Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1872.Die "Studentinnen" auf der Züricher Hochschule. * Die Zahl studierender Damen auf der Hochschule zu Zürich hat sich in Ueber das Princip der Zulassung von Frauen zur Univerfität -- schreibt Damit haben wir bereits dem Einwurf entgegnet den man am häufigsten So viel zur Beantwortung der principiellen Frage über die Zulassung der Einerseits wurde hervorgehoben daß die Wissenschaftlichkeit des akademi- Der zweite Hauptpunkt der aus der Discussion der Studentenversammlung Die Mehrheit der Züricherischen Studentenversammlung hielt für das beste Daraus wird klar weßhalb dieses Mittel zu gleicher Zeit auch nicht weit Auf folgende Art nun scheint dagegen der "Z. Ztg." die Stellung der Da- Einmal ist damit der akademische Unterricht weit weniger der Gefahr aus- So scheint uns -- schließt die "N. Z. Ztg." -- durch diese Auffassung des Die „Studentinnen“ auf der Züricher Hochſchule. * Die Zahl ſtudierender Damen auf der Hochſchule zu Zürich hat ſich in Ueber das Princip der Zulaſſung von Frauen zur Univerfität — ſchreibt Damit haben wir bereits dem Einwurf entgegnet den man am häufigſten So viel zur Beantwortung der principiellen Frage über die Zulaſſung der Einerſeits wurde hervorgehoben daß die Wiſſenſchaftlichkeit des akademi- Der zweite Hauptpunkt der aus der Discuſſion der Studentenverſammlung Die Mehrheit der Züricheriſchen Studentenverſammlung hielt für das beſte Daraus wird klar weßhalb dieſes Mittel zu gleicher Zeit auch nicht weit Auf folgende Art nun ſcheint dagegen der „Z. Ztg.“ die Stellung der Da- Einmal iſt damit der akademiſche Unterricht weit weniger der Gefahr aus- So ſcheint uns — ſchließt die „N. Z. Ztg.“ — durch dieſe Auffaſſung des <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <pb facs="#f0006" n="214"/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die „Studentinnen“ auf der Züricher Hochſchule.</hi> </head><lb/> <p>* Die Zahl ſtudierender Damen auf der Hochſchule zu Zürich hat ſich in<lb/> dieſem Semeſter ſo geſteigert, daß dort bereits ein Zehntheil der geſammten im-<lb/> matriculirten Zuhörerſchaft „Studentinnen“ ſind. Allem Anſchein nach wird<lb/> ſich dieſes Verhältniß in der Folge noch beträchtlich ſteigern, was die „N. Züri-<lb/> cher Zeitung“ veranlaßt, die dadurch hervorgerufene Principienfrage, welche für<lb/> das Gedeihen der ſchweizeriſchen Univerſität von großer Bedeutung werden könne,<lb/> näher zu erörtern.</p><lb/> <p>Ueber das Princip der Zulaſſung von Frauen zur Univerfität — ſchreibt<lb/> das genannte Blatt — können wir uns kurz faſſen. So bald ſich ein wirkliches<lb/> Bedürfniß darnach geltend macht den Frauen auch das Feld der wiſſenſchaftlichen<lb/> Arbeit zu eröffnen, wird eine ſchweizeriſche Hochſchule die letzte ſein die einer ſol-<lb/> chen ſocialen Entwicklung ohne triftige Gründe entgegentritt. Ob das Streben<lb/> der Frauen nach Theilnahme an der höhern Bildung, das in der Gegenwart<lb/> überall ſo lebhaft ſich regt, Ausfluß einer tiefer begründeten Forderung der mo-<lb/> dernen Cultur ſei (man denke an die weibliche Erziehung in der italieniſchen Cul-<lb/> tur der Renaiſſance), iſt eine Frage die man noch nicht wird entſcheiden können,<lb/> deren Löſung man daher auch nicht durch hemmende Beſtimmungen vorgreifen<lb/> darf. Soviel iſt jetzt ſchon ſicher daß die wiſſenſchaftliche Bethätigung der Frauen<lb/> von guten und erfreulichen Ergebniſſen begleitet ſein kann. In ſubjectivem<lb/> Sinne wird ſie eine wohlthuende Wirkung auf das intellectuelle Leben der ge-<lb/> ſammten Frauenwelt ausüben. Sie wird den brachliegenden geiſtigen Kräften<lb/> Stoff und Richtung geben und ſie dadurch vor gefährlichen Irrwegen bewahren.<lb/> Unglücklichen durch Schickſale früh erſchütterten Exiſtenzen kann ſie neue Kraft<lb/> und Lebensluſt verleihen. Sobald wir überhaupt die Wiſſenſchaft als Gut be-<lb/> trachten (und wir preiſen ſie ja offen als höchſtes), hört für uns das Recht auf<lb/> die Frauen von ſeinem Beſitz auszuſchließen. Was die objectiven Ergebniſſe an-<lb/> betrifft, ſo wird die weibliche Arbeit im Gebiete der Wiſſenſchaft ohne Zweifel<lb/> ihre ganz eigenartig werthvollen Dienſte leiſten, welche ſchon durch die anders be-<lb/> ſchaffene Subjectivität des Arbeiters intereſſant und werthvoll ſind. Von ver-<lb/> ſchiedenen weiblichen Anlagen hat die Erfahrung bewieſen daß ſie in den weiten<lb/> Räumen der Wiſſenſchaft mit großem Glücke verwerthet werden können. Wie<lb/> erfolgreich läßt ſich z. B. die Ausdauer, die Beobachtungsgabe und Sorgfalt<lb/> welche die Frauen im täglichen Leben bei der Krankenpflege bewähren, wiſſen-<lb/> ſchaftlich ausbilden und in ärztlicher Praxis verwerthen. Sollte das nämliche<lb/> nicht auch mit dem außerordentlichen Sprachtalent, mit dem feinen Verſtändniß<lb/> für das Pflanzenleben und mit ähnlichen Begabungen, die ſich oft bei Frauen in<lb/> ſo hohem Grad ausgeprägt finden, möglich ſein?</p><lb/> <p>Damit haben wir bereits dem Einwurf entgegnet den man am häufigſten<lb/> gegen das weibliche Studium erhebt, indem man den Frauen, oft mit großem<lb/> Selbſtbewußtſein, die Befähigung zu höherer geiſtiger Arbeit abſpricht. Daß<lb/> dieß zum mindeſten nicht für alle Gebiete wahr iſt, beweist ſchon die Geſchichte<lb/> und die Literatur. Für andere Gebiete aber läßt ſich ein Urtheil überhaupt noch<lb/> nicht abgeben; denn Anlagen und Organe können ſich nur durch Uebung ent-<lb/> wickeln, und dieſe war ja bisher den Frauen im allgemeinen gar nicht ermöglicht.<lb/> Außerdem iſt bekannt daß die Wiſſenſchaft von jeher auch unter den Männern<lb/> Capacitäten jeglichen Grades zu beſchäftigen gewußt hat. Noch zwei andere Be-<lb/> denken ſeien berührt. Das eine ſieht vom Standpunkte des Familienlebens aus<lb/> die Eigenſchaften der Hausfrau, das andere vom äſthetiſchen Standpunkt aus das<lb/> „Ewig-Weibliche“ durch das Univerſitätsſtudium gefährdet. Ganz abgeſehen von<lb/> der Richtigkeit dieſer Befürchtungen ſind darin egoiſtiſche Forderungen enthalten,<lb/> welche bei einer wiſſenſchaftlichen Behandlung dieſer Frage gar nicht in Betracht<lb/> kommen dürfen. Solche Anſprüche kann jeder an ſeine Dame, keiner aber an die<lb/> Frauen im allgemeinen ſtellen. Er müßte ihnen denn auch die Gelegenheit ver-<lb/> ſchaffen durch ihre Erfüllung glücklich zu werden. Die Frau welche hoffen kann<lb/> im Familienleben eine ſichere Exiſtenz, einen ſchönen Wirkungskreis und ihre gei-<lb/> ſtige Befriedigung zu finden, wird ſchwerlich die rauhere Bahn des wiſſenſchaft-<lb/> lichen Studiums betreten. Wo ſie aber, durch die Verhältniſſe dieſer Ausſicht<lb/> beraubt, genöthigt iſt ihr Loos von der Gunſt des Zufalls unabhängig zu machen,<lb/> erwacht bei höher begabten Naturen das Bedürfniß nach mehrſeitiger Ausbildung<lb/> und beruflicher Vorbereitung, dem, was es auch für praktiſche und äſthetiſche Con-<lb/> ſequenzen haben möchte, niemand die Berechtigung wird abſprechen können.</p><lb/> <p>So viel zur Beantwortung der principiellen Frage über die Zulaſſung der<lb/> Damen zum Univerſitätsſtudium, die übrigens ja factiſch bereits gelöst iſt. Weit<lb/> wichtiger aber erſcheint für uns die folgende: inwiefern das Wohl der Hochſchule<lb/> bei dieſer Entſcheidung in Frage komme. Zu einer Zeit wo eine kleine Univer-<lb/> ſität überhaupt alle Kräfte aufzubieten hat um ſich einen würdigen Fortbeſtand<lb/> zu ſichern, zu einer Zeit ferner wo jede Gelegenheit zu Angriffen gegen die Zür-<lb/> cheriſche Hochſchule mit Eifer geſucht und mit Freuden benutzt wird, muß man ſich<lb/> doppelt vor allen Gefahren hüten die ihr Gedeihen beeinträchtigen könnten. Daß<lb/> aber ſolche durch die Theilnahme der Damen am akademiſchen Leben entſtehen<lb/> können, hat die Erfahrung gezeigt. Eingehend wurden dieſelben in der letzten<lb/> Verſammlung der Züricher Studentenſchaft beſprochen, deren Anſichten hierüber<lb/> um ſo mehr Beachtung verdienen, als dieſe im Falle war die unmittelbarſten<lb/> Beobachtungen zu machen. Das Ergebniß läßt ſich in zwei Hauptpunkte zuſam-<lb/> menfaſſen.</p><lb/> <p>Einerſeits wurde hervorgehoben daß die Wiſſenſchaftlichkeit des akademi-<lb/> ſchen Unterrichts durch die oft mangelnde Vorbereitung der Damen gefährdet wer-<lb/> den könnte. Daß es höchlich im eigenen Intereſſe jedes Zuhörers liegt mit mög-<lb/> lichſt gründlicher Vorbereitung die Collegien zu beſuchen, iſt ſelbſtverſtändlich. Ob<lb/> aber der freie akademiſche Vortrag von dem mangelnden Verſtändniß eines Thei-<lb/> les der Zuhörer beeinflußt werde, iſt eine Frage die wir zwar competenten An-<lb/> ſichten gegenüber keineswegs verneinen wollen, doch glauben wir daß in dieſer<lb/> Hinſicht die Befürchtungen zu weit gehen. Seit es Univerſitäten gibt, hat wohl<lb/> auch eine hübſche Procentzahl von Studenten, welche trotz beſtandener Examina<lb/> thatſächlich unvorbereitet waren, auf den Bänken geſeſſen, ohne auf den Charak-<lb/> ter des Unterrichts eine ſchädliche Rückwirkung auszuüben. Für eine Fachſchule,<lb/> deren Organiſation erfordert daß alle einzelnen Glieder gleichmäßig vorwärts<lb/> ſchreiten um in der genau eingetheilten Zeit das vorgeſteckte Ziel erreichen zu kön-<lb/> nen, iſt es durchaus nothwendig auch eine gleichmäßige Vorbereitung von allen<lb/> Schülern zu verlangen. Eine Univerſität nach deutſchem Muſter aber, deren<lb/> höchſter Vorzug es iſt daß innerhalb gewiſſer Schranken jeder Einzelne den freie-<lb/> ſten, ſeiner Individualität angemeſſenſten Gang gehen kann, mag es ohne Nach-<lb/> theil ertragen daß in ihren Hörſälen der Born der Wiſſenſchaft an einigen Köpfen<lb/> wirkungslos vorüberſprudle. Ueberdieß iſt jeder Profeſſor berechtigt den Zutritt<lb/> zu Uebungen, für welche natürlich ein beſtimmtes Maß von Vorkenntniſſen un-<lb/> bedingt erforderlich iſt, an beſondere Bedingungen zu knüpfen.</p><lb/> <p>Der zweite Hauptpunkt der aus der Discuſſion der Studentenverſammlung<lb/><cb/> ſich ergibt, iſt der Hinweis auf die Gefahr welche der Univerſität in diſciplinari-<lb/> ſcher Hinſicht durch die Theilnahme der Damen drohe. Hierin ſind die Befürch-<lb/> tungen von der Erfahrung beſtätigt, und wie ſehr man in ſolchen Dingen ſchon auf<lb/> den Schein zu achten hat, geht aus den Uebertreibungen hervor welche bei jüngſter<lb/> Gelegenheit durch einen Theil der Preſſe die Runde machten. In der That ſind<lb/> die Begriffe über die Emancipation der Frauen bei letztern ſelbſt noch ſehr verſchieden,<lb/> und es möchten darüber um ſo extremere Auffaſſungen ſich geltend machen, je mehr<lb/> die Zahl der weiblichen Studierenden zunimmt. Aus den bisherigen Erfahrungen<lb/> zu ſchließen, könnten unter dieſen Auffaſſungen auch ſolche ſich finden die allerdings<lb/> den Ernſt und die Würde des wiſſenſchaftlichen Studiums beeinträchtigen müßten.<lb/> Damit vertragen ſich aber weder die Anſchauungen des Schweizer Volkes noch der<lb/> Ruf und die Achtung deren ſich die Züricher Hochſchule ſtets zu erfreuen hatte,<lb/> noch auch die Würde der ſtudierenden Damen ſelbſt.</p><lb/> <p>Die Mehrheit der Züricheriſchen Studentenverſammlung hielt für das beſte<lb/> Mittel den zu Tage getretenen Uebelſtänden vorzubeugen: die Forderung der Ma-<lb/> turitätsprüfung. Der „Z. Ztg.“ will jedoch dieſe Maßregel auf der einen Seite<lb/> weiter, auf der andern nicht ſo weit zu gehen ſcheinen als es der gegenwärtige<lb/> Standpunkt der ganzen Frage wünſchbar macht. Zu weit — denn wenn der<lb/> Staat den Damen den Zutritt zur Univerſität unter gleichen Bedingungen geſtattet<lb/> wie den Herren, und ihnen nach deren Erfüllung die gleiche Stellung ertheilt, ſo<lb/> erklärt er ſie principiell als gleichberechtigt zur Theilnahme am wiſſenſchaftlichen<lb/> Studium. Damit müßte er aber conſequenterweiſe ſeinen Bürgerinnen gegenüber<lb/> die Verpflichtung auf ſich nehmen ihnen auch die nämliche Gelegenheit zu der ge-<lb/> forderten Vorbereitung zu bieten. Letzteres wäre aber vorläufig noch ein verfrüh-<lb/> ter Schritt, und die Errichtung von Mädchengymnaſien iſt jedenfalls noch keine<lb/> Nothwendigkeit. Theils kämen alſo die Inländerinnen in Nachtheil gegenüber den<lb/> nach Zürich kommenden Angehörigen ſolcher Länder die bereits höhere weibliche<lb/> Bildungsanſtalten beſitzen; theils würde im Organismus des ſchweizeriſchen Un-<lb/> terrichtsweſens eine Lücke geſchaffen, deren Ausfüllung eben der Privatunterricht<lb/> übernehmen müßte. Der Staat kann aber doch bei keiner ſeiner Einrichtungen<lb/> den Privatunterricht vorausſetzen, vor allem nicht in dieſem Umfang, wo derſelbe<lb/> ökonomiſche Mittel erfordert welche die Kräfte einer Mehrheit der Bürger weit<lb/> überſteigen.</p><lb/> <p>Daraus wird klar weßhalb dieſes Mittel zu gleicher Zeit auch nicht weit<lb/> genug geht um die angedeuteten Gefahren wirklich abzuwenden. Die Maturitäts-<lb/> prüfung gibt eine Garantie für beſſere Vorbereitung ſowohl in wiſſenſchaftlicher<lb/> als auch in diſciplinariſcher Hinſicht nur in dem Falle wo ſie der Schlußſtein des<lb/> methodiſchen Unterrichtes einer öffentlichen Schule iſt. Wo aber die erforderliche<lb/> Summe von Kenntniſſen in Privatſtunden zuſammengetragen werden muß, hat die<lb/> Maturitätsprüfung nur Werth bei denjenigen welche ein ſachliches Intereſſe beſitzen<lb/> (von dieſen iſt aber überhaupt nichts zu befürchten). Allen andern erſcheint das<lb/> Reifezeugniß als bloße Eintrittskarte zur Univerſität, die Präparation als eine<lb/> unbequeme Formalität, deren man ſich mit möglichſter Schnelligkeit zu entledigen<lb/> hat; wie es alsdann mit der wiſſenſchaftlichen Vorbereitung, auch wenn ſie dem<lb/> Buchſtaben des Reglements entſpricht, innerlich beſtellt iſt, kann jede Prüfungs-<lb/> commiſſion an denjenigen Studenten erläutern welche behufs Zulaſſung zu ſpäte-<lb/> ren Examina ihre noch nachträglich mit Dampfkraft erworbene Reife zu demonſtri-<lb/> ren haben. Noch weniger leiſtet eine ſolche Maturitätsprüfung mit Bezug auf den<lb/> zweiten Punkt. Die Kunſt des Schulbeſuches, welche ſich der Student während<lb/> ſeiner Gymnaſialjahre zu eigen gemacht hat und an der Hochſchule in freier Weiſe<lb/> bethätigt, lernt ſich nicht in Privatſtunden, und der Tact, deſſen Mangel in unſe-<lb/> rem Falle die Quelle alles Uebels iſt, kann nicht theoretiſch ausgebildet werden.<lb/> Die Entwicklung jenes Gefühls inwieweit die Einzelnen untereinander, und gegen<lb/> das Ganze freiwillig gewiſſe Rückſichten zu beobachten haben, iſt eben einer der<lb/> hohen ſittlichen Vorzüge des öffentlichen Unterrichts. Somit wird, wenn vielleicht<lb/> einſt das weibliche Univerſitätsſtudium wie das der Herren auf höhere Vorberei-<lb/> tungsſchulen ſich ſtützt, die Maturitätsprüfung ſelbſtverſtändlich auch bei Frauen<lb/> als nothwendige und treffliche Maßregel ſich bewähren; wir glauben aber daß, ſo<lb/> wie die Sachen jetzt ſtehen, dieſe Forderung weder berechtigt noch zweckmäßig ſei.</p><lb/> <p>Auf folgende Art nun ſcheint dagegen der „Z. Ztg.“ die Stellung der Da-<lb/> men an der Univerſität in einer Weiſe beſtimmt werden zu können, welche ſowohl<lb/> dem Gedeihen der Hochſchule als auch dem gegenwärtigen Standpunkt einer noch<lb/> tief in der Entwicklung begriffenen Frage am angemeſſenſten iſt: man gewähre<lb/> den Damen freie Zulaſſung zur Hochſchule, aber in dem Charakter von Hoſpitan-<lb/> tinnen und ohne ihnen durch Immatriculation das volle akademiſche Bürgerrecht<lb/> zu ertheilen. Von gewöhnlichen Zuhörern würden ſich die Damen dadurch unter-<lb/> ſcheiden daß ihnen nicht nur Zutritt zu einzelnen Vorleſungen, ſondern freie Wahl<lb/> ihrer Collegien und Benutzung aller der Hochſchule zuſtehenden Mittel geſtattet<lb/> wäre. Der Unterſchied ihrer Stellung von derjenigen der immatriculirten Stu-<lb/> denten beſtände darin daß ſich das Studium der Damen nicht auf ein Recht, ſon-<lb/> dern auf eine Erlaubniß gründen würde. Aus dieſer Einrichtung, wenn ſie auch<lb/> zunächſt rein formeller Art zu ſein ſcheint, ergeben ſich wichtige Vortheile.</p><lb/> <p>Einmal iſt damit der akademiſche Unterricht weit weniger der Gefahr aus-<lb/> geſetzt ſeinen Charakter unmerklich zu verändern, denn er wird, da er auch bei einer<lb/> allfälligen Mehrheit von „Hoſpitantinnen“ in erſter Linie für „Studenten“ da iſt,<lb/> ſich weniger mehr durch pädagogiſche Rückſichten beſtimmen laſſen den Maßſtab<lb/> der Wiſſenſchaftlichkeit aus der Hand zu legen. Nach der andern Seite aber ge-<lb/> winnt man daß die Stellung der Damen dadurch eine zwar anſpruchsloſere, aber<lb/> zugleich auch feinere, weiblichere, den gegenwärtigen Anſchauungen noch mehr ent-<lb/> ſprechende wird. Das akademiſche Bürgerrecht hat für Damen keine Bedeutung,<lb/> und der Verzicht darauf bringt ſie um keinen Vortheil. Die Hochſchule aber wird<lb/> vor der Gefahr geſichert daß dasſelbe von Einzelnen in einer Weiſe interpretirt<lb/> werde welche denn doch vorläufig ſelbſt von warmen Emancipationsfreunden nicht<lb/> gebilligt werden dürfte. Indem ferner der Senat und der Rector, in jedem einzel-<lb/> nen Falle wo es das Wohl der Univerſität erfordert, einfach die „Erlaubniß“ zum<lb/> Beſuch aller oder gewiſſer Vorleſungen entziehen kann, behält er die Macht in der<lb/> Hand den bei neuen Erſcheinungen ſtets auftauchenden Schwierigkeiten raſch und<lb/> in einer Weiſe zu begegnen welche das Gefühl weit weniger verletzt, als wenn<lb/> man die für die Studenten geltenden Statuten auf Damen anwenden müßte.</p><lb/> <p>So ſcheint uns — ſchließt die „N. Z. Ztg.“ — durch dieſe Auffaſſung des<lb/> weiblichen Univerſitätsſtudiums das Intereſſe der Hochſchule wie dasjenige der<lb/> Frauen in gleicher Weiſe gewahrt zu werden. Zudem gewinnen wir Zeit Erfah-<lb/> rungen und Beobachtungen zu ſammeln, die als ſchätzbares Material Verwendung<lb/> finden werden, wenn ſich früher oder ſpäter in unſerm Staate das Bedürfniß nach<lb/> organiſchem Ausbau des höheren weiblichen Unterrichts geltend machen ſollte. Un-<lb/> ſere Hochſchule wird dadurch, ohne ſelbſt Schaden zu leiden, an der Entwicklung<lb/> und Löſung einer Frage mitarbeiten, welche mit den tiefſten und ſchwierigſten<lb/> Problemen des modernen Lebens zuſammenhängt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [214/0006]
Die „Studentinnen“ auf der Züricher Hochſchule.
* Die Zahl ſtudierender Damen auf der Hochſchule zu Zürich hat ſich in
dieſem Semeſter ſo geſteigert, daß dort bereits ein Zehntheil der geſammten im-
matriculirten Zuhörerſchaft „Studentinnen“ ſind. Allem Anſchein nach wird
ſich dieſes Verhältniß in der Folge noch beträchtlich ſteigern, was die „N. Züri-
cher Zeitung“ veranlaßt, die dadurch hervorgerufene Principienfrage, welche für
das Gedeihen der ſchweizeriſchen Univerſität von großer Bedeutung werden könne,
näher zu erörtern.
Ueber das Princip der Zulaſſung von Frauen zur Univerfität — ſchreibt
das genannte Blatt — können wir uns kurz faſſen. So bald ſich ein wirkliches
Bedürfniß darnach geltend macht den Frauen auch das Feld der wiſſenſchaftlichen
Arbeit zu eröffnen, wird eine ſchweizeriſche Hochſchule die letzte ſein die einer ſol-
chen ſocialen Entwicklung ohne triftige Gründe entgegentritt. Ob das Streben
der Frauen nach Theilnahme an der höhern Bildung, das in der Gegenwart
überall ſo lebhaft ſich regt, Ausfluß einer tiefer begründeten Forderung der mo-
dernen Cultur ſei (man denke an die weibliche Erziehung in der italieniſchen Cul-
tur der Renaiſſance), iſt eine Frage die man noch nicht wird entſcheiden können,
deren Löſung man daher auch nicht durch hemmende Beſtimmungen vorgreifen
darf. Soviel iſt jetzt ſchon ſicher daß die wiſſenſchaftliche Bethätigung der Frauen
von guten und erfreulichen Ergebniſſen begleitet ſein kann. In ſubjectivem
Sinne wird ſie eine wohlthuende Wirkung auf das intellectuelle Leben der ge-
ſammten Frauenwelt ausüben. Sie wird den brachliegenden geiſtigen Kräften
Stoff und Richtung geben und ſie dadurch vor gefährlichen Irrwegen bewahren.
Unglücklichen durch Schickſale früh erſchütterten Exiſtenzen kann ſie neue Kraft
und Lebensluſt verleihen. Sobald wir überhaupt die Wiſſenſchaft als Gut be-
trachten (und wir preiſen ſie ja offen als höchſtes), hört für uns das Recht auf
die Frauen von ſeinem Beſitz auszuſchließen. Was die objectiven Ergebniſſe an-
betrifft, ſo wird die weibliche Arbeit im Gebiete der Wiſſenſchaft ohne Zweifel
ihre ganz eigenartig werthvollen Dienſte leiſten, welche ſchon durch die anders be-
ſchaffene Subjectivität des Arbeiters intereſſant und werthvoll ſind. Von ver-
ſchiedenen weiblichen Anlagen hat die Erfahrung bewieſen daß ſie in den weiten
Räumen der Wiſſenſchaft mit großem Glücke verwerthet werden können. Wie
erfolgreich läßt ſich z. B. die Ausdauer, die Beobachtungsgabe und Sorgfalt
welche die Frauen im täglichen Leben bei der Krankenpflege bewähren, wiſſen-
ſchaftlich ausbilden und in ärztlicher Praxis verwerthen. Sollte das nämliche
nicht auch mit dem außerordentlichen Sprachtalent, mit dem feinen Verſtändniß
für das Pflanzenleben und mit ähnlichen Begabungen, die ſich oft bei Frauen in
ſo hohem Grad ausgeprägt finden, möglich ſein?
Damit haben wir bereits dem Einwurf entgegnet den man am häufigſten
gegen das weibliche Studium erhebt, indem man den Frauen, oft mit großem
Selbſtbewußtſein, die Befähigung zu höherer geiſtiger Arbeit abſpricht. Daß
dieß zum mindeſten nicht für alle Gebiete wahr iſt, beweist ſchon die Geſchichte
und die Literatur. Für andere Gebiete aber läßt ſich ein Urtheil überhaupt noch
nicht abgeben; denn Anlagen und Organe können ſich nur durch Uebung ent-
wickeln, und dieſe war ja bisher den Frauen im allgemeinen gar nicht ermöglicht.
Außerdem iſt bekannt daß die Wiſſenſchaft von jeher auch unter den Männern
Capacitäten jeglichen Grades zu beſchäftigen gewußt hat. Noch zwei andere Be-
denken ſeien berührt. Das eine ſieht vom Standpunkte des Familienlebens aus
die Eigenſchaften der Hausfrau, das andere vom äſthetiſchen Standpunkt aus das
„Ewig-Weibliche“ durch das Univerſitätsſtudium gefährdet. Ganz abgeſehen von
der Richtigkeit dieſer Befürchtungen ſind darin egoiſtiſche Forderungen enthalten,
welche bei einer wiſſenſchaftlichen Behandlung dieſer Frage gar nicht in Betracht
kommen dürfen. Solche Anſprüche kann jeder an ſeine Dame, keiner aber an die
Frauen im allgemeinen ſtellen. Er müßte ihnen denn auch die Gelegenheit ver-
ſchaffen durch ihre Erfüllung glücklich zu werden. Die Frau welche hoffen kann
im Familienleben eine ſichere Exiſtenz, einen ſchönen Wirkungskreis und ihre gei-
ſtige Befriedigung zu finden, wird ſchwerlich die rauhere Bahn des wiſſenſchaft-
lichen Studiums betreten. Wo ſie aber, durch die Verhältniſſe dieſer Ausſicht
beraubt, genöthigt iſt ihr Loos von der Gunſt des Zufalls unabhängig zu machen,
erwacht bei höher begabten Naturen das Bedürfniß nach mehrſeitiger Ausbildung
und beruflicher Vorbereitung, dem, was es auch für praktiſche und äſthetiſche Con-
ſequenzen haben möchte, niemand die Berechtigung wird abſprechen können.
So viel zur Beantwortung der principiellen Frage über die Zulaſſung der
Damen zum Univerſitätsſtudium, die übrigens ja factiſch bereits gelöst iſt. Weit
wichtiger aber erſcheint für uns die folgende: inwiefern das Wohl der Hochſchule
bei dieſer Entſcheidung in Frage komme. Zu einer Zeit wo eine kleine Univer-
ſität überhaupt alle Kräfte aufzubieten hat um ſich einen würdigen Fortbeſtand
zu ſichern, zu einer Zeit ferner wo jede Gelegenheit zu Angriffen gegen die Zür-
cheriſche Hochſchule mit Eifer geſucht und mit Freuden benutzt wird, muß man ſich
doppelt vor allen Gefahren hüten die ihr Gedeihen beeinträchtigen könnten. Daß
aber ſolche durch die Theilnahme der Damen am akademiſchen Leben entſtehen
können, hat die Erfahrung gezeigt. Eingehend wurden dieſelben in der letzten
Verſammlung der Züricher Studentenſchaft beſprochen, deren Anſichten hierüber
um ſo mehr Beachtung verdienen, als dieſe im Falle war die unmittelbarſten
Beobachtungen zu machen. Das Ergebniß läßt ſich in zwei Hauptpunkte zuſam-
menfaſſen.
Einerſeits wurde hervorgehoben daß die Wiſſenſchaftlichkeit des akademi-
ſchen Unterrichts durch die oft mangelnde Vorbereitung der Damen gefährdet wer-
den könnte. Daß es höchlich im eigenen Intereſſe jedes Zuhörers liegt mit mög-
lichſt gründlicher Vorbereitung die Collegien zu beſuchen, iſt ſelbſtverſtändlich. Ob
aber der freie akademiſche Vortrag von dem mangelnden Verſtändniß eines Thei-
les der Zuhörer beeinflußt werde, iſt eine Frage die wir zwar competenten An-
ſichten gegenüber keineswegs verneinen wollen, doch glauben wir daß in dieſer
Hinſicht die Befürchtungen zu weit gehen. Seit es Univerſitäten gibt, hat wohl
auch eine hübſche Procentzahl von Studenten, welche trotz beſtandener Examina
thatſächlich unvorbereitet waren, auf den Bänken geſeſſen, ohne auf den Charak-
ter des Unterrichts eine ſchädliche Rückwirkung auszuüben. Für eine Fachſchule,
deren Organiſation erfordert daß alle einzelnen Glieder gleichmäßig vorwärts
ſchreiten um in der genau eingetheilten Zeit das vorgeſteckte Ziel erreichen zu kön-
nen, iſt es durchaus nothwendig auch eine gleichmäßige Vorbereitung von allen
Schülern zu verlangen. Eine Univerſität nach deutſchem Muſter aber, deren
höchſter Vorzug es iſt daß innerhalb gewiſſer Schranken jeder Einzelne den freie-
ſten, ſeiner Individualität angemeſſenſten Gang gehen kann, mag es ohne Nach-
theil ertragen daß in ihren Hörſälen der Born der Wiſſenſchaft an einigen Köpfen
wirkungslos vorüberſprudle. Ueberdieß iſt jeder Profeſſor berechtigt den Zutritt
zu Uebungen, für welche natürlich ein beſtimmtes Maß von Vorkenntniſſen un-
bedingt erforderlich iſt, an beſondere Bedingungen zu knüpfen.
Der zweite Hauptpunkt der aus der Discuſſion der Studentenverſammlung
ſich ergibt, iſt der Hinweis auf die Gefahr welche der Univerſität in diſciplinari-
ſcher Hinſicht durch die Theilnahme der Damen drohe. Hierin ſind die Befürch-
tungen von der Erfahrung beſtätigt, und wie ſehr man in ſolchen Dingen ſchon auf
den Schein zu achten hat, geht aus den Uebertreibungen hervor welche bei jüngſter
Gelegenheit durch einen Theil der Preſſe die Runde machten. In der That ſind
die Begriffe über die Emancipation der Frauen bei letztern ſelbſt noch ſehr verſchieden,
und es möchten darüber um ſo extremere Auffaſſungen ſich geltend machen, je mehr
die Zahl der weiblichen Studierenden zunimmt. Aus den bisherigen Erfahrungen
zu ſchließen, könnten unter dieſen Auffaſſungen auch ſolche ſich finden die allerdings
den Ernſt und die Würde des wiſſenſchaftlichen Studiums beeinträchtigen müßten.
Damit vertragen ſich aber weder die Anſchauungen des Schweizer Volkes noch der
Ruf und die Achtung deren ſich die Züricher Hochſchule ſtets zu erfreuen hatte,
noch auch die Würde der ſtudierenden Damen ſelbſt.
Die Mehrheit der Züricheriſchen Studentenverſammlung hielt für das beſte
Mittel den zu Tage getretenen Uebelſtänden vorzubeugen: die Forderung der Ma-
turitätsprüfung. Der „Z. Ztg.“ will jedoch dieſe Maßregel auf der einen Seite
weiter, auf der andern nicht ſo weit zu gehen ſcheinen als es der gegenwärtige
Standpunkt der ganzen Frage wünſchbar macht. Zu weit — denn wenn der
Staat den Damen den Zutritt zur Univerſität unter gleichen Bedingungen geſtattet
wie den Herren, und ihnen nach deren Erfüllung die gleiche Stellung ertheilt, ſo
erklärt er ſie principiell als gleichberechtigt zur Theilnahme am wiſſenſchaftlichen
Studium. Damit müßte er aber conſequenterweiſe ſeinen Bürgerinnen gegenüber
die Verpflichtung auf ſich nehmen ihnen auch die nämliche Gelegenheit zu der ge-
forderten Vorbereitung zu bieten. Letzteres wäre aber vorläufig noch ein verfrüh-
ter Schritt, und die Errichtung von Mädchengymnaſien iſt jedenfalls noch keine
Nothwendigkeit. Theils kämen alſo die Inländerinnen in Nachtheil gegenüber den
nach Zürich kommenden Angehörigen ſolcher Länder die bereits höhere weibliche
Bildungsanſtalten beſitzen; theils würde im Organismus des ſchweizeriſchen Un-
terrichtsweſens eine Lücke geſchaffen, deren Ausfüllung eben der Privatunterricht
übernehmen müßte. Der Staat kann aber doch bei keiner ſeiner Einrichtungen
den Privatunterricht vorausſetzen, vor allem nicht in dieſem Umfang, wo derſelbe
ökonomiſche Mittel erfordert welche die Kräfte einer Mehrheit der Bürger weit
überſteigen.
Daraus wird klar weßhalb dieſes Mittel zu gleicher Zeit auch nicht weit
genug geht um die angedeuteten Gefahren wirklich abzuwenden. Die Maturitäts-
prüfung gibt eine Garantie für beſſere Vorbereitung ſowohl in wiſſenſchaftlicher
als auch in diſciplinariſcher Hinſicht nur in dem Falle wo ſie der Schlußſtein des
methodiſchen Unterrichtes einer öffentlichen Schule iſt. Wo aber die erforderliche
Summe von Kenntniſſen in Privatſtunden zuſammengetragen werden muß, hat die
Maturitätsprüfung nur Werth bei denjenigen welche ein ſachliches Intereſſe beſitzen
(von dieſen iſt aber überhaupt nichts zu befürchten). Allen andern erſcheint das
Reifezeugniß als bloße Eintrittskarte zur Univerſität, die Präparation als eine
unbequeme Formalität, deren man ſich mit möglichſter Schnelligkeit zu entledigen
hat; wie es alsdann mit der wiſſenſchaftlichen Vorbereitung, auch wenn ſie dem
Buchſtaben des Reglements entſpricht, innerlich beſtellt iſt, kann jede Prüfungs-
commiſſion an denjenigen Studenten erläutern welche behufs Zulaſſung zu ſpäte-
ren Examina ihre noch nachträglich mit Dampfkraft erworbene Reife zu demonſtri-
ren haben. Noch weniger leiſtet eine ſolche Maturitätsprüfung mit Bezug auf den
zweiten Punkt. Die Kunſt des Schulbeſuches, welche ſich der Student während
ſeiner Gymnaſialjahre zu eigen gemacht hat und an der Hochſchule in freier Weiſe
bethätigt, lernt ſich nicht in Privatſtunden, und der Tact, deſſen Mangel in unſe-
rem Falle die Quelle alles Uebels iſt, kann nicht theoretiſch ausgebildet werden.
Die Entwicklung jenes Gefühls inwieweit die Einzelnen untereinander, und gegen
das Ganze freiwillig gewiſſe Rückſichten zu beobachten haben, iſt eben einer der
hohen ſittlichen Vorzüge des öffentlichen Unterrichts. Somit wird, wenn vielleicht
einſt das weibliche Univerſitätsſtudium wie das der Herren auf höhere Vorberei-
tungsſchulen ſich ſtützt, die Maturitätsprüfung ſelbſtverſtändlich auch bei Frauen
als nothwendige und treffliche Maßregel ſich bewähren; wir glauben aber daß, ſo
wie die Sachen jetzt ſtehen, dieſe Forderung weder berechtigt noch zweckmäßig ſei.
Auf folgende Art nun ſcheint dagegen der „Z. Ztg.“ die Stellung der Da-
men an der Univerſität in einer Weiſe beſtimmt werden zu können, welche ſowohl
dem Gedeihen der Hochſchule als auch dem gegenwärtigen Standpunkt einer noch
tief in der Entwicklung begriffenen Frage am angemeſſenſten iſt: man gewähre
den Damen freie Zulaſſung zur Hochſchule, aber in dem Charakter von Hoſpitan-
tinnen und ohne ihnen durch Immatriculation das volle akademiſche Bürgerrecht
zu ertheilen. Von gewöhnlichen Zuhörern würden ſich die Damen dadurch unter-
ſcheiden daß ihnen nicht nur Zutritt zu einzelnen Vorleſungen, ſondern freie Wahl
ihrer Collegien und Benutzung aller der Hochſchule zuſtehenden Mittel geſtattet
wäre. Der Unterſchied ihrer Stellung von derjenigen der immatriculirten Stu-
denten beſtände darin daß ſich das Studium der Damen nicht auf ein Recht, ſon-
dern auf eine Erlaubniß gründen würde. Aus dieſer Einrichtung, wenn ſie auch
zunächſt rein formeller Art zu ſein ſcheint, ergeben ſich wichtige Vortheile.
Einmal iſt damit der akademiſche Unterricht weit weniger der Gefahr aus-
geſetzt ſeinen Charakter unmerklich zu verändern, denn er wird, da er auch bei einer
allfälligen Mehrheit von „Hoſpitantinnen“ in erſter Linie für „Studenten“ da iſt,
ſich weniger mehr durch pädagogiſche Rückſichten beſtimmen laſſen den Maßſtab
der Wiſſenſchaftlichkeit aus der Hand zu legen. Nach der andern Seite aber ge-
winnt man daß die Stellung der Damen dadurch eine zwar anſpruchsloſere, aber
zugleich auch feinere, weiblichere, den gegenwärtigen Anſchauungen noch mehr ent-
ſprechende wird. Das akademiſche Bürgerrecht hat für Damen keine Bedeutung,
und der Verzicht darauf bringt ſie um keinen Vortheil. Die Hochſchule aber wird
vor der Gefahr geſichert daß dasſelbe von Einzelnen in einer Weiſe interpretirt
werde welche denn doch vorläufig ſelbſt von warmen Emancipationsfreunden nicht
gebilligt werden dürfte. Indem ferner der Senat und der Rector, in jedem einzel-
nen Falle wo es das Wohl der Univerſität erfordert, einfach die „Erlaubniß“ zum
Beſuch aller oder gewiſſer Vorleſungen entziehen kann, behält er die Macht in der
Hand den bei neuen Erſcheinungen ſtets auftauchenden Schwierigkeiten raſch und
in einer Weiſe zu begegnen welche das Gefühl weit weniger verletzt, als wenn
man die für die Studenten geltenden Statuten auf Damen anwenden müßte.
So ſcheint uns — ſchließt die „N. Z. Ztg.“ — durch dieſe Auffaſſung des
weiblichen Univerſitätsſtudiums das Intereſſe der Hochſchule wie dasjenige der
Frauen in gleicher Weiſe gewahrt zu werden. Zudem gewinnen wir Zeit Erfah-
rungen und Beobachtungen zu ſammeln, die als ſchätzbares Material Verwendung
finden werden, wenn ſich früher oder ſpäter in unſerm Staate das Bedürfniß nach
organiſchem Ausbau des höheren weiblichen Unterrichts geltend machen ſollte. Un-
ſere Hochſchule wird dadurch, ohne ſelbſt Schaden zu leiden, an der Entwicklung
und Löſung einer Frage mitarbeiten, welche mit den tiefſten und ſchwierigſten
Problemen des modernen Lebens zuſammenhängt.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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