201E;nun leider auch ehemaligen Collegen,&#x201C;<lb/>
Greil, einen Nachruf, woraus wir er&#x017F;ehen daß letzterer im bayeri&#x017F;chen Walde, auf<lb/>
der &#x017F;ogenannten Oberbreitenau, im Jahre 1819 geboren i&#x017F;t, im Pfarrvicariat<lb/>
Bodenmais, wie Hr. Diendorfer hervorhebt, für den der Men&#x017F;ch überhaupt in<lb/>
er&#x017F;ter Linie Pfarrkind und Diöce&#x017F;ane, und dann er&#x017F;t Angehöriger irgend eines ver-<lb/>
&#x017F;uchswei&#x017F;en Staatengebildes zu &#x017F;ein &#x017F;cheint. Da die Oberbreitenau als kleines<lb/>
Sibirien gilt, &#x017F;o be&#x017F;uchte der junge Greil gar keine deut&#x017F;che Schule, im Winter<lb/>
nicht wegen der frühzeitig anfallenden Schneema&#x017F;&#x017F;en, noch auch im Sommer, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
kurze Dauer zur An&#x017F;pan nung aller vorhandenen Arbeitskräfte benützt werden<lb/>
mußte. Greil trat de&#x017F;&#x017F;enungeachtet &#x017F;chon im 13. Jahre in die Deggendorfer Latein-<lb/>
&#x017F;chule; lediglich &#x017F;ein Vater, ein armer Söldner, &#x017F;oll es gewe&#x017F;en &#x017F;ein der ihn le&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;chreiben und rechnen lehrte. Daher, meint der Nekrolog, &#x017F;ein Haß gegen den<lb/>
&#x201E;Schulzwang,&#x201C; was wir zur Ehre des Ver&#x017F;torbenen ent&#x017F;chieden nicht annehmen.<lb/>
1844 zum Prie&#x017F;ter gew eiht, erhielt Greil wegen des damals herr&#x017F;chenden Mangels<lb/>
an geprüften Studienlehrern &#x017F;chon 1845 eine An&#x017F;tellung als &#x017F;olcher, al&#x017F;o ohne<lb/>
eine Staatsconcursprüfung gemacht zu haben, die ja Per&#x017F;onen gei&#x017F;tlichen Standes<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t heutzutage noch häu&#x017F;ig ge&#x017F;chenkt wird! Von achtenswerthen Eigen&#x017F;chaften<lb/>
der Per&#x017F;on, die wir gerne zugeben, ab&#x017F;ehend, zählen wir uns nicht zu<lb/>
den Bewunderern des Verewigten, aber einen be&#x017F;&#x017F;eren Biographen als &#x017F;einen<lb/>
&#x201E;leider ehemaligen Collegen&#x201C; hätten wir ihm von Herzen gewün&#x017F;cht. &#x201E;Greil,<lb/>
&#x017F;chreibt der&#x017F;elbe, war eben eine eckige und markige, aber grundehrliche Natur.&#x201C;<lb/>
Markig, <hi rendition="#g">aber</hi> grundehrlich! &#x201E;Er konnte &#x017F;ich, erfahren wir weiter, auch im prakti-<lb/>
&#x017F;chen Leben niemals zu Conce&#x017F;&#x017F;ionen an den Weltgei&#x017F;t gewöhnen. Er trug <hi rendition="#g">daher</hi><lb/>
&#x017F;tets auch als Landtags- und Reichstagsabgeordneter als Halsbinde das einfache<lb/>
ern&#x017F;te römi&#x017F;che Collar.&#x201C; Wenn man in Pa&#x017F;&#x017F;au &#x017F;chon eine &#x017F;chwarze Cravatte mit<lb/>
gewöhnlichem Um&#x017F;chlagkragen als Conce&#x017F;&#x017F;ion an den Weltgei&#x017F;t betrachtet, was mag<lb/>
das Jahrhundert von die&#x017F;er Diöce&#x017F;e zu erwarten haben! &#x201E;Wie &#x017F;ehr die <hi rendition="#g">Ca&#x017F;ino-<lb/>
Mitglieder,</hi> deducirt der Biograph weiter, den Verlu&#x017F;t des &#x017F;o bewährten Freun-<lb/>
des fühlten, das zeigte die <hi rendition="#g">allgemeine</hi> Theilnahme an den Trauergottesdien&#x017F;ten<lb/>
für den Verlebten.&#x201C; Und ferner: &#x201E;Was er ange&#x017F;trebt, was er gethan, was er<lb/>
erreicht oder nicht erreicht, und endlich was er gelitten hat, das hat &#x017F;ich vor den<lb/>
Augen der Mitwelt <hi rendition="#g">abgewickelt.</hi>&#x201C; Der Nekrolog i&#x017F;t, wie man &#x017F;ieht, in logi&#x017F;cher<lb/>
und &#x017F;tyli&#x017F;ti&#x017F;cher Beziehung eine bemerkenswerthe Lei&#x017F;tung, und wir verdenken es der<lb/>
&#x201E;Donauzeitung&#x201C; nicht wenn &#x017F;ie &#x017F;. Z. anklopfend bemerkte: daß, wenn der er&#x017F;te Er&#x017F;atz-<lb/>
mann verzichten würde, dann für Greil ein anderer Pa&#x017F;&#x017F;auer Profe&#x017F;&#x017F;or, nämlich<lb/>
Hr. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Diendorfer, in die Kammer treten könne. Bauer Kinateder hat aber den<lb/>
freundlichen Wink ignorirt und nicht verzichtet, und &#x017F;omit bleibt die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche<lb/>
Lücke offen. Wir fühlen uns zu keinem verbe&#x017F;&#x017F;erten Nekrolog, wohl aber zu der Be-<lb/>
merkung gedrungen daß der Autodidakt von Bi&#x017F;chofsmais ein Talent war im eminen-<lb/>
te&#x017F;ten Sinne des Wortes, daß aber gerade &#x017F;eine &#x017F;pätere Richtung &#x2014; und namentlich die<lb/>
traurige Be&#x017F;chränktheit die er &#x017F;einem vielberufenen Budgetreferat zu Grunde legte &#x2014;<lb/>
den Beweis liefert wie gewi&#x017F;&#x017F;e bi&#x017F;chöfliche Erziehungs&#x017F;y&#x017F;teme im Stande &#x017F;ind &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die gewaltig&#x017F;te und herrlich&#x017F;te Naturanlage zur ein&#x017F;eitigen Verkümmerung zu brin-<lb/>
gen. Unter andern Ge&#x017F;ichtskrei&#x017F;en großgezogen, hätte der Reichstagsabgeordnete<lb/>
Greil, bei &#x017F;einer heutzutage nicht mehr gewöhnlichen Willens&#x017F;tärke, dem Vater-<lb/>
land Dien&#x017F;te lei&#x017F;ten können die &#x017F;elb&#x017F;t dem unge&#x017F;chickte&#x017F;ten Biographen die Aufgabe<lb/>
erleichterten. Die Phra&#x017F;e daß er &#x017F;ich den Tod auf dem parlamentari&#x017F;chen Schlacht-<lb/>
felde geholt, beruht auf Uebertreibung; wenig&#x017F;tens i&#x017F;t es nicht denkbar daß jemand<lb/>
in Folge politi&#x017F;cher Aufregung die &#x017F;chwarzen Blattern bekommt. Hätte Greil in<lb/>
Berlin &#x017F;ein in ge&#x017F;undheitspolizeilicher Beziehung übel notirtes Quartier nicht trotz<lb/>
aller Warnung ein zweitesmal bezogen, er wäre heute noch der anerkannte Jupiter<lb/>
des ultramontanen Berges. Auch &#x017F;eine körperlichen Kräfte waren giganti&#x017F;ch.<lb/>
Schreiber die&#x017F;er Zeilen &#x017F;ah &#x017F;elb&#x017F;t wie er in einer heiteren Abendge&#x017F;ell&#x017F;chaft mit<lb/><hi rendition="#g">einer</hi> Hand, wobei er den Ellbogen in die Hüfte &#x017F;temmte, einen Stroh&#x017F;e&#x017F;&#x017F;el auf<lb/>
den Ti&#x017F;ch hinaufhob. Daran wäre allerdings nichts be&#x017F;onderes, aber auf dem<lb/>
Se&#x017F;&#x017F;el &#x017F;&#x017F;ein Freund und Kammercollege, Hr. Pfarrer Sch.! Eine fernere An-<lb/>
gabe der &#x201E;Po&#x017F;tzeitung,&#x201C; daß er eine Weltge&#x017F;chichte in 59 Bänden &#x017F;chreiben wollte,<lb/>
beruht hoffentlich auf einem Druckfehler. Zu Quellen&#x017F;tudien hatte er nicht die<lb/>
Muße, und &#x017F;ein Schreibe&#x017F;tyl war präcis.</p>
          </div><lb/>
          <div type="jArticle" n="3">
            <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 10 Jan.</dateline><lb/>
            <p>Die &#x201E;Corr. Stern&#x201C; hat ge&#x017F;tern ein Wort ge&#x017F;prochen,<lb/>
das gewiß &#x017F;chon läng&#x017F;t vielen auf der Zunge lag, ohne indeß den treffenden Aus-<lb/>
druck gefunden zu haben, indem &#x017F;ie rügte daß die Telegraphenbureaux uns mit<lb/>
voll&#x017F;tändig werthlo&#x017F;en und gleichgültigen Nachrichten aus Frankreich über&#x017F;chütten;<lb/>
die Wichtigkeit welche deut&#x017F;che Blätter den bei den franzö&#x017F;i&#x017F;chen Nachwahlen &#x017F;ich<lb/>
bekämpfenden Candidaten beizulegen &#x017F;cheinen, muß den Franzo&#x017F;en als eine Ve-<lb/>
&#x017F;tätigung ihres Größenwahn&#x017F;inns gelten, welchen zu &#x017F;teigern eben wir Deut&#x017F;che<lb/>
&#x017F;chon früher über&#x017F;chwängliches gelei&#x017F;tet haben. Ihren Ueberdruß an dem Ge-<lb/>
zänk un&#x017F;eres we&#x017F;tlichen Nachbarn &#x017F;pricht heut auch die &#x201E;N. A. Z.&#x201C; mit derben<lb/>
Worten aus: &#x201E;Un&#x017F;ere Le&#x017F;er,&#x201C; &#x017F;agt &#x017F;ie, &#x201E;werden nicht verlangen Tag für Tag<lb/>
Bülletins über den Verlauf der Gei&#x017F;tes&#x017F;törungen zu erhalten deren Schauplatz<lb/>
die franzö&#x017F;i&#x017F;chen Blätter &#x017F;ind. Un&#x017F;eres Erachtens wird von dem was in<lb/>
Frankreich vorgcht, in Deut&#x017F;chland noch immer zu viel Notiz genommen.&#x201C; Ein<lb/>
anderer in dem&#x017F;elben Blatte befindlicher Artikel moquirt &#x017F;ich über die telegraphi-<lb/>
&#x017F;chen Berichte aus Lille über die dortige Nachwahl: <cit><quote>&#x201E;Eine unerträgliche Spannung,<lb/>
in der wir noch ge&#x017F;tern befangen waren, i&#x017F;t &#x017F;o eben durch das Telegramm aus Lille<lb/>
gehoben worden. Tau&#x017F;ende werden &#x017F;ich mit uns erleichtert fühlen, und die Wohlthat<lb/>
empfinden welche der Telegraph durch &#x017F;olche Mittheilungen der civili&#x017F;irten Welt ge-<lb/>
währt. Gott &#x017F;ei Dank, nunmehr liegt das Re&#x017F;ultat der Ergänzungswahlen für die<lb/>
Nationalver&#x017F;ammlung (natürlich <hi rendition="#g">der</hi> Nation) zu Lille definitiv vor, und alle Un-<lb/>
gewißheit darüber wer im Departement du Nord gewählt i&#x017F;t hat jetzt ein Ende!<lb/>
Es kehren jetzt gerade die Jahrestage wieder da un&#x017F;er tapferes Nordheer dem<lb/>
&#x201E;&#x017F;tets &#x017F;iegreichen&#x201C; Faidherbe regelmäßig die Gelegenheit darbot in Lille eine Unter-<lb/>
kunft zu &#x017F;uchen. Und aus die&#x017F;em Lille kommt uns nun die erhebende Gemüths-<lb/>
bewegung die&#x017F;er definitiven Ne&#x017F;ultate der mikro&#x017F;kopi&#x017F;chen Beobachtungen franzö-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;cher Weltereigni&#x017F;&#x017F;e. Wie ge&#x017F;chmackvoll!&#x201C;</quote></cit> Die von der &#x201E;Of&#x017F;iciö&#x017F;en&#x201C; zur Schau<lb/>
getragene Gleichgültigkeit gegen die franzö&#x017F;i&#x017F;chen Angelegenheiten i&#x017F;t aber cum<lb/>
grano salis zu ver&#x017F;tehen. In der&#x017F;elben heutigen Nummer i&#x017F;t ein der &#x201E;Patrie&#x201C;<lb/>
entnommenes Artikelchen über die franzö&#x017F;i&#x017F;che Cavallerie abgedruckt und mit einigen<lb/>
Bemerkungen ver&#x017F;ehen, welche uns den Eindruck machen als &#x017F;ei deren Verfa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
über die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand be&#x017F;&#x017F;er unterrichtet als die &#x201E;Patrie&#x201C; &#x017F;elber. &#x2014; Das &#x201E;Mil.-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0004] Oregon 5 September 1870 106,633 Dollars. Pennſylvania 1 December 1870 31,107,186 „ Rhode Island 1 April 1870 2,774,000 „ Süd-Carolina 31 October 1870 7,665,908 „ Tenneſſee 1 Januar 1871 38,945,852 „ Texas 1 Januar 1871 930,000 „ Vermont 1 Januar 1871 1,227,000 „ Virginia 31 December 1870 47,390,839 „ Summe: 344,090,787 Dollars. Aus der franzöſiſchen Nationalverſammlung. * Verſailles, 9 Jan. Nach der Eröffnung der Sitzung nimmt die Ver- ſammlung ohne Discuſſion die Nachtragsconvention zum Frankfurter Frieden, unter- zeichnet am 11 December 1871, an. Graf d’Harcourt liest den Vericht über die Vorlage, dem wir folgende Stelle entnehmen: „Der Mangel einer Stipulation, welche gewöhnlich, um nicht zu ſagen immer, in den Friedensverträgen ihren Platz findet, war ſchon in demjenigen vom 10 Mai bemerkt worden. Wir waren höchlichſt erſtaunt und betrübt demſelben auch in der Convention vom 11 December nicht zu begegnen. Wir wollen von einer Amneſtie für diejenigen unſerer Landsleute ſprechen die Deutſch- land noch heut in Folge von Verurtheilungen, welche die Kriegsgerichte ausgeſprochen, als Gefangene zurückhält. Wenn in dieſer Weiſe von den gewöhnlichſten internationalen Gebräuchen abgewichen wurde, ſo ſeien Sie überzeugt daß die franzöſiſchen Bevoll- mächtigten nicht Schuld daran haben. Die Amneſtie, welche ſie nicht erlangen konnten, wird die deutſche Regierung ohne Zweifel für ihre Pflicht halten unter einer andern Form zu verwirklichen. Wir hegen gleichzeitig die feſte Zuverſicht daß unſere Mitbürger, treu den Ermahnungen des Präſidenten der Republik, ſich in Zukunft jedes Vorgangs enthalten werden der einen Vorwand für neue Härten darbieten könnte.“ Die Ver- ſammlung geht zur Berathung der Vorlage betreffend die Beſteuerung der Mobi- liarwerthe über. Raudot bekämpft die Argumente welche geſtern Hr. v. Soubeyran gegen die Mobilienſteuer vorgebracht. Er glaubt nicht daß dieſe Abgabe dem Auslande zu gute komme. Preußen hatte im Jahre 1815 keinen großen Capitalmarkt, und dennoch hat ſich ſeine Vevölkerung in 50 Jahren verdoppelt. Wodurch? Durch die Hingebung an den Ackerbau. Das iſt beſſer als die Verbreitung fremder Werthpapiere im Lande, welche durch die Lockung von Wucherzinſen die Capitalien an die Börſe ziehen. Das mag man an der Börſe gut finden, aber im Lande beklagt man ſich darob. Wir ſind nicht hier um theoretiſche Discuſſionen zu unterhalten, ſondern um praktiſche Löſungen zu finden. Ich bin ſicher daß man in allen Miniſterien, und namentlich im Kriegs- miniſterium, große Erſparniſſe erzielen kann. Buffet: Es gibt keine einzige Steuer gegen welche nicht ernſte Einwürfe erhoben werden könnten; aber da wir gezwungen ſind mit irgendeiner Steuer eine Vernunftheirath einzugehen, iſt es unumgänglich daß wir dieſe Ehe auf die am wenigſten unangenehme Weiſe ſchließen. Man darf ohne Zweifel die Wirkung welche die Beſteuerung der Börſenwerthe auf den Capitalmarkt haben kann nicht übertreiben. Uns kommt es vor allem jetzt darauf an daß das Aus- land ſeine Gelder in Frankreich placire und franzöſiſche Werthe kaufe. Darum würde dieſe Steuer ſo verhängnißvoll ſein, weil ſie das fremde Capital abhielte zu uns zu kommen. Die Commiſſion wollte eine allgemeine Einkommenſteuer; die Regierung will nur das Capital treffen. Beide Projecte ſind ſich mithin gänzlich entgegengeſetzt. Der Finanzminiſter unterſcheidet die Einkünfte welche man leicht beſteuern kann, und die- jenigen welche ſich verheimlichen laſſen. Er will aber nur die erſteren beſteuern. Iſt dieß ein annehmbares Princip? Und dabei iſt er nicht einmal conſequent; denn er be- ſteuert nicht die Darlehen auf Hypotheken und ebenſowenig die Rente, noch gar die Schatzſcheine. Und dieſe letzteren läßt er mit Recht frei ausgehen, weil ihre Beſteuerung nur eine Myſtification wäre; denn der Staat ſelbſt hätte ſie zu tragen. Ich bin, wie Hr. Thiers im Jahre 1848, für eine allgemeine Einkommenſteuer; aber bei der Regie- rungsvorlage, welche die Obligationen beſteuert, trifft die Abgabe lediglich den Inhaber, und der Werth der Obligation wird ſich im Verhältniſſe der Beſteuerung vermindern. Nur eine allgemeine Einkommenſteuer wird anempfohlen werden können. Finanzminiſter Pouyer-Quertier: Ich glaubte daß die Frage der allgemeinen Einkommenſteuer definitiv von der Kammer beſeitigt ſei. (Sehr gut! rechts.) Die Regierung hatte ſchon einmal geſagt: Wir wollen keine Inquiſition! Darum verlangte ſie 30 Millionen von der Beſteuerung der Mobiliarwerthe allein. Man kann die Actien- und Obligationen- Inhaber nicht mit den Kaufleuten in eine Reihe ſtellen. Die erſtern ſind nur engagirt ſoweit ſie ihr Geld in ſolchen Werthen angelegt haben, während die Kaufleute mit ihrem ganzen Vermögen einſtehen müſſen und der Gefahr des Bankerotts ausgeſetzt ſind. Die Kaufleute zahlen ſchon die Patentſteuer, obgleich dieſelbe in der erſten Claſſe noch nicht hoch genug gegriffen iſt. Die wahre Frage um die es ſich handelt, iſt: zu ermeſſen welche Wirkung die Beſteuerung der Mobiliarwerthe auf den öffentlichen Credit haben würde. Darüber ſoll die Kammer entſcheiden. Damit ſchließt die Sitzung. — Hr. Vau- train hat ſeinen Sitz im linken Centrum eingenommen. Dentſches Reich. * Aus Bayern, 12 Jan. In den Sitzungen der Kammerausſchüſſe, welche zur Zeit über den Initiativantrag Barth-Schüttinger und über die Be- ſchwerde des Biſchofs von Augsburg berathen, ſcheint es an ſehr lebhaften Scenen nicht zu fehlen. So ſoll, wie ein Münchener Correſpondent der „Donauzeitung“ wiſſen will, im Beſchwerdeausſchuſſe neulich Hr. v. Lutz die Aeußerung gethan haben: nicht von ihm ſei die Verfaſſung verletzt worden durch ſein Verhalten gegen die jüngſten Concilbeſchlüſſe und deren Conſequenzen, wohl aber von dem weiland Cultusminiſter Hrn. v. Zwehl, als derſelbe im J. 1854 die Verkündigung des neuen Dogma von der unbefleckten Empfängniß zugelaſſen habe. „Als Hr. v. Lutz dieſe ſeine Aeußerung im Protokolle wiedergegeben fand, proteſtirte er lebhaft da- gegen, und meinte: er würde ſie nicht gethan haben wenn er gewußt hätte daß ſie ins Protokoll komme. Die Mehrheit des Ausſchuſſes aber beſtimmte daß es dabei ſein Verbleiben habe, die Aeußerung ſei geſchehen, das Protokoll bleibe beſtehen.“ Auf die bevorſtehenden Plenarverhandlungen über den Initiativantrag und die biſchöfliche Beſchwerde darf man allerdings, wie die „Donauzeitung“ meint, „einigermaßen geſpannt“ ſein. Vor Mitte oder Ende nächſter Woche werden jedoch dieſe Gegenſtände nicht auf die Tagesordnung kommen. Die Klerikalen ſind darauf gefaßt daß die Negierung bei Gelegenheit dieſer Debatten und der daran ſich knüpfenden Verurtheilung ihres Syſtems von Seite der Kammermehrheit zur längſt geplanten Auflöſung des Landtags ſchreiten werde. Der penſ. Regierungspräſident Hr. v. Hohe, vormals Präſident der Regie- rung der Pfalz, dann von Niederbayern, iſt nach längerem Leiden geſtern Morgen geſtorben. △ München, 11 Jan. Lycealprofeſſor Dr. Diendorfer widmet in der „Poſtzeitung“ ſeinem ehemaligen Lehrer und „nun leider auch ehemaligen Collegen,“ Greil, einen Nachruf, woraus wir erſehen daß letzterer im bayeriſchen Walde, auf der ſogenannten Oberbreitenau, im Jahre 1819 geboren iſt, im Pfarrvicariat Bodenmais, wie Hr. Diendorfer hervorhebt, für den der Menſch überhaupt in erſter Linie Pfarrkind und Diöceſane, und dann erſt Angehöriger irgend eines ver- ſuchsweiſen Staatengebildes zu ſein ſcheint. Da die Oberbreitenau als kleines Sibirien gilt, ſo beſuchte der junge Greil gar keine deutſche Schule, im Winter nicht wegen der frühzeitig anfallenden Schneemaſſen, noch auch im Sommer, deſſen kurze Dauer zur Anſpan nung aller vorhandenen Arbeitskräfte benützt werden mußte. Greil trat deſſenungeachtet ſchon im 13. Jahre in die Deggendorfer Latein- ſchule; lediglich ſein Vater, ein armer Söldner, ſoll es geweſen ſein der ihn leſen, ſchreiben und rechnen lehrte. Daher, meint der Nekrolog, ſein Haß gegen den „Schulzwang,“ was wir zur Ehre des Verſtorbenen entſchieden nicht annehmen. 1844 zum Prieſter gew eiht, erhielt Greil wegen des damals herrſchenden Mangels an geprüften Studienlehrern ſchon 1845 eine Anſtellung als ſolcher, alſo ohne eine Staatsconcursprüfung gemacht zu haben, die ja Perſonen geiſtlichen Standes ſelbſt heutzutage noch häuſig geſchenkt wird! Von achtenswerthen Eigenſchaften der Perſon, die wir gerne zugeben, abſehend, zählen wir uns nicht zu den Bewunderern des Verewigten, aber einen beſſeren Biographen als ſeinen „leider ehemaligen Collegen“ hätten wir ihm von Herzen gewünſcht. „Greil, ſchreibt derſelbe, war eben eine eckige und markige, aber grundehrliche Natur.“ Markig, aber grundehrlich! „Er konnte ſich, erfahren wir weiter, auch im prakti- ſchen Leben niemals zu Conceſſionen an den Weltgeiſt gewöhnen. Er trug daher ſtets auch als Landtags- und Reichstagsabgeordneter als Halsbinde das einfache ernſte römiſche Collar.“ Wenn man in Paſſau ſchon eine ſchwarze Cravatte mit gewöhnlichem Umſchlagkragen als Conceſſion an den Weltgeiſt betrachtet, was mag das Jahrhundert von dieſer Diöceſe zu erwarten haben! „Wie ſehr die Caſino- Mitglieder, deducirt der Biograph weiter, den Verluſt des ſo bewährten Freun- des fühlten, das zeigte die allgemeine Theilnahme an den Trauergottesdienſten für den Verlebten.“ Und ferner: „Was er angeſtrebt, was er gethan, was er erreicht oder nicht erreicht, und endlich was er gelitten hat, das hat ſich vor den Augen der Mitwelt abgewickelt.“ Der Nekrolog iſt, wie man ſieht, in logiſcher und ſtyliſtiſcher Beziehung eine bemerkenswerthe Leiſtung, und wir verdenken es der „Donauzeitung“ nicht wenn ſie ſ. Z. anklopfend bemerkte: daß, wenn der erſte Erſatz- mann verzichten würde, dann für Greil ein anderer Paſſauer Profeſſor, nämlich Hr. Dr. Diendorfer, in die Kammer treten könne. Bauer Kinateder hat aber den freundlichen Wink ignorirt und nicht verzichtet, und ſomit bleibt die wiſſenſchaftliche Lücke offen. Wir fühlen uns zu keinem verbeſſerten Nekrolog, wohl aber zu der Be- merkung gedrungen daß der Autodidakt von Biſchofsmais ein Talent war im eminen- teſten Sinne des Wortes, daß aber gerade ſeine ſpätere Richtung — und namentlich die traurige Beſchränktheit die er ſeinem vielberufenen Budgetreferat zu Grunde legte — den Beweis liefert wie gewiſſe biſchöfliche Erziehungsſyſteme im Stande ſind ſelbſt die gewaltigſte und herrlichſte Naturanlage zur einſeitigen Verkümmerung zu brin- gen. Unter andern Geſichtskreiſen großgezogen, hätte der Reichstagsabgeordnete Greil, bei ſeiner heutzutage nicht mehr gewöhnlichen Willensſtärke, dem Vater- land Dienſte leiſten können die ſelbſt dem ungeſchickteſten Biographen die Aufgabe erleichterten. Die Phraſe daß er ſich den Tod auf dem parlamentariſchen Schlacht- felde geholt, beruht auf Uebertreibung; wenigſtens iſt es nicht denkbar daß jemand in Folge politiſcher Aufregung die ſchwarzen Blattern bekommt. Hätte Greil in Berlin ſein in geſundheitspolizeilicher Beziehung übel notirtes Quartier nicht trotz aller Warnung ein zweitesmal bezogen, er wäre heute noch der anerkannte Jupiter des ultramontanen Berges. Auch ſeine körperlichen Kräfte waren gigantiſch. Schreiber dieſer Zeilen ſah ſelbſt wie er in einer heiteren Abendgeſellſchaft mit einer Hand, wobei er den Ellbogen in die Hüfte ſtemmte, einen Strohſeſſel auf den Tiſch hinaufhob. Daran wäre allerdings nichts beſonderes, aber auf dem Seſſel ſaß ſein Freund und Kammercollege, Hr. Pfarrer Sch.! Eine fernere An- gabe der „Poſtzeitung,“ daß er eine Weltgeſchichte in 59 Bänden ſchreiben wollte, beruht hoffentlich auf einem Druckfehler. Zu Quellenſtudien hatte er nicht die Muße, und ſein Schreibeſtyl war präcis. * Berlin, 10 Jan. Die „Corr. Stern“ hat geſtern ein Wort geſprochen, das gewiß ſchon längſt vielen auf der Zunge lag, ohne indeß den treffenden Aus- druck gefunden zu haben, indem ſie rügte daß die Telegraphenbureaux uns mit vollſtändig werthloſen und gleichgültigen Nachrichten aus Frankreich überſchütten; die Wichtigkeit welche deutſche Blätter den bei den franzöſiſchen Nachwahlen ſich bekämpfenden Candidaten beizulegen ſcheinen, muß den Franzoſen als eine Ve- ſtätigung ihres Größenwahnſinns gelten, welchen zu ſteigern eben wir Deutſche ſchon früher überſchwängliches geleiſtet haben. Ihren Ueberdruß an dem Ge- zänk unſeres weſtlichen Nachbarn ſpricht heut auch die „N. A. Z.“ mit derben Worten aus: „Unſere Leſer,“ ſagt ſie, „werden nicht verlangen Tag für Tag Bülletins über den Verlauf der Geiſtesſtörungen zu erhalten deren Schauplatz die franzöſiſchen Blätter ſind. Unſeres Erachtens wird von dem was in Frankreich vorgcht, in Deutſchland noch immer zu viel Notiz genommen.“ Ein anderer in demſelben Blatte befindlicher Artikel moquirt ſich über die telegraphi- ſchen Berichte aus Lille über die dortige Nachwahl: „Eine unerträgliche Spannung, in der wir noch geſtern befangen waren, iſt ſo eben durch das Telegramm aus Lille gehoben worden. Tauſende werden ſich mit uns erleichtert fühlen, und die Wohlthat empfinden welche der Telegraph durch ſolche Mittheilungen der civiliſirten Welt ge- währt. Gott ſei Dank, nunmehr liegt das Reſultat der Ergänzungswahlen für die Nationalverſammlung (natürlich der Nation) zu Lille definitiv vor, und alle Un- gewißheit darüber wer im Departement du Nord gewählt iſt hat jetzt ein Ende! Es kehren jetzt gerade die Jahrestage wieder da unſer tapferes Nordheer dem „ſtets ſiegreichen“ Faidherbe regelmäßig die Gelegenheit darbot in Lille eine Unter- kunft zu ſuchen. Und aus dieſem Lille kommt uns nun die erhebende Gemüths- bewegung dieſer definitiven Neſultate der mikroſkopiſchen Beobachtungen franzö- ſiſcher Weltereigniſſe. Wie geſchmackvoll!“ Die von der „Ofſiciöſen“ zur Schau getragene Gleichgültigkeit gegen die franzöſiſchen Angelegenheiten iſt aber cum grano salis zu verſtehen. In derſelben heutigen Nummer iſt ein der „Patrie“ entnommenes Artikelchen über die franzöſiſche Cavallerie abgedruckt und mit einigen Bemerkungen verſehen, welche uns den Eindruck machen als ſei deren Verfaſſer über dieſen Gegenſtand beſſer unterrichtet als die „Patrie“ ſelber. — Das „Mil.-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1872/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1872/4>, abgerufen am 29.05.2024.