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Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1872.

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Die "Studentinnen" auf der Züricher Hochschule.

* Die Zahl studierender Damen auf der Hochschule zu Zürich hat sich in
diesem Semester so gesteigert, daß dort bereits ein Zehntheil der gesammten im-
matriculirten Zuhörerschaft "Studentinnen" sind. Allem Anschein nach wird
sich dieses Verhältniß in der Folge noch beträchtlich steigern, was die "N. Züri-
cher Zeitung" veranlaßt, die dadurch hervorgerufene Principienfrage, welche für
das Gedeihen der schweizerischen Universität von großer Bedeutung werden könne,
näher zu erörtern.

Ueber das Princip der Zulassung von Frauen zur Univerfität -- schreibt
das genannte Blatt -- können wir uns kurz fassen. So bald sich ein wirkliches
Bedürfniß darnach geltend macht den Frauen auch das Feld der wissenschaftlichen
Arbeit zu eröffnen, wird eine schweizerische Hochschule die letzte sein die einer sol-
chen socialen Entwicklung ohne triftige Gründe entgegentritt. Ob das Streben
der Frauen nach Theilnahme an der höhern Bildung, das in der Gegenwart
überall so lebhaft sich regt, Ausfluß einer tiefer begründeten Forderung der mo-
dernen Cultur sei (man denke an die weibliche Erziehung in der italienischen Cul-
tur der Renaissance), ist eine Frage die man noch nicht wird entscheiden können,
deren Lösung man daher auch nicht durch hemmende Bestimmungen vorgreifen
darf. Soviel ist jetzt schon sicher daß die wissenschaftliche Bethätigung der Frauen
von guten und erfreulichen Ergebnissen begleitet sein kann. In subjectivem
Sinne wird sie eine wohlthuende Wirkung auf das intellectuelle Leben der ge-
sammten Frauenwelt ausüben. Sie wird den brachliegenden geistigen Kräften
Stoff und Richtung geben und sie dadurch vor gefährlichen Irrwegen bewahren.
Unglücklichen durch Schicksale früh erschütterten Existenzen kann sie neue Kraft
und Lebenslust verleihen. Sobald wir überhaupt die Wissenschaft als Gut be-
trachten (und wir preisen sie ja offen als höchstes), hört für uns das Recht auf
die Frauen von seinem Besitz auszuschließen. Was die objectiven Ergebnisse an-
betrifft, so wird die weibliche Arbeit im Gebiete der Wissenschaft ohne Zweifel
ihre ganz eigenartig werthvollen Dienste leisten, welche schon durch die anders be-
schaffene Subjectivität des Arbeiters interessant und werthvoll sind. Von ver-
schiedenen weiblichen Anlagen hat die Erfahrung bewiesen daß sie in den weiten
Räumen der Wissenschaft mit großem Glücke verwerthet werden können. Wie
erfolgreich läßt sich z. B. die Ausdauer, die Beobachtungsgabe und Sorgfalt
welche die Frauen im täglichen Leben bei der Krankenpflege bewähren, wissen-
schaftlich ausbilden und in ärztlicher Praxis verwerthen. Sollte das nämliche
nicht auch mit dem außerordentlichen Sprachtalent, mit dem feinen Verständniß
für das Pflanzenleben und mit ähnlichen Begabungen, die sich oft bei Frauen in
so hohem Grad ausgeprägt finden, möglich sein?

Damit haben wir bereits dem Einwurf entgegnet den man am häufigsten
gegen das weibliche Studium erhebt, indem man den Frauen, oft mit großem
Selbstbewußtsein, die Befähigung zu höherer geistiger Arbeit abspricht. Daß
dieß zum mindesten nicht für alle Gebiete wahr ist, beweist schon die Geschichte
und die Literatur. Für andere Gebiete aber läßt sich ein Urtheil überhaupt noch
nicht abgeben; denn Anlagen und Organe können sich nur durch Uebung ent-
wickeln, und diese war ja bisher den Frauen im allgemeinen gar nicht ermöglicht.
Außerdem ist bekannt daß die Wissenschaft von jeher auch unter den Männern
Capacitäten jeglichen Grades zu beschäftigen gewußt hat. Noch zwei andere Be-
denken seien berührt. Das eine sieht vom Standpunkte des Familienlebens aus
die Eigenschaften der Hausfrau, das andere vom ästhetischen Standpunkt aus das
"Ewig-Weibliche" durch das Universitätsstudium gefährdet. Ganz abgesehen von
der Richtigkeit dieser Befürchtungen sind darin egoistische Forderungen enthalten,
welche bei einer wissenschaftlichen Behandlung dieser Frage gar nicht in Betracht
kommen dürfen. Solche Ansprüche kann jeder an seine Dame, keiner aber an die
Frauen im allgemeinen stellen. Er müßte ihnen denn auch die Gelegenheit ver-
schaffen durch ihre Erfüllung glücklich zu werden. Die Frau welche hoffen kann
im Familienleben eine sichere Existenz, einen schönen Wirkungskreis und ihre gei-
stige Befriedigung zu finden, wird schwerlich die rauhere Bahn des wissenschaft-
lichen Studiums betreten. Wo sie aber, durch die Verhältnisse dieser Aussicht
beraubt, genöthigt ist ihr Loos von der Gunst des Zufalls unabhängig zu machen,
erwacht bei höher begabten Naturen das Bedürfniß nach mehrseitiger Ausbildung
und beruflicher Vorbereitung, dem, was es auch für praktische und ästhetische Con-
sequenzen haben möchte, niemand die Berechtigung wird absprechen können.

So viel zur Beantwortung der principiellen Frage über die Zulassung der
Damen zum Universitätsstudium, die übrigens ja factisch bereits gelöst ist. Weit
wichtiger aber erscheint für uns die folgende: inwiefern das Wohl der Hochschule
bei dieser Entscheidung in Frage komme. Zu einer Zeit wo eine kleine Univer-
sität überhaupt alle Kräfte aufzubieten hat um sich einen würdigen Fortbestand
zu sichern, zu einer Zeit ferner wo jede Gelegenheit zu Angriffen gegen die Zür-
cherische Hochschule mit Eifer gesucht und mit Freuden benutzt wird, muß man sich
doppelt vor allen Gefahren hüten die ihr Gedeihen beeinträchtigen könnten. Daß
aber solche durch die Theilnahme der Damen am akademischen Leben entstehen
können, hat die Erfahrung gezeigt. Eingehend wurden dieselben in der letzten
Versammlung der Züricher Studentenschaft besprochen, deren Ansichten hierüber
um so mehr Beachtung verdienen, als diese im Falle war die unmittelbarsten
Beobachtungen zu machen. Das Ergebniß läßt sich in zwei Hauptpunkte zusam-
menfassen.

Einerseits wurde hervorgehoben daß die Wissenschaftlichkeit des akademi-
schen Unterrichts durch die oft mangelnde Vorbereitung der Damen gefährdet wer-
den könnte. Daß es höchlich im eigenen Interesse jedes Zuhörers liegt mit mög-
lichst gründlicher Vorbereitung die Collegien zu besuchen, ist selbstverständlich. Ob
aber der freie akademische Vortrag von dem mangelnden Verständniß eines Thei-
les der Zuhörer beeinflußt werde, ist eine Frage die wir zwar competenten An-
sichten gegenüber keineswegs verneinen wollen, doch glauben wir daß in dieser
Hinsicht die Befürchtungen zu weit gehen. Seit es Universitäten gibt, hat wohl
auch eine hübsche Procentzahl von Studenten, welche trotz bestandener Examina
thatsächlich unvorbereitet waren, auf den Bänken gesessen, ohne auf den Charak-
ter des Unterrichts eine schädliche Rückwirkung auszuüben. Für eine Fachschule,
deren Organisation erfordert daß alle einzelnen Glieder gleichmäßig vorwärts
schreiten um in der genau eingetheilten Zeit das vorgesteckte Ziel erreichen zu kön-
nen, ist es durchaus nothwendig auch eine gleichmäßige Vorbereitung von allen
Schülern zu verlangen. Eine Universität nach deutschem Muster aber, deren
höchster Vorzug es ist daß innerhalb gewisser Schranken jeder Einzelne den freie-
sten, seiner Individualität angemessensten Gang gehen kann, mag es ohne Nach-
theil ertragen daß in ihren Hörsälen der Born der Wissenschaft an einigen Köpfen
wirkungslos vorübersprudle. Ueberdieß ist jeder Professor berechtigt den Zutritt
zu Uebungen, für welche natürlich ein bestimmtes Maß von Vorkenntnissen un-
bedingt erforderlich ist, an besondere Bedingungen zu knüpfen.

Der zweite Hauptpunkt der aus der Discussion der Studentenversammlung
[Spaltenumbruch] sich ergibt, ist der Hinweis auf die Gefahr welche der Universität in disciplinari-
scher Hinsicht durch die Theilnahme der Damen drohe. Hierin sind die Befürch-
tungen von der Erfahrung bestätigt, und wie sehr man in solchen Dingen schon auf
den Schein zu achten hat, geht aus den Uebertreibungen hervor welche bei jüngster
Gelegenheit durch einen Theil der Presse die Runde machten. In der That sind
die Begriffe über die Emancipation der Frauen bei letztern selbst noch sehr verschieden,
und es möchten darüber um so extremere Auffassungen sich geltend machen, je mehr
die Zahl der weiblichen Studierenden zunimmt. Aus den bisherigen Erfahrungen
zu schließen, könnten unter diesen Auffassungen auch solche sich finden die allerdings
den Ernst und die Würde des wissenschaftlichen Studiums beeinträchtigen müßten.
Damit vertragen sich aber weder die Anschauungen des Schweizer Volkes noch der
Ruf und die Achtung deren sich die Züricher Hochschule stets zu erfreuen hatte,
noch auch die Würde der studierenden Damen selbst.

Die Mehrheit der Züricherischen Studentenversammlung hielt für das beste
Mittel den zu Tage getretenen Uebelständen vorzubeugen: die Forderung der Ma-
turitätsprüfung. Der "Z. Ztg." will jedoch diese Maßregel auf der einen Seite
weiter, auf der andern nicht so weit zu gehen scheinen als es der gegenwärtige
Standpunkt der ganzen Frage wünschbar macht. Zu weit -- denn wenn der
Staat den Damen den Zutritt zur Universität unter gleichen Bedingungen gestattet
wie den Herren, und ihnen nach deren Erfüllung die gleiche Stellung ertheilt, so
erklärt er sie principiell als gleichberechtigt zur Theilnahme am wissenschaftlichen
Studium. Damit müßte er aber consequenterweise seinen Bürgerinnen gegenüber
die Verpflichtung auf sich nehmen ihnen auch die nämliche Gelegenheit zu der ge-
forderten Vorbereitung zu bieten. Letzteres wäre aber vorläufig noch ein verfrüh-
ter Schritt, und die Errichtung von Mädchengymnasien ist jedenfalls noch keine
Nothwendigkeit. Theils kämen also die Inländerinnen in Nachtheil gegenüber den
nach Zürich kommenden Angehörigen solcher Länder die bereits höhere weibliche
Bildungsanstalten besitzen; theils würde im Organismus des schweizerischen Un-
terrichtswesens eine Lücke geschaffen, deren Ausfüllung eben der Privatunterricht
übernehmen müßte. Der Staat kann aber doch bei keiner seiner Einrichtungen
den Privatunterricht voraussetzen, vor allem nicht in diesem Umfang, wo derselbe
ökonomische Mittel erfordert welche die Kräfte einer Mehrheit der Bürger weit
übersteigen.

Daraus wird klar weßhalb dieses Mittel zu gleicher Zeit auch nicht weit
genug geht um die angedeuteten Gefahren wirklich abzuwenden. Die Maturitäts-
prüfung gibt eine Garantie für bessere Vorbereitung sowohl in wissenschaftlicher
als auch in disciplinarischer Hinsicht nur in dem Falle wo sie der Schlußstein des
methodischen Unterrichtes einer öffentlichen Schule ist. Wo aber die erforderliche
Summe von Kenntnissen in Privatstunden zusammengetragen werden muß, hat die
Maturitätsprüfung nur Werth bei denjenigen welche ein sachliches Interesse besitzen
(von diesen ist aber überhaupt nichts zu befürchten). Allen andern erscheint das
Reifezeugniß als bloße Eintrittskarte zur Universität, die Präparation als eine
unbequeme Formalität, deren man sich mit möglichster Schnelligkeit zu entledigen
hat; wie es alsdann mit der wissenschaftlichen Vorbereitung, auch wenn sie dem
Buchstaben des Reglements entspricht, innerlich bestellt ist, kann jede Prüfungs-
commission an denjenigen Studenten erläutern welche behufs Zulassung zu späte-
ren Examina ihre noch nachträglich mit Dampfkraft erworbene Reife zu demonstri-
ren haben. Noch weniger leistet eine solche Maturitätsprüfung mit Bezug auf den
zweiten Punkt. Die Kunst des Schulbesuches, welche sich der Student während
seiner Gymnasialjahre zu eigen gemacht hat und an der Hochschule in freier Weise
bethätigt, lernt sich nicht in Privatstunden, und der Tact, dessen Mangel in unse-
rem Falle die Quelle alles Uebels ist, kann nicht theoretisch ausgebildet werden.
Die Entwicklung jenes Gefühls inwieweit die Einzelnen untereinander, und gegen
das Ganze freiwillig gewisse Rücksichten zu beobachten haben, ist eben einer der
hohen sittlichen Vorzüge des öffentlichen Unterrichts. Somit wird, wenn vielleicht
einst das weibliche Universitätsstudium wie das der Herren auf höhere Vorberei-
tungsschulen sich stützt, die Maturitätsprüfung selbstverständlich auch bei Frauen
als nothwendige und treffliche Maßregel sich bewähren; wir glauben aber daß, so
wie die Sachen jetzt stehen, diese Forderung weder berechtigt noch zweckmäßig sei.

Auf folgende Art nun scheint dagegen der "Z. Ztg." die Stellung der Da-
men an der Universität in einer Weise bestimmt werden zu können, welche sowohl
dem Gedeihen der Hochschule als auch dem gegenwärtigen Standpunkt einer noch
tief in der Entwicklung begriffenen Frage am angemessensten ist: man gewähre
den Damen freie Zulassung zur Hochschule, aber in dem Charakter von Hospitan-
tinnen und ohne ihnen durch Immatriculation das volle akademische Bürgerrecht
zu ertheilen. Von gewöhnlichen Zuhörern würden sich die Damen dadurch unter-
scheiden daß ihnen nicht nur Zutritt zu einzelnen Vorlesungen, sondern freie Wahl
ihrer Collegien und Benutzung aller der Hochschule zustehenden Mittel gestattet
wäre. Der Unterschied ihrer Stellung von derjenigen der immatriculirten Stu-
denten bestände darin daß sich das Studium der Damen nicht auf ein Recht, son-
dern auf eine Erlaubniß gründen würde. Aus dieser Einrichtung, wenn sie auch
zunächst rein formeller Art zu sein scheint, ergeben sich wichtige Vortheile.

Einmal ist damit der akademische Unterricht weit weniger der Gefahr aus-
gesetzt seinen Charakter unmerklich zu verändern, denn er wird, da er auch bei einer
allfälligen Mehrheit von "Hospitantinnen" in erster Linie für "Studenten" da ist,
sich weniger mehr durch pädagogische Rücksichten bestimmen lassen den Maßstab
der Wissenschaftlichkeit aus der Hand zu legen. Nach der andern Seite aber ge-
winnt man daß die Stellung der Damen dadurch eine zwar anspruchslosere, aber
zugleich auch feinere, weiblichere, den gegenwärtigen Anschauungen noch mehr ent-
sprechende wird. Das akademische Bürgerrecht hat für Damen keine Bedeutung,
und der Verzicht darauf bringt sie um keinen Vortheil. Die Hochschule aber wird
vor der Gefahr gesichert daß dasselbe von Einzelnen in einer Weise interpretirt
werde welche denn doch vorläufig selbst von warmen Emancipationsfreunden nicht
gebilligt werden dürfte. Indem ferner der Senat und der Rector, in jedem einzel-
nen Falle wo es das Wohl der Universität erfordert, einfach die "Erlaubniß" zum
Besuch aller oder gewisser Vorlesungen entziehen kann, behält er die Macht in der
Hand den bei neuen Erscheinungen stets auftauchenden Schwierigkeiten rasch und
in einer Weise zu begegnen welche das Gefühl weit weniger verletzt, als wenn
man die für die Studenten geltenden Statuten auf Damen anwenden müßte.

So scheint uns -- schließt die "N. Z. Ztg." -- durch diese Auffassung des
weiblichen Universitätsstudiums das Interesse der Hochschule wie dasjenige der
Frauen in gleicher Weise gewahrt zu werden. Zudem gewinnen wir Zeit Erfah-
rungen und Beobachtungen zu sammeln, die als schätzbares Material Verwendung
finden werden, wenn sich früher oder später in unserm Staate das Bedürfniß nach
organischem Ausbau des höheren weiblichen Unterrichts geltend machen sollte. Un-
sere Hochschule wird dadurch, ohne selbst Schaden zu leiden, an der Entwicklung
und Lösung einer Frage mitarbeiten, welche mit den tiefsten und schwierigsten
Problemen des modernen Lebens zusammenhängt.



Die „Studentinnen“ auf der Züricher Hochſchule.

* Die Zahl ſtudierender Damen auf der Hochſchule zu Zürich hat ſich in
dieſem Semeſter ſo geſteigert, daß dort bereits ein Zehntheil der geſammten im-
matriculirten Zuhörerſchaft „Studentinnen“ ſind. Allem Anſchein nach wird
ſich dieſes Verhältniß in der Folge noch beträchtlich ſteigern, was die „N. Züri-
cher Zeitung“ veranlaßt, die dadurch hervorgerufene Principienfrage, welche für
das Gedeihen der ſchweizeriſchen Univerſität von großer Bedeutung werden könne,
näher zu erörtern.

Ueber das Princip der Zulaſſung von Frauen zur Univerfität — ſchreibt
das genannte Blatt — können wir uns kurz faſſen. So bald ſich ein wirkliches
Bedürfniß darnach geltend macht den Frauen auch das Feld der wiſſenſchaftlichen
Arbeit zu eröffnen, wird eine ſchweizeriſche Hochſchule die letzte ſein die einer ſol-
chen ſocialen Entwicklung ohne triftige Gründe entgegentritt. Ob das Streben
der Frauen nach Theilnahme an der höhern Bildung, das in der Gegenwart
überall ſo lebhaft ſich regt, Ausfluß einer tiefer begründeten Forderung der mo-
dernen Cultur ſei (man denke an die weibliche Erziehung in der italieniſchen Cul-
tur der Renaiſſance), iſt eine Frage die man noch nicht wird entſcheiden können,
deren Löſung man daher auch nicht durch hemmende Beſtimmungen vorgreifen
darf. Soviel iſt jetzt ſchon ſicher daß die wiſſenſchaftliche Bethätigung der Frauen
von guten und erfreulichen Ergebniſſen begleitet ſein kann. In ſubjectivem
Sinne wird ſie eine wohlthuende Wirkung auf das intellectuelle Leben der ge-
ſammten Frauenwelt ausüben. Sie wird den brachliegenden geiſtigen Kräften
Stoff und Richtung geben und ſie dadurch vor gefährlichen Irrwegen bewahren.
Unglücklichen durch Schickſale früh erſchütterten Exiſtenzen kann ſie neue Kraft
und Lebensluſt verleihen. Sobald wir überhaupt die Wiſſenſchaft als Gut be-
trachten (und wir preiſen ſie ja offen als höchſtes), hört für uns das Recht auf
die Frauen von ſeinem Beſitz auszuſchließen. Was die objectiven Ergebniſſe an-
betrifft, ſo wird die weibliche Arbeit im Gebiete der Wiſſenſchaft ohne Zweifel
ihre ganz eigenartig werthvollen Dienſte leiſten, welche ſchon durch die anders be-
ſchaffene Subjectivität des Arbeiters intereſſant und werthvoll ſind. Von ver-
ſchiedenen weiblichen Anlagen hat die Erfahrung bewieſen daß ſie in den weiten
Räumen der Wiſſenſchaft mit großem Glücke verwerthet werden können. Wie
erfolgreich läßt ſich z. B. die Ausdauer, die Beobachtungsgabe und Sorgfalt
welche die Frauen im täglichen Leben bei der Krankenpflege bewähren, wiſſen-
ſchaftlich ausbilden und in ärztlicher Praxis verwerthen. Sollte das nämliche
nicht auch mit dem außerordentlichen Sprachtalent, mit dem feinen Verſtändniß
für das Pflanzenleben und mit ähnlichen Begabungen, die ſich oft bei Frauen in
ſo hohem Grad ausgeprägt finden, möglich ſein?

Damit haben wir bereits dem Einwurf entgegnet den man am häufigſten
gegen das weibliche Studium erhebt, indem man den Frauen, oft mit großem
Selbſtbewußtſein, die Befähigung zu höherer geiſtiger Arbeit abſpricht. Daß
dieß zum mindeſten nicht für alle Gebiete wahr iſt, beweist ſchon die Geſchichte
und die Literatur. Für andere Gebiete aber läßt ſich ein Urtheil überhaupt noch
nicht abgeben; denn Anlagen und Organe können ſich nur durch Uebung ent-
wickeln, und dieſe war ja bisher den Frauen im allgemeinen gar nicht ermöglicht.
Außerdem iſt bekannt daß die Wiſſenſchaft von jeher auch unter den Männern
Capacitäten jeglichen Grades zu beſchäftigen gewußt hat. Noch zwei andere Be-
denken ſeien berührt. Das eine ſieht vom Standpunkte des Familienlebens aus
die Eigenſchaften der Hausfrau, das andere vom äſthetiſchen Standpunkt aus das
„Ewig-Weibliche“ durch das Univerſitätsſtudium gefährdet. Ganz abgeſehen von
der Richtigkeit dieſer Befürchtungen ſind darin egoiſtiſche Forderungen enthalten,
welche bei einer wiſſenſchaftlichen Behandlung dieſer Frage gar nicht in Betracht
kommen dürfen. Solche Anſprüche kann jeder an ſeine Dame, keiner aber an die
Frauen im allgemeinen ſtellen. Er müßte ihnen denn auch die Gelegenheit ver-
ſchaffen durch ihre Erfüllung glücklich zu werden. Die Frau welche hoffen kann
im Familienleben eine ſichere Exiſtenz, einen ſchönen Wirkungskreis und ihre gei-
ſtige Befriedigung zu finden, wird ſchwerlich die rauhere Bahn des wiſſenſchaft-
lichen Studiums betreten. Wo ſie aber, durch die Verhältniſſe dieſer Ausſicht
beraubt, genöthigt iſt ihr Loos von der Gunſt des Zufalls unabhängig zu machen,
erwacht bei höher begabten Naturen das Bedürfniß nach mehrſeitiger Ausbildung
und beruflicher Vorbereitung, dem, was es auch für praktiſche und äſthetiſche Con-
ſequenzen haben möchte, niemand die Berechtigung wird abſprechen können.

So viel zur Beantwortung der principiellen Frage über die Zulaſſung der
Damen zum Univerſitätsſtudium, die übrigens ja factiſch bereits gelöst iſt. Weit
wichtiger aber erſcheint für uns die folgende: inwiefern das Wohl der Hochſchule
bei dieſer Entſcheidung in Frage komme. Zu einer Zeit wo eine kleine Univer-
ſität überhaupt alle Kräfte aufzubieten hat um ſich einen würdigen Fortbeſtand
zu ſichern, zu einer Zeit ferner wo jede Gelegenheit zu Angriffen gegen die Zür-
cheriſche Hochſchule mit Eifer geſucht und mit Freuden benutzt wird, muß man ſich
doppelt vor allen Gefahren hüten die ihr Gedeihen beeinträchtigen könnten. Daß
aber ſolche durch die Theilnahme der Damen am akademiſchen Leben entſtehen
können, hat die Erfahrung gezeigt. Eingehend wurden dieſelben in der letzten
Verſammlung der Züricher Studentenſchaft beſprochen, deren Anſichten hierüber
um ſo mehr Beachtung verdienen, als dieſe im Falle war die unmittelbarſten
Beobachtungen zu machen. Das Ergebniß läßt ſich in zwei Hauptpunkte zuſam-
menfaſſen.

Einerſeits wurde hervorgehoben daß die Wiſſenſchaftlichkeit des akademi-
ſchen Unterrichts durch die oft mangelnde Vorbereitung der Damen gefährdet wer-
den könnte. Daß es höchlich im eigenen Intereſſe jedes Zuhörers liegt mit mög-
lichſt gründlicher Vorbereitung die Collegien zu beſuchen, iſt ſelbſtverſtändlich. Ob
aber der freie akademiſche Vortrag von dem mangelnden Verſtändniß eines Thei-
les der Zuhörer beeinflußt werde, iſt eine Frage die wir zwar competenten An-
ſichten gegenüber keineswegs verneinen wollen, doch glauben wir daß in dieſer
Hinſicht die Befürchtungen zu weit gehen. Seit es Univerſitäten gibt, hat wohl
auch eine hübſche Procentzahl von Studenten, welche trotz beſtandener Examina
thatſächlich unvorbereitet waren, auf den Bänken geſeſſen, ohne auf den Charak-
ter des Unterrichts eine ſchädliche Rückwirkung auszuüben. Für eine Fachſchule,
deren Organiſation erfordert daß alle einzelnen Glieder gleichmäßig vorwärts
ſchreiten um in der genau eingetheilten Zeit das vorgeſteckte Ziel erreichen zu kön-
nen, iſt es durchaus nothwendig auch eine gleichmäßige Vorbereitung von allen
Schülern zu verlangen. Eine Univerſität nach deutſchem Muſter aber, deren
höchſter Vorzug es iſt daß innerhalb gewiſſer Schranken jeder Einzelne den freie-
ſten, ſeiner Individualität angemeſſenſten Gang gehen kann, mag es ohne Nach-
theil ertragen daß in ihren Hörſälen der Born der Wiſſenſchaft an einigen Köpfen
wirkungslos vorüberſprudle. Ueberdieß iſt jeder Profeſſor berechtigt den Zutritt
zu Uebungen, für welche natürlich ein beſtimmtes Maß von Vorkenntniſſen un-
bedingt erforderlich iſt, an beſondere Bedingungen zu knüpfen.

Der zweite Hauptpunkt der aus der Discuſſion der Studentenverſammlung
[Spaltenumbruch] ſich ergibt, iſt der Hinweis auf die Gefahr welche der Univerſität in diſciplinari-
ſcher Hinſicht durch die Theilnahme der Damen drohe. Hierin ſind die Befürch-
tungen von der Erfahrung beſtätigt, und wie ſehr man in ſolchen Dingen ſchon auf
den Schein zu achten hat, geht aus den Uebertreibungen hervor welche bei jüngſter
Gelegenheit durch einen Theil der Preſſe die Runde machten. In der That ſind
die Begriffe über die Emancipation der Frauen bei letztern ſelbſt noch ſehr verſchieden,
und es möchten darüber um ſo extremere Auffaſſungen ſich geltend machen, je mehr
die Zahl der weiblichen Studierenden zunimmt. Aus den bisherigen Erfahrungen
zu ſchließen, könnten unter dieſen Auffaſſungen auch ſolche ſich finden die allerdings
den Ernſt und die Würde des wiſſenſchaftlichen Studiums beeinträchtigen müßten.
Damit vertragen ſich aber weder die Anſchauungen des Schweizer Volkes noch der
Ruf und die Achtung deren ſich die Züricher Hochſchule ſtets zu erfreuen hatte,
noch auch die Würde der ſtudierenden Damen ſelbſt.

Die Mehrheit der Züricheriſchen Studentenverſammlung hielt für das beſte
Mittel den zu Tage getretenen Uebelſtänden vorzubeugen: die Forderung der Ma-
turitätsprüfung. Der „Z. Ztg.“ will jedoch dieſe Maßregel auf der einen Seite
weiter, auf der andern nicht ſo weit zu gehen ſcheinen als es der gegenwärtige
Standpunkt der ganzen Frage wünſchbar macht. Zu weit — denn wenn der
Staat den Damen den Zutritt zur Univerſität unter gleichen Bedingungen geſtattet
wie den Herren, und ihnen nach deren Erfüllung die gleiche Stellung ertheilt, ſo
erklärt er ſie principiell als gleichberechtigt zur Theilnahme am wiſſenſchaftlichen
Studium. Damit müßte er aber conſequenterweiſe ſeinen Bürgerinnen gegenüber
die Verpflichtung auf ſich nehmen ihnen auch die nämliche Gelegenheit zu der ge-
forderten Vorbereitung zu bieten. Letzteres wäre aber vorläufig noch ein verfrüh-
ter Schritt, und die Errichtung von Mädchengymnaſien iſt jedenfalls noch keine
Nothwendigkeit. Theils kämen alſo die Inländerinnen in Nachtheil gegenüber den
nach Zürich kommenden Angehörigen ſolcher Länder die bereits höhere weibliche
Bildungsanſtalten beſitzen; theils würde im Organismus des ſchweizeriſchen Un-
terrichtsweſens eine Lücke geſchaffen, deren Ausfüllung eben der Privatunterricht
übernehmen müßte. Der Staat kann aber doch bei keiner ſeiner Einrichtungen
den Privatunterricht vorausſetzen, vor allem nicht in dieſem Umfang, wo derſelbe
ökonomiſche Mittel erfordert welche die Kräfte einer Mehrheit der Bürger weit
überſteigen.

Daraus wird klar weßhalb dieſes Mittel zu gleicher Zeit auch nicht weit
genug geht um die angedeuteten Gefahren wirklich abzuwenden. Die Maturitäts-
prüfung gibt eine Garantie für beſſere Vorbereitung ſowohl in wiſſenſchaftlicher
als auch in diſciplinariſcher Hinſicht nur in dem Falle wo ſie der Schlußſtein des
methodiſchen Unterrichtes einer öffentlichen Schule iſt. Wo aber die erforderliche
Summe von Kenntniſſen in Privatſtunden zuſammengetragen werden muß, hat die
Maturitätsprüfung nur Werth bei denjenigen welche ein ſachliches Intereſſe beſitzen
(von dieſen iſt aber überhaupt nichts zu befürchten). Allen andern erſcheint das
Reifezeugniß als bloße Eintrittskarte zur Univerſität, die Präparation als eine
unbequeme Formalität, deren man ſich mit möglichſter Schnelligkeit zu entledigen
hat; wie es alsdann mit der wiſſenſchaftlichen Vorbereitung, auch wenn ſie dem
Buchſtaben des Reglements entſpricht, innerlich beſtellt iſt, kann jede Prüfungs-
commiſſion an denjenigen Studenten erläutern welche behufs Zulaſſung zu ſpäte-
ren Examina ihre noch nachträglich mit Dampfkraft erworbene Reife zu demonſtri-
ren haben. Noch weniger leiſtet eine ſolche Maturitätsprüfung mit Bezug auf den
zweiten Punkt. Die Kunſt des Schulbeſuches, welche ſich der Student während
ſeiner Gymnaſialjahre zu eigen gemacht hat und an der Hochſchule in freier Weiſe
bethätigt, lernt ſich nicht in Privatſtunden, und der Tact, deſſen Mangel in unſe-
rem Falle die Quelle alles Uebels iſt, kann nicht theoretiſch ausgebildet werden.
Die Entwicklung jenes Gefühls inwieweit die Einzelnen untereinander, und gegen
das Ganze freiwillig gewiſſe Rückſichten zu beobachten haben, iſt eben einer der
hohen ſittlichen Vorzüge des öffentlichen Unterrichts. Somit wird, wenn vielleicht
einſt das weibliche Univerſitätsſtudium wie das der Herren auf höhere Vorberei-
tungsſchulen ſich ſtützt, die Maturitätsprüfung ſelbſtverſtändlich auch bei Frauen
als nothwendige und treffliche Maßregel ſich bewähren; wir glauben aber daß, ſo
wie die Sachen jetzt ſtehen, dieſe Forderung weder berechtigt noch zweckmäßig ſei.

Auf folgende Art nun ſcheint dagegen der „Z. Ztg.“ die Stellung der Da-
men an der Univerſität in einer Weiſe beſtimmt werden zu können, welche ſowohl
dem Gedeihen der Hochſchule als auch dem gegenwärtigen Standpunkt einer noch
tief in der Entwicklung begriffenen Frage am angemeſſenſten iſt: man gewähre
den Damen freie Zulaſſung zur Hochſchule, aber in dem Charakter von Hoſpitan-
tinnen und ohne ihnen durch Immatriculation das volle akademiſche Bürgerrecht
zu ertheilen. Von gewöhnlichen Zuhörern würden ſich die Damen dadurch unter-
ſcheiden daß ihnen nicht nur Zutritt zu einzelnen Vorleſungen, ſondern freie Wahl
ihrer Collegien und Benutzung aller der Hochſchule zuſtehenden Mittel geſtattet
wäre. Der Unterſchied ihrer Stellung von derjenigen der immatriculirten Stu-
denten beſtände darin daß ſich das Studium der Damen nicht auf ein Recht, ſon-
dern auf eine Erlaubniß gründen würde. Aus dieſer Einrichtung, wenn ſie auch
zunächſt rein formeller Art zu ſein ſcheint, ergeben ſich wichtige Vortheile.

Einmal iſt damit der akademiſche Unterricht weit weniger der Gefahr aus-
geſetzt ſeinen Charakter unmerklich zu verändern, denn er wird, da er auch bei einer
allfälligen Mehrheit von „Hoſpitantinnen“ in erſter Linie für „Studenten“ da iſt,
ſich weniger mehr durch pädagogiſche Rückſichten beſtimmen laſſen den Maßſtab
der Wiſſenſchaftlichkeit aus der Hand zu legen. Nach der andern Seite aber ge-
winnt man daß die Stellung der Damen dadurch eine zwar anſpruchsloſere, aber
zugleich auch feinere, weiblichere, den gegenwärtigen Anſchauungen noch mehr ent-
ſprechende wird. Das akademiſche Bürgerrecht hat für Damen keine Bedeutung,
und der Verzicht darauf bringt ſie um keinen Vortheil. Die Hochſchule aber wird
vor der Gefahr geſichert daß dasſelbe von Einzelnen in einer Weiſe interpretirt
werde welche denn doch vorläufig ſelbſt von warmen Emancipationsfreunden nicht
gebilligt werden dürfte. Indem ferner der Senat und der Rector, in jedem einzel-
nen Falle wo es das Wohl der Univerſität erfordert, einfach die „Erlaubniß“ zum
Beſuch aller oder gewiſſer Vorleſungen entziehen kann, behält er die Macht in der
Hand den bei neuen Erſcheinungen ſtets auftauchenden Schwierigkeiten raſch und
in einer Weiſe zu begegnen welche das Gefühl weit weniger verletzt, als wenn
man die für die Studenten geltenden Statuten auf Damen anwenden müßte.

So ſcheint uns — ſchließt die „N. Z. Ztg.“ — durch dieſe Auffaſſung des
weiblichen Univerſitätsſtudiums das Intereſſe der Hochſchule wie dasjenige der
Frauen in gleicher Weiſe gewahrt zu werden. Zudem gewinnen wir Zeit Erfah-
rungen und Beobachtungen zu ſammeln, die als ſchätzbares Material Verwendung
finden werden, wenn ſich früher oder ſpäter in unſerm Staate das Bedürfniß nach
organiſchem Ausbau des höheren weiblichen Unterrichts geltend machen ſollte. Un-
ſere Hochſchule wird dadurch, ohne ſelbſt Schaden zu leiden, an der Entwicklung
und Löſung einer Frage mitarbeiten, welche mit den tiefſten und ſchwierigſten
Problemen des modernen Lebens zuſammenhängt.



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[214/0006] Die „Studentinnen“ auf der Züricher Hochſchule. * Die Zahl ſtudierender Damen auf der Hochſchule zu Zürich hat ſich in dieſem Semeſter ſo geſteigert, daß dort bereits ein Zehntheil der geſammten im- matriculirten Zuhörerſchaft „Studentinnen“ ſind. Allem Anſchein nach wird ſich dieſes Verhältniß in der Folge noch beträchtlich ſteigern, was die „N. Züri- cher Zeitung“ veranlaßt, die dadurch hervorgerufene Principienfrage, welche für das Gedeihen der ſchweizeriſchen Univerſität von großer Bedeutung werden könne, näher zu erörtern. Ueber das Princip der Zulaſſung von Frauen zur Univerfität — ſchreibt das genannte Blatt — können wir uns kurz faſſen. So bald ſich ein wirkliches Bedürfniß darnach geltend macht den Frauen auch das Feld der wiſſenſchaftlichen Arbeit zu eröffnen, wird eine ſchweizeriſche Hochſchule die letzte ſein die einer ſol- chen ſocialen Entwicklung ohne triftige Gründe entgegentritt. Ob das Streben der Frauen nach Theilnahme an der höhern Bildung, das in der Gegenwart überall ſo lebhaft ſich regt, Ausfluß einer tiefer begründeten Forderung der mo- dernen Cultur ſei (man denke an die weibliche Erziehung in der italieniſchen Cul- tur der Renaiſſance), iſt eine Frage die man noch nicht wird entſcheiden können, deren Löſung man daher auch nicht durch hemmende Beſtimmungen vorgreifen darf. Soviel iſt jetzt ſchon ſicher daß die wiſſenſchaftliche Bethätigung der Frauen von guten und erfreulichen Ergebniſſen begleitet ſein kann. In ſubjectivem Sinne wird ſie eine wohlthuende Wirkung auf das intellectuelle Leben der ge- ſammten Frauenwelt ausüben. Sie wird den brachliegenden geiſtigen Kräften Stoff und Richtung geben und ſie dadurch vor gefährlichen Irrwegen bewahren. Unglücklichen durch Schickſale früh erſchütterten Exiſtenzen kann ſie neue Kraft und Lebensluſt verleihen. Sobald wir überhaupt die Wiſſenſchaft als Gut be- trachten (und wir preiſen ſie ja offen als höchſtes), hört für uns das Recht auf die Frauen von ſeinem Beſitz auszuſchließen. Was die objectiven Ergebniſſe an- betrifft, ſo wird die weibliche Arbeit im Gebiete der Wiſſenſchaft ohne Zweifel ihre ganz eigenartig werthvollen Dienſte leiſten, welche ſchon durch die anders be- ſchaffene Subjectivität des Arbeiters intereſſant und werthvoll ſind. Von ver- ſchiedenen weiblichen Anlagen hat die Erfahrung bewieſen daß ſie in den weiten Räumen der Wiſſenſchaft mit großem Glücke verwerthet werden können. Wie erfolgreich läßt ſich z. B. die Ausdauer, die Beobachtungsgabe und Sorgfalt welche die Frauen im täglichen Leben bei der Krankenpflege bewähren, wiſſen- ſchaftlich ausbilden und in ärztlicher Praxis verwerthen. Sollte das nämliche nicht auch mit dem außerordentlichen Sprachtalent, mit dem feinen Verſtändniß für das Pflanzenleben und mit ähnlichen Begabungen, die ſich oft bei Frauen in ſo hohem Grad ausgeprägt finden, möglich ſein? Damit haben wir bereits dem Einwurf entgegnet den man am häufigſten gegen das weibliche Studium erhebt, indem man den Frauen, oft mit großem Selbſtbewußtſein, die Befähigung zu höherer geiſtiger Arbeit abſpricht. Daß dieß zum mindeſten nicht für alle Gebiete wahr iſt, beweist ſchon die Geſchichte und die Literatur. Für andere Gebiete aber läßt ſich ein Urtheil überhaupt noch nicht abgeben; denn Anlagen und Organe können ſich nur durch Uebung ent- wickeln, und dieſe war ja bisher den Frauen im allgemeinen gar nicht ermöglicht. Außerdem iſt bekannt daß die Wiſſenſchaft von jeher auch unter den Männern Capacitäten jeglichen Grades zu beſchäftigen gewußt hat. Noch zwei andere Be- denken ſeien berührt. Das eine ſieht vom Standpunkte des Familienlebens aus die Eigenſchaften der Hausfrau, das andere vom äſthetiſchen Standpunkt aus das „Ewig-Weibliche“ durch das Univerſitätsſtudium gefährdet. Ganz abgeſehen von der Richtigkeit dieſer Befürchtungen ſind darin egoiſtiſche Forderungen enthalten, welche bei einer wiſſenſchaftlichen Behandlung dieſer Frage gar nicht in Betracht kommen dürfen. Solche Anſprüche kann jeder an ſeine Dame, keiner aber an die Frauen im allgemeinen ſtellen. Er müßte ihnen denn auch die Gelegenheit ver- ſchaffen durch ihre Erfüllung glücklich zu werden. Die Frau welche hoffen kann im Familienleben eine ſichere Exiſtenz, einen ſchönen Wirkungskreis und ihre gei- ſtige Befriedigung zu finden, wird ſchwerlich die rauhere Bahn des wiſſenſchaft- lichen Studiums betreten. Wo ſie aber, durch die Verhältniſſe dieſer Ausſicht beraubt, genöthigt iſt ihr Loos von der Gunſt des Zufalls unabhängig zu machen, erwacht bei höher begabten Naturen das Bedürfniß nach mehrſeitiger Ausbildung und beruflicher Vorbereitung, dem, was es auch für praktiſche und äſthetiſche Con- ſequenzen haben möchte, niemand die Berechtigung wird abſprechen können. So viel zur Beantwortung der principiellen Frage über die Zulaſſung der Damen zum Univerſitätsſtudium, die übrigens ja factiſch bereits gelöst iſt. Weit wichtiger aber erſcheint für uns die folgende: inwiefern das Wohl der Hochſchule bei dieſer Entſcheidung in Frage komme. Zu einer Zeit wo eine kleine Univer- ſität überhaupt alle Kräfte aufzubieten hat um ſich einen würdigen Fortbeſtand zu ſichern, zu einer Zeit ferner wo jede Gelegenheit zu Angriffen gegen die Zür- cheriſche Hochſchule mit Eifer geſucht und mit Freuden benutzt wird, muß man ſich doppelt vor allen Gefahren hüten die ihr Gedeihen beeinträchtigen könnten. Daß aber ſolche durch die Theilnahme der Damen am akademiſchen Leben entſtehen können, hat die Erfahrung gezeigt. Eingehend wurden dieſelben in der letzten Verſammlung der Züricher Studentenſchaft beſprochen, deren Anſichten hierüber um ſo mehr Beachtung verdienen, als dieſe im Falle war die unmittelbarſten Beobachtungen zu machen. Das Ergebniß läßt ſich in zwei Hauptpunkte zuſam- menfaſſen. Einerſeits wurde hervorgehoben daß die Wiſſenſchaftlichkeit des akademi- ſchen Unterrichts durch die oft mangelnde Vorbereitung der Damen gefährdet wer- den könnte. Daß es höchlich im eigenen Intereſſe jedes Zuhörers liegt mit mög- lichſt gründlicher Vorbereitung die Collegien zu beſuchen, iſt ſelbſtverſtändlich. Ob aber der freie akademiſche Vortrag von dem mangelnden Verſtändniß eines Thei- les der Zuhörer beeinflußt werde, iſt eine Frage die wir zwar competenten An- ſichten gegenüber keineswegs verneinen wollen, doch glauben wir daß in dieſer Hinſicht die Befürchtungen zu weit gehen. Seit es Univerſitäten gibt, hat wohl auch eine hübſche Procentzahl von Studenten, welche trotz beſtandener Examina thatſächlich unvorbereitet waren, auf den Bänken geſeſſen, ohne auf den Charak- ter des Unterrichts eine ſchädliche Rückwirkung auszuüben. Für eine Fachſchule, deren Organiſation erfordert daß alle einzelnen Glieder gleichmäßig vorwärts ſchreiten um in der genau eingetheilten Zeit das vorgeſteckte Ziel erreichen zu kön- nen, iſt es durchaus nothwendig auch eine gleichmäßige Vorbereitung von allen Schülern zu verlangen. Eine Univerſität nach deutſchem Muſter aber, deren höchſter Vorzug es iſt daß innerhalb gewiſſer Schranken jeder Einzelne den freie- ſten, ſeiner Individualität angemeſſenſten Gang gehen kann, mag es ohne Nach- theil ertragen daß in ihren Hörſälen der Born der Wiſſenſchaft an einigen Köpfen wirkungslos vorüberſprudle. Ueberdieß iſt jeder Profeſſor berechtigt den Zutritt zu Uebungen, für welche natürlich ein beſtimmtes Maß von Vorkenntniſſen un- bedingt erforderlich iſt, an beſondere Bedingungen zu knüpfen. Der zweite Hauptpunkt der aus der Discuſſion der Studentenverſammlung ſich ergibt, iſt der Hinweis auf die Gefahr welche der Univerſität in diſciplinari- ſcher Hinſicht durch die Theilnahme der Damen drohe. Hierin ſind die Befürch- tungen von der Erfahrung beſtätigt, und wie ſehr man in ſolchen Dingen ſchon auf den Schein zu achten hat, geht aus den Uebertreibungen hervor welche bei jüngſter Gelegenheit durch einen Theil der Preſſe die Runde machten. In der That ſind die Begriffe über die Emancipation der Frauen bei letztern ſelbſt noch ſehr verſchieden, und es möchten darüber um ſo extremere Auffaſſungen ſich geltend machen, je mehr die Zahl der weiblichen Studierenden zunimmt. Aus den bisherigen Erfahrungen zu ſchließen, könnten unter dieſen Auffaſſungen auch ſolche ſich finden die allerdings den Ernſt und die Würde des wiſſenſchaftlichen Studiums beeinträchtigen müßten. Damit vertragen ſich aber weder die Anſchauungen des Schweizer Volkes noch der Ruf und die Achtung deren ſich die Züricher Hochſchule ſtets zu erfreuen hatte, noch auch die Würde der ſtudierenden Damen ſelbſt. Die Mehrheit der Züricheriſchen Studentenverſammlung hielt für das beſte Mittel den zu Tage getretenen Uebelſtänden vorzubeugen: die Forderung der Ma- turitätsprüfung. Der „Z. Ztg.“ will jedoch dieſe Maßregel auf der einen Seite weiter, auf der andern nicht ſo weit zu gehen ſcheinen als es der gegenwärtige Standpunkt der ganzen Frage wünſchbar macht. Zu weit — denn wenn der Staat den Damen den Zutritt zur Univerſität unter gleichen Bedingungen geſtattet wie den Herren, und ihnen nach deren Erfüllung die gleiche Stellung ertheilt, ſo erklärt er ſie principiell als gleichberechtigt zur Theilnahme am wiſſenſchaftlichen Studium. Damit müßte er aber conſequenterweiſe ſeinen Bürgerinnen gegenüber die Verpflichtung auf ſich nehmen ihnen auch die nämliche Gelegenheit zu der ge- forderten Vorbereitung zu bieten. Letzteres wäre aber vorläufig noch ein verfrüh- ter Schritt, und die Errichtung von Mädchengymnaſien iſt jedenfalls noch keine Nothwendigkeit. Theils kämen alſo die Inländerinnen in Nachtheil gegenüber den nach Zürich kommenden Angehörigen ſolcher Länder die bereits höhere weibliche Bildungsanſtalten beſitzen; theils würde im Organismus des ſchweizeriſchen Un- terrichtsweſens eine Lücke geſchaffen, deren Ausfüllung eben der Privatunterricht übernehmen müßte. Der Staat kann aber doch bei keiner ſeiner Einrichtungen den Privatunterricht vorausſetzen, vor allem nicht in dieſem Umfang, wo derſelbe ökonomiſche Mittel erfordert welche die Kräfte einer Mehrheit der Bürger weit überſteigen. Daraus wird klar weßhalb dieſes Mittel zu gleicher Zeit auch nicht weit genug geht um die angedeuteten Gefahren wirklich abzuwenden. Die Maturitäts- prüfung gibt eine Garantie für beſſere Vorbereitung ſowohl in wiſſenſchaftlicher als auch in diſciplinariſcher Hinſicht nur in dem Falle wo ſie der Schlußſtein des methodiſchen Unterrichtes einer öffentlichen Schule iſt. Wo aber die erforderliche Summe von Kenntniſſen in Privatſtunden zuſammengetragen werden muß, hat die Maturitätsprüfung nur Werth bei denjenigen welche ein ſachliches Intereſſe beſitzen (von dieſen iſt aber überhaupt nichts zu befürchten). Allen andern erſcheint das Reifezeugniß als bloße Eintrittskarte zur Univerſität, die Präparation als eine unbequeme Formalität, deren man ſich mit möglichſter Schnelligkeit zu entledigen hat; wie es alsdann mit der wiſſenſchaftlichen Vorbereitung, auch wenn ſie dem Buchſtaben des Reglements entſpricht, innerlich beſtellt iſt, kann jede Prüfungs- commiſſion an denjenigen Studenten erläutern welche behufs Zulaſſung zu ſpäte- ren Examina ihre noch nachträglich mit Dampfkraft erworbene Reife zu demonſtri- ren haben. Noch weniger leiſtet eine ſolche Maturitätsprüfung mit Bezug auf den zweiten Punkt. Die Kunſt des Schulbeſuches, welche ſich der Student während ſeiner Gymnaſialjahre zu eigen gemacht hat und an der Hochſchule in freier Weiſe bethätigt, lernt ſich nicht in Privatſtunden, und der Tact, deſſen Mangel in unſe- rem Falle die Quelle alles Uebels iſt, kann nicht theoretiſch ausgebildet werden. Die Entwicklung jenes Gefühls inwieweit die Einzelnen untereinander, und gegen das Ganze freiwillig gewiſſe Rückſichten zu beobachten haben, iſt eben einer der hohen ſittlichen Vorzüge des öffentlichen Unterrichts. Somit wird, wenn vielleicht einſt das weibliche Univerſitätsſtudium wie das der Herren auf höhere Vorberei- tungsſchulen ſich ſtützt, die Maturitätsprüfung ſelbſtverſtändlich auch bei Frauen als nothwendige und treffliche Maßregel ſich bewähren; wir glauben aber daß, ſo wie die Sachen jetzt ſtehen, dieſe Forderung weder berechtigt noch zweckmäßig ſei. Auf folgende Art nun ſcheint dagegen der „Z. Ztg.“ die Stellung der Da- men an der Univerſität in einer Weiſe beſtimmt werden zu können, welche ſowohl dem Gedeihen der Hochſchule als auch dem gegenwärtigen Standpunkt einer noch tief in der Entwicklung begriffenen Frage am angemeſſenſten iſt: man gewähre den Damen freie Zulaſſung zur Hochſchule, aber in dem Charakter von Hoſpitan- tinnen und ohne ihnen durch Immatriculation das volle akademiſche Bürgerrecht zu ertheilen. Von gewöhnlichen Zuhörern würden ſich die Damen dadurch unter- ſcheiden daß ihnen nicht nur Zutritt zu einzelnen Vorleſungen, ſondern freie Wahl ihrer Collegien und Benutzung aller der Hochſchule zuſtehenden Mittel geſtattet wäre. Der Unterſchied ihrer Stellung von derjenigen der immatriculirten Stu- denten beſtände darin daß ſich das Studium der Damen nicht auf ein Recht, ſon- dern auf eine Erlaubniß gründen würde. Aus dieſer Einrichtung, wenn ſie auch zunächſt rein formeller Art zu ſein ſcheint, ergeben ſich wichtige Vortheile. Einmal iſt damit der akademiſche Unterricht weit weniger der Gefahr aus- geſetzt ſeinen Charakter unmerklich zu verändern, denn er wird, da er auch bei einer allfälligen Mehrheit von „Hoſpitantinnen“ in erſter Linie für „Studenten“ da iſt, ſich weniger mehr durch pädagogiſche Rückſichten beſtimmen laſſen den Maßſtab der Wiſſenſchaftlichkeit aus der Hand zu legen. Nach der andern Seite aber ge- winnt man daß die Stellung der Damen dadurch eine zwar anſpruchsloſere, aber zugleich auch feinere, weiblichere, den gegenwärtigen Anſchauungen noch mehr ent- ſprechende wird. Das akademiſche Bürgerrecht hat für Damen keine Bedeutung, und der Verzicht darauf bringt ſie um keinen Vortheil. Die Hochſchule aber wird vor der Gefahr geſichert daß dasſelbe von Einzelnen in einer Weiſe interpretirt werde welche denn doch vorläufig ſelbſt von warmen Emancipationsfreunden nicht gebilligt werden dürfte. Indem ferner der Senat und der Rector, in jedem einzel- nen Falle wo es das Wohl der Univerſität erfordert, einfach die „Erlaubniß“ zum Beſuch aller oder gewiſſer Vorleſungen entziehen kann, behält er die Macht in der Hand den bei neuen Erſcheinungen ſtets auftauchenden Schwierigkeiten raſch und in einer Weiſe zu begegnen welche das Gefühl weit weniger verletzt, als wenn man die für die Studenten geltenden Statuten auf Damen anwenden müßte. So ſcheint uns — ſchließt die „N. Z. Ztg.“ — durch dieſe Auffaſſung des weiblichen Univerſitätsſtudiums das Intereſſe der Hochſchule wie dasjenige der Frauen in gleicher Weiſe gewahrt zu werden. Zudem gewinnen wir Zeit Erfah- rungen und Beobachtungen zu ſammeln, die als ſchätzbares Material Verwendung finden werden, wenn ſich früher oder ſpäter in unſerm Staate das Bedürfniß nach organiſchem Ausbau des höheren weiblichen Unterrichts geltend machen ſollte. Un- ſere Hochſchule wird dadurch, ohne ſelbſt Schaden zu leiden, an der Entwicklung und Löſung einer Frage mitarbeiten, welche mit den tiefſten und ſchwierigſten Problemen des modernen Lebens zuſammenhängt.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1872, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine15_1872/6>, abgerufen am 31.10.2024.