Allgemeine Zeitung, Nr. 158, 6. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
welchem man hier die Broschüre La Hongrie et la Crise europeenne von Belgien. [] Brüssel, 3 Juni. Wie man mir mittheilt gedenkt die Regierung, Italien. [] Turin, 2 Jun. Die "Gazz. di Torino" von gestern meldet daß [] Turin, 3 Jun. Frankreich geht, nach der officiellen Genueser "Italien will von jeder Seite frei seyn. Bis es diesen Zweck erreicht, wird So spricht dieses Blatt, so gibt das piemontesische Cabinet seine Ansich- [] Mailand, 30 Mai. Man beschäftigt das Publicum seit fünf Neueste Posten. Sun München, 5 Jun. Auf nächsten Montag ist eine neue Sitzung [] München, 5 Jun. Man will hier wissen daß Appellations- Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. [Spaltenumbruch]
welchem man hier die Broſchüre La Hongrie et la Crise européenne von Belgien. [] Brüſſel, 3 Juni. Wie man mir mittheilt gedenkt die Regierung, Italien. [⨉] Turin, 2 Jun. Die „Gazz. di Torino“ von geſtern meldet daß [⨉] Turin, 3 Jun. Frankreich geht, nach der officiellen Genueſer „Italien will von jeder Seite frei ſeyn. Bis es dieſen Zweck erreicht, wird So ſpricht dieſes Blatt, ſo gibt das piemonteſiſche Cabinet ſeine Anſich- [] Mailand, 30 Mai. Man beſchäftigt das Publicum ſeit fünf Neueſte Poſten. ☉ München, 5 Jun. Auf nächſten Montag iſt eine neue Sitzung [⨉] München, 5 Jun. Man will hier wiſſen daß Appellations- Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0008" n="2636"/><cb/> welchem man hier die Broſchüre <hi rendition="#aq">La Hongrie et la Crise européenne</hi> von<lb/> Hrn. 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Die Nachricht von einer bevorſtehenden Zuſam-<lb/> menkunft des Prinz-Regenten von Preußen mit dem König von Bayern, und<lb/> das Anerbieten eines deutſchen Londoner Hauſes Deutſchland mit Armſtrong-<lb/> kanonen billig und prompt zu bedienen, verurſachen einigen Rumor. Alle<lb/> Regierungsorgane verſichern Graf Cavour wandle mit größerer Pünktlichkeit<lb/> als je die Wege der kaiſerlichen Politik, welcher er mit Leib und Seele zugethan iſt.<lb/> Die auf ſechs Monate beurlaubten Matroſen werden einberufen, was zu der Frie-<lb/> densnote im <hi rendition="#g">Moniteur</hi> wie die Fauſt aufs Auge paßt. — Die Handelskam-<lb/> mern der Hafenſtädte haben ein Gutachten abgegeben welches ſich gegen die Auf-<lb/> hebung der Differentialſchifffahrtsabgaben, alſo gegen den von England ge-<lb/> wünſchten Schifffahrtsvertrag ausſpricht. Die Regierung wird ſich an das Gut-<lb/> achten halten, da ſie ohnehin mit der Zollreform vollauf beſchäftigt iſt. Ein noch<lb/> nie vorhanden geweſenes Preßvergehen iſt erfunden worden. Aus Anlaß der<lb/> Broſchüre „Die alten Parteien“ wird Graf d’Hauſſonville als Mitſchuldiger<lb/> des Verfaſſers, Hrn. Prevoſt Paradol, und des Druckers verfolgt, weil er ſich<lb/> bei letzterm verbürgt hat ihn für eine etwaige Geldſtrafe ſchadlos zu halten. —<lb/> Ein anſtändiger Demokrat hat Hrn. Gu<hi rendition="#aq">é</hi>roult, den gemäßigten Tambour<lb/> major der Opinion nationale, ſchriftlich darüber interpellirt daß er als angeb-<lb/> licher Demokrat die Freiheit und die Discuſſion denunciirt, und die Gewalt<lb/> anbetet. Hr. Gu<hi rendition="#aq">é</hi>roult kann es ſich ſelbſt nicht länger mehr verhehlen was<lb/> man allgemein von ihm denkt und ſpricht. Sehr verlegen entgegnet er: wenn<lb/> ich einen Mann finde welcher, wie Columbus und Galilei, allein gegen die<lb/> ganze Welt Recht hat, ſo unterwerfe ich mich ihm. 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Alle in der Nähe befindlichen Truppen wurden ge-<lb/> gen die Gränze geſandt. Dieſe Bewegung rief auch auf öſterreichiſcher Seite<lb/> eine ſtarke Truppenconcentrirung hervor. — Der bekannte Gallenga, Cor-<lb/> reſpondent der Times, Exmazziniſt, Exdeputirter u. ſ. w., richtete einen<lb/> Brief an den Redacteur der „Gazz. di Torino,“ mit welchem er ihm 2575<lb/> Franken als Ergebniß einer Sammlung im Athenäum Club zu London für<lb/> die ſiciliſche Revolution überſendet. Zugleich meldet er daß er von Hrn.<lb/> Fra’s Mowalt, dem Uebermittler obiger Summe, die Nachricht empfangen<lb/> habe daß man in England ſo eben zwei ſehr ſchnelle Schiffe ausrüſte, und<lb/> mit 200 Matroſen, theils Engländer, theils Nordamerikaner, bemannen und<lb/> unter die Befehle eines Sicilianers ſtellen werde. — Das Entlaſſungsge-<lb/> ſuch des Kriegsminiſters Fanti iſt, wie es ſcheint, noch nicht genehmigt wor-<lb/> den, da man bisher noch keinen Stellvertreter finden konnte. — Der Bri-<lb/> gade Savoyen wurde am 30 in einem Tagsbefehl kundgegeben daß ſie nach<lb/> den Beſtimmungen des Ceſſionsvertrags aufgehoben ſey, und durch die Bri-<lb/> gade des Königs werde erſetzt werden. Diejenigen welche noch unter italie-<lb/> niſcher Fahne dienen wollten, könnten ſich in letztgenaunte Brigade aufneh-<lb/> men laſſen. Eine nicht unbedeutende Anzahl ſoll von dieſer Erlaubniß Ge-<lb/> brauch gemacht haben. — Der ſardiniſche Geſandte in Neapel, Marcheſe<lb/> Billamarina, ſoll daſelbſt Gegenſtand einer feindlichen Demonſtration von<lb/> Seite der Lazzaroni geweſen ſeyn. Da dieſelben ihn mit Inſulten bedroh-<lb/> ten, ſo ſoll er ſich in den Palaſt des engliſchen Geſandten geflüchtet haben.<lb/> So erzählen wenigſtens unſere miniſteriellen Blätter. — Hr. Prati aus Trient<lb/> veröffentlichte ein Gedicht: „<hi rendition="#aq">La Marsigliese degli Italiani.</hi>“ Der Ertrag<lb/> gehört für Sicilien. 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Die vier<lb/> Bisthümer ſollen auf zwei reducirt werden. Chambery und Annecy würden<lb/> fortbeſtehen, die Biſchöfe von San Giov. di Mariana und Moutiers würden<lb/> ſich in das Capitel St. Denis zurückziehen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><supplied>&#xfffc;</supplied><hi rendition="#b">Mailand,</hi> 30 Mai.</dateline><lb/> <p>Man beſchäftigt das Publicum ſeit fünf<lb/> Tagen mit den düſterſten Nachrichten aus Wien: Es ſind angeblich öffent-<lb/> liche Gebete für die Erhaltung des Kaiſers angeordnet; ſeine Geſundheit ſey<lb/> ſehr gefährdet; die kaiſerliche Burg, mit Hofgendarmen umgeben, ſey für<lb/> niemand zugänglich; es herrſche ein geheimnißvolles Stillſchweigen, eine un-<lb/> heimliche ſehr gedrückte Stimmung, wie vor dem Ausbruch eines gewaltigen<lb/> Staatsſtreichs. Mit ſolchen widerſinnigen Exclamationen und andern ähn-<lb/> lichen Betrachtungen über die mißliche Lage Oeſterreichs weiß die Regierung<lb/> die augenblickliche Leere der Nachrichten aus beiden Sicilien und die Guerrazzi’-<lb/> ſchen Philippiken, welche, nach Briefen aus Turin, die Maſſen gegen die<lb/> Miniſter und gegen den König aufgeregt haben, abzuleiten. Als aber geſtern<lb/> die Abendblätter Garibaldi’s Ankunft vor den Thoren von Palermo gemeldet<lb/> hatten, wurde ſogleich kund gemacht: das Monument für den Erzherzog Karl<lb/> ſey am 22 enthüllt worden, und der Kaiſer und die Kaiſerin hätten der Feier-<lb/> lichkeit beigewohnt. — Geſtern wurde mittelſt Maueranſchlags, welchen ſechs<lb/> anſehnliche Magiſtratsperſonen unterſchrieben hatten, die Mildthätigkeit der<lb/> Mailänder für die Revolution von Sicilien in ſehr eindringenden Ausdrücken<lb/> in Anſpruch genommen. Bedeutende Summen ſind bereits geſammelt und über<lb/> Genua nach Sicilien befördert worden; auch dauern die Anwerbungen mit rei-<lb/> chen Erfolgen fort. Da nach dem Beiſpiel der Schuhmacher und Schneider nun-<lb/> mehr auch die Schmied- und Schloſſergeſellen, um höheren Lohn zu erpreſſen, die<lb/> Werkſtätten verlaſſen haben, ſo läßt man das Gerücht verbreiten: die Aufhetzereien<lb/> kämen von Leuten deren Beruf es ſey Frieden und Sanftmuth zu predigen.<lb/> Die eingeleiteten Unterſuchungen ſind ſo geſtellt, daß man deutlich erkennt man<lb/> wolle dieſe überhandnehmenden Unordnungen der Geiſtlichkeit in die Schuhe<lb/> ſchieben. So ſehr Garibaldi die italieniſche Geiſtlichkeit als antinational-<lb/> geſinnt tadelt, ſo ſehr belobt er die ſiciliſche, „die ſich überall an die<lb/> Spitze des Volkes ſtellt um die Unterdrücker zu bekämpfen.“ Erſtere<lb/> wird deßwegen verflucht, letztere aber als die Lehrerin der wahren Religion<lb/> Chriſti geprieſen! Man ſteht die chriſtliche Religion wird von allen Partein<lb/> gebraucht und mißbraucht. — Die Franzoſen gehen nun in größeren<lb/> Maſſen als bisher nach Frankreich. Geſtern iſt das 93ſte Infanterieregiment,<lb/> auf 150 Wagen vertheilt, nach Genua abgegangen. Die beinahe ohne Trup-<lb/> pen hier gebliebenen Generale, worunter Marſchall Vaillant und der Diviſtons-<lb/> general Rochefort, ſind vorgeſtern ſammt ihren Familien über Verona nach<lb/> Venedig abgereist. 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Kriegsminiſter wird fürs erſte ſeinen<lb/> Urlaub noch nicht antreten. — Noch immer füllen Beſchreibungen des ſonn-<lb/> tägigen Hagelwetters und ſeiner Verwüſtungen die Spalten unſerer Blätter.<lb/> Heute noch und wahrſcheinlich die ganze Woche hindurch ſieht man die wie<lb/> von den Kugeln eines Pelotonfeuers durchlöcherten Fenſterſcheiben, deren An-<lb/> zahl in der Stadt 40,000 ſeyn ſoll.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jEditorialStaff" n="1"> <head> <hi rendition="#red">Verantwortliche Redaction: <hi rendition="#aq">Dr.</hi> G. <hi rendition="#g">Kolb</hi>. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> A. J. <hi rendition="#g">Altenhöfer</hi>. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> H. <hi rendition="#g">Orges</hi>.</hi> </head> </div><lb/> <div type="imprint" n="1"> <head>Verlag der J. G. <hi rendition="#g">Cotta’ſchen</hi> Buchhandlung.</head> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2636/0008]
welchem man hier die Broſchüre La Hongrie et la Crise européenne von
Hrn. Horn losläßt, welche die Patrie aufs wärmſte empfiehlt. Die Haltung
Rußlands zu Oeſterreich iſt fortwährend der Art daß das Dreikaiſerbündniß
zu den Unmöglichkeiten gehört. Davon kann ſich jeder überzeugen der Gele-
genheit hat hierüber einen ruſſiſchen Diplomaten oder Ruſſen aus den höhern
Ständen zu vernehmen. Die ruſſiſche Allianz wird in Paris zur Schau ge-
ſtellt, auch an Artigkeiten gegen Oeſterreich läßt man es nicht fehlen; aber
ein Einvernehmen mit ihm wird an maßgebender Stelle und durch eine Reihe
von Thatſachen dementirt. Sie werden bemerkt haben daß die Opinion
nationale, Siècle und le Monde bereits den erſten Schmerzensſchrei
aus Poſen zur Kenntniß der mitfühlenden Franzoſen bringen. Es wird bald
noch anderes nachkommen. Die Nachricht von einer bevorſtehenden Zuſam-
menkunft des Prinz-Regenten von Preußen mit dem König von Bayern, und
das Anerbieten eines deutſchen Londoner Hauſes Deutſchland mit Armſtrong-
kanonen billig und prompt zu bedienen, verurſachen einigen Rumor. Alle
Regierungsorgane verſichern Graf Cavour wandle mit größerer Pünktlichkeit
als je die Wege der kaiſerlichen Politik, welcher er mit Leib und Seele zugethan iſt.
Die auf ſechs Monate beurlaubten Matroſen werden einberufen, was zu der Frie-
densnote im Moniteur wie die Fauſt aufs Auge paßt. — Die Handelskam-
mern der Hafenſtädte haben ein Gutachten abgegeben welches ſich gegen die Auf-
hebung der Differentialſchifffahrtsabgaben, alſo gegen den von England ge-
wünſchten Schifffahrtsvertrag ausſpricht. Die Regierung wird ſich an das Gut-
achten halten, da ſie ohnehin mit der Zollreform vollauf beſchäftigt iſt. Ein noch
nie vorhanden geweſenes Preßvergehen iſt erfunden worden. Aus Anlaß der
Broſchüre „Die alten Parteien“ wird Graf d’Hauſſonville als Mitſchuldiger
des Verfaſſers, Hrn. Prevoſt Paradol, und des Druckers verfolgt, weil er ſich
bei letzterm verbürgt hat ihn für eine etwaige Geldſtrafe ſchadlos zu halten. —
Ein anſtändiger Demokrat hat Hrn. Guéroult, den gemäßigten Tambour
major der Opinion nationale, ſchriftlich darüber interpellirt daß er als angeb-
licher Demokrat die Freiheit und die Discuſſion denunciirt, und die Gewalt
anbetet. Hr. Guéroult kann es ſich ſelbſt nicht länger mehr verhehlen was
man allgemein von ihm denkt und ſpricht. Sehr verlegen entgegnet er: wenn
ich einen Mann finde welcher, wie Columbus und Galilei, allein gegen die
ganze Welt Recht hat, ſo unterwerfe ich mich ihm. Diejenigen welche dieß
mißbilligen, mögen mir immerhin den Rücken kehren.
Belgien.
 Brüſſel, 3 Juni.
Wie man mir mittheilt gedenkt die Regierung,
fobald das Geſetzproject über die Aufhebung der Octrois zur Annahme ge-
kommen ſeyn wird, der Kammer das Project zu einer Banque communale
vorzulegen, die beſtimmt ſeyn würde den Gemeinden Darleihen zu machen.
Auch iſt die Rede daß die Idee einer Kriegsmarine wieder aufs Tapet ge-
bracht werden ſoll, und daß dießmal der Kriegsmin ſter vor der Kammer die
Vertheidigung des Projects übernehmen würde.
Italien.
⨉ Turin, 2 Jun.
Die „Gazz. di Torino“ von geſtern meldet daß
am 30 Mai aus unbekannter Urſache die Po Linie längs der modeneſiſchen
Gränze allarmirt war. Alle in der Nähe befindlichen Truppen wurden ge-
gen die Gränze geſandt. Dieſe Bewegung rief auch auf öſterreichiſcher Seite
eine ſtarke Truppenconcentrirung hervor. — Der bekannte Gallenga, Cor-
reſpondent der Times, Exmazziniſt, Exdeputirter u. ſ. w., richtete einen
Brief an den Redacteur der „Gazz. di Torino,“ mit welchem er ihm 2575
Franken als Ergebniß einer Sammlung im Athenäum Club zu London für
die ſiciliſche Revolution überſendet. Zugleich meldet er daß er von Hrn.
Fra’s Mowalt, dem Uebermittler obiger Summe, die Nachricht empfangen
habe daß man in England ſo eben zwei ſehr ſchnelle Schiffe ausrüſte, und
mit 200 Matroſen, theils Engländer, theils Nordamerikaner, bemannen und
unter die Befehle eines Sicilianers ſtellen werde. — Das Entlaſſungsge-
ſuch des Kriegsminiſters Fanti iſt, wie es ſcheint, noch nicht genehmigt wor-
den, da man bisher noch keinen Stellvertreter finden konnte. — Der Bri-
gade Savoyen wurde am 30 in einem Tagsbefehl kundgegeben daß ſie nach
den Beſtimmungen des Ceſſionsvertrags aufgehoben ſey, und durch die Bri-
gade des Königs werde erſetzt werden. Diejenigen welche noch unter italie-
niſcher Fahne dienen wollten, könnten ſich in letztgenaunte Brigade aufneh-
men laſſen. Eine nicht unbedeutende Anzahl ſoll von dieſer Erlaubniß Ge-
brauch gemacht haben. — Der ſardiniſche Geſandte in Neapel, Marcheſe
Billamarina, ſoll daſelbſt Gegenſtand einer feindlichen Demonſtration von
Seite der Lazzaroni geweſen ſeyn. Da dieſelben ihn mit Inſulten bedroh-
ten, ſo ſoll er ſich in den Palaſt des engliſchen Geſandten geflüchtet haben.
So erzählen wenigſtens unſere miniſteriellen Blätter. — Hr. Prati aus Trient
veröffentlichte ein Gedicht: „La Marsigliese degli Italiani.“ Der Ertrag
gehört für Sicilien. Hiefür wurde er vom Ritter des Mauritius Ordens
zum Officier desſelben befördert, und ihm der Lehrſtuhl der Beredſamkeit auf
der Hochſchule zu Bologna übertragen.
⨉ Turin, 3 Jun.
Frankreich geht, nach der officiellen Genueſer
Zeitung, mit der Abſicht um den Prinzen Napoleon mit der ſiciliſchen Krone
zu beehren. — Die von den Miniſtern dictirte Perſeveranza beſchenkt uns
ſchon ſeit drei Tagen in großen und breiten Leitartikeln mit ihrer Anſicht über
das mittelländiſche Meer. Mit Bezug auf Italien ſagt ſie:
„Italien will von jeder Seite frei ſeyn. Bis es dieſen Zweck erreicht, wird
es Europa keine Ruhe laſſen. Es wird Feind ſeyn allen denjenigen die dieſe Un-
abhängigkeit haſſen. Es wird Revolution treiben in und außer ſeinem Hauſe. Es
wird Feuer legen im Hauſe anderer, bis dieſe vom Schmerz geplagt aufhören es
in Sklaverei zu halten Hingegen das unabhängige, einige und ſelbſtherrliche Italien
wird Freund aller Nationen, friedfertig und zuſrieden ſeyn die eigenen Wunden, die
ihm Bürgerkrieg und Sklaverei geſchlagen, zu heilen, ſeine eigene Civiliſation zu pfle-
gen, und andere Nationen ſeiner Fortſchritte theilhaftig zu machen.“
So ſpricht dieſes Blatt, ſo gibt das piemonteſiſche Cabinet ſeine Anſich-
ten und Abſichten kund. Wozu noch weitere Muthmaßungen? Seine innern
und äußern Feinde müſſen zu Boden geſtreckt werden, dann wird Italien
zum Eldorado! — Daß die Mailänder von ihrem letztjährigen Freiheits-
taumel zurückkommen, iſt ganz gewiß; eine Correſpondenz in der Parmeſaner
Zeitung bezeichnet Mailand als eine Provinzialſtadt ohne Handel und Leben,
und langweilig, weil auch keine Spur des Hoflebens mehr dort ſey. Deſſen-
ungeachtet lebt noch genug Oeſterreicherhaß in den Großen des Landes. — Der
Stadtrath, natürlich ganz nach dem Geſchmack Cavours, hat beſchloſſen den
Jahrestag von Magenta, 4 Juni, mit Feierlichkeiten zu begehen. — In Folge
der vielen Deſertionen der Brigaden Ravenna und Ferrara wurden drei Ge-
nerale, viele Oberſte und Majore entſetzt. — Von Savoyen vernehmen wir
daß die dortigen Biſchöfe nach Paris berufen wurden um die adminiſtrativen
Angelegenheiten zu ordnen, namentlich in Bezug auf die Ehegeſetze. Die vier
Bisthümer ſollen auf zwei reducirt werden. Chambery und Annecy würden
fortbeſtehen, die Biſchöfe von San Giov. di Mariana und Moutiers würden
ſich in das Capitel St. Denis zurückziehen.
 Mailand, 30 Mai.
Man beſchäftigt das Publicum ſeit fünf
Tagen mit den düſterſten Nachrichten aus Wien: Es ſind angeblich öffent-
liche Gebete für die Erhaltung des Kaiſers angeordnet; ſeine Geſundheit ſey
ſehr gefährdet; die kaiſerliche Burg, mit Hofgendarmen umgeben, ſey für
niemand zugänglich; es herrſche ein geheimnißvolles Stillſchweigen, eine un-
heimliche ſehr gedrückte Stimmung, wie vor dem Ausbruch eines gewaltigen
Staatsſtreichs. Mit ſolchen widerſinnigen Exclamationen und andern ähn-
lichen Betrachtungen über die mißliche Lage Oeſterreichs weiß die Regierung
die augenblickliche Leere der Nachrichten aus beiden Sicilien und die Guerrazzi’-
ſchen Philippiken, welche, nach Briefen aus Turin, die Maſſen gegen die
Miniſter und gegen den König aufgeregt haben, abzuleiten. Als aber geſtern
die Abendblätter Garibaldi’s Ankunft vor den Thoren von Palermo gemeldet
hatten, wurde ſogleich kund gemacht: das Monument für den Erzherzog Karl
ſey am 22 enthüllt worden, und der Kaiſer und die Kaiſerin hätten der Feier-
lichkeit beigewohnt. — Geſtern wurde mittelſt Maueranſchlags, welchen ſechs
anſehnliche Magiſtratsperſonen unterſchrieben hatten, die Mildthätigkeit der
Mailänder für die Revolution von Sicilien in ſehr eindringenden Ausdrücken
in Anſpruch genommen. Bedeutende Summen ſind bereits geſammelt und über
Genua nach Sicilien befördert worden; auch dauern die Anwerbungen mit rei-
chen Erfolgen fort. Da nach dem Beiſpiel der Schuhmacher und Schneider nun-
mehr auch die Schmied- und Schloſſergeſellen, um höheren Lohn zu erpreſſen, die
Werkſtätten verlaſſen haben, ſo läßt man das Gerücht verbreiten: die Aufhetzereien
kämen von Leuten deren Beruf es ſey Frieden und Sanftmuth zu predigen.
Die eingeleiteten Unterſuchungen ſind ſo geſtellt, daß man deutlich erkennt man
wolle dieſe überhandnehmenden Unordnungen der Geiſtlichkeit in die Schuhe
ſchieben. So ſehr Garibaldi die italieniſche Geiſtlichkeit als antinational-
geſinnt tadelt, ſo ſehr belobt er die ſiciliſche, „die ſich überall an die
Spitze des Volkes ſtellt um die Unterdrücker zu bekämpfen.“ Erſtere
wird deßwegen verflucht, letztere aber als die Lehrerin der wahren Religion
Chriſti geprieſen! Man ſteht die chriſtliche Religion wird von allen Partein
gebraucht und mißbraucht. — Die Franzoſen gehen nun in größeren
Maſſen als bisher nach Frankreich. Geſtern iſt das 93ſte Infanterieregiment,
auf 150 Wagen vertheilt, nach Genua abgegangen. Die beinahe ohne Trup-
pen hier gebliebenen Generale, worunter Marſchall Vaillant und der Diviſtons-
general Rochefort, ſind vorgeſtern ſammt ihren Familien über Verona nach
Venedig abgereist. Sie werden am 5, ſpäteſtens am 8, Juni hier erwartet,
um dann ſofort nach Frankreich zurückzukehren.
Neueſte Poſten.
☉ München, 5 Jun.
Auf nächſten Montag iſt eine neue Sitzung
des Geſetzgebungsausſchuſſes der Abgeordnetenkammer anberaumt, zu welcher
auch die für den Augenblick nach Hauſe zurückgekehrten Mitglieder desſelben
hieher zurückkehren werden.
⨉ München, 5 Jun.
Man will hier wiſſen daß Appellations-
gerichtsrath Boyé aus Zweibrücken, für welchen wegen ſeiner von der Kam-
mer noch nicht geprüfter Neuwahl der Erſatzmann für den Geſetzgebungs-
ausſchuß Oberappellationsgerichtsrath Dr. Lauk einberufen wurde, Einſprache
erhoben habe. — Die Ernennung des k. Kämmerers und Generalmajors à
la Suite, Joſeph Grafen v. Deym, Frhrn. v. Strzitetz zu Arnſtorf, zum erb-
lichen Reichsrath der Krone Bayern wird im nächſten Regierungsblatt ange-
kündigt werden. König Ludwigs Majeſtät wird morgen von Wien hier zurück-
erwartet, um über das Fronleichnamsfeſt hier zu verweilen. — Das Ober-
poſt- und Bahnamt kündigt für dieſes von Fremden ſo zahlreich beſuchte Kir-
chenfeſt einen von Augsburg nach München Morgens 5 Uhr 30 Minuten
gehenden Sonderzug an. — Der Hr. Kriegsminiſter wird fürs erſte ſeinen
Urlaub noch nicht antreten. — Noch immer füllen Beſchreibungen des ſonn-
tägigen Hagelwetters und ſeiner Verwüſtungen die Spalten unſerer Blätter.
Heute noch und wahrſcheinlich die ganze Woche hindurch ſieht man die wie
von den Kugeln eines Pelotonfeuers durchlöcherten Fenſterſcheiben, deren An-
zahl in der Stadt 40,000 ſeyn ſoll.
Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.
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(2021-11-18T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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