Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 18. Januar 1929.Seite 2 "AZ am Abend" Nr. 15 Freitag, den 18. Januar Sozialdebatte im Landtag Soziale Fürsorge und Schmarotzertum Die Redner der Parteien * Tumult auf der Tribüne Die Aussprache eröffnete Abg. Konrad Der Sozialdemokrat Timm beschäftigte Zu Beginn der Donnerstag-Nachmittagssitzung hatte Namens der Deutschen Volkspartei gab
[irrelevantes Material] Erwerbslose im Landtag München, 18. Januar.Räumung der Tribüne In der gestrigen Sitzung des Landtages Büchs kündigte übrigens an, daß er am Reichsratsbeschlüsse Lessing-Silbermünzen Gegen die Stimmen von Bayern, Würt- Der Reichsrat erklärte sich auch damit ein- [irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Reichskabinett billigt Hilferdings Vorschläge Der Reichshaushalt vom Kabinett verabschiedet * Nur kleinere Abänderungen Das Reichskabinett verabschiedete den Dazu berichten die Blätter: Nachdem im Reichskabinett die Beratun- zustandegekommen. Man hat sich bei den Die lange Dauer der Kabinettsberatungen die einzelnen Ressortminister mit großer In der letzten Sitzung wurden schließlich Bund zur Erneuerung des Reiches [Spaltenumbruch]
Berlin, 18. Januar.Jahresmitgliederversammlung und Festabend In der gestrigen ersten Gefamtlösung der Reichsreform eintritt, die sowohl Norddeutschland wie Süd- Bei dem sich anschließenden Festabend begrüßte der Vorsitzende des Bundes, der frühere nichts enthalte, was gegenüber dem heutigen Hingegen sehe er eine bedenkliche Wolke zwi- In der darauffolgenden Debatte beteiligte sich u. a. Landesrat Kitz - Düsseldorf, Ferner sprach noch der frühere bayerische die Arbeit des Bundes gerade als Süd- und der Hamburger Bürgermeister Dr. Peter- Die eigene Polizei der Nationalsozialisten Verfehlungen von Parteiangehörigen finden besondere Behandlung Bei Verfolgung einer beim Polizeipräsi- Sonderdienst zur Bearbeitung von eingerichtet, die innerhalb der Partei durch Der mit der Bewachung beaustragte Später hielten sich in dem Zimmer andere Gegen sämtliche beteiligten Personen ist ein Verfahren wegen Amtsanmaßung, Frei- worden. Auch sind alle Beteiligten mit Verwegener Raubüberfall in Neuyork. In der vornehmen Parkavenue wurde gestern Seite 2 „AZ am Abend“ Nr. 15 Freitag, den 18. Januar Sozialdebatte im Landtag Soziale Fürſorge und Schmarotzertum Die Redner der Parteien * Tumult auf der Tribüne Die Ausſprache eröffnete Abg. Konrad Der Sozialdemokrat Timm beſchäftigte Zu Beginn der Donnerstag-Nachmittagsſitzung hatte Namens der Deutſchen Volkspartei gab
[irrelevantes Material] Erwerbsloſe im Landtag München, 18. Januar.Räumung der Tribüne In der geſtrigen Sitzung des Landtages Büchs kündigte übrigens an, daß er am Reichsratsbeſchlüſſe Leſſing-Silbermünzen Gegen die Stimmen von Bayern, Würt- Der Reichsrat erklärte ſich auch damit ein- [irrelevantes Material] [Spaltenumbruch]
Reichskabinett billigt Hilferdings Vorſchläge Der Reichshaushalt vom Kabinett verabſchiedet * Nur kleinere Abänderungen Das Reichskabinett verabſchiedete den Dazu berichten die Blätter: Nachdem im Reichskabinett die Beratun- zuſtandegekommen. Man hat ſich bei den Die lange Dauer der Kabinettsberatungen die einzelnen Reſſortminiſter mit großer In der letzten Sitzung wurden ſchließlich Bund zur Erneuerung des Reiches [Spaltenumbruch]
Berlin, 18. Januar.Jahresmitgliederverſammlung und Feſtabend In der geſtrigen erſten Gefamtlöſung der Reichsreform eintritt, die ſowohl Norddeutſchland wie Süd- Bei dem ſich anſchließenden Feſtabend begrüßte der Vorſitzende des Bundes, der frühere nichts enthalte, was gegenüber dem heutigen Hingegen ſehe er eine bedenkliche Wolke zwi- In der darauffolgenden Debatte beteiligte ſich u. a. Landesrat Kitz - Düſſeldorf, Ferner ſprach noch der frühere bayeriſche die Arbeit des Bundes gerade als Süd- und der Hamburger Bürgermeiſter Dr. Peter- Die eigene Polizei der Nationalſozialiſten Verfehlungen von Parteiangehörigen finden beſondere Behandlung Bei Verfolgung einer beim Polizeipräſi- Sonderdienſt zur Bearbeitung von eingerichtet, die innerhalb der Partei durch Der mit der Bewachung beauſtragte Später hielten ſich in dem Zimmer andere Gegen ſämtliche beteiligten Perſonen iſt ein Verfahren wegen Amtsanmaßung, Frei- worden. Auch ſind alle Beteiligten mit Verwegener Raubüberfall in Neuyork. In der vornehmen Parkavenue wurde geſtern <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw type="header" place="top">Seite 2 „AZ am Abend“ Nr. 15 Freitag, den 18. Januar</fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq">Sozialdebatte im Landtag</hi><lb/> <hi rendition="#b">Soziale Fürſorge und Schmarotzertum</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Die Redner der Parteien * Tumult auf der Tribüne</hi> </p> </argument><lb/> <cb/> <dateline> <hi rendition="#b">München, 18. Januar.</hi> </dateline><lb/> <p>Die Ausſprache eröffnete Abg. <hi rendition="#g">Konrad</hi><lb/> (B. Vpt.). Eingehend befaßte ſich Redner<lb/> mit Lohnfragen und bezeichnete den Spruch<lb/> des Reichsinnenminiſters Severing im letz-<lb/> ten Ruhrkampf als ſchwere Enttäuſchung<lb/> für die Arbeiterſchaft. Willkürliche Preis-<lb/> bildungen einſeitiger Intereſſentengruppen<lb/> brächten viel größere Gefahren als ſie je-<lb/> mals durch die Lohnpolitik auch unter ſtärk-<lb/> ſter Förderung des Staates erwachſen kön-<lb/> nen.</p><lb/> <p>Der Sozialdemokrat <hi rendition="#g">Timm</hi> beſchäftigte<lb/> ſich mit den Ausführungen des Miniſter-<lb/> präſidenten bei der Behandlung des Han-<lb/> delsetats zur Sozialpolitik. Er vermißt<lb/> darin das notwendige ſoziale Verſtändnis,<lb/> insbeſondere in den Bemerkungen des Mi-<lb/> niſterpräſidenten über die ſozialen Laſten.<lb/> In der Bemerkung des Miniſter-<lb/> präſidenten, wo Opfer gebracht werden<lb/> müſſen, dann müſſen ſie alle miteinander<lb/> bringen, ſei der Vorwurf zu erblicken, als<lb/> ob die Arbeiter keine Opfer brächten. Das<lb/> müſſe auf das ſchärfſte zurückgewieſen wer-<lb/> den, da die Arbeiter die ſchwerſten Opfer<lb/> bringen würden. Während ihnen bei der<lb/> Lohnzahlung jeder Pfennig abgezogen<lb/> würde, blieben leiſtungsfähige Schichten mit<lb/> Hunderten, ja Tauſenden von Steuern rück-<lb/> ſtändig.</p><lb/> <p>Zu Beginn der</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Donnerstag-Nachmittagsſitzung hatte</hi><lb/> der Bayeriſche Bauernbund als Redner den<lb/> Abg. <hi rendition="#g">Wartner</hi> herausgeſtellt, der gegen-<lb/> über dem ſozialdemokratiſchen Vorwurf,<lb/> Staatsminiſter Fehr habe auch nicht ein-<lb/> mal Ausſchußſitzungen beigewohnt, in denen<lb/> Fragen der Abteilung Arbeit erörtert<lb/> wurden, erklärte, Dr. Fehr ſei deswegen<lb/> nicht erſchienen, um die beſondere Stellung<lb/> des Staatsſekretärs Oswald zum Ausdruck<lb/> zu bringen, die doch auch von den Sozial-<lb/> demokraten verlangt werde. Redner wandte<lb/> ſich gegen die Ueberſpannung der ſozialen<lb/> Verſicherungsgeſetzgebung, die unerträglich<lb/> ſei. Die Arbeitsloſenverſicherung habe zur<lb/> Steigerung der Landflucht beigetragen. Der<lb/> Deutſchnationale <hi rendition="#g">Frühwald</hi> betonte eben-<lb/> falls die Unmöglichkeit für weitere Kreiſe<lb/> der Bevölkerung, die immer mehr anſchwel-<lb/> lenden Koſten für die Sozialverſicherung im<lb/> allgemeinen und die Erwerbsloſenfürſorge<lb/> im beſonderen zu tragen, wenn auch die er-<lb/> werbsloſen Arbeitswilligen zweifellos An-<lb/> ſpruch auf Hilfe hätten. Abg. <hi rendition="#g">Grimm</hi><lb/> (Natſoz.) ſetzte ſich in der Hauptſache mit<lb/> den Sozialdemokraten auseinander und<lb/> kritiſierte die Reparationspolitik. Die Be-<lb/> ſteuerung der Banken und des Börſenver-<lb/> kehrs eröffneten neue ausgiebige Steuer-<lb/> quellen. Abg. <hi rendition="#g">Büchs</hi> (Komm.) polemi-<lb/> ſierte gegen die Vertreter der bürgerlichen<lb/> Parteien wegen ihrer Kritik an der Ar-<lb/> beitsloſenverſicherung, und erhob dann<lb/> ſcharfe Angriffe auf die Sozialpolitik in<lb/> Bayern. Eine Aenderung der ſozialen Ver-<lb/> hältniſſe könne nur durch den Sturz der<lb/> kapitaliſtiſchen Wirtſchaftsordnung herbeige-<lb/> führt werden.</p><lb/> <p>Namens der Deutſchen Volkspartei gab<lb/> Abg. <hi rendition="#g">Bayer</hi> bei den Erörterungen zum<lb/> Sozialetat eine Erklärung ab, der wir ent-<lb/> nehmen: </p> <cit> <quote> <p>Seitdem der Krieg, der Umſturz<lb/> und der Zuſammenbruch unſerer Währung<lb/> einen großen Teil des deutſchen Volkes in<lb/> Verarmung, Krankheit und Arbeitsloſig-<lb/> gebracht haben, ſind die ſozialen Fürſorge-<lb/> pflichten der öffentlichen Körperſchaften ge-<lb/> wachſen. Die ſoziale Fürſorge darf aber<lb/> nicht zur Plage werden und muß vor Ueber-<lb/> treibungen und Mißbrauch geſchützt wer-<lb/> den, ſonſt vermehrt ſich das Schmarotzertum<lb/> und der ehrlich ſchaffende Menſch leidet dar-<lb/> unter und kommt in Nachteil. Die ſoziale<lb/> Fürſorge darf aber nicht zur drückenden<lb/> Belaſtung der deutſchen Wirtſchaft werden<lb/> und darf nicht dort Verantwortlichkeiten<lb/> wegnehmen, wo der Grundſatz gelten muß,<lb/> „ſelbſt iſt der Mann“.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Hauszinsſteuerbeträge</hi><lb/> müſſen ſo verwendet werden, daß ſie mit-<lb/> wirken an dem Abbau der Wohnungs-<lb/> zwangswirtſchaft. Das <hi rendition="#g">Eigenkapital</hi><lb/> muß einen Anſporn zur Bautätigkeit er-<lb/> halten. Deswegen müſſen Bauzuſchüſſe<lb/> auch den Privaten mit größerem Eigen-<lb/> kapital gegeben werden.</p><lb/> <p>Beim <hi rendition="#g">Schlichtungsweſen</hi> iſt jede<lb/> einſeitige Haltung fernzuhalten. Ich bin für<lb/> weitgehenden perſönlichen Schutz des Arbei-<lb/> ters im Betrieb. Doch darf die Gewerbe-<lb/> aufſicht in dem Unternehmer nicht einen<lb/><cb/> Feind ſehen, ſondern muß deren Rechte und<lb/> wirtſchaftliche Lage berückſichtigen.</p><lb/> <p>Bei der produktiven Erwerbsloſenfür-<lb/> ſorge bedauern wir, daß Bayern nicht in<lb/> der Lage iſt, nennenswerte Beträge aufzu-<lb/> weiſen, ſo daß der bayeriſchen Arbeiterſchaft<lb/> und der bayeriſchen Wirtſchaft Millionen<lb/> verloren gehen, die anderen Ländern aus<lb/> Reichsmitteln zur Verfügung ſtehen, weil<lb/> dieſe in ihrem Haushalt dafür Mittel aus-<lb/> geworfen haben.</p><lb/> <p>Zum Schluſſe gebe ich dem Bedauern<lb/> Ausdruck, daß es in Bayern nicht möglich<lb/> war, für die Fragen des Unternehmertums<lb/> wie der Arbeitnehmer ein einheitliches ein-<lb/> ziges Wirtſchaftsminiſterium zu ſchaffen.<lb/> Die Abteilung Handel vom Miniſterium des<lb/> Aeußern ſoll der bayeriſchen Wirtſchaft<lb/> Aufträge zukommen ſaſſen, das Sozialmini-<lb/> ſterium hingegen verfügt über das Geld.<lb/> Ich habe auch den Eindruck, als ob durch<lb/> die Stellung des Staatsſekretärs für Arbeit,<lb/> überhaupt durch die bisherigen ſogenannten<lb/> Vereinfachungsmaßnahmen in der Eintei-<lb/> lung der Miniſterien nur eine <hi rendition="#g">Erſchwe-<lb/> rung des Verkehrs</hi> zwiſchen dem<lb/> früheren Landwirtſchaftsminiſterium und<lb/> dem früheren Sozialminiſterium eingetreten<lb/> iſt.</p> </quote> </cit> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <gap reason="insignificant"/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Erwerbsloſe im Landtag<lb/> Räumung der Tribüne</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 18. Januar.</dateline><lb/> <p>In der geſtrigen Sitzung des Landtages<lb/> mit ihrer Debatte über die ſozialen Fragen<lb/> hatten ſich zahlreiche Erwerbsloſe kommu-<lb/> niſtiſcher Richtung eingefunden, auf die der<lb/> Abg. <hi rendition="#g">Büchs</hi> ſeine agitatoriſchen Ausführun-<lb/> gen einſtellte. Die Tribünenbeſucher klatſch-<lb/> ten wiederholt Beifall, was den Vizepräſi-<lb/> denten <hi rendition="#g">Hartmann</hi> veranlaßte, die Räu-<lb/> mung der Tribüne anzudrohen. Als nach<lb/> dem Schluß der Rede Büchs der Beifall ſich<lb/> wiederholte, hob Präſident Dr. Königbauer<lb/> die Sitzung auf 10 Minuten auf und gab<lb/> der Polizei Weiſung, die Demonſtranten aus<lb/> dem Saal zu führen und ihre Perſonalien<lb/> feſtzuſtellen. Da dies nicht möglich war,<lb/> veranlaßte der Präſident nach Wiederauf-<lb/> nahme der Sitzung die völlige Räumung der<lb/> Tribünen, die dann durch Kriminalbeamte<lb/> vorgenommen wurde und ohne Zwiſchenfall<lb/> verlief.</p><lb/> <p>Büchs kündigte übrigens an, daß er am<lb/> Freitag als Führer einer Deputation von<lb/> Erwerbsloſen bei den einzelnen Fraktionen<lb/> vorſprechen und dieſen Gelegenheit geben<lb/> wolle, ihre Kritik an der Arbeitsloſenver-<lb/> ſicherung gegenüber den Erwerbsloſen un-<lb/> mittelbar zu vertreten.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Reichsratsbeſchlüſſe</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Leſſing-Silbermünzen</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 18. Januar.</dateline><lb/> <p>Gegen die Stimmen von Bayern, Würt-<lb/> temberg und Weſtfalen nahm der Reichsrat<lb/> den Entwurf eines <hi rendition="#g">Arbeitsſchutzge-<lb/> ſetzes</hi> an. Die Vertreter Bayerns und<lb/> Württembergs erklärten ſich gegen die Vor-<lb/> lage, namentlich wegen der Eingriffe in die<lb/> Landeshoheit. Ferner genehmigte der<lb/> Reichsrat ein Geſetz über die Enteignung<lb/> von Grundbeſitz in Schleſien zur Anlage<lb/> eines Staubeckens bei Ottmachau.</p><lb/> <p>Der Reichsrat erklärte ſich auch damit ein-<lb/> verſtanden, daß gelegentlich des 200jährigen<lb/> Geburtstages Leſſings <hi rendition="#g">Reichsſilber-<lb/> münzen als Gedenkmünzen</hi> aus-<lb/> geprägt werden mit dem Kopf Leſſings.<lb/> Endlich wurde ein Geſetzentwurf angenom-<lb/> men, der bezweckt, die übergroße Zahl der<lb/> Wartegeldsempfänger herabzuſetzen, evtl.<lb/> auch die Zahl der Zwangspenſionen.</p> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <gap reason="insignificant"/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Reichskabinett<lb/> billigt Hilferdings Vorſchläge</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Der Reichshaushalt vom Kabinett verabſchiedet * Nur kleinere Abänderungen</hi> </p> </argument><lb/> <cb/> <dateline>Berlin, 18. Januar.</dateline><lb/> <p>Das Reichskabinett verabſchiedete den<lb/> Reichshaushalt und die ſeine Deckung be-<lb/> treffenden Vorlagen. Er wird unverzüglich<lb/> dem Reichsrat bzw. dem Reichswirtſchaftrat<lb/> zugeleitet werden.</p><lb/> <p>Dazu berichten die Blätter:</p><lb/> <p>Nachdem im Reichskabinett die Beratun-<lb/> gen zu Ende geführt worden ſind, werden<lb/> vorausſichtlich heute offizielle Mitteilungen<lb/> über die Einzelheiten des Haushaltsplanes<lb/> folgen. Das Ergebnis der Beratungen iſt<lb/> durchaus im Sinne einer grundfätz-<lb/> lichen Billigung der Hilferdingſchen<lb/> Vorſchläge</p><lb/> <p>zuſtandegekommen. Man hat ſich bei den<lb/> einzelnen Etatpoſitionen auf kleinere Ab-<lb/><cb/> änderungen beſchränkt, während dem Haus-<lb/> haltsvoranſchlag in ſeiner Geſamtheit in<lb/> allen weſentlichen Punkten zugeſtimmt<lb/> wurde.</p><lb/> <p>Die lange Dauer der Kabinettsberatungen<lb/> erklärt ſich daraus, daß</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">die einzelnen Reſſortminiſter mit großer<lb/> Energie die Forderungen ihres Etats<lb/> durchzuſetzen vermochten.</hi> </p><lb/> <p>In der letzten Sitzung wurden ſchließlich<lb/> Fragen grundſätzlicher Natur erörtert, die<lb/> ſich auf die Etatgebarung im allgemeinen<lb/> erſtreckten. Neben den geringfügigen Aende-<lb/> rungen im Etat ſelbſt hat das Kabinett auch<lb/> einige Beſchlüſſe gefaßt. Dieſen Entſchließun-<lb/> gen kommt aber im weſentlichen nur for-<lb/> male Bedeutung zu.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Bund zur Erneuerung des Reiches<lb/> Jahresmitgliederverſammlung und Feſtabend</hi> </head><lb/> <cb/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 18. Januar.</dateline><lb/> <p>In der geſtrigen erſten<lb/> Jahresmitgliederverſammlung des Bundes zur<lb/> Erneuerung des Reiches wurde <hi rendition="#g">einſtimmig<lb/> eine Entſchließung angenommen,</hi><lb/> in der es heißt, daß der Bund für eine</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Gefamtlöſung der Reichsreform</hi> </p><lb/> <p>eintritt, die ſowohl Norddeutſchland wie Süd-<lb/> deutſchland umfaßt, jedoch der geſchichtlichen Ent-<lb/> wicklung in den verſchiedenen Reichsteilen und<lb/> dem Beſtehenden, das lebenskräftig iſt, Rechnung<lb/> trägt. Damit, ſo heißt es, ſtehe der Bund auf<lb/> der Seite der ſogenannten „differenzierenden<lb/> Endlöſung“. Zum Schluß wird betont, daß der<lb/> Bund ſeine Arbeit fortſetzt und ſich den politiſch<lb/> verantwortlichen Stellen zur Verfügung ſtellt.</p><lb/> <p>Bei dem ſich anſchließenden</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Feſtabend</hi> </p><lb/> <p>begrüßte der Vorſitzende des Bundes, der frühere<lb/> Reichskanzler Dr. <hi rendition="#g">Luther,</hi> die Erſchienenen.<lb/> An Stelle des plötzlich erkrankten Grafen von<lb/> Riedern ſprach der Geſchäftsführer des Bundes,<lb/> Oberregierungsrat a. D. <hi rendition="#g">Adametz,</hi> an Hand<lb/> des Manuſkripts des Grafen von Riedern über<lb/> die Probleme der Reichsreform. Er ging zu-<lb/> nächſt noch einmal auf die Bundesſchrift „Reich<lb/> und Länder“ ein und wandte ſich dann den<lb/> Haupteinwänden gegen die Vorſchläge des Bun-<lb/> des zu, die man in die Schlagworte „Zwiſchen-<lb/> löſung, Mainlinie und Zerſchlagung Preußens“<lb/> zuſammenfaſſen könne. Er betonte dabei, daß es<lb/> in keiner Verfaſſungs- und Verwaltungsfrage<lb/> eine politiſche Endlöſung geben könne. Gegen-<lb/> über dem Haupteinwand einer neuen Belebung<lb/> der Mainlinie durch den Vorſchlag des Bundes<lb/> wies der Vortragende darauf hin, daß dieſer</p><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#b">nichts enthalte, was gegenüber dem heutigen<lb/> Zuſtand den Süden ſtärker vom Norden<lb/> trenne.</hi> </p><lb/> <p>Hingegen ſehe er eine bedenkliche Wolke zwi-<lb/> ſchen dem Norden und Süden heraufziehen, wenn<lb/> man die kleinen und leiſtungsſchwachen Länder<lb/> zum mehr oder weniger freiwilligen Anſchluß<lb/> an Preußen nötige und dieſem Großpreußen<lb/> ohne jede organiſche Verbindung mit dem Reich<lb/> dann nur noch Sachſen, Bayern, Württemberg<lb/> und Baden gegenüberſtänden, die im Reichsrat<lb/> mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit Großpreußen<lb/> überſtimmen würden. Daß der Uebergang der<lb/> Staatsgewalt Preußens in die Hände des Reiches<lb/> keine Zerſchlagung Preußens bedeute, ſei ja ſchon<lb/> in der Denkſchrift begründet.</p><lb/> <p>In der darauffolgenden</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Debatte</hi> </hi> </p><lb/> <p>beteiligte ſich u. a. Landesrat <hi rendition="#g">Kitz</hi> - Düſſeldorf,<lb/> der vor allem darauf hinwies, daß man die Ver-<lb/> waltungsreform niemals von der Verfaſſungs-<lb/> reform trennen könne. Weiter ſprach Freiherr<lb/><hi rendition="#g">von Wilmowſky</hi> als Vertreter der Land-<lb/> wirtſchaft.</p><lb/> <p>Ferner ſprach noch der frühere bayeriſche<lb/> Miniſter <hi rendition="#g">Schweyer,</hi> der, obwohl er betonte,<lb/> gegenüber der Bundesdenkſchrift einige Vorbe-<lb/> halte erheben zu müſſen, dennoch</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">die Arbeit des Bundes gerade als Süd-<lb/> deutſcher lebhaft begrüßte,</hi> </hi> </p><lb/> <p>und der Hamburger Bürgermeiſter Dr. <hi rendition="#g">Peter-<lb/> ſen,</hi> der ſich entſprechend ſeiner bisherigen Hal-<lb/> tung noch einmal ganz beſonders für die Arbei-<lb/> ten des Bundes einſetzte.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die eigene Polizei der Nationalſozialiſten</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Verfehlungen von Parteiangehörigen finden beſondere Behandlung</hi> </p> </argument><lb/> <cb/> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 18. Januar.</dateline><lb/> <p>Bei Verfolgung einer beim Polizeipräſi-<lb/> dium Berlin erſtatteten Anzeige ſind eigen-<lb/> artige, an die mittelalterliche Juſtiz er-<lb/> innernde Zuſtände bei der Berliner Gau-<lb/> leitung der nationalſozialiſtiſchen deutſchen<lb/> Arbeiterpartei aufgedeckt worden. So hatte<lb/> die Gauleitung einen</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Sonderdienſt zur Bearbeitung von<lb/> Verfehlungen</hi> </hi> </p><lb/> <p>eingerichtet, die innerhalb der Partei durch<lb/> Parteiangehörige begangen wurden, und<lb/> für dieſen Dienſt u. a. einen ehemaligen Kri-<lb/> minalbeamten Löffner aufgenommen, der<lb/> wegen Körperverletzung und Freiheitsberau-<lb/> bung aus dem Dienſt entlaſſen worden war.<lb/> Löffner hat nun gemeinſam mit dem Kaſ-<lb/> ſierer der N.S.D.A.P. am 9. dieſes Monats<lb/> einen wegen geringfügiger Unterſchlagungen<lb/> von der Partei verfolgten 18jährigen Men-<lb/> ſchen auf der Straße feſtgenommen, mit<lb/> einem Kraftwagen zum Gaubüro der<lb/> N.S.D.A.P. transportiert und dort bis zum<lb/> nächſten Morgen unter Bewachung feſtge-<lb/> halten.</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Der mit der Bewachung beauſtragte<lb/> Nationalfozialiſt lud vor den Augen des<lb/> Feſtgenommenen eine Piftole.</hi> </hi> </p><lb/> <p>Später hielten ſich in dem Zimmer andere<lb/> Nationalſozialiſten auf, um eine Flucht zu<lb/> verhindern. Am nächſten Morgen nahm<lb/><cb/> Löffner zwei Protokolle mit dem „Beſchul-<lb/> digten“ in der bei der Polizei üblichen Form<lb/> auf und übergab ſie ſeinem Gauführer, dem<lb/> Abgeordneten Dr. Göbbels. Dieſer machte<lb/> den jungen Mann in Gegenwart ſeines Pri-<lb/> vatſekretärs und Geſchäftsführer Wilke Vor-<lb/> haltungen und verpflichtete ihn zur Ver-<lb/> ſchwiegenheit. Dann erſt durfte der Feſt-<lb/> genommene das Büro verlaſſen. Die Poli-<lb/> zei nahm in dem Wohnraum, der dem mit<lb/> der Ueberwachung betraut geweſenen Na-<lb/> tionalſozialiſten von der N.S.D.A.P. zur<lb/> Verfügung geſtellt worden iſt, eine Durch-<lb/> ſuchung vor, bei der zwei geladene Mehr-<lb/> ladepiſtolen beſchlagnahmt und ebenſo die<lb/> Durchſchläge der mit dem jungen Mann<lb/> aufgenommenen Protokolle ſichergeſtellt<lb/> wurden.</p><lb/> <p>Gegen ſämtliche beteiligten Perſonen iſt ein</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Verfahren wegen Amtsanmaßung, Frei-<lb/> heitsberaubung, Nötigung und Bedro-<lb/> hung bzw. Beihilfe eingeleitet</hi> </hi> </p><lb/> <p>worden. Auch ſind alle Beteiligten mit<lb/> Ausnahme des durch ſeine Immunität ge-<lb/> ſchützten Abgeordneten vorläufig feſtgenom-<lb/> men worden. Sie werden dem Verneh-<lb/> mungsrichter zugeführt werden.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Verwegener Raubüberfall in Neuyork.</hi> </head><lb/> <p>In der vornehmen Parkavenue wurde geſtern<lb/> vormittag ein verwegener Raubüberfall auf ein<lb/> Juweliergeſchäft ausgeführt. Fünf bewaffnete<lb/> junge Burſchen drangen in das Geſchäft ein, ent-<lb/> waffneten den Privatdetektiv des Geſchäftes, kne-<lb/> belten die übrigen fünf Perſonen, die ſich im La-<lb/> den befanden und ſperrten ſie in einem Hinter-<lb/> raum ein. Sodann plünderten ſie den Laden, nah-<lb/> men Schmuckſachen, und zwar hauptſächlich Dia-<lb/> manten im Werte von 200 000 Dollar an ſich und<lb/> entkamen. Mehrere Solitäre im Werte von<lb/> 500 000 Dollar hatten die Banditen in der Eile<lb/> überſehen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Seite 2 „AZ am Abend“ Nr. 15 Freitag, den 18. Januar
Sozialdebatte im Landtag
Soziale Fürſorge und Schmarotzertum
Die Redner der Parteien * Tumult auf der Tribüne
München, 18. Januar.
Die Ausſprache eröffnete Abg. Konrad
(B. Vpt.). Eingehend befaßte ſich Redner
mit Lohnfragen und bezeichnete den Spruch
des Reichsinnenminiſters Severing im letz-
ten Ruhrkampf als ſchwere Enttäuſchung
für die Arbeiterſchaft. Willkürliche Preis-
bildungen einſeitiger Intereſſentengruppen
brächten viel größere Gefahren als ſie je-
mals durch die Lohnpolitik auch unter ſtärk-
ſter Förderung des Staates erwachſen kön-
nen.
Der Sozialdemokrat Timm beſchäftigte
ſich mit den Ausführungen des Miniſter-
präſidenten bei der Behandlung des Han-
delsetats zur Sozialpolitik. Er vermißt
darin das notwendige ſoziale Verſtändnis,
insbeſondere in den Bemerkungen des Mi-
niſterpräſidenten über die ſozialen Laſten.
In der Bemerkung des Miniſter-
präſidenten, wo Opfer gebracht werden
müſſen, dann müſſen ſie alle miteinander
bringen, ſei der Vorwurf zu erblicken, als
ob die Arbeiter keine Opfer brächten. Das
müſſe auf das ſchärfſte zurückgewieſen wer-
den, da die Arbeiter die ſchwerſten Opfer
bringen würden. Während ihnen bei der
Lohnzahlung jeder Pfennig abgezogen
würde, blieben leiſtungsfähige Schichten mit
Hunderten, ja Tauſenden von Steuern rück-
ſtändig.
Zu Beginn der
Donnerstag-Nachmittagsſitzung hatte
der Bayeriſche Bauernbund als Redner den
Abg. Wartner herausgeſtellt, der gegen-
über dem ſozialdemokratiſchen Vorwurf,
Staatsminiſter Fehr habe auch nicht ein-
mal Ausſchußſitzungen beigewohnt, in denen
Fragen der Abteilung Arbeit erörtert
wurden, erklärte, Dr. Fehr ſei deswegen
nicht erſchienen, um die beſondere Stellung
des Staatsſekretärs Oswald zum Ausdruck
zu bringen, die doch auch von den Sozial-
demokraten verlangt werde. Redner wandte
ſich gegen die Ueberſpannung der ſozialen
Verſicherungsgeſetzgebung, die unerträglich
ſei. Die Arbeitsloſenverſicherung habe zur
Steigerung der Landflucht beigetragen. Der
Deutſchnationale Frühwald betonte eben-
falls die Unmöglichkeit für weitere Kreiſe
der Bevölkerung, die immer mehr anſchwel-
lenden Koſten für die Sozialverſicherung im
allgemeinen und die Erwerbsloſenfürſorge
im beſonderen zu tragen, wenn auch die er-
werbsloſen Arbeitswilligen zweifellos An-
ſpruch auf Hilfe hätten. Abg. Grimm
(Natſoz.) ſetzte ſich in der Hauptſache mit
den Sozialdemokraten auseinander und
kritiſierte die Reparationspolitik. Die Be-
ſteuerung der Banken und des Börſenver-
kehrs eröffneten neue ausgiebige Steuer-
quellen. Abg. Büchs (Komm.) polemi-
ſierte gegen die Vertreter der bürgerlichen
Parteien wegen ihrer Kritik an der Ar-
beitsloſenverſicherung, und erhob dann
ſcharfe Angriffe auf die Sozialpolitik in
Bayern. Eine Aenderung der ſozialen Ver-
hältniſſe könne nur durch den Sturz der
kapitaliſtiſchen Wirtſchaftsordnung herbeige-
führt werden.
Namens der Deutſchen Volkspartei gab
Abg. Bayer bei den Erörterungen zum
Sozialetat eine Erklärung ab, der wir ent-
nehmen:
Seitdem der Krieg, der Umſturz
und der Zuſammenbruch unſerer Währung
einen großen Teil des deutſchen Volkes in
Verarmung, Krankheit und Arbeitsloſig-
gebracht haben, ſind die ſozialen Fürſorge-
pflichten der öffentlichen Körperſchaften ge-
wachſen. Die ſoziale Fürſorge darf aber
nicht zur Plage werden und muß vor Ueber-
treibungen und Mißbrauch geſchützt wer-
den, ſonſt vermehrt ſich das Schmarotzertum
und der ehrlich ſchaffende Menſch leidet dar-
unter und kommt in Nachteil. Die ſoziale
Fürſorge darf aber nicht zur drückenden
Belaſtung der deutſchen Wirtſchaft werden
und darf nicht dort Verantwortlichkeiten
wegnehmen, wo der Grundſatz gelten muß,
„ſelbſt iſt der Mann“.
Die Hauszinsſteuerbeträge
müſſen ſo verwendet werden, daß ſie mit-
wirken an dem Abbau der Wohnungs-
zwangswirtſchaft. Das Eigenkapital
muß einen Anſporn zur Bautätigkeit er-
halten. Deswegen müſſen Bauzuſchüſſe
auch den Privaten mit größerem Eigen-
kapital gegeben werden.
Beim Schlichtungsweſen iſt jede
einſeitige Haltung fernzuhalten. Ich bin für
weitgehenden perſönlichen Schutz des Arbei-
ters im Betrieb. Doch darf die Gewerbe-
aufſicht in dem Unternehmer nicht einen
Feind ſehen, ſondern muß deren Rechte und
wirtſchaftliche Lage berückſichtigen.
Bei der produktiven Erwerbsloſenfür-
ſorge bedauern wir, daß Bayern nicht in
der Lage iſt, nennenswerte Beträge aufzu-
weiſen, ſo daß der bayeriſchen Arbeiterſchaft
und der bayeriſchen Wirtſchaft Millionen
verloren gehen, die anderen Ländern aus
Reichsmitteln zur Verfügung ſtehen, weil
dieſe in ihrem Haushalt dafür Mittel aus-
geworfen haben.
Zum Schluſſe gebe ich dem Bedauern
Ausdruck, daß es in Bayern nicht möglich
war, für die Fragen des Unternehmertums
wie der Arbeitnehmer ein einheitliches ein-
ziges Wirtſchaftsminiſterium zu ſchaffen.
Die Abteilung Handel vom Miniſterium des
Aeußern ſoll der bayeriſchen Wirtſchaft
Aufträge zukommen ſaſſen, das Sozialmini-
ſterium hingegen verfügt über das Geld.
Ich habe auch den Eindruck, als ob durch
die Stellung des Staatsſekretärs für Arbeit,
überhaupt durch die bisherigen ſogenannten
Vereinfachungsmaßnahmen in der Eintei-
lung der Miniſterien nur eine Erſchwe-
rung des Verkehrs zwiſchen dem
früheren Landwirtſchaftsminiſterium und
dem früheren Sozialminiſterium eingetreten
iſt.
_ Erwerbsloſe im Landtag
Räumung der Tribüne
München, 18. Januar.
In der geſtrigen Sitzung des Landtages
mit ihrer Debatte über die ſozialen Fragen
hatten ſich zahlreiche Erwerbsloſe kommu-
niſtiſcher Richtung eingefunden, auf die der
Abg. Büchs ſeine agitatoriſchen Ausführun-
gen einſtellte. Die Tribünenbeſucher klatſch-
ten wiederholt Beifall, was den Vizepräſi-
denten Hartmann veranlaßte, die Räu-
mung der Tribüne anzudrohen. Als nach
dem Schluß der Rede Büchs der Beifall ſich
wiederholte, hob Präſident Dr. Königbauer
die Sitzung auf 10 Minuten auf und gab
der Polizei Weiſung, die Demonſtranten aus
dem Saal zu führen und ihre Perſonalien
feſtzuſtellen. Da dies nicht möglich war,
veranlaßte der Präſident nach Wiederauf-
nahme der Sitzung die völlige Räumung der
Tribünen, die dann durch Kriminalbeamte
vorgenommen wurde und ohne Zwiſchenfall
verlief.
Büchs kündigte übrigens an, daß er am
Freitag als Führer einer Deputation von
Erwerbsloſen bei den einzelnen Fraktionen
vorſprechen und dieſen Gelegenheit geben
wolle, ihre Kritik an der Arbeitsloſenver-
ſicherung gegenüber den Erwerbsloſen un-
mittelbar zu vertreten.
Reichsratsbeſchlüſſe
Leſſing-Silbermünzen
Berlin, 18. Januar.
Gegen die Stimmen von Bayern, Würt-
temberg und Weſtfalen nahm der Reichsrat
den Entwurf eines Arbeitsſchutzge-
ſetzes an. Die Vertreter Bayerns und
Württembergs erklärten ſich gegen die Vor-
lage, namentlich wegen der Eingriffe in die
Landeshoheit. Ferner genehmigte der
Reichsrat ein Geſetz über die Enteignung
von Grundbeſitz in Schleſien zur Anlage
eines Staubeckens bei Ottmachau.
Der Reichsrat erklärte ſich auch damit ein-
verſtanden, daß gelegentlich des 200jährigen
Geburtstages Leſſings Reichsſilber-
münzen als Gedenkmünzen aus-
geprägt werden mit dem Kopf Leſſings.
Endlich wurde ein Geſetzentwurf angenom-
men, der bezweckt, die übergroße Zahl der
Wartegeldsempfänger herabzuſetzen, evtl.
auch die Zahl der Zwangspenſionen.
_
Reichskabinett
billigt Hilferdings Vorſchläge
Der Reichshaushalt vom Kabinett verabſchiedet * Nur kleinere Abänderungen
Berlin, 18. Januar.
Das Reichskabinett verabſchiedete den
Reichshaushalt und die ſeine Deckung be-
treffenden Vorlagen. Er wird unverzüglich
dem Reichsrat bzw. dem Reichswirtſchaftrat
zugeleitet werden.
Dazu berichten die Blätter:
Nachdem im Reichskabinett die Beratun-
gen zu Ende geführt worden ſind, werden
vorausſichtlich heute offizielle Mitteilungen
über die Einzelheiten des Haushaltsplanes
folgen. Das Ergebnis der Beratungen iſt
durchaus im Sinne einer grundfätz-
lichen Billigung der Hilferdingſchen
Vorſchläge
zuſtandegekommen. Man hat ſich bei den
einzelnen Etatpoſitionen auf kleinere Ab-
änderungen beſchränkt, während dem Haus-
haltsvoranſchlag in ſeiner Geſamtheit in
allen weſentlichen Punkten zugeſtimmt
wurde.
Die lange Dauer der Kabinettsberatungen
erklärt ſich daraus, daß
die einzelnen Reſſortminiſter mit großer
Energie die Forderungen ihres Etats
durchzuſetzen vermochten.
In der letzten Sitzung wurden ſchließlich
Fragen grundſätzlicher Natur erörtert, die
ſich auf die Etatgebarung im allgemeinen
erſtreckten. Neben den geringfügigen Aende-
rungen im Etat ſelbſt hat das Kabinett auch
einige Beſchlüſſe gefaßt. Dieſen Entſchließun-
gen kommt aber im weſentlichen nur for-
male Bedeutung zu.
Bund zur Erneuerung des Reiches
Jahresmitgliederverſammlung und Feſtabend
Berlin, 18. Januar.
In der geſtrigen erſten
Jahresmitgliederverſammlung des Bundes zur
Erneuerung des Reiches wurde einſtimmig
eine Entſchließung angenommen,
in der es heißt, daß der Bund für eine
Gefamtlöſung der Reichsreform
eintritt, die ſowohl Norddeutſchland wie Süd-
deutſchland umfaßt, jedoch der geſchichtlichen Ent-
wicklung in den verſchiedenen Reichsteilen und
dem Beſtehenden, das lebenskräftig iſt, Rechnung
trägt. Damit, ſo heißt es, ſtehe der Bund auf
der Seite der ſogenannten „differenzierenden
Endlöſung“. Zum Schluß wird betont, daß der
Bund ſeine Arbeit fortſetzt und ſich den politiſch
verantwortlichen Stellen zur Verfügung ſtellt.
Bei dem ſich anſchließenden
Feſtabend
begrüßte der Vorſitzende des Bundes, der frühere
Reichskanzler Dr. Luther, die Erſchienenen.
An Stelle des plötzlich erkrankten Grafen von
Riedern ſprach der Geſchäftsführer des Bundes,
Oberregierungsrat a. D. Adametz, an Hand
des Manuſkripts des Grafen von Riedern über
die Probleme der Reichsreform. Er ging zu-
nächſt noch einmal auf die Bundesſchrift „Reich
und Länder“ ein und wandte ſich dann den
Haupteinwänden gegen die Vorſchläge des Bun-
des zu, die man in die Schlagworte „Zwiſchen-
löſung, Mainlinie und Zerſchlagung Preußens“
zuſammenfaſſen könne. Er betonte dabei, daß es
in keiner Verfaſſungs- und Verwaltungsfrage
eine politiſche Endlöſung geben könne. Gegen-
über dem Haupteinwand einer neuen Belebung
der Mainlinie durch den Vorſchlag des Bundes
wies der Vortragende darauf hin, daß dieſer
nichts enthalte, was gegenüber dem heutigen
Zuſtand den Süden ſtärker vom Norden
trenne.
Hingegen ſehe er eine bedenkliche Wolke zwi-
ſchen dem Norden und Süden heraufziehen, wenn
man die kleinen und leiſtungsſchwachen Länder
zum mehr oder weniger freiwilligen Anſchluß
an Preußen nötige und dieſem Großpreußen
ohne jede organiſche Verbindung mit dem Reich
dann nur noch Sachſen, Bayern, Württemberg
und Baden gegenüberſtänden, die im Reichsrat
mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit Großpreußen
überſtimmen würden. Daß der Uebergang der
Staatsgewalt Preußens in die Hände des Reiches
keine Zerſchlagung Preußens bedeute, ſei ja ſchon
in der Denkſchrift begründet.
In der darauffolgenden
Debatte
beteiligte ſich u. a. Landesrat Kitz - Düſſeldorf,
der vor allem darauf hinwies, daß man die Ver-
waltungsreform niemals von der Verfaſſungs-
reform trennen könne. Weiter ſprach Freiherr
von Wilmowſky als Vertreter der Land-
wirtſchaft.
Ferner ſprach noch der frühere bayeriſche
Miniſter Schweyer, der, obwohl er betonte,
gegenüber der Bundesdenkſchrift einige Vorbe-
halte erheben zu müſſen, dennoch
die Arbeit des Bundes gerade als Süd-
deutſcher lebhaft begrüßte,
und der Hamburger Bürgermeiſter Dr. Peter-
ſen, der ſich entſprechend ſeiner bisherigen Hal-
tung noch einmal ganz beſonders für die Arbei-
ten des Bundes einſetzte.
Die eigene Polizei der Nationalſozialiſten
Verfehlungen von Parteiangehörigen finden beſondere Behandlung
Berlin, 18. Januar.
Bei Verfolgung einer beim Polizeipräſi-
dium Berlin erſtatteten Anzeige ſind eigen-
artige, an die mittelalterliche Juſtiz er-
innernde Zuſtände bei der Berliner Gau-
leitung der nationalſozialiſtiſchen deutſchen
Arbeiterpartei aufgedeckt worden. So hatte
die Gauleitung einen
Sonderdienſt zur Bearbeitung von
Verfehlungen
eingerichtet, die innerhalb der Partei durch
Parteiangehörige begangen wurden, und
für dieſen Dienſt u. a. einen ehemaligen Kri-
minalbeamten Löffner aufgenommen, der
wegen Körperverletzung und Freiheitsberau-
bung aus dem Dienſt entlaſſen worden war.
Löffner hat nun gemeinſam mit dem Kaſ-
ſierer der N.S.D.A.P. am 9. dieſes Monats
einen wegen geringfügiger Unterſchlagungen
von der Partei verfolgten 18jährigen Men-
ſchen auf der Straße feſtgenommen, mit
einem Kraftwagen zum Gaubüro der
N.S.D.A.P. transportiert und dort bis zum
nächſten Morgen unter Bewachung feſtge-
halten.
Der mit der Bewachung beauſtragte
Nationalfozialiſt lud vor den Augen des
Feſtgenommenen eine Piftole.
Später hielten ſich in dem Zimmer andere
Nationalſozialiſten auf, um eine Flucht zu
verhindern. Am nächſten Morgen nahm
Löffner zwei Protokolle mit dem „Beſchul-
digten“ in der bei der Polizei üblichen Form
auf und übergab ſie ſeinem Gauführer, dem
Abgeordneten Dr. Göbbels. Dieſer machte
den jungen Mann in Gegenwart ſeines Pri-
vatſekretärs und Geſchäftsführer Wilke Vor-
haltungen und verpflichtete ihn zur Ver-
ſchwiegenheit. Dann erſt durfte der Feſt-
genommene das Büro verlaſſen. Die Poli-
zei nahm in dem Wohnraum, der dem mit
der Ueberwachung betraut geweſenen Na-
tionalſozialiſten von der N.S.D.A.P. zur
Verfügung geſtellt worden iſt, eine Durch-
ſuchung vor, bei der zwei geladene Mehr-
ladepiſtolen beſchlagnahmt und ebenſo die
Durchſchläge der mit dem jungen Mann
aufgenommenen Protokolle ſichergeſtellt
wurden.
Gegen ſämtliche beteiligten Perſonen iſt ein
Verfahren wegen Amtsanmaßung, Frei-
heitsberaubung, Nötigung und Bedro-
hung bzw. Beihilfe eingeleitet
worden. Auch ſind alle Beteiligten mit
Ausnahme des durch ſeine Immunität ge-
ſchützten Abgeordneten vorläufig feſtgenom-
men worden. Sie werden dem Verneh-
mungsrichter zugeführt werden.
Verwegener Raubüberfall in Neuyork.
In der vornehmen Parkavenue wurde geſtern
vormittag ein verwegener Raubüberfall auf ein
Juweliergeſchäft ausgeführt. Fünf bewaffnete
junge Burſchen drangen in das Geſchäft ein, ent-
waffneten den Privatdetektiv des Geſchäftes, kne-
belten die übrigen fünf Perſonen, die ſich im La-
den befanden und ſperrten ſie in einem Hinter-
raum ein. Sodann plünderten ſie den Laden, nah-
men Schmuckſachen, und zwar hauptſächlich Dia-
manten im Werte von 200 000 Dollar an ſich und
entkamen. Mehrere Solitäre im Werte von
500 000 Dollar hatten die Banditen in der Eile
überſehen.
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(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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