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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] wärtigen Conscquenzen in Rußland einzig dadurch möglich gewesen daß der Czar eine
absolute, alles bestimmende Gewalt besitzt, und auch noch für die Gesinnung seines eben-
so absoluten Thronerben Bürgschaft zu leisten vermochte. Wäre der Czar nicht abso-
lut, so hätte er weder mit einem Toast die ganze öffentliche Meinung zu beherr-
schen und zu bestimmen vermocht, noch hätte seine genaue Kenntniß von der Ge-
sinnung des Thronfolgers irgendwelchen Werth gehabt, weil der Thronerbe in
seiner Politik auch nicht von sich selbst, sondern von den Ständen und Parteien
abhängig gewesen wäre. Die Sicherung des Weltfriedens von Seite Nußlands
beruht danach vor allem darauf daß der Czar und sein Thronerbe sich bewußt
sind vollkommen maßgebend über den Parteien zu stehen. Es ist aber nicht in Abrede
zu stellen daß es eine mächtige anti-österreichische Partei im Czarenreiche wirklich gibt.
Ertheilte nun der Czar dem Land eine Constitution, so brauchte die anti-österrei-
chische Partei nicht mehr so zu schweigen wie jetzt, wo die feierlich ausgesprochene
Ansicht des Kaisers jeden Widerspruch einfach unmöglich macht. Das Treiben der anti-
österreichischen Partei, mit dem gehässigen Tone dem unsere nationale Presse so lange
huldigte verbunden, könnte dann Complicationen nach sich ziehen die manchem
vielleicht als Uebereilungen gelten würden, aber doch die gegenwärtige Friedens-
politik verhindern müßten. Jetzt ist es gerade der absolute Wille des Czaren,
der das Treiben der anti-österreichischen Partei zunichte macht; da darf man
denn wohl verlangen daß, trotz der frommen Wünsche für unsere Mündigsprechung,
die österreichische Presse und das österreichische Publicum sich über die wahre Sach-
lage gehörig verständigten. Was die "N. F. Pr." jedoch dem Czaren ansinnt,
würde unfehlbar zur Verschlechterung der russischen Beziehungen zu Oesterreich
führen -- und das wäre genau das Gegentheil von dem was das genannte Blatt
mit seinem Artikel bezweckt.

Türkei.

Die christliche Vevölkerung der Türkei tritt
ohne neue Hoffnungen das beginnende Jahr an. Die Erfahrung hat gelehrt daß
alle schönen Versprechungen der kaiserlichen Regierung gleich Seifenblasen sind,
welche im Augenblick der Berührung platzen und ohne Spur verschwinden. Seit
Raschid Pascha hatten meist Liberale das Ruder in der Hand -- Fuad, Aali,
Mahmud -- und doch welche radicale Aenderung ist in den Geschicken des Rajah
vollzogen worden? Keine. Die Formen haben wohl überall gewechselt, die Sachen
blieben aber wie sie waren: trostlos und abnorm. So hat der jetzige Großwessier
eine Masse wirklich schöner Reformen versprochen, viele derselben wohl auch schon
zur Vollziehung den Vali empfohlen -- aber wo ist die Spur derselben im Leben
selbst zu finden? Nirgends. Der Generalgouverneur von Vulgarien hat seinen
Untergebenen befohlen den Namen "Bulgare" aus allen officiellen Actenstücken
wegzulassen, und auch sonst dahin zu wirken daß die Benennung "bulgarische
Nation" wegfalle, und vom Bewußtsein des Volkes vertilgt werde. Diesem edlen
Plan gemäß werden die Schulbücher überall umgeändert werden. Natürlich daß
durch die bulgarischen, im Ausland erscheinenden Journale ein Schrei der Ent-
rüstung geht, und in Bulgarien selbst eine tiefe Verstimmung sich bemerkbar macht.
Richt weiser ist die Politik welche die Pforte in Bosnien verfolgt. Die Gefängnisse
find noch immer vollgepfropft mit sogenannten "Conspiratoren," deren einziges
Verbrechen aber bloß darin besteht daß sie patriotisch denken, und um Verbreitung
von Büchern und Zeitungen unter ihrem Volke sich bekümmerten. -- Montenegro
gegenüber ist man zweideutig. Die Türken von Podgoritza läßt man ungestraft
die Piperins verfolgen und aus Blutrache vielfache Morde begehen. Alle Vor-
stellungen des Fürsten Nikolo blieben fruchtlos, so daß derselbe sich bemüssigt fand
die Intervention der russischen Diplomatie anzurufen. Hr. Jonin, russischer
Consul in Ragusa, ist nach Scutari abgereist, um den Gouverneur zu bewegen ener-
gische Maßregeln gegen die excedirenden Mohammedaner zu ergreifen. In allen
diesen Beziehungen ist die Politik der Pforte eine unkluge, unwürdige und wohl
auch gefährliche.

Verschiedeues.

(Von der Universität.)

Der Geh. Hofrath Prof.
Gegenbaur, dem der Lehrstuhl für Anatomie an der in Straßburg zu gründenden deut-
schen Universität angeboten worden war, hat diese Berufung definitiv abgelehnt. Wenn
dieser Fall einerseits mit beweist daß man für Straßburg, im Gegensatz zu manchen
andern Fächern, wenigstens im Bereich der Naturwissenschaft wirklich hervorragende
Namen, obgleich großentheils ohne Erfolg, zu gewinnen bestrebt ist, so spricht andrer-
seits für die große Lebensfähigkeit unserer "kleinen" Universität sehr entschieden der
Umstand daß im Lauf eines Jahres drei hierselbst wirkende Gelehrte ersten Ranges,
sämmtlich in der Blüthe ihrer Jahre stehend (K. Fischer, E. Häckel, C. Gegenbaur), von
auswärts ihnen zugekommene glänzende Berufungen abzulehnen sich veranlaßt gesehen
haben, während ein vierter (R. A. Lipsius) neu gewonnen worden ist. -- Neuerdings hat
sich die kaiserl. russische Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg um die hiesige
Universität sehr verdient gemacht, indem sie ihre sämmtlichen Publicationen, soweit
dieselben sich nicht schon hier auf der Bibliothek befanden und überhaupt noch disponibel
waren, als Geschenk übersandt hat; gegen 500 Bände theils periodisch erscheinender,
theils selbständig herausgegebener, durchgängig äußerst werthvoller Werke in allen Cul-
tursprachen, während zugleich die Spendung auch der in Zukunft zu erwartenden Ver-
öffentlichungen in sichere Aussicht gestellt ist. Zum Muster könnten sich diesen Act hoch-
herzigster Liberalität die deutschen Akademien nehmen, deren Schriften unsere Bibliothek,
falls sie dieselben besitzen will, für schweres Geld kaufen muß.


Das ehemalige kaiserliche Schloß scheint noch zu
Weiterungen zwischen der Reichsbehörde und der Stadtbehörde Anlaß geben zu sollen.
Das Schloß, der alte Bischofshof auf dem Münsterplatz, vom Cardinal Rohan 1728
erbaut, zur Zeit der ersten Revolution von der Stadt angekauft, wurde von dieser im
Jahr 1806 dem Kaiser Napoleon I als kaiserliche Residenz verehrt. Unter den Bour-
bonen hatte es als Chateau Royal gedient. Im Jahr 1832 beanspruchte die Stadt das
Eigenthum des Gebäudes wieder, und gewann ihren Proceß. 1852 schenkte es die
Stadt Napoleon III, nach dessen Sturz und Verkündigung der Republik es am 14 Sept.
1870 abermals zurückgefordert wurde. Die deutsche Behörde bestritt das Recht auf Rück-
forderung, da dieses Gebäude zur kaiserlichen Civilliste gehöre, und ließ sich gegen Ende
des Jahres 1870 die von dem Maire zurückgehaltenen Schlüssel ausliefern. Dieser
protestirte, und auch die Municipalverwaltung ließ ihren Anspruch nicht fallen. Erst in
der letzten Zeit wurde ihr ein gütlicher Ausgleich dahin vorgeschlagen: daß das vormals
taiserliche Schloß als volles Eigenthum an die Stadt zurückfallen soll, wenn diese ein-
willige dasselbe zu Universitäts- oder wissenschaftlichen Zwecken anzuweisen. In der
[Spaltenumbruch] Sitzung des Municipalraths vom 3 Jan. nahm jedoch derselbe den Antrag der betref-
fenden Commission auf unbedingte Rückforderung an, indem die Stadt sich das Recht
vorbehalte das Gebäude in Zukunft zu jeder ihr beliebigen Bestimmung anzuweisen.
(Schles. Ztg.)


Wie die k. k. österreichisch-ungarische Gesandtschaft dem
Bundesrath so eben mitgetheilt hat, wird der dritte internationale Congreß für
Hebung des Seidenbaues
im Laufe des nächsten Herbstes zu Roveredo abgehalten
werden. Letztes Jahr war Udine bekanntlich sein Versammlungsort. Mit dem dießjähri-
gen soll gleichzeitig auch eine Ausstellung von allen den Seidenbau betreffenden Gegen-
ständen abgehalten werden. Ein anderer internationaler Congreß, zu welchem die Initiative
ebenfalls von Oesterreich ausgeht, und der einen Gegenstand von ebenso wichtigem
allgemeinem Interesse, die Frage gemeinsamen Vorgehens zur Abwehr der Rinder-
pest,
berathen soll, wird zu Ende des Monats Februar sich in Wien versammeln. Außer
auf die Betheiligung der Schweiz hofft die k. k. österreichisch-ungarische Regierung noch
auf das Erscheinen von Vertretern Rußlands, Deutschlands, Großbritanniens, der Do-
naufürstenthümer und der Türkei. Der Bundesrath hat bereits den Director der Vete-
rinäranstalt in Zürich, Hrn. Dr. Zangger, als Delegirten der Schweiz bezeichnet. End-
lich ist aus Wien auch die officielle Meldung eingetroffen daß das amtliche Organ für
die im Jahr 1873 daselbst stattfindende Weltausstellung einzig und allein die von
deren Generaldirection herausgegebene "Weltausstellungscorrespondenz" sein wird. --
Für die Anmeldung schweizerischer Aussteller zu der dießjährigen Industrie-Aus-
stellung
in Lyon ist der Termin bis zum 31 d. verlängert worden.


In der letzten Sitzung der Geographischen Gesellschaft bildete die in Aus-
ficht genommene Expedition zur Auffuchung Livingstone's das Hauptthema. Nach
dem bereits von uns Mitgetheilten ist noch hervorzuheben daß die Kosten des Unternehmens
auf allermindestens 2500 Pf. St. veranschlagt werden, wozu die Geographische Gesell-
schaft 500 Pf. St. aus ihrer Casse bewilligt hat, und wozu bis jetzt anderweitige Bei-
träge von zusammen etwa 800 Pf. St. angemeldet worden sind. Soweit positive Be-
weise reichen -- sagte der Vorsitzende Sir Bartle Frere -- darf man voraussetzen daß
er sich jetzt mit einigen Ueberresten von Gesundheit und Körperstärke im Innern Afrika's
befindet. Es ist möglich daß er noch am Leben ist, wiewohl seit dritthalb Jahren ohne
Mittel seine Arbeiten aufzuzeichnen, ohne Chinin um die brennenden Fieber des dorti-
gen Klima's zu bannen, und ohne die Vorräthe welche allein ihn in den Stand setzen
könnten in Awa wie ein civilisirter Mensch zu leben. Ein Engländer welcher in der
nämlichen Eigenschaft reiste wie Livingstone, würde auf wenig Hindernisse stoßen, und
könne dem großen Reisenden ins Innere Afrika's folgen. Um den Führer der Expedi-
tion zu erwählen, hat der Vorstand der Geographischen Gesellschaft einen Sonderaus-
schuß erwählt, um die Bewerbungen von vierzig Candidaten, die sich bereits gemeldet
haben, in Erwägung zu ziehen. (E. C.)


Das Räuberunwesen hat aufs neue begonnen, und zwar, wie
der hiesige Correspondent der "Times" schreibt, zugleich mit dem Amtsantritte des neuen
Ministeriums (welches übrigens telegraphischer Meldung zufolge bereits wieder seine
Entlassung eingereicht hat), und Hr. Zaimis ist bis jetzt ebenso wenig in seinen Be-
mühungen dasselbe zu unterdrücken mit Erfolg gekrönt worden, als es ihm früher bei
der Verwaltung des Ministeriums des Innern gelingen wollte. Der in Athen wohl-
bekannte Räuberhauptmann Spanos, dessen Heerden auf dem Berge Parnes weiden, ist
der Führer der durch sein plötzliches Wiederauftauchen in seinen alten Schlupfwinkeln
bei Oropos uns aus dem Traum der Sicherheit aufgestört hat. Die Bande soll aus
sieben erfahrenen und abgehärteten Räubern bestehen, und, wie es heißt, hat Spanos
selbst sich schon geraume Zeit in Griechenland verborgen gehalten und inzwischen seinen
Plan für den Winterfeldzug vorbereitet. Seine Kühnheit, welche sich in der Thatsache
ausspricht daß er gleich sein Hauptquartier nach Oropos verlegte, um Attika unsicher zu
machen, ist geradezu wunderbar, und erfordert eine gründlichere Untersuchung über das
Wesen und die Ursache des Straßenraubs als sie das Cabinet Zaimis nach dem Vorfall
bei Marathon veranstaltete. Die neuesten Blätter bringen einen seltsamen Bericht über
den ersten Zusammenstoß zwischen den zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit
verwendeten Truppen und der Bande Spanos. Die Geschichte ereignete sich bei Sphen-
dale, wo der Perserfeldherr Mardonius auf seinem Marsche von Megara nach Tanagra
vor der Schlacht bei Platää Rast hielt. Die Räuber hatten in einem Schäferlager
unfern Tanagra Contributionen erhoben, und man verfolgte sie von dort bis zu dem
Orte Paleomilisi in Attika. Eine Abtheilung von 30 Schützen wurde ausgesandt um die
Banditen zu umzingeln. Man fand sie alle um ein Feuer herum schlafend, ohne einen
Wachtposten, und wie es heißt, näherten sich die Soldaten auf 50 Schritte und gaben
dann auf die Schläfer Feuer. Auf diese Weise allarmirt, waren die Räuber im Augen-
blick auf den Füßen und gaben Fersengeld mitten durch ihre tapferen Verfolger hin-
durch. Die Flucht gelang vollständig, und Hr. Zaimis hat das Nachsehen. Ein Unter-
suchungsgerichtshof ist niedergesetzt worden, um ausfindig zu machen wie es kam daß
die Schüsse auf 50 Schritt Entfernung fehlten, und daß es den Räubern gelang ohne
Nebelkappe aus dem Kreise der Soldaten zu entkommen.


(Blutiger Skandal.)

Der bekannte James
Fisk
jun., einer der schlimmsten Schwindler von New-York, was viel heißen will, und
Director der berüchtigten Erie-Bahn, war mit einem gewissen Eduard S. Stokes in
Streit gerathen über eine Buhlin Namens Mansfield, die ihm dieser abgelockt hatte.
Auf Fisks Betreiben wurde Stokes verhaftet, und es entspann sich ein langwieriger
und anstößiger Proceß. Am vorigen Sonnabend gab Stokes in einer von jenem Weib
angestellten Verleumdungsklage Zeugniß gegen Fisk ab, und drohte außerdem Briefe
des letzteren an seine ehemalige Geliebte zu veröffentlichen, welche verschiedene Geheim-
nisse aus dem Erie-Schwindel enthielten. Fisk erlangte darauf einen gerichtlichen Be-
fehl -- vielleicht wieder von einem der durch Tweed, Fisk und Consorten erkauften
Richter -- wodurch die öffentliche Mittheilung jener Briefe verboten wurde, und über-
dieß gelang es ihm die große Jury dahin zu bringen daß sie Stokes wegen böswilliger
Verabredung zu falscher Anklage vor Gericht zu stellen beschloß. Den Stokes scheint
dieß in Wuth versetzt zu haben. Am Sonntag Nachmittag feuerte er in dem Corridor
des Grand Central Hotel drei Pistolenschüsse auf Fisk ab. Der Verwundete starb am
folgenden Morgen, behielt aber sein volles Bewußtsein bis zu Ende. Gould und Tweed,
langjährige Schwindelgenossen, wichen nicht von seinem Sterbelager; warum sie bis zu
seinem letzten Athemzug aushielten, werden sie wohl selbst am besten wissen. Der Mörder
wurde in Haft gebracht. (T. N.)

Telegraphische Curs- und Handelsberichte.

Eröffnungscurse. Oesterr. Creditactien 3501/4,
Staatsbahn 4111/4, 1860er L. --, 1882er Amerikaner 96, Lombarden 2181/2, Silber-
rente --, Galizier --, Spanier --. Tendenz: Staatsbahn steigend.


Anfangsbericht. Oesterr. Creditactien 2011/4
1860er L. 92, österr.-franz. Staatsbahn 2361/2, Lombarden 1251/2. Italiener 67, 1882er
Amerikaner 96 7/8 , Türken 49, Rumänier 451/4, Köln-Mindener Präm.-Anl 981/2,
Disconto-Commandit 226, Galizier --. Stimmung: sehr fest.


Der Lloyddampfer "Venus" ist heute Vormittags mit der
ostindisch chinesischen Ueberlandpost hier eingetroffen.



[Spaltenumbruch] wärtigen Conſcquenzen in Rußland einzig dadurch möglich geweſen daß der Czar eine
abſolute, alles beſtimmende Gewalt beſitzt, und auch noch für die Geſinnung ſeines eben-
ſo abſoluten Thronerben Bürgſchaft zu leiſten vermochte. Wäre der Czar nicht abſo-
lut, ſo hätte er weder mit einem Toaſt die ganze öffentliche Meinung zu beherr-
ſchen und zu beſtimmen vermocht, noch hätte ſeine genaue Kenntniß von der Ge-
ſinnung des Thronfolgers irgendwelchen Werth gehabt, weil der Thronerbe in
ſeiner Politik auch nicht von ſich ſelbſt, ſondern von den Ständen und Parteien
abhängig geweſen wäre. Die Sicherung des Weltfriedens von Seite Nußlands
beruht danach vor allem darauf daß der Czar und ſein Thronerbe ſich bewußt
ſind vollkommen maßgebend über den Parteien zu ſtehen. Es iſt aber nicht in Abrede
zu ſtellen daß es eine mächtige anti-öſterreichiſche Partei im Czarenreiche wirklich gibt.
Ertheilte nun der Czar dem Land eine Conſtitution, ſo brauchte die anti-öſterrei-
chiſche Partei nicht mehr ſo zu ſchweigen wie jetzt, wo die feierlich ausgeſprochene
Anſicht des Kaiſers jeden Widerſpruch einfach unmöglich macht. Das Treiben der anti-
öſterreichiſchen Partei, mit dem gehäſſigen Tone dem unſere nationale Preſſe ſo lange
huldigte verbunden, könnte dann Complicationen nach ſich ziehen die manchem
vielleicht als Uebereilungen gelten würden, aber doch die gegenwärtige Friedens-
politik verhindern müßten. Jetzt iſt es gerade der abſolute Wille des Czaren,
der das Treiben der anti-öſterreichiſchen Partei zunichte macht; da darf man
denn wohl verlangen daß, trotz der frommen Wünſche für unſere Mündigſprechung,
die öſterreichiſche Preſſe und das öſterreichiſche Publicum ſich über die wahre Sach-
lage gehörig verſtändigten. Was die „N. F. Pr.“ jedoch dem Czaren anſinnt,
würde unfehlbar zur Verſchlechterung der ruſſiſchen Beziehungen zu Oeſterreich
führen — und das wäre genau das Gegentheil von dem was das genannte Blatt
mit ſeinem Artikel bezweckt.

Türkei.

Die chriſtliche Vevölkerung der Türkei tritt
ohne neue Hoffnungen das beginnende Jahr an. Die Erfahrung hat gelehrt daß
alle ſchönen Verſprechungen der kaiſerlichen Regierung gleich Seifenblaſen ſind,
welche im Augenblick der Berührung platzen und ohne Spur verſchwinden. Seit
Raſchid Paſcha hatten meiſt Liberale das Ruder in der Hand — Fuad, Aali,
Mahmud — und doch welche radicale Aenderung iſt in den Geſchicken des Rajah
vollzogen worden? Keine. Die Formen haben wohl überall gewechſelt, die Sachen
blieben aber wie ſie waren: troſtlos und abnorm. So hat der jetzige Großweſſier
eine Maſſe wirklich ſchöner Reformen verſprochen, viele derſelben wohl auch ſchon
zur Vollziehung den Vali empfohlen — aber wo iſt die Spur derſelben im Leben
ſelbſt zu finden? Nirgends. Der Generalgouverneur von Vulgarien hat ſeinen
Untergebenen befohlen den Namen „Bulgare“ aus allen officiellen Actenſtücken
wegzulaſſen, und auch ſonſt dahin zu wirken daß die Benennung „bulgariſche
Nation“ wegfalle, und vom Bewußtſein des Volkes vertilgt werde. Dieſem edlen
Plan gemäß werden die Schulbücher überall umgeändert werden. Natürlich daß
durch die bulgariſchen, im Ausland erſcheinenden Journale ein Schrei der Ent-
rüſtung geht, und in Bulgarien ſelbſt eine tiefe Verſtimmung ſich bemerkbar macht.
Richt weiſer iſt die Politik welche die Pforte in Bosnien verfolgt. Die Gefängniſſe
find noch immer vollgepfropft mit ſogenannten „Conſpiratoren,“ deren einziges
Verbrechen aber bloß darin beſteht daß ſie patriotiſch denken, und um Verbreitung
von Büchern und Zeitungen unter ihrem Volke ſich bekümmerten. — Montenegro
gegenüber iſt man zweideutig. Die Türken von Podgoritza läßt man ungeſtraft
die Piperins verfolgen und aus Blutrache vielfache Morde begehen. Alle Vor-
ſtellungen des Fürſten Nikolo blieben fruchtlos, ſo daß derſelbe ſich bemüſſigt fand
die Intervention der ruſſiſchen Diplomatie anzurufen. Hr. Jonin, ruſſiſcher
Conſul in Raguſa, iſt nach Scutari abgereist, um den Gouverneur zu bewegen ener-
giſche Maßregeln gegen die excedirenden Mohammedaner zu ergreifen. In allen
dieſen Beziehungen iſt die Politik der Pforte eine unkluge, unwürdige und wohl
auch gefährliche.

Verſchiedeues.

(Von der Univerſität.)

Der Geh. Hofrath Prof.
Gegenbaur, dem der Lehrſtuhl für Anatomie an der in Straßburg zu gründenden deut-
ſchen Univerſität angeboten worden war, hat dieſe Berufung definitiv abgelehnt. Wenn
dieſer Fall einerſeits mit beweist daß man für Straßburg, im Gegenſatz zu manchen
andern Fächern, wenigſtens im Bereich der Naturwiſſenſchaft wirklich hervorragende
Namen, obgleich großentheils ohne Erfolg, zu gewinnen beſtrebt iſt, ſo ſpricht andrer-
ſeits für die große Lebensfähigkeit unſerer „kleinen“ Univerſität ſehr entſchieden der
Umſtand daß im Lauf eines Jahres drei hierſelbſt wirkende Gelehrte erſten Ranges,
ſämmtlich in der Blüthe ihrer Jahre ſtehend (K. Fiſcher, E. Häckel, C. Gegenbaur), von
auswärts ihnen zugekommene glänzende Berufungen abzulehnen ſich veranlaßt geſehen
haben, während ein vierter (R. A. Lipſius) neu gewonnen worden iſt. — Neuerdings hat
ſich die kaiſerl. ruſſiſche Akademie der Wiſſenſchaften in St. Petersburg um die hieſige
Univerſität ſehr verdient gemacht, indem ſie ihre ſämmtlichen Publicationen, ſoweit
dieſelben ſich nicht ſchon hier auf der Bibliothek befanden und überhaupt noch disponibel
waren, als Geſchenk überſandt hat; gegen 500 Bände theils periodiſch erſcheinender,
theils ſelbſtändig herausgegebener, durchgängig äußerſt werthvoller Werke in allen Cul-
turſprachen, während zugleich die Spendung auch der in Zukunft zu erwartenden Ver-
öffentlichungen in ſichere Ausſicht geſtellt iſt. Zum Muſter könnten ſich dieſen Act hoch-
herzigſter Liberalität die deutſchen Akademien nehmen, deren Schriften unſere Bibliothek,
falls ſie dieſelben beſitzen will, für ſchweres Geld kaufen muß.


Das ehemalige kaiſerliche Schloß ſcheint noch zu
Weiterungen zwiſchen der Reichsbehörde und der Stadtbehörde Anlaß geben zu ſollen.
Das Schloß, der alte Biſchofshof auf dem Münſterplatz, vom Cardinal Rohan 1728
erbaut, zur Zeit der erſten Revolution von der Stadt angekauft, wurde von dieſer im
Jahr 1806 dem Kaiſer Napoleon I als kaiſerliche Reſidenz verehrt. Unter den Bour-
bonen hatte es als Chàteau Royal gedient. Im Jahr 1832 beanſpruchte die Stadt das
Eigenthum des Gebäudes wieder, und gewann ihren Proceß. 1852 ſchenkte es die
Stadt Napoleon III, nach deſſen Sturz und Verkündigung der Republik es am 14 Sept.
1870 abermals zurückgefordert wurde. Die deutſche Behörde beſtritt das Recht auf Rück-
forderung, da dieſes Gebäude zur kaiſerlichen Civilliſte gehöre, und ließ ſich gegen Ende
des Jahres 1870 die von dem Maire zurückgehaltenen Schlüſſel ausliefern. Dieſer
proteſtirte, und auch die Municipalverwaltung ließ ihren Anſpruch nicht fallen. Erſt in
der letzten Zeit wurde ihr ein gütlicher Ausgleich dahin vorgeſchlagen: daß das vormals
taiſerliche Schloß als volles Eigenthum an die Stadt zurückfallen ſoll, wenn dieſe ein-
willige dasſelbe zu Univerſitäts- oder wiſſenſchaftlichen Zwecken anzuweiſen. In der
[Spaltenumbruch] Sitzung des Municipalraths vom 3 Jan. nahm jedoch derſelbe den Antrag der betref-
fenden Commiſſion auf unbedingte Rückforderung an, indem die Stadt ſich das Recht
vorbehalte das Gebäude in Zukunft zu jeder ihr beliebigen Beſtimmung anzuweiſen.
(Schleſ. Ztg.)


Wie die k. k. öſterreichiſch-ungariſche Geſandtſchaft dem
Bundesrath ſo eben mitgetheilt hat, wird der dritte internationale Congreß für
Hebung des Seidenbaues
im Laufe des nächſten Herbſtes zu Roveredo abgehalten
werden. Letztes Jahr war Udine bekanntlich ſein Verſammlungsort. Mit dem dießjähri-
gen ſoll gleichzeitig auch eine Ausſtellung von allen den Seidenbau betreffenden Gegen-
ſtänden abgehalten werden. Ein anderer internationaler Congreß, zu welchem die Initiative
ebenfalls von Oeſterreich ausgeht, und der einen Gegenſtand von ebenſo wichtigem
allgemeinem Intereſſe, die Frage gemeinſamen Vorgehens zur Abwehr der Rinder-
peſt,
berathen ſoll, wird zu Ende des Monats Februar ſich in Wien verſammeln. Außer
auf die Betheiligung der Schweiz hofft die k. k. öſterreichiſch-ungariſche Regierung noch
auf das Erſcheinen von Vertretern Rußlands, Deutſchlands, Großbritanniens, der Do-
naufürſtenthümer und der Türkei. Der Bundesrath hat bereits den Director der Vete-
rinäranſtalt in Zürich, Hrn. Dr. Zangger, als Delegirten der Schweiz bezeichnet. End-
lich iſt aus Wien auch die officielle Meldung eingetroffen daß das amtliche Organ für
die im Jahr 1873 daſelbſt ſtattfindende Weltausſtellung einzig und allein die von
deren Generaldirection herausgegebene „Weltausſtellungscorreſpondenz“ ſein wird. —
Für die Anmeldung ſchweizeriſcher Ausſteller zu der dießjährigen Induſtrie-Aus-
ſtellung
in Lyon iſt der Termin bis zum 31 d. verlängert worden.


In der letzten Sitzung der Geographiſchen Geſellſchaft bildete die in Aus-
ficht genommene Expedition zur Auffuchung Livingſtone’s das Hauptthema. Nach
dem bereits von uns Mitgetheilten iſt noch hervorzuheben daß die Koſten des Unternehmens
auf allermindeſtens 2500 Pf. St. veranſchlagt werden, wozu die Geographiſche Geſell-
ſchaft 500 Pf. St. aus ihrer Caſſe bewilligt hat, und wozu bis jetzt anderweitige Bei-
träge von zuſammen etwa 800 Pf. St. angemeldet worden ſind. Soweit poſitive Be-
weiſe reichen — ſagte der Vorſitzende Sir Bartle Frere — darf man vorausſetzen daß
er ſich jetzt mit einigen Ueberreſten von Geſundheit und Körperſtärke im Innern Afrika’s
befindet. Es iſt möglich daß er noch am Leben iſt, wiewohl ſeit dritthalb Jahren ohne
Mittel ſeine Arbeiten aufzuzeichnen, ohne Chinin um die brennenden Fieber des dorti-
gen Klima’s zu bannen, und ohne die Vorräthe welche allein ihn in den Stand ſetzen
könnten in Awa wie ein civiliſirter Menſch zu leben. Ein Engländer welcher in der
nämlichen Eigenſchaft reiste wie Livingſtone, würde auf wenig Hinderniſſe ſtoßen, und
könne dem großen Reiſenden ins Innere Afrika’s folgen. Um den Führer der Expedi-
tion zu erwählen, hat der Vorſtand der Geographiſchen Geſellſchaft einen Sonderaus-
ſchuß erwählt, um die Bewerbungen von vierzig Candidaten, die ſich bereits gemeldet
haben, in Erwägung zu ziehen. (E. C.)


Das Räuberunweſen hat aufs neue begonnen, und zwar, wie
der hieſige Correſpondent der „Times“ ſchreibt, zugleich mit dem Amtsantritte des neuen
Miniſteriums (welches übrigens telegraphiſcher Meldung zufolge bereits wieder ſeine
Entlaſſung eingereicht hat), und Hr. Zaimis iſt bis jetzt ebenſo wenig in ſeinen Be-
mühungen dasſelbe zu unterdrücken mit Erfolg gekrönt worden, als es ihm früher bei
der Verwaltung des Miniſteriums des Innern gelingen wollte. Der in Athen wohl-
bekannte Räuberhauptmann Spanos, deſſen Heerden auf dem Berge Parnes weiden, iſt
der Führer der durch ſein plötzliches Wiederauftauchen in ſeinen alten Schlupfwinkeln
bei Oropos uns aus dem Traum der Sicherheit aufgeſtört hat. Die Bande ſoll aus
ſieben erfahrenen und abgehärteten Räubern beſtehen, und, wie es heißt, hat Spanos
ſelbſt ſich ſchon geraume Zeit in Griechenland verborgen gehalten und inzwiſchen ſeinen
Plan für den Winterfeldzug vorbereitet. Seine Kühnheit, welche ſich in der Thatſache
ausſpricht daß er gleich ſein Hauptquartier nach Oropos verlegte, um Attika unſicher zu
machen, iſt geradezu wunderbar, und erfordert eine gründlichere Unterſuchung über das
Weſen und die Urſache des Straßenraubs als ſie das Cabinet Zaimis nach dem Vorfall
bei Marathon veranſtaltete. Die neueſten Blätter bringen einen ſeltſamen Bericht über
den erſten Zuſammenſtoß zwiſchen den zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit
verwendeten Truppen und der Bande Spanos. Die Geſchichte ereignete ſich bei Sphen-
dale, wo der Perſerfeldherr Mardonius auf ſeinem Marſche von Megara nach Tanagra
vor der Schlacht bei Platää Raſt hielt. Die Räuber hatten in einem Schäferlager
unfern Tanagra Contributionen erhoben, und man verfolgte ſie von dort bis zu dem
Orte Paleomiliſi in Attika. Eine Abtheilung von 30 Schützen wurde ausgeſandt um die
Banditen zu umzingeln. Man fand ſie alle um ein Feuer herum ſchlafend, ohne einen
Wachtpoſten, und wie es heißt, näherten ſich die Soldaten auf 50 Schritte und gaben
dann auf die Schläfer Feuer. Auf dieſe Weiſe allarmirt, waren die Räuber im Augen-
blick auf den Füßen und gaben Ferſengeld mitten durch ihre tapferen Verfolger hin-
durch. Die Flucht gelang vollſtändig, und Hr. Zaimis hat das Nachſehen. Ein Unter-
ſuchungsgerichtshof iſt niedergeſetzt worden, um ausfindig zu machen wie es kam daß
die Schüſſe auf 50 Schritt Entfernung fehlten, und daß es den Räubern gelang ohne
Nebelkappe aus dem Kreiſe der Soldaten zu entkommen.


(Blutiger Skandal.)

Der bekannte James
Fisk
jun., einer der ſchlimmſten Schwindler von New-York, was viel heißen will, und
Director der berüchtigten Erie-Bahn, war mit einem gewiſſen Eduard S. Stokes in
Streit gerathen über eine Buhlin Namens Mansfield, die ihm dieſer abgelockt hatte.
Auf Fisks Betreiben wurde Stokes verhaftet, und es entſpann ſich ein langwieriger
und anſtößiger Proceß. Am vorigen Sonnabend gab Stokes in einer von jenem Weib
angeſtellten Verleumdungsklage Zeugniß gegen Fisk ab, und drohte außerdem Briefe
des letzteren an ſeine ehemalige Geliebte zu veröffentlichen, welche verſchiedene Geheim-
niſſe aus dem Erie-Schwindel enthielten. Fisk erlangte darauf einen gerichtlichen Be-
fehl — vielleicht wieder von einem der durch Tweed, Fisk und Conſorten erkauften
Richter — wodurch die öffentliche Mittheilung jener Briefe verboten wurde, und über-
dieß gelang es ihm die große Jury dahin zu bringen daß ſie Stokes wegen böswilliger
Verabredung zu falſcher Anklage vor Gericht zu ſtellen beſchloß. Den Stokes ſcheint
dieß in Wuth verſetzt zu haben. Am Sonntag Nachmittag feuerte er in dem Corridor
des Grand Central Hôtel drei Piſtolenſchüſſe auf Fisk ab. Der Verwundete ſtarb am
folgenden Morgen, behielt aber ſein volles Bewußtſein bis zu Ende. Gould und Tweed,
langjährige Schwindelgenoſſen, wichen nicht von ſeinem Sterbelager; warum ſie bis zu
ſeinem letzten Athemzug aushielten, werden ſie wohl ſelbſt am beſten wiſſen. Der Mörder
wurde in Haft gebracht. (T. N.)

Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte.

Eröffnungscurſe. Oeſterr. Creditactien 350¼,
Staatsbahn 411¼, 1860er L. —, 1882er Amerikaner 96, Lombarden 218½, Silber-
rente —, Galizier —, Spanier —. Tendenz: Staatsbahn ſteigend.


Anfangsbericht. Oeſterr. Creditactien 201¼
1860er L. 92, öſterr.-franz. Staatsbahn 236½, Lombarden 125½. Italiener 67, 1882er
Amerikaner 96⅞, Türken 49, Rumänier 45¼, Köln-Mindener Präm.-Anl 98½,
Disconto-Commandit 226, Galizier —. Stimmung: ſehr feſt.


Der Lloyddampfer „Venus“ iſt heute Vormittags mit der
oſtindiſch chineſiſchen Ueberlandpoſt hier eingetroffen.



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&#x017F;o ab&#x017F;oluten Thronerben Bürg&#x017F;chaft zu lei&#x017F;ten vermochte. Wäre der Czar nicht ab&#x017F;o-<lb/>
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&#x017F;innung des Thronfolgers irgendwelchen Werth gehabt, weil der Thronerbe in<lb/>
&#x017F;einer Politik auch nicht von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern von den Ständen und Parteien<lb/>
abhängig gewe&#x017F;en wäre. Die Sicherung des Weltfriedens von Seite Nußlands<lb/>
beruht danach vor allem darauf daß der Czar und &#x017F;ein Thronerbe &#x017F;ich bewußt<lb/>
&#x017F;ind vollkommen maßgebend über den Parteien zu &#x017F;tehen. Es i&#x017F;t aber nicht in Abrede<lb/>
zu &#x017F;tellen daß es eine mächtige anti-ö&#x017F;terreichi&#x017F;che Partei im Czarenreiche wirklich gibt.<lb/>
Ertheilte nun der Czar dem Land eine Con&#x017F;titution, &#x017F;o brauchte die anti-ö&#x017F;terrei-<lb/>
chi&#x017F;che Partei nicht mehr &#x017F;o zu &#x017F;chweigen wie jetzt, wo die feierlich ausge&#x017F;prochene<lb/>
An&#x017F;icht des Kai&#x017F;ers jeden Wider&#x017F;pruch einfach unmöglich macht. Das Treiben der anti-<lb/>
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führen &#x2014; und das wäre genau das Gegentheil von dem was das genannte Blatt<lb/>
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Ra&#x017F;chid Pa&#x017F;cha hatten mei&#x017F;t Liberale das Ruder in der Hand &#x2014; Fuad, Aali,<lb/>
Mahmud &#x2014; und doch welche radicale Aenderung i&#x017F;t in den Ge&#x017F;chicken des Rajah<lb/>
vollzogen worden? Keine. Die Formen haben wohl überall gewech&#x017F;elt, die Sachen<lb/>
blieben aber wie &#x017F;ie waren: tro&#x017F;tlos und abnorm. So hat der jetzige Großwe&#x017F;&#x017F;ier<lb/>
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zur Vollziehung den Vali empfohlen &#x2014; aber wo i&#x017F;t die Spur der&#x017F;elben im Leben<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu finden? Nirgends. Der Generalgouverneur von Vulgarien hat &#x017F;einen<lb/>
Untergebenen befohlen den Namen &#x201E;Bulgare&#x201C; aus allen officiellen Acten&#x017F;tücken<lb/>
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Nation&#x201C; wegfalle, und vom Bewußt&#x017F;ein des Volkes vertilgt werde. Die&#x017F;em edlen<lb/>
Plan gemäß werden die Schulbücher überall umgeändert werden. Natürlich daß<lb/>
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Richt wei&#x017F;er i&#x017F;t die Politik welche die Pforte in Bosnien verfolgt. Die Gefängni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
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Verbrechen aber bloß darin be&#x017F;teht daß &#x017F;ie patrioti&#x017F;ch denken, und um Verbreitung<lb/>
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die Piperins verfolgen und aus Blutrache vielfache Morde begehen. Alle Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen des Für&#x017F;ten Nikolo blieben fruchtlos, &#x017F;o daß der&#x017F;elbe &#x017F;ich bemü&#x017F;&#x017F;igt fand<lb/>
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Con&#x017F;ul in Ragu&#x017F;a, i&#x017F;t nach Scutari abgereist, um den Gouverneur zu bewegen ener-<lb/>
gi&#x017F;che Maßregeln gegen die excedirenden Mohammedaner zu ergreifen. In allen<lb/>
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Gegenbaur, dem der Lehr&#x017F;tuhl für Anatomie an der in Straßburg zu gründenden deut-<lb/>
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Namen, obgleich großentheils ohne Erfolg, zu gewinnen be&#x017F;trebt i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;pricht andrer-<lb/>
&#x017F;eits für die große Lebensfähigkeit un&#x017F;erer &#x201E;kleinen&#x201C; Univer&#x017F;ität &#x017F;ehr ent&#x017F;chieden der<lb/>
Um&#x017F;tand daß im Lauf eines Jahres drei hier&#x017F;elb&#x017F;t wirkende Gelehrte er&#x017F;ten Ranges,<lb/>
&#x017F;ämmtlich in der Blüthe ihrer Jahre &#x017F;tehend (K. Fi&#x017F;cher, E. Häckel, C. Gegenbaur), von<lb/>
auswärts ihnen zugekommene glänzende Berufungen abzulehnen &#x017F;ich veranlaßt ge&#x017F;ehen<lb/>
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&#x017F;ich die kai&#x017F;erl. ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Akademie der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften in St. Petersburg um die hie&#x017F;ige<lb/>
Univer&#x017F;ität &#x017F;ehr verdient gemacht, indem &#x017F;ie ihre &#x017F;ämmtlichen Publicationen, &#x017F;oweit<lb/>
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tur&#x017F;prachen, während zugleich die Spendung auch der in Zukunft zu erwartenden Ver-<lb/>
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          <p><hi rendition="#g">Das ehemalige kai&#x017F;erliche Schloß</hi> &#x017F;cheint noch zu<lb/>
Weiterungen zwi&#x017F;chen der Reichsbehörde und der Stadtbehörde Anlaß geben zu &#x017F;ollen.<lb/>
Das Schloß, der alte Bi&#x017F;chofshof auf dem Mün&#x017F;terplatz, vom Cardinal Rohan 1728<lb/>
erbaut, zur Zeit der er&#x017F;ten Revolution von der Stadt angekauft, wurde von die&#x017F;er im<lb/>
Jahr 1806 dem Kai&#x017F;er Napoleon I als kai&#x017F;erliche Re&#x017F;idenz verehrt. Unter den Bour-<lb/>
bonen hatte es als Chàteau Royal gedient. Im Jahr 1832 bean&#x017F;pruchte die Stadt das<lb/>
Eigenthum des Gebäudes wieder, und gewann ihren Proceß. 1852 &#x017F;chenkte es die<lb/>
Stadt Napoleon III, nach de&#x017F;&#x017F;en Sturz und Verkündigung der Republik es am 14 Sept.<lb/>
1870 abermals zurückgefordert wurde. Die deut&#x017F;che Behörde be&#x017F;tritt das Recht auf Rück-<lb/>
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des Jahres 1870 die von dem Maire zurückgehaltenen Schlü&#x017F;&#x017F;el ausliefern. Die&#x017F;er<lb/>
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(Schle&#x017F;. Ztg.)</p>
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Bundesrath &#x017F;o eben mitgetheilt hat, wird der dritte <hi rendition="#g">internationale Congreß für<lb/>
Hebung des Seidenbaues</hi> im Laufe des näch&#x017F;ten Herb&#x017F;tes zu Roveredo abgehalten<lb/>
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&#x017F;tänden abgehalten werden. Ein anderer internationaler Congreß, zu welchem die Initiative<lb/>
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Entla&#x017F;&#x017F;ung eingereicht hat), und Hr. Zaimis i&#x017F;t bis jetzt eben&#x017F;o wenig in &#x017F;einen Be-<lb/>
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der Führer der durch &#x017F;ein plötzliches Wiederauftauchen in &#x017F;einen alten Schlupfwinkeln<lb/>
bei Oropos uns aus dem Traum der Sicherheit aufge&#x017F;tört hat. Die Bande &#x017F;oll aus<lb/>
&#x017F;ieben erfahrenen und abgehärteten Räubern be&#x017F;tehen, und, wie es heißt, hat Spanos<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich &#x017F;chon geraume Zeit in Griechenland verborgen gehalten und inzwi&#x017F;chen &#x017F;einen<lb/>
Plan für den Winterfeldzug vorbereitet. Seine Kühnheit, welche &#x017F;ich in der That&#x017F;ache<lb/>
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We&#x017F;en und die Ur&#x017F;ache des Straßenraubs als &#x017F;ie das Cabinet Zaimis nach dem Vorfall<lb/>
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&#x017F;uchungsgerichtshof i&#x017F;t niederge&#x017F;etzt worden, um ausfindig zu machen wie es kam daß<lb/>
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Nebelkappe aus dem Krei&#x017F;e der Soldaten zu entkommen.</p>
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Auf Fisks Betreiben wurde Stokes verhaftet, und es ent&#x017F;pann &#x017F;ich ein langwieriger<lb/>
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[184/0008] wärtigen Conſcquenzen in Rußland einzig dadurch möglich geweſen daß der Czar eine abſolute, alles beſtimmende Gewalt beſitzt, und auch noch für die Geſinnung ſeines eben- ſo abſoluten Thronerben Bürgſchaft zu leiſten vermochte. Wäre der Czar nicht abſo- lut, ſo hätte er weder mit einem Toaſt die ganze öffentliche Meinung zu beherr- ſchen und zu beſtimmen vermocht, noch hätte ſeine genaue Kenntniß von der Ge- ſinnung des Thronfolgers irgendwelchen Werth gehabt, weil der Thronerbe in ſeiner Politik auch nicht von ſich ſelbſt, ſondern von den Ständen und Parteien abhängig geweſen wäre. Die Sicherung des Weltfriedens von Seite Nußlands beruht danach vor allem darauf daß der Czar und ſein Thronerbe ſich bewußt ſind vollkommen maßgebend über den Parteien zu ſtehen. Es iſt aber nicht in Abrede zu ſtellen daß es eine mächtige anti-öſterreichiſche Partei im Czarenreiche wirklich gibt. Ertheilte nun der Czar dem Land eine Conſtitution, ſo brauchte die anti-öſterrei- chiſche Partei nicht mehr ſo zu ſchweigen wie jetzt, wo die feierlich ausgeſprochene Anſicht des Kaiſers jeden Widerſpruch einfach unmöglich macht. Das Treiben der anti- öſterreichiſchen Partei, mit dem gehäſſigen Tone dem unſere nationale Preſſe ſo lange huldigte verbunden, könnte dann Complicationen nach ſich ziehen die manchem vielleicht als Uebereilungen gelten würden, aber doch die gegenwärtige Friedens- politik verhindern müßten. Jetzt iſt es gerade der abſolute Wille des Czaren, der das Treiben der anti-öſterreichiſchen Partei zunichte macht; da darf man denn wohl verlangen daß, trotz der frommen Wünſche für unſere Mündigſprechung, die öſterreichiſche Preſſe und das öſterreichiſche Publicum ſich über die wahre Sach- lage gehörig verſtändigten. Was die „N. F. Pr.“ jedoch dem Czaren anſinnt, würde unfehlbar zur Verſchlechterung der ruſſiſchen Beziehungen zu Oeſterreich führen — und das wäre genau das Gegentheil von dem was das genannte Blatt mit ſeinem Artikel bezweckt. Türkei. * Aus der Türkei, 1 Jan. Die chriſtliche Vevölkerung der Türkei tritt ohne neue Hoffnungen das beginnende Jahr an. Die Erfahrung hat gelehrt daß alle ſchönen Verſprechungen der kaiſerlichen Regierung gleich Seifenblaſen ſind, welche im Augenblick der Berührung platzen und ohne Spur verſchwinden. Seit Raſchid Paſcha hatten meiſt Liberale das Ruder in der Hand — Fuad, Aali, Mahmud — und doch welche radicale Aenderung iſt in den Geſchicken des Rajah vollzogen worden? Keine. Die Formen haben wohl überall gewechſelt, die Sachen blieben aber wie ſie waren: troſtlos und abnorm. So hat der jetzige Großweſſier eine Maſſe wirklich ſchöner Reformen verſprochen, viele derſelben wohl auch ſchon zur Vollziehung den Vali empfohlen — aber wo iſt die Spur derſelben im Leben ſelbſt zu finden? Nirgends. Der Generalgouverneur von Vulgarien hat ſeinen Untergebenen befohlen den Namen „Bulgare“ aus allen officiellen Actenſtücken wegzulaſſen, und auch ſonſt dahin zu wirken daß die Benennung „bulgariſche Nation“ wegfalle, und vom Bewußtſein des Volkes vertilgt werde. Dieſem edlen Plan gemäß werden die Schulbücher überall umgeändert werden. Natürlich daß durch die bulgariſchen, im Ausland erſcheinenden Journale ein Schrei der Ent- rüſtung geht, und in Bulgarien ſelbſt eine tiefe Verſtimmung ſich bemerkbar macht. Richt weiſer iſt die Politik welche die Pforte in Bosnien verfolgt. Die Gefängniſſe find noch immer vollgepfropft mit ſogenannten „Conſpiratoren,“ deren einziges Verbrechen aber bloß darin beſteht daß ſie patriotiſch denken, und um Verbreitung von Büchern und Zeitungen unter ihrem Volke ſich bekümmerten. — Montenegro gegenüber iſt man zweideutig. Die Türken von Podgoritza läßt man ungeſtraft die Piperins verfolgen und aus Blutrache vielfache Morde begehen. Alle Vor- ſtellungen des Fürſten Nikolo blieben fruchtlos, ſo daß derſelbe ſich bemüſſigt fand die Intervention der ruſſiſchen Diplomatie anzurufen. Hr. Jonin, ruſſiſcher Conſul in Raguſa, iſt nach Scutari abgereist, um den Gouverneur zu bewegen ener- giſche Maßregeln gegen die excedirenden Mohammedaner zu ergreifen. In allen dieſen Beziehungen iſt die Politik der Pforte eine unkluge, unwürdige und wohl auch gefährliche. Verſchiedeues. (*) Jena, 10 Jan. (Von der Univerſität.) Der Geh. Hofrath Prof. Gegenbaur, dem der Lehrſtuhl für Anatomie an der in Straßburg zu gründenden deut- ſchen Univerſität angeboten worden war, hat dieſe Berufung definitiv abgelehnt. Wenn dieſer Fall einerſeits mit beweist daß man für Straßburg, im Gegenſatz zu manchen andern Fächern, wenigſtens im Bereich der Naturwiſſenſchaft wirklich hervorragende Namen, obgleich großentheils ohne Erfolg, zu gewinnen beſtrebt iſt, ſo ſpricht andrer- ſeits für die große Lebensfähigkeit unſerer „kleinen“ Univerſität ſehr entſchieden der Umſtand daß im Lauf eines Jahres drei hierſelbſt wirkende Gelehrte erſten Ranges, ſämmtlich in der Blüthe ihrer Jahre ſtehend (K. Fiſcher, E. Häckel, C. Gegenbaur), von auswärts ihnen zugekommene glänzende Berufungen abzulehnen ſich veranlaßt geſehen haben, während ein vierter (R. A. Lipſius) neu gewonnen worden iſt. — Neuerdings hat ſich die kaiſerl. ruſſiſche Akademie der Wiſſenſchaften in St. Petersburg um die hieſige Univerſität ſehr verdient gemacht, indem ſie ihre ſämmtlichen Publicationen, ſoweit dieſelben ſich nicht ſchon hier auf der Bibliothek befanden und überhaupt noch disponibel waren, als Geſchenk überſandt hat; gegen 500 Bände theils periodiſch erſcheinender, theils ſelbſtändig herausgegebener, durchgängig äußerſt werthvoller Werke in allen Cul- turſprachen, während zugleich die Spendung auch der in Zukunft zu erwartenden Ver- öffentlichungen in ſichere Ausſicht geſtellt iſt. Zum Muſter könnten ſich dieſen Act hoch- herzigſter Liberalität die deutſchen Akademien nehmen, deren Schriften unſere Bibliothek, falls ſie dieſelben beſitzen will, für ſchweres Geld kaufen muß. Straßburg. Das ehemalige kaiſerliche Schloß ſcheint noch zu Weiterungen zwiſchen der Reichsbehörde und der Stadtbehörde Anlaß geben zu ſollen. Das Schloß, der alte Biſchofshof auf dem Münſterplatz, vom Cardinal Rohan 1728 erbaut, zur Zeit der erſten Revolution von der Stadt angekauft, wurde von dieſer im Jahr 1806 dem Kaiſer Napoleon I als kaiſerliche Reſidenz verehrt. Unter den Bour- bonen hatte es als Chàteau Royal gedient. Im Jahr 1832 beanſpruchte die Stadt das Eigenthum des Gebäudes wieder, und gewann ihren Proceß. 1852 ſchenkte es die Stadt Napoleon III, nach deſſen Sturz und Verkündigung der Republik es am 14 Sept. 1870 abermals zurückgefordert wurde. Die deutſche Behörde beſtritt das Recht auf Rück- forderung, da dieſes Gebäude zur kaiſerlichen Civilliſte gehöre, und ließ ſich gegen Ende des Jahres 1870 die von dem Maire zurückgehaltenen Schlüſſel ausliefern. Dieſer proteſtirte, und auch die Municipalverwaltung ließ ihren Anſpruch nicht fallen. Erſt in der letzten Zeit wurde ihr ein gütlicher Ausgleich dahin vorgeſchlagen: daß das vormals taiſerliche Schloß als volles Eigenthum an die Stadt zurückfallen ſoll, wenn dieſe ein- willige dasſelbe zu Univerſitäts- oder wiſſenſchaftlichen Zwecken anzuweiſen. In der Sitzung des Municipalraths vom 3 Jan. nahm jedoch derſelbe den Antrag der betref- fenden Commiſſion auf unbedingte Rückforderung an, indem die Stadt ſich das Recht vorbehalte das Gebäude in Zukunft zu jeder ihr beliebigen Beſtimmung anzuweiſen. (Schleſ. Ztg.)  Bern, 10 Jan. Wie die k. k. öſterreichiſch-ungariſche Geſandtſchaft dem Bundesrath ſo eben mitgetheilt hat, wird der dritte internationale Congreß für Hebung des Seidenbaues im Laufe des nächſten Herbſtes zu Roveredo abgehalten werden. Letztes Jahr war Udine bekanntlich ſein Verſammlungsort. Mit dem dießjähri- gen ſoll gleichzeitig auch eine Ausſtellung von allen den Seidenbau betreffenden Gegen- ſtänden abgehalten werden. Ein anderer internationaler Congreß, zu welchem die Initiative ebenfalls von Oeſterreich ausgeht, und der einen Gegenſtand von ebenſo wichtigem allgemeinem Intereſſe, die Frage gemeinſamen Vorgehens zur Abwehr der Rinder- peſt, berathen ſoll, wird zu Ende des Monats Februar ſich in Wien verſammeln. Außer auf die Betheiligung der Schweiz hofft die k. k. öſterreichiſch-ungariſche Regierung noch auf das Erſcheinen von Vertretern Rußlands, Deutſchlands, Großbritanniens, der Do- naufürſtenthümer und der Türkei. Der Bundesrath hat bereits den Director der Vete- rinäranſtalt in Zürich, Hrn. Dr. Zangger, als Delegirten der Schweiz bezeichnet. End- lich iſt aus Wien auch die officielle Meldung eingetroffen daß das amtliche Organ für die im Jahr 1873 daſelbſt ſtattfindende Weltausſtellung einzig und allein die von deren Generaldirection herausgegebene „Weltausſtellungscorreſpondenz“ ſein wird. — Für die Anmeldung ſchweizeriſcher Ausſteller zu der dießjährigen Induſtrie-Aus- ſtellung in Lyon iſt der Termin bis zum 31 d. verlängert worden. London. In der letzten Sitzung der Geographiſchen Geſellſchaft bildete die in Aus- ficht genommene Expedition zur Auffuchung Livingſtone’s das Hauptthema. Nach dem bereits von uns Mitgetheilten iſt noch hervorzuheben daß die Koſten des Unternehmens auf allermindeſtens 2500 Pf. St. veranſchlagt werden, wozu die Geographiſche Geſell- ſchaft 500 Pf. St. aus ihrer Caſſe bewilligt hat, und wozu bis jetzt anderweitige Bei- träge von zuſammen etwa 800 Pf. St. angemeldet worden ſind. Soweit poſitive Be- weiſe reichen — ſagte der Vorſitzende Sir Bartle Frere — darf man vorausſetzen daß er ſich jetzt mit einigen Ueberreſten von Geſundheit und Körperſtärke im Innern Afrika’s befindet. Es iſt möglich daß er noch am Leben iſt, wiewohl ſeit dritthalb Jahren ohne Mittel ſeine Arbeiten aufzuzeichnen, ohne Chinin um die brennenden Fieber des dorti- gen Klima’s zu bannen, und ohne die Vorräthe welche allein ihn in den Stand ſetzen könnten in Awa wie ein civiliſirter Menſch zu leben. Ein Engländer welcher in der nämlichen Eigenſchaft reiste wie Livingſtone, würde auf wenig Hinderniſſe ſtoßen, und könne dem großen Reiſenden ins Innere Afrika’s folgen. Um den Führer der Expedi- tion zu erwählen, hat der Vorſtand der Geographiſchen Geſellſchaft einen Sonderaus- ſchuß erwählt, um die Bewerbungen von vierzig Candidaten, die ſich bereits gemeldet haben, in Erwägung zu ziehen. (E. C.) Atheu. Das Räuberunweſen hat aufs neue begonnen, und zwar, wie der hieſige Correſpondent der „Times“ ſchreibt, zugleich mit dem Amtsantritte des neuen Miniſteriums (welches übrigens telegraphiſcher Meldung zufolge bereits wieder ſeine Entlaſſung eingereicht hat), und Hr. Zaimis iſt bis jetzt ebenſo wenig in ſeinen Be- mühungen dasſelbe zu unterdrücken mit Erfolg gekrönt worden, als es ihm früher bei der Verwaltung des Miniſteriums des Innern gelingen wollte. Der in Athen wohl- bekannte Räuberhauptmann Spanos, deſſen Heerden auf dem Berge Parnes weiden, iſt der Führer der durch ſein plötzliches Wiederauftauchen in ſeinen alten Schlupfwinkeln bei Oropos uns aus dem Traum der Sicherheit aufgeſtört hat. Die Bande ſoll aus ſieben erfahrenen und abgehärteten Räubern beſtehen, und, wie es heißt, hat Spanos ſelbſt ſich ſchon geraume Zeit in Griechenland verborgen gehalten und inzwiſchen ſeinen Plan für den Winterfeldzug vorbereitet. Seine Kühnheit, welche ſich in der Thatſache ausſpricht daß er gleich ſein Hauptquartier nach Oropos verlegte, um Attika unſicher zu machen, iſt geradezu wunderbar, und erfordert eine gründlichere Unterſuchung über das Weſen und die Urſache des Straßenraubs als ſie das Cabinet Zaimis nach dem Vorfall bei Marathon veranſtaltete. Die neueſten Blätter bringen einen ſeltſamen Bericht über den erſten Zuſammenſtoß zwiſchen den zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit verwendeten Truppen und der Bande Spanos. Die Geſchichte ereignete ſich bei Sphen- dale, wo der Perſerfeldherr Mardonius auf ſeinem Marſche von Megara nach Tanagra vor der Schlacht bei Platää Raſt hielt. Die Räuber hatten in einem Schäferlager unfern Tanagra Contributionen erhoben, und man verfolgte ſie von dort bis zu dem Orte Paleomiliſi in Attika. Eine Abtheilung von 30 Schützen wurde ausgeſandt um die Banditen zu umzingeln. Man fand ſie alle um ein Feuer herum ſchlafend, ohne einen Wachtpoſten, und wie es heißt, näherten ſich die Soldaten auf 50 Schritte und gaben dann auf die Schläfer Feuer. Auf dieſe Weiſe allarmirt, waren die Räuber im Augen- blick auf den Füßen und gaben Ferſengeld mitten durch ihre tapferen Verfolger hin- durch. Die Flucht gelang vollſtändig, und Hr. Zaimis hat das Nachſehen. Ein Unter- ſuchungsgerichtshof iſt niedergeſetzt worden, um ausfindig zu machen wie es kam daß die Schüſſe auf 50 Schritt Entfernung fehlten, und daß es den Räubern gelang ohne Nebelkappe aus dem Kreiſe der Soldaten zu entkommen. New-York, 7 Jan. (Blutiger Skandal.) Der bekannte James Fisk jun., einer der ſchlimmſten Schwindler von New-York, was viel heißen will, und Director der berüchtigten Erie-Bahn, war mit einem gewiſſen Eduard S. Stokes in Streit gerathen über eine Buhlin Namens Mansfield, die ihm dieſer abgelockt hatte. Auf Fisks Betreiben wurde Stokes verhaftet, und es entſpann ſich ein langwieriger und anſtößiger Proceß. Am vorigen Sonnabend gab Stokes in einer von jenem Weib angeſtellten Verleumdungsklage Zeugniß gegen Fisk ab, und drohte außerdem Briefe des letzteren an ſeine ehemalige Geliebte zu veröffentlichen, welche verſchiedene Geheim- niſſe aus dem Erie-Schwindel enthielten. Fisk erlangte darauf einen gerichtlichen Be- fehl — vielleicht wieder von einem der durch Tweed, Fisk und Conſorten erkauften Richter — wodurch die öffentliche Mittheilung jener Briefe verboten wurde, und über- dieß gelang es ihm die große Jury dahin zu bringen daß ſie Stokes wegen böswilliger Verabredung zu falſcher Anklage vor Gericht zu ſtellen beſchloß. Den Stokes ſcheint dieß in Wuth verſetzt zu haben. Am Sonntag Nachmittag feuerte er in dem Corridor des Grand Central Hôtel drei Piſtolenſchüſſe auf Fisk ab. Der Verwundete ſtarb am folgenden Morgen, behielt aber ſein volles Bewußtſein bis zu Ende. Gould und Tweed, langjährige Schwindelgenoſſen, wichen nicht von ſeinem Sterbelager; warum ſie bis zu ſeinem letzten Athemzug aushielten, werden ſie wohl ſelbſt am beſten wiſſen. Der Mörder wurde in Haft gebracht. (T. N.) Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte. * Frankfurt a. M., 12 Jan. Eröffnungscurſe. Oeſterr. Creditactien 350¼, Staatsbahn 411¼, 1860er L. —, 1882er Amerikaner 96[FORMEL], Lombarden 218½, Silber- rente —, Galizier —, Spanier —. Tendenz: Staatsbahn ſteigend. * Berlin, 12 Jan., 12 Uhr 10 M. Anfangsbericht. Oeſterr. Creditactien 201¼ 1860er L. 92, öſterr.-franz. Staatsbahn 236½, Lombarden 125½. Italiener 67, 1882er Amerikaner 96⅞, Türken 49, Rumänier 45¼, Köln-Mindener Präm.-Anl 98½, Disconto-Commandit 226, Galizier —. Stimmung: ſehr feſt. (*) Trieſt, 12 Jan. Der Lloyddampfer „Venus“ iſt heute Vormittags mit der oſtindiſch chineſiſchen Ueberlandpoſt hier eingetroffen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 13. Januar 1872, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1872/8>, abgerufen am 29.05.2024.