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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 14. Januar 1924.

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Allgemeine Zeitung
Süddeutsches Tagblatt Großdeutsche Rundschau
127. Jahrgang. Nr. 13
München, Montag den 14. Januar 1924.
Hauptschriftleitung und verantwortlich für Deutsche und Bayerische Politik:
Max Hellgemayr. -- Wirtschaftszeitung u. Auswärtige Politik: Josef Schrepfer.
-- Unpolitische Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. -- Kunst u. Musik: Albin v.
Probram-Glabona. -- Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. -- Anzeigenteil: Josef
Spiegel, sämtl. in München. -- Redaktion: München Baaderstr. 1. Tel. 27940. -- Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerstr. 9. Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk.
[Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erscheint täglich. Bei Störung des Erscheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks besteht kein Anspruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-spaltige
Millimeterzeile im Inseratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10.
Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Postscheckkonto: München 8170.
Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München. Baaderstraße 1 und 1a. Telefon 24287.
Einzelpreis 10 Pfennig.
Die weitere Behandlung der französischen Note
[Spaltenumbruch]

(Sonderbericht der "Allgemeinen Zeitung".)


Nachdem der
Kurier der Deutschen Botschaft aus Paris
in Berlin eingetroffen ist, wird die Note
nunmehr übersetzt
und von den zu-
ständigen Stellen geprüft. Erst dann wird
sich übersehen lassen, wie sich die franzö-
sische Regierung im einzelnen zu den deut-
schen Vorschlägen stellt.

Gleichzeitig mit dem Pariser Kurier ist
der deutsche Geschäftsträger in Brüssel,
Herr v. Rüdiger, in Berlin eingetroffen.
Der deutsche Geschäftsträger in Paris,
Herr von Hoesch, wird erst am Diens-
tag
erwartet, da sich seine Abreise wegen
seiner Erkrankung verzögerte.

Ueber die mündlichen Besprechungen
ist noch kein Bericht an das Auswärtige
Amt erstattet worden. Die eigentlichen Be-
sprechungen werden dort also erst Dienstag
oder Mittwoch beginnen.

Dabei wird dann auch die Frage der
Besetzung
des Botschafterpostens in Pa-
ris und des Gesandtenpostens in Brüssel ge-
klärt werden.

[Spaltenumbruch]

Herr von Hoesch kommt nach wie vor
als erster Kandidat für Paris in Frage.

Optimistische Auffassung der
Reichsregierung

Auf Grund der
aus Paris eingegangenen Nachrichten
glaubt man hier, daß der Weg zu
deutsch-französischen Verhand-
lungen
über den Rahmen der in dem ge-
genwärtigen Notenwechsel behandelten
Einzelfragen hinaus frei gemacht ist und
daß deshalb auch von Berlin aus diese tech-
nischen Fragen nicht mehr als der Kern-
punkt, sondern nur als ein Sonderkapitel
innerhalb der kommenden Gesamtver-
handlungen
betrachtet werden könne.

Diese Verhandlungen werden sich in erster
Linie auf die Wiederaufnahme der deut-
schen Sachleistungen, die für diesen
Zweck notwendige internationale
Anleihe
und die Garantien für eine
solche Anleihe beziehen.

Das deutsche Verhandlungsprogramm --
[Spaltenumbruch] deutscher Reparationsvorschlag von Ende
1922 als Diskussionsgrundlage, Wiederher-
stellung der deutschen Souveränität inner-
halb der Reichsgrenzen, Räumung der be-
setzten Gebiete entsprechend den Vorschrif-
ten des Versailler Vertrages -- bleibt un-
verändert
bestehen.

Drohender Eisenbahnerstreik
in England

Die Führer der
Arbeiterparteien bemühen sich, einen all-
gemeinen Eisenbahnerstreik
zu
verhindern. Es scheint jedoch, daß die Eisen-
bahnergewerkschaft nicht nachgeben wird,
sondern daß man mit dem Ausbruch eines
weitgreifenden Eisenbahnerstreiks in Eng-
land rechnen muß.

Die gewerkschaftliche Organisation zählt
60 000 Mitglieder. Es wird erklärt, daß der
Ausbruch des Streiks unvermeidlich
sei. Die Eisenbahner versuchen auch die
Bergleute in die Streikbewegung hin-
einzuziehen.



[Spaltenumbruch]
Die deutsche Antwort an Rollet

Die Note, die seitens der
Reichsregierung unterm 9. Januar an die Inter-
alliierte Militärkommission gerichtet wurde, hat
folgenden Wortlaut:

Ich beehre mich, den Empfang Ihrer Note vom
30. Dezember zu bestätigen, in der Sie ankündi-
gen, daß am 10. und 12. Januar in Rostock, Ber-
lin, Dresden, Stuttgart, München, Paderborn,
Breslau und Frankfurt a. M. Kontrollbesuche
vorgenommen werden sollen. Die deutschen Ver-
bindungsstellen und die für die Kontrolle selbst
in Betracht kommenden Behörden sind angewie-
sen, den Kontrolloffizieren die Durchführung die-
ser Besuche zu ermöglichen.
Die Reichsregierung beauftragte mich indessen,
Ihnen. Herr General bei dieser Gelegenheit zu
erklären, daß Ihrer Ansicht nach die Kontroll-
kommission, soweit ihre Aufgabe sie mit militäri-
schen Stellen in persönlichen Kontakt bringt, die-
jenigen Aufgaben beende, welche die Bot-
schafterkonferenz als noch offen betrachtet, die
Aufgaben aber, an deren Durchführung die deut-
sche Regierung mitzuwirken durchaus bereit sei,
keine Besuche mehr bei militärischen Stellen er-
fordern.
Abgesehen von jenen noch offenen Aufgaben
wurde alles, was Teil V des Vertrags von Ver-
sailles an Abrüstungsforderungen enthält, längst
erfüllt. Der durch diese Abrüstung geschaffene
Zustand unterliegt nach Artikel 213 des Ver-
trages von Versailles nicht dauernd der Kon-
trolle, sondern lediglich der Möglichkeit einer etwa
aus besonderen Gründen vom Rate des Völker-
bundes anzuordnenden Spezialuntersuchung.
Wenn die deutsche Regierung gleichwohl die für
den 10. und 12. Januar in Aussicht genommenen
Kontrollbesuche neu zuläßt, so tat sie das in der
gewissen Erwartung, daß ihre eben dargelegte
Rechtsauffassung auch bei der Interalliierten Mi-
litärkommission volle Würdigung finden und daß
von weiteren Kontrollbesuchen abgesehen wird.
gez. Horaht.

Die Richtlinien für die belgischen Sach-
verständigen

Nach einer Havasmel-
dung aus Brüssel hatte Ministerpräsident Thru-
nis gestern eine längere Unterredung mit den
drei belgischen Sachverständigen Francuy, Heu-
rard und Janssen, die an den übermorgen begin-
nenden Arbeiten der Reparationskommission in
Paris teilnehmen werden. Es handelte sich um
die Erteilung von Richtlinien. Minister Jaspar
wohnte der Unterredung bei.

Die Kleine Entente und Rußland

Die Außenminister der in der Kleinen Entente
zusammengeschlossenen Staaten fanden sich vom
9. bis 11. Januar in Belgrad zusammen, um
vor allem die baldige Wiederaufnahme politischer
und wirtschaftlicher Beziehungen zu Rußland
zu erörtern.

Die Anregung zu dieser Konferenz geht von der
Tschechoslowakei aus. Es ist höchst wahr-
scheinlich, daß Beneschs kürzlicher Aufenthalt in
Paris auch dieser Frage gegolten hat, und daß
[Spaltenumbruch] Frankreich die Kleine Entente als Vorhut für
seine neue russische Politik benutzt.

Die Tschechoslowakei ist besonders darüber be-
unruhigt, daß die bevorstehende englische Aner-
kennung der Sowjetregierung große wirtschaft-
liche Interessenverbindungen zwischen England
und Rußland nach sich ziehen und ihr so der rus-
sische Markt verschlossen wird, auf den sie für den
Absatz ihrer Industrieprodukte große Hoffnungen
setzt.

England und die Pfalzfrage

Der britische Bot-
schafter in Paris, Lord Crewe, hatte ge-
stern eine längere Besprechung mit Poin-
care.
Er teilte dem französischen Mini-
sterpräsidenten mit, daß die englische Re-
gierung bereit sei, den englischen General-
konsul in München, Clive, bei seiner Un-
tersuchungsreise durch die Rheinpfalz von
einem französischen Zivilbeamten begleiten
zu lassen. Dagegen müsse sie die Beglei-
tung Clives durch einen französischen Of-
fizier
unbedingt ablehnen.

Poincare stimmte schließlich dem engli-
schen Verlangen zu und erklärte sich damit
einverstanden, daß nur ein französi-
scher Zivilbeamter
dem General-
konsul beigegeben werde.

Beschleunigung der französischen Kammer-
wahlen

Die französische
Regierung beabsichtigt, die Legislatur-
periode der Kammer zu verkürzen und
die Wahlen schon Anfang März
anzusetzen, statt in der zweiten Aprilhälfte.

Ueber die Gründe der Beschleunigung
hört man, daß die Mehrheit des nationalen
Blocks darauf rechnet, daß die Wahlstim-
mung Anfang März günstiger für sie sein
wird als im April, wo die Düsseldorfer Ver-
träge zu Ende gehen.

Die Streiklage im Ruhrgebiet

Die Lage im Düs-
seldorfer
Bezirk veränderte sich in den
letzten Tagen wenig. Die General-
streikparole
fand nicht den erwarte-
ten Anklang. In den letzten Tagen kam es
in Düsseldorf zu kleineren Plünderungen
und Verkehrsstörungen.

In Essen hatte der Aufruf zum Gene-
ralstreik keine Wirkung; lediglich in Gel-
senkirchen wurde eine Streikleitung ge-
bildet. Es liegen jedoch nur zwei kleinere
Betriebe still.

[Spaltenumbruch]
Die Unruhen in der rheinischen Industrie

Gestern abend drangen
mehrere hundert Personen in die chemische Fa-
brik von Vorstor u. Grünberg in Kalk ein, um
die Arbeiter aus der Fabrik zu holen. Die Ein-
dringlinge wurden von der Polizei entfernt. 42
Personen kamen wegen Landfriedensbruch zur
Anzeige.

Weiterhin drangen mehrere hundert Ar-
beitslose
in das Rheinwerk in Köln ein und
besetzten das Werk, die Direktionsgebäude und
Fernsprechzentrale. Sie wurden von der Polizei
hinausgedrängt, wobei die Beamten mit Eisen-
stücken beworfen wurden, so daß sie von der
Hiebwaffe Gebrauch machen mußten. 85 Perso-
nen wurden zur Anzeige gebracht.

Die Ansammlungen in Ehrenfeld und Deutz
sind wieder zerstreut. Auch in Opladen kam es
zu Ausschreitungen, wobei auf die Anordnung des
britischen Kreisoffiziers in Ohligs ein größeres
Schupokommando eingesetzt wurde. Mehrere Per-
sonen kamen in Haft.

Die erste Sitzung der Reparationssachver-
ständigen

Die heutige
erste Sitzung der Reparations-
sachverständigen
wird von Bar-
thou
geleitet werden, der in einer Rede
die verschiedenen Sachverständigen begrü-
ßen wird. Das Garantie-Komitee der Re-
parationskommission hat den Sachverstän-
digen ein umfangreiches Material zugehen
lassen, das sich mit der Lage des deutschen
Haushalts, der allgemeinen deutschen Fi-
nanz- und Wirtschaftslage, den Bilanzen
der Reichs- und Rentenbank und anderen
Wirtschaftsfragen befaßt.

Die deutsche Kriegslasten-
Kommission
in Paris hat ebenfalls
verschiedene Unterlagen vorbereitet, um ge-
gebenenfalls auf etwaige Rückfragen der
Sachverständigen antworten zu können.

Gestern nachmittag erfolgte bereits eine
erste Fühlungnahme zwischen dem ame-
rikanischen
und dem neu eingetroffe-
nen englischen Sachverständigen, die
vorher auf ihrer Reise nach Paris im Brüs-
seler Staatsministerium eine informato-
rische Aussprache mit dem ständigen belgi-
schen Vertreter in der Reparationskommis-
sion hatten.

[Spaltenumbruch]
Frankreichs Taktik

Die Antwortnote Frankreichs
auf die deutschen Vorschläge vom 24. De-
zember vorigen Jahres ist ein Musterbei-
spiel für die französische Politik, wie auch
für die Gesamtlage, in der sich heute Frank-
reich befindet.

Es hat zunächst recht lange gedauert, bis
die Antwort fertig war. Daß überhaupt eine
Antwort erfolgte, ist ja vielleicht für beschei-
dene Gemüter schon ein Fortschritt. Nun
aber erleben wir einen wirklich originellen
Fall. Während nämlich Frankreich bisher
stets eine Erörterung des Gesamtrepara-
tionsproblems ablehnte und sich nur auf
Einzelfragen technischer und verwal-
tungsmäßiger Art einlassen zu können er-
klärte, ist nun dem deutschen Geschäftsträ-
ger am Quai d'Orsay erklärt worden, man
möchte sich ganz gern mit Deutschland über
die Zukunft der deutsch-franzö-
sischen Beziehungen
überhaupt aus-
sprechen. Dann könnte man ja auch über die
Einzelfragen leichter zu einem Ergebnis
kommen.

Das steht nun freilich nicht in der Ant-
wortnote, sondern es soll wohl so eine Art
diplomatische Ausdeutung und
gleichzeitige Verzuckerung der ablehnenden
Antwort sein. Und das ist es eben, was be-
denklich
stimmen muß.

Die Dinge liegen also so: Frankreich, d. h.
Poincare will zurzeit von seiner Poli-
tik der Eroberung
noch nicht ablassen
und was er schriftlich von sich gibt, paßt
in diese Linie. Aber mündlich und so ein
bißchen nebenher glaubt er doch schon,
der Weltlage gewisse Zugeständ-
nisse
machen zu müssen. Man hört freilich,
der Präsident der Republik, Millerand,
habe hier seinen Einfluß im Spiele.

Aber man merkt es. wie sich die Katze
windet. Die deutschen Vorschläge
sind weitgehend und durchaus akzepta-
bel.
Man kann mit einer schroffen Ableh-
nung vor der Welt und vor allem auch vor
der kommenden englischen Regierung Ram-
say Macdonalds nicht mehr bestehen.
Man will aber nicht in der Ruhr-
frage entgegenkommen.

Was macht also Frankreich? Es erklärt
mit harmloser Miene, der man aber doch
die Angst anmerkt, über das Gesamt-
problem
mit Deutschland verhandeln zu
wollen, in der stillen Hoffnung, daß dabei
viel leichter neue Hindernisse zu
schaffen sind als bei der allmählich von der
ganzen Welt offen durchschauten Ruhr-
frage.

Mit anderen Worten: Man macht schein-
bar weitergehende Zugeständnisse, um in
der jetzt zur Erörterung stehenden Ruhr-
frage nicht entgegenkommen zu müssen.
Es ist die Taktik der Katze, die immer auf
die alten Füße springt, bis sie bei einem
allzu hohen Sturz sich doch das Genick bricht.

Man muß sich in die Lage Frankreichs
denken. Dann versteht man auch den
Wunsch, die Note vorerst nicht zu veröffent-
lichen. Die Londoner City drängt, die eng-
lische Arbeiterpartei fordert Deutsch-
lands Teilnahme an einer internationalen
Konferenz, der Franken sinkt inzwischen
immer weiter, die liebevollen Bande zur
Kleinen Entente sind doch noch nicht
stark genug, im Mittelmeer stehen die Ri-
valen Italien und Spanien
auf --
etwas viel auf einmal.

Da kann man schon verstehen, wenn
solche Interpretationen einer amtlichen Note
gegeben werden, die die wahren Ziele
Frankreichs
etwas verschleiern können.

Es ist heute wirklich so, daß Frankreich
in die größte Verlegenheit käme,


Allgemeine Zeitung
Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau
127. Jahrgang. Nr. 13
München, Montag den 14. Januar 1924.
Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik:
Max Hellgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer.
Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v.
Probram-Glabona. — Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. — Anzeigenteil: Joſef
Spiegel, ſämtl. in München. — Redaktion: München Baaderſtr. 1. Tel. 27940. — Berliner
Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9. Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk.
[Abbildung]
Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer
Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be-
zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige
Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10.
Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170.
Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München. Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287.
Einzelpreis 10 Pfennig.
Die weitere Behandlung der franzöſiſchen Note
[Spaltenumbruch]

(Sonderbericht der „Allgemeinen Zeitung“.)


Nachdem der
Kurier der Deutſchen Botſchaft aus Paris
in Berlin eingetroffen iſt, wird die Note
nunmehr überſetzt
und von den zu-
ſtändigen Stellen geprüft. Erſt dann wird
ſich überſehen laſſen, wie ſich die franzö-
ſiſche Regierung im einzelnen zu den deut-
ſchen Vorſchlägen ſtellt.

Gleichzeitig mit dem Pariſer Kurier iſt
der deutſche Geſchäftsträger in Brüſſel,
Herr v. Rüdiger, in Berlin eingetroffen.
Der deutſche Geſchäftsträger in Paris,
Herr von Hoeſch, wird erſt am Diens-
tag
erwartet, da ſich ſeine Abreiſe wegen
ſeiner Erkrankung verzögerte.

Ueber die mündlichen Beſprechungen
iſt noch kein Bericht an das Auswärtige
Amt erſtattet worden. Die eigentlichen Be-
ſprechungen werden dort alſo erſt Dienstag
oder Mittwoch beginnen.

Dabei wird dann auch die Frage der
Beſetzung
des Botſchafterpoſtens in Pa-
ris und des Geſandtenpoſtens in Brüſſel ge-
klärt werden.

[Spaltenumbruch]

Herr von Hoeſch kommt nach wie vor
als erſter Kandidat für Paris in Frage.

Optimiſtiſche Auffaſſung der
Reichsregierung

Auf Grund der
aus Paris eingegangenen Nachrichten
glaubt man hier, daß der Weg zu
deutſch-franzöſiſchen Verhand-
lungen
über den Rahmen der in dem ge-
genwärtigen Notenwechſel behandelten
Einzelfragen hinaus frei gemacht iſt und
daß deshalb auch von Berlin aus dieſe tech-
niſchen Fragen nicht mehr als der Kern-
punkt, ſondern nur als ein Sonderkapitel
innerhalb der kommenden Geſamtver-
handlungen
betrachtet werden könne.

Dieſe Verhandlungen werden ſich in erſter
Linie auf die Wiederaufnahme der deut-
ſchen Sachleiſtungen, die für dieſen
Zweck notwendige internationale
Anleihe
und die Garantien für eine
ſolche Anleihe beziehen.

Das deutſche Verhandlungsprogramm —
[Spaltenumbruch] deutſcher Reparationsvorſchlag von Ende
1922 als Diskuſſionsgrundlage, Wiederher-
ſtellung der deutſchen Souveränität inner-
halb der Reichsgrenzen, Räumung der be-
ſetzten Gebiete entſprechend den Vorſchrif-
ten des Verſailler Vertrages — bleibt un-
verändert
beſtehen.

Drohender Eiſenbahnerſtreik
in England

Die Führer der
Arbeiterparteien bemühen ſich, einen all-
gemeinen Eiſenbahnerſtreik
zu
verhindern. Es ſcheint jedoch, daß die Eiſen-
bahnergewerkſchaft nicht nachgeben wird,
ſondern daß man mit dem Ausbruch eines
weitgreifenden Eiſenbahnerſtreiks in Eng-
land rechnen muß.

Die gewerkſchaftliche Organiſation zählt
60 000 Mitglieder. Es wird erklärt, daß der
Ausbruch des Streiks unvermeidlich
ſei. Die Eiſenbahner verſuchen auch die
Bergleute in die Streikbewegung hin-
einzuziehen.



[Spaltenumbruch]
Die deutſche Antwort an Rollet

Die Note, die ſeitens der
Reichsregierung unterm 9. Januar an die Inter-
alliierte Militärkommiſſion gerichtet wurde, hat
folgenden Wortlaut:

Ich beehre mich, den Empfang Ihrer Note vom
30. Dezember zu beſtätigen, in der Sie ankündi-
gen, daß am 10. und 12. Januar in Roſtock, Ber-
lin, Dresden, Stuttgart, München, Paderborn,
Breslau und Frankfurt a. M. Kontrollbeſuche
vorgenommen werden ſollen. Die deutſchen Ver-
bindungsſtellen und die für die Kontrolle ſelbſt
in Betracht kommenden Behörden ſind angewie-
ſen, den Kontrolloffizieren die Durchführung die-
ſer Beſuche zu ermöglichen.
Die Reichsregierung beauftragte mich indeſſen,
Ihnen. Herr General bei dieſer Gelegenheit zu
erklären, daß Ihrer Anſicht nach die Kontroll-
kommiſſion, ſoweit ihre Aufgabe ſie mit militäri-
ſchen Stellen in perſönlichen Kontakt bringt, die-
jenigen Aufgaben beende, welche die Bot-
ſchafterkonferenz als noch offen betrachtet, die
Aufgaben aber, an deren Durchführung die deut-
ſche Regierung mitzuwirken durchaus bereit ſei,
keine Beſuche mehr bei militäriſchen Stellen er-
fordern.
Abgeſehen von jenen noch offenen Aufgaben
wurde alles, was Teil V des Vertrags von Ver-
ſailles an Abrüſtungsforderungen enthält, längſt
erfüllt. Der durch dieſe Abrüſtung geſchaffene
Zuſtand unterliegt nach Artikel 213 des Ver-
trages von Verſailles nicht dauernd der Kon-
trolle, ſondern lediglich der Möglichkeit einer etwa
aus beſonderen Gründen vom Rate des Völker-
bundes anzuordnenden Spezialunterſuchung.
Wenn die deutſche Regierung gleichwohl die für
den 10. und 12. Januar in Ausſicht genommenen
Kontrollbeſuche neu zuläßt, ſo tat ſie das in der
gewiſſen Erwartung, daß ihre eben dargelegte
Rechtsauffaſſung auch bei der Interalliierten Mi-
litärkommiſſion volle Würdigung finden und daß
von weiteren Kontrollbeſuchen abgeſehen wird.
gez. Horaht.

Die Richtlinien für die belgiſchen Sach-
verſtändigen

Nach einer Havasmel-
dung aus Brüſſel hatte Miniſterpräſident Thru-
nis geſtern eine längere Unterredung mit den
drei belgiſchen Sachverſtändigen Francuy, Heu-
rard und Janſſen, die an den übermorgen begin-
nenden Arbeiten der Reparationskommiſſion in
Paris teilnehmen werden. Es handelte ſich um
die Erteilung von Richtlinien. Miniſter Jaſpar
wohnte der Unterredung bei.

Die Kleine Entente und Rußland

Die Außenminiſter der in der Kleinen Entente
zuſammengeſchloſſenen Staaten fanden ſich vom
9. bis 11. Januar in Belgrad zuſammen, um
vor allem die baldige Wiederaufnahme politiſcher
und wirtſchaftlicher Beziehungen zu Rußland
zu erörtern.

Die Anregung zu dieſer Konferenz geht von der
Tſchechoſlowakei aus. Es iſt höchſt wahr-
ſcheinlich, daß Beneſchs kürzlicher Aufenthalt in
Paris auch dieſer Frage gegolten hat, und daß
[Spaltenumbruch] Frankreich die Kleine Entente als Vorhut für
ſeine neue ruſſiſche Politik benutzt.

Die Tſchechoſlowakei iſt beſonders darüber be-
unruhigt, daß die bevorſtehende engliſche Aner-
kennung der Sowjetregierung große wirtſchaft-
liche Intereſſenverbindungen zwiſchen England
und Rußland nach ſich ziehen und ihr ſo der ruſ-
ſiſche Markt verſchloſſen wird, auf den ſie für den
Abſatz ihrer Induſtrieprodukte große Hoffnungen
ſetzt.

England und die Pfalzfrage

Der britiſche Bot-
ſchafter in Paris, Lord Crewe, hatte ge-
ſtern eine längere Beſprechung mit Poin-
care.
Er teilte dem franzöſiſchen Mini-
ſterpräſidenten mit, daß die engliſche Re-
gierung bereit ſei, den engliſchen General-
konſul in München, Clive, bei ſeiner Un-
terſuchungsreiſe durch die Rheinpfalz von
einem franzöſiſchen Zivilbeamten begleiten
zu laſſen. Dagegen müſſe ſie die Beglei-
tung Clives durch einen franzöſiſchen Of-
fizier
unbedingt ablehnen.

Poincare ſtimmte ſchließlich dem engli-
ſchen Verlangen zu und erklärte ſich damit
einverſtanden, daß nur ein franzöſi-
ſcher Zivilbeamter
dem General-
konſul beigegeben werde.

Beſchleunigung der franzöſiſchen Kammer-
wahlen

Die franzöſiſche
Regierung beabſichtigt, die Legislatur-
periode der Kammer zu verkürzen und
die Wahlen ſchon Anfang März
anzuſetzen, ſtatt in der zweiten Aprilhälfte.

Ueber die Gründe der Beſchleunigung
hört man, daß die Mehrheit des nationalen
Blocks darauf rechnet, daß die Wahlſtim-
mung Anfang März günſtiger für ſie ſein
wird als im April, wo die Düſſeldorfer Ver-
träge zu Ende gehen.

Die Streiklage im Ruhrgebiet

Die Lage im Düſ-
ſeldorfer
Bezirk veränderte ſich in den
letzten Tagen wenig. Die General-
ſtreikparole
fand nicht den erwarte-
ten Anklang. In den letzten Tagen kam es
in Düſſeldorf zu kleineren Plünderungen
und Verkehrsſtörungen.

In Eſſen hatte der Aufruf zum Gene-
ralſtreik keine Wirkung; lediglich in Gel-
ſenkirchen wurde eine Streikleitung ge-
bildet. Es liegen jedoch nur zwei kleinere
Betriebe ſtill.

[Spaltenumbruch]
Die Unruhen in der rheiniſchen Induſtrie

Geſtern abend drangen
mehrere hundert Perſonen in die chemiſche Fa-
brik von Vorſtor u. Grünberg in Kalk ein, um
die Arbeiter aus der Fabrik zu holen. Die Ein-
dringlinge wurden von der Polizei entfernt. 42
Perſonen kamen wegen Landfriedensbruch zur
Anzeige.

Weiterhin drangen mehrere hundert Ar-
beitsloſe
in das Rheinwerk in Köln ein und
beſetzten das Werk, die Direktionsgebäude und
Fernſprechzentrale. Sie wurden von der Polizei
hinausgedrängt, wobei die Beamten mit Eiſen-
ſtücken beworfen wurden, ſo daß ſie von der
Hiebwaffe Gebrauch machen mußten. 85 Perſo-
nen wurden zur Anzeige gebracht.

Die Anſammlungen in Ehrenfeld und Deutz
ſind wieder zerſtreut. Auch in Opladen kam es
zu Ausſchreitungen, wobei auf die Anordnung des
britiſchen Kreisoffiziers in Ohligs ein größeres
Schupokommando eingeſetzt wurde. Mehrere Per-
ſonen kamen in Haft.

Die erſte Sitzung der Reparationsſachver-
ſtändigen

Die heutige
erſte Sitzung der Reparations-
ſachverſtändigen
wird von Bar-
thou
geleitet werden, der in einer Rede
die verſchiedenen Sachverſtändigen begrü-
ßen wird. Das Garantie-Komitee der Re-
parationskommiſſion hat den Sachverſtän-
digen ein umfangreiches Material zugehen
laſſen, das ſich mit der Lage des deutſchen
Haushalts, der allgemeinen deutſchen Fi-
nanz- und Wirtſchaftslage, den Bilanzen
der Reichs- und Rentenbank und anderen
Wirtſchaftsfragen befaßt.

Die deutſche Kriegslaſten-
Kommiſſion
in Paris hat ebenfalls
verſchiedene Unterlagen vorbereitet, um ge-
gebenenfalls auf etwaige Rückfragen der
Sachverſtändigen antworten zu können.

Geſtern nachmittag erfolgte bereits eine
erſte Fühlungnahme zwiſchen dem ame-
rikaniſchen
und dem neu eingetroffe-
nen engliſchen Sachverſtändigen, die
vorher auf ihrer Reiſe nach Paris im Brüſ-
ſeler Staatsminiſterium eine informato-
riſche Ausſprache mit dem ſtändigen belgi-
ſchen Vertreter in der Reparationskommiſ-
ſion hatten.

[Spaltenumbruch]
Frankreichs Taktik

Die Antwortnote Frankreichs
auf die deutſchen Vorſchläge vom 24. De-
zember vorigen Jahres iſt ein Muſterbei-
ſpiel für die franzöſiſche Politik, wie auch
für die Geſamtlage, in der ſich heute Frank-
reich befindet.

Es hat zunächſt recht lange gedauert, bis
die Antwort fertig war. Daß überhaupt eine
Antwort erfolgte, iſt ja vielleicht für beſchei-
dene Gemüter ſchon ein Fortſchritt. Nun
aber erleben wir einen wirklich originellen
Fall. Während nämlich Frankreich bisher
ſtets eine Erörterung des Geſamtrepara-
tionsproblems ablehnte und ſich nur auf
Einzelfragen techniſcher und verwal-
tungsmäßiger Art einlaſſen zu können er-
klärte, iſt nun dem deutſchen Geſchäftsträ-
ger am Quai d’Orſay erklärt worden, man
möchte ſich ganz gern mit Deutſchland über
die Zukunft der deutſch-franzö-
ſiſchen Beziehungen
überhaupt aus-
ſprechen. Dann könnte man ja auch über die
Einzelfragen leichter zu einem Ergebnis
kommen.

Das ſteht nun freilich nicht in der Ant-
wortnote, ſondern es ſoll wohl ſo eine Art
diplomatiſche Ausdeutung und
gleichzeitige Verzuckerung der ablehnenden
Antwort ſein. Und das iſt es eben, was be-
denklich
ſtimmen muß.

Die Dinge liegen alſo ſo: Frankreich, d. h.
Poincaré will zurzeit von ſeiner Poli-
tik der Eroberung
noch nicht ablaſſen
und was er ſchriftlich von ſich gibt, paßt
in dieſe Linie. Aber mündlich und ſo ein
bißchen nebenher glaubt er doch ſchon,
der Weltlage gewiſſe Zugeſtänd-
niſſe
machen zu müſſen. Man hört freilich,
der Präſident der Republik, Millerand,
habe hier ſeinen Einfluß im Spiele.

Aber man merkt es. wie ſich die Katze
windet. Die deutſchen Vorſchläge
ſind weitgehend und durchaus akzepta-
bel.
Man kann mit einer ſchroffen Ableh-
nung vor der Welt und vor allem auch vor
der kommenden engliſchen Regierung Ram-
ſay Macdonalds nicht mehr beſtehen.
Man will aber nicht in der Ruhr-
frage entgegenkommen.

Was macht alſo Frankreich? Es erklärt
mit harmloſer Miene, der man aber doch
die Angſt anmerkt, über das Geſamt-
problem
mit Deutſchland verhandeln zu
wollen, in der ſtillen Hoffnung, daß dabei
viel leichter neue Hinderniſſe zu
ſchaffen ſind als bei der allmählich von der
ganzen Welt offen durchſchauten Ruhr-
frage.

Mit anderen Worten: Man macht ſchein-
bar weitergehende Zugeſtändniſſe, um in
der jetzt zur Erörterung ſtehenden Ruhr-
frage nicht entgegenkommen zu müſſen.
Es iſt die Taktik der Katze, die immer auf
die alten Füße ſpringt, bis ſie bei einem
allzu hohen Sturz ſich doch das Genick bricht.

Man muß ſich in die Lage Frankreichs
denken. Dann verſteht man auch den
Wunſch, die Note vorerſt nicht zu veröffent-
lichen. Die Londoner City drängt, die eng-
liſche Arbeiterpartei fordert Deutſch-
lands Teilnahme an einer internationalen
Konferenz, der Franken ſinkt inzwiſchen
immer weiter, die liebevollen Bande zur
Kleinen Entente ſind doch noch nicht
ſtark genug, im Mittelmeer ſtehen die Ri-
valen Italien und Spanien
auf —
etwas viel auf einmal.

Da kann man ſchon verſtehen, wenn
ſolche Interpretationen einer amtlichen Note
gegeben werden, die die wahren Ziele
Frankreichs
etwas verſchleiern können.

Es iſt heute wirklich ſo, daß Frankreich
in die größte Verlegenheit käme,

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Probram-Glabona. &#x2014; <hi rendition="#g">Feuilleton u. Theater:</hi> Walter Foitzick. &#x2014; <hi rendition="#g">Anzeigenteil:</hi> Jo&#x017F;ef<lb/>
Spiegel, &#x017F;ämtl. in München. &#x2014; <hi rendition="#g">Redaktion:</hi> München Baader&#x017F;tr. 1. Tel. 27940. &#x2014; Berliner<lb/>
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[0001] Allgemeine Zeitung Süddeutſches Tagblatt Großdeutſche Rundſchau127. Jahrgang. Nr. 13 München, Montag den 14. Januar 1924. Hauptſchriftleitung und verantwortlich für Deutſche und Bayeriſche Politik: Max Hellgemayr. — Wirtſchaftszeitung u. Auswärtige Politik: Joſef Schrepfer. — Unpolitiſche Stadtzeitung u. Sport: Richard Rieß. — Kunſt u. Muſik: Albin v. Probram-Glabona. — Feuilleton u. Theater: Walter Foitzick. — Anzeigenteil: Joſef Spiegel, ſämtl. in München. — Redaktion: München Baaderſtr. 1. Tel. 27940. — Berliner Schriftleitung: SW 68., Zimmerſtr. 9. Tel. Zentrum 5498 u. 3967; Leiter: Alfred Gerigk. [Abbildung] Die Allgemeine Zeitung erſcheint täglich. Bei Störung des Erſcheinens infolge höherer Gewalt oder Streiks beſteht kein Anſpruch auf Zeitungslieferung oder Rückzahlung des Be- zugsgeldes. Bezugspreis: Mk. 2.80 für den Monat. Anzeigenpreis: für die 9-ſpaltige Millimeterzeile im Inſeratenteil M. 0.25, im Reklameteil M. 0.80. Kleine Anzeigen M. 0.10. Verlag der Allgemeinen Zeitung G.m.b.H. München. Poſtſcheckkonto: München 8170. Druck: Druckerei- und Verlags-A.-G. München. Baaderſtraße 1 und 1a. Telefon 24287. Einzelpreis 10 Pfennig. Die weitere Behandlung der franzöſiſchen Note (Sonderbericht der „Allgemeinen Zeitung“.) * Berlin, 13. Januar. Nachdem der Kurier der Deutſchen Botſchaft aus Paris in Berlin eingetroffen iſt, wird die Note nunmehr überſetzt und von den zu- ſtändigen Stellen geprüft. Erſt dann wird ſich überſehen laſſen, wie ſich die franzö- ſiſche Regierung im einzelnen zu den deut- ſchen Vorſchlägen ſtellt. Gleichzeitig mit dem Pariſer Kurier iſt der deutſche Geſchäftsträger in Brüſſel, Herr v. Rüdiger, in Berlin eingetroffen. Der deutſche Geſchäftsträger in Paris, Herr von Hoeſch, wird erſt am Diens- tag erwartet, da ſich ſeine Abreiſe wegen ſeiner Erkrankung verzögerte. Ueber die mündlichen Beſprechungen iſt noch kein Bericht an das Auswärtige Amt erſtattet worden. Die eigentlichen Be- ſprechungen werden dort alſo erſt Dienstag oder Mittwoch beginnen. Dabei wird dann auch die Frage der Beſetzung des Botſchafterpoſtens in Pa- ris und des Geſandtenpoſtens in Brüſſel ge- klärt werden. Herr von Hoeſch kommt nach wie vor als erſter Kandidat für Paris in Frage. Optimiſtiſche Auffaſſung der Reichsregierung * Berlin, 14. Januar. Auf Grund der aus Paris eingegangenen Nachrichten glaubt man hier, daß der Weg zu deutſch-franzöſiſchen Verhand- lungen über den Rahmen der in dem ge- genwärtigen Notenwechſel behandelten Einzelfragen hinaus frei gemacht iſt und daß deshalb auch von Berlin aus dieſe tech- niſchen Fragen nicht mehr als der Kern- punkt, ſondern nur als ein Sonderkapitel innerhalb der kommenden Geſamtver- handlungen betrachtet werden könne. Dieſe Verhandlungen werden ſich in erſter Linie auf die Wiederaufnahme der deut- ſchen Sachleiſtungen, die für dieſen Zweck notwendige internationale Anleihe und die Garantien für eine ſolche Anleihe beziehen. Das deutſche Verhandlungsprogramm — deutſcher Reparationsvorſchlag von Ende 1922 als Diskuſſionsgrundlage, Wiederher- ſtellung der deutſchen Souveränität inner- halb der Reichsgrenzen, Räumung der be- ſetzten Gebiete entſprechend den Vorſchrif- ten des Verſailler Vertrages — bleibt un- verändert beſtehen. Drohender Eiſenbahnerſtreik in England London, 13. Januar. Die Führer der Arbeiterparteien bemühen ſich, einen all- gemeinen Eiſenbahnerſtreik zu verhindern. Es ſcheint jedoch, daß die Eiſen- bahnergewerkſchaft nicht nachgeben wird, ſondern daß man mit dem Ausbruch eines weitgreifenden Eiſenbahnerſtreiks in Eng- land rechnen muß. Die gewerkſchaftliche Organiſation zählt 60 000 Mitglieder. Es wird erklärt, daß der Ausbruch des Streiks unvermeidlich ſei. Die Eiſenbahner verſuchen auch die Bergleute in die Streikbewegung hin- einzuziehen. Die deutſche Antwort an Rollet * Berlin, 13. Januar. Die Note, die ſeitens der Reichsregierung unterm 9. Januar an die Inter- alliierte Militärkommiſſion gerichtet wurde, hat folgenden Wortlaut: Ich beehre mich, den Empfang Ihrer Note vom 30. Dezember zu beſtätigen, in der Sie ankündi- gen, daß am 10. und 12. Januar in Roſtock, Ber- lin, Dresden, Stuttgart, München, Paderborn, Breslau und Frankfurt a. M. Kontrollbeſuche vorgenommen werden ſollen. Die deutſchen Ver- bindungsſtellen und die für die Kontrolle ſelbſt in Betracht kommenden Behörden ſind angewie- ſen, den Kontrolloffizieren die Durchführung die- ſer Beſuche zu ermöglichen. Die Reichsregierung beauftragte mich indeſſen, Ihnen. Herr General bei dieſer Gelegenheit zu erklären, daß Ihrer Anſicht nach die Kontroll- kommiſſion, ſoweit ihre Aufgabe ſie mit militäri- ſchen Stellen in perſönlichen Kontakt bringt, die- jenigen Aufgaben beende, welche die Bot- ſchafterkonferenz als noch offen betrachtet, die Aufgaben aber, an deren Durchführung die deut- ſche Regierung mitzuwirken durchaus bereit ſei, keine Beſuche mehr bei militäriſchen Stellen er- fordern. Abgeſehen von jenen noch offenen Aufgaben wurde alles, was Teil V des Vertrags von Ver- ſailles an Abrüſtungsforderungen enthält, längſt erfüllt. Der durch dieſe Abrüſtung geſchaffene Zuſtand unterliegt nach Artikel 213 des Ver- trages von Verſailles nicht dauernd der Kon- trolle, ſondern lediglich der Möglichkeit einer etwa aus beſonderen Gründen vom Rate des Völker- bundes anzuordnenden Spezialunterſuchung. Wenn die deutſche Regierung gleichwohl die für den 10. und 12. Januar in Ausſicht genommenen Kontrollbeſuche neu zuläßt, ſo tat ſie das in der gewiſſen Erwartung, daß ihre eben dargelegte Rechtsauffaſſung auch bei der Interalliierten Mi- litärkommiſſion volle Würdigung finden und daß von weiteren Kontrollbeſuchen abgeſehen wird. gez. Horaht. Die Richtlinien für die belgiſchen Sach- verſtändigen * Paris, 13. Januar. Nach einer Havasmel- dung aus Brüſſel hatte Miniſterpräſident Thru- nis geſtern eine längere Unterredung mit den drei belgiſchen Sachverſtändigen Francuy, Heu- rard und Janſſen, die an den übermorgen begin- nenden Arbeiten der Reparationskommiſſion in Paris teilnehmen werden. Es handelte ſich um die Erteilung von Richtlinien. Miniſter Jaſpar wohnte der Unterredung bei. Die Kleine Entente und Rußland Die Außenminiſter der in der Kleinen Entente zuſammengeſchloſſenen Staaten fanden ſich vom 9. bis 11. Januar in Belgrad zuſammen, um vor allem die baldige Wiederaufnahme politiſcher und wirtſchaftlicher Beziehungen zu Rußland zu erörtern. Die Anregung zu dieſer Konferenz geht von der Tſchechoſlowakei aus. Es iſt höchſt wahr- ſcheinlich, daß Beneſchs kürzlicher Aufenthalt in Paris auch dieſer Frage gegolten hat, und daß Frankreich die Kleine Entente als Vorhut für ſeine neue ruſſiſche Politik benutzt. Die Tſchechoſlowakei iſt beſonders darüber be- unruhigt, daß die bevorſtehende engliſche Aner- kennung der Sowjetregierung große wirtſchaft- liche Intereſſenverbindungen zwiſchen England und Rußland nach ſich ziehen und ihr ſo der ruſ- ſiſche Markt verſchloſſen wird, auf den ſie für den Abſatz ihrer Induſtrieprodukte große Hoffnungen ſetzt. England und die Pfalzfrage * Paris, 14. Januar. Der britiſche Bot- ſchafter in Paris, Lord Crewe, hatte ge- ſtern eine längere Beſprechung mit Poin- care. Er teilte dem franzöſiſchen Mini- ſterpräſidenten mit, daß die engliſche Re- gierung bereit ſei, den engliſchen General- konſul in München, Clive, bei ſeiner Un- terſuchungsreiſe durch die Rheinpfalz von einem franzöſiſchen Zivilbeamten begleiten zu laſſen. Dagegen müſſe ſie die Beglei- tung Clives durch einen franzöſiſchen Of- fizier unbedingt ablehnen. Poincare ſtimmte ſchließlich dem engli- ſchen Verlangen zu und erklärte ſich damit einverſtanden, daß nur ein franzöſi- ſcher Zivilbeamter dem General- konſul beigegeben werde. Beſchleunigung der franzöſiſchen Kammer- wahlen * Paris, 13. Januar. Die franzöſiſche Regierung beabſichtigt, die Legislatur- periode der Kammer zu verkürzen und die Wahlen ſchon Anfang März anzuſetzen, ſtatt in der zweiten Aprilhälfte. Ueber die Gründe der Beſchleunigung hört man, daß die Mehrheit des nationalen Blocks darauf rechnet, daß die Wahlſtim- mung Anfang März günſtiger für ſie ſein wird als im April, wo die Düſſeldorfer Ver- träge zu Ende gehen. Die Streiklage im Ruhrgebiet * Köln, 13. Januar. Die Lage im Düſ- ſeldorfer Bezirk veränderte ſich in den letzten Tagen wenig. Die General- ſtreikparole fand nicht den erwarte- ten Anklang. In den letzten Tagen kam es in Düſſeldorf zu kleineren Plünderungen und Verkehrsſtörungen. In Eſſen hatte der Aufruf zum Gene- ralſtreik keine Wirkung; lediglich in Gel- ſenkirchen wurde eine Streikleitung ge- bildet. Es liegen jedoch nur zwei kleinere Betriebe ſtill. Die Unruhen in der rheiniſchen Induſtrie * Köln, 13. Januar. Geſtern abend drangen mehrere hundert Perſonen in die chemiſche Fa- brik von Vorſtor u. Grünberg in Kalk ein, um die Arbeiter aus der Fabrik zu holen. Die Ein- dringlinge wurden von der Polizei entfernt. 42 Perſonen kamen wegen Landfriedensbruch zur Anzeige. Weiterhin drangen mehrere hundert Ar- beitsloſe in das Rheinwerk in Köln ein und beſetzten das Werk, die Direktionsgebäude und Fernſprechzentrale. Sie wurden von der Polizei hinausgedrängt, wobei die Beamten mit Eiſen- ſtücken beworfen wurden, ſo daß ſie von der Hiebwaffe Gebrauch machen mußten. 85 Perſo- nen wurden zur Anzeige gebracht. Die Anſammlungen in Ehrenfeld und Deutz ſind wieder zerſtreut. Auch in Opladen kam es zu Ausſchreitungen, wobei auf die Anordnung des britiſchen Kreisoffiziers in Ohligs ein größeres Schupokommando eingeſetzt wurde. Mehrere Per- ſonen kamen in Haft. Die erſte Sitzung der Reparationsſachver- ſtändigen * Paris, 14. Januar. Die heutige erſte Sitzung der Reparations- ſachverſtändigen wird von Bar- thou geleitet werden, der in einer Rede die verſchiedenen Sachverſtändigen begrü- ßen wird. Das Garantie-Komitee der Re- parationskommiſſion hat den Sachverſtän- digen ein umfangreiches Material zugehen laſſen, das ſich mit der Lage des deutſchen Haushalts, der allgemeinen deutſchen Fi- nanz- und Wirtſchaftslage, den Bilanzen der Reichs- und Rentenbank und anderen Wirtſchaftsfragen befaßt. Die deutſche Kriegslaſten- Kommiſſion in Paris hat ebenfalls verſchiedene Unterlagen vorbereitet, um ge- gebenenfalls auf etwaige Rückfragen der Sachverſtändigen antworten zu können. Geſtern nachmittag erfolgte bereits eine erſte Fühlungnahme zwiſchen dem ame- rikaniſchen und dem neu eingetroffe- nen engliſchen Sachverſtändigen, die vorher auf ihrer Reiſe nach Paris im Brüſ- ſeler Staatsminiſterium eine informato- riſche Ausſprache mit dem ſtändigen belgi- ſchen Vertreter in der Reparationskommiſ- ſion hatten. Frankreichs Taktik s. München, 14. Januar. Die Antwortnote Frankreichs auf die deutſchen Vorſchläge vom 24. De- zember vorigen Jahres iſt ein Muſterbei- ſpiel für die franzöſiſche Politik, wie auch für die Geſamtlage, in der ſich heute Frank- reich befindet. Es hat zunächſt recht lange gedauert, bis die Antwort fertig war. Daß überhaupt eine Antwort erfolgte, iſt ja vielleicht für beſchei- dene Gemüter ſchon ein Fortſchritt. Nun aber erleben wir einen wirklich originellen Fall. Während nämlich Frankreich bisher ſtets eine Erörterung des Geſamtrepara- tionsproblems ablehnte und ſich nur auf Einzelfragen techniſcher und verwal- tungsmäßiger Art einlaſſen zu können er- klärte, iſt nun dem deutſchen Geſchäftsträ- ger am Quai d’Orſay erklärt worden, man möchte ſich ganz gern mit Deutſchland über die Zukunft der deutſch-franzö- ſiſchen Beziehungen überhaupt aus- ſprechen. Dann könnte man ja auch über die Einzelfragen leichter zu einem Ergebnis kommen. Das ſteht nun freilich nicht in der Ant- wortnote, ſondern es ſoll wohl ſo eine Art diplomatiſche Ausdeutung und gleichzeitige Verzuckerung der ablehnenden Antwort ſein. Und das iſt es eben, was be- denklich ſtimmen muß. Die Dinge liegen alſo ſo: Frankreich, d. h. Poincaré will zurzeit von ſeiner Poli- tik der Eroberung noch nicht ablaſſen und was er ſchriftlich von ſich gibt, paßt in dieſe Linie. Aber mündlich und ſo ein bißchen nebenher glaubt er doch ſchon, der Weltlage gewiſſe Zugeſtänd- niſſe machen zu müſſen. Man hört freilich, der Präſident der Republik, Millerand, habe hier ſeinen Einfluß im Spiele. Aber man merkt es. wie ſich die Katze windet. Die deutſchen Vorſchläge ſind weitgehend und durchaus akzepta- bel. Man kann mit einer ſchroffen Ableh- nung vor der Welt und vor allem auch vor der kommenden engliſchen Regierung Ram- ſay Macdonalds nicht mehr beſtehen. Man will aber nicht in der Ruhr- frage entgegenkommen. Was macht alſo Frankreich? Es erklärt mit harmloſer Miene, der man aber doch die Angſt anmerkt, über das Geſamt- problem mit Deutſchland verhandeln zu wollen, in der ſtillen Hoffnung, daß dabei viel leichter neue Hinderniſſe zu ſchaffen ſind als bei der allmählich von der ganzen Welt offen durchſchauten Ruhr- frage. Mit anderen Worten: Man macht ſchein- bar weitergehende Zugeſtändniſſe, um in der jetzt zur Erörterung ſtehenden Ruhr- frage nicht entgegenkommen zu müſſen. Es iſt die Taktik der Katze, die immer auf die alten Füße ſpringt, bis ſie bei einem allzu hohen Sturz ſich doch das Genick bricht. Man muß ſich in die Lage Frankreichs denken. Dann verſteht man auch den Wunſch, die Note vorerſt nicht zu veröffent- lichen. Die Londoner City drängt, die eng- liſche Arbeiterpartei fordert Deutſch- lands Teilnahme an einer internationalen Konferenz, der Franken ſinkt inzwiſchen immer weiter, die liebevollen Bande zur Kleinen Entente ſind doch noch nicht ſtark genug, im Mittelmeer ſtehen die Ri- valen Italien und Spanien auf — etwas viel auf einmal. Da kann man ſchon verſtehen, wenn ſolche Interpretationen einer amtlichen Note gegeben werden, die die wahren Ziele Frankreichs etwas verſchleiern können. Es iſt heute wirklich ſo, daß Frankreich in die größte Verlegenheit käme,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 14. Januar 1924, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1924/1>, abgerufen am 15.05.2024.