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Allgemeine Zeitung, Nr. 163, 11. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] reisten sie nach Stuttgart, wo Spohr zuerst Karl Maria v. Weber kennen
lernte, mit dem er bis zu dessen Tod stets in freundschaftlicher Verbindung
blieb. "Weber war damals Secretär bei einem Prinzen von Württemberg,
und trieb die Kunst nur als Dilettant. Dieß hinderte ihn aber nicht fleißig
zu componiren, und ich erinnere mich noch sehr gut damals als Muster von
Webers Arbeiten einige Nummern aus der Oper "der Beherrscher der
Geister" bei ihm gehört zu haben. Diese kamen mir aber, da ich gewohnt
war bei dramatischen Arbeiten stets Mozart als Maßstab anzulegen, so un-
bedeutend und dilettantenmäßig vor, daß ich nicht im entferntesten ahnte es
werde Weber einst gelingen können mit irgend einer Oper Aufsehen zu er-
regen."

Im Jahr 1808 hielt Napeleon den Fürstencongreß zu Erfurt. Um
jene Zeit übernachtete derselbe auch einmal im Schlosse zu Gotha, bei welcher
Gelegenheit Spohr mit seiner Gattin vor ihm spielte, und einige freundliche
Worte von ihm zu hören bekam. Dabei erzählt Spohr folgendes Erlebniß,
das auch jetzt wieder als lehrreiche Erinnerung an jene schmachvolle Zeit die-
nen kann. "Damals stand der Herzog von Gotha sehr in Gunst bei ihm,
und man hofste davon viel gutes für das Land. Später mußte er sie sich
aber durch irgend etwas verscherzt haben; denn es ereignete sich bei einer
späteren Durchreise des Kaisers eine Scene welche die Bewohner Gotha's mit
Ingrimm gegen den Tyrannen erfüllte. Man erwartete den Kaiser um 11
Uhr. Es war daher im Schloß Friedrichsthal, wo der Hof im Sommer
wohnte, ein Frühstück vorbereitet und der Hofstaat in Gala versammelt. Die
Postpferde warteten bereits angeschirrt im Schloßhof, um den Kaiser sogleich
nach eingenommenem Frühstück weiter zu befördern. Endlich ertönte oben am
Friedenstein der erste Salutschuß, deren bei jeder Durchreise des Kaisers 101
abgefeuert wurden. Bald darauf rollte sein Wagen heran. Der Herzog, vom
Hofstaat umgeben, stand entblößten Hauptes bereits am Gitterthor, nahte sich
demuthsvoll dem Wagen, und bat daß Se. kaiserl. Majestät geruhen wolle ein
Frühstück einzunehmen. Ein kurzes: non! und der Befehl an den Mame-
luken die Pferde vorhängen zu lassen war die Antwort. Ohne den Herzog
weiter eines Wortes oder eines Blickes zu würdigen, lehnte er sich im Wagen
zurück, und ließ den Fürsten in der peinlichsten Verlegenheit am geschlossenen
Schlage stehen. Der Herzog erblaßte vor innerem Grimm daß er sich in
Gegenwart seines Hofes und Volkes so beschimpft sah, und hatte dennoch
nicht den Muth sogleich ins Schloß zurückzukehren. So vergiengen in laut-
loser Stille fünf bis sechs fürchterlich lange Minuten, bis endlich die Pferde
angespannt waren. Bei dem ersten Anziehen derselben wurde der Kopf des
Kaisers noch einmal sichtbar, und mit einem kalten Nicken fuhr er von dan-
nen. Der Herzog kehrte wie vernichtet ins Schloß zurück, und die Bürger
äußerten laut ihre Wuth daß der übermüthige Corse ihren Fürsten so beschimpft
hatte."

Wir schließen hiermit die Anzeige dieser ebenso anziehenden als lehr-
reichen Biographie; denn der Raum gestattet uns nicht alles Interessante
auch nur in allgemeinen Umrissen bier mitzutheilen, und viele Leser dieser
Blätter werden sich schwerlich den Genuß versagen die Fortsetzung im Buch
selbst nachzulesen.



Franz von Sickingen,

ein erzählendes Gedicht aus dem Reformationszeitalter, von Paul Pressel,
Leipzig 1860.

Es wird hier der Versuch gemacht in einem dichterischen Bilde das
glänzende Leben und das tragische Ende jenes ächten deutschen Ritters zu
schildern, der im Kampfe gegen die wachsende Fürstengewalt den frühen Unter-
gang fand, voll Begeisterung für die Sache der jungen Reformation, voll
Hingebung und umfassender Gedanken für die Erneuerung des deutschen
Volks und Reichs. Indem er diese beiden Ziele, das politische und das
religiöse, zugleich ins Auge gefaßt hat, ist er dem Schicksal nicht entgangen
daß die Aufgabe größer war als der Mann der sie sich zu stellen vermaß,
und sein Ende erfüllt so von selbst nicht bloß die Möglichkeit der Geschichte,
sondern auch die tragische Gerechtigkeit. Es ist an sich klar wie gut gewählt
der künstlerische Stoff ist den hier die große Vergangenheit unsers Volks der
Hand des Verarbeitenden bietet. Hat er schon früher den Griffel in Bewe-
gung gesetzt und Menzels charaktervolle Zeichnung ins Leben gerufen, so ist
nun hier auch die erzählende Poesie an ihn herangetreten. In einer Anzahl glück-
licher lebendiger Scenen werden uns Männer dieser großen Zeit vorgeführt,
wie sie um Sickingen sich sammelten: der seine Melanchthon, der stürmische
Hutten, der milde Aquila, vor allen der tüchtige edle Sinn des Haupthelden
selbst -- mitten in dem Gähren und Wogen in das die neuen Ideen, wie sie
von dem aus der Ferne wirkenden Luther ausgegangen waren, sie versetzt
hatten. Der Ton jener Tage mit seinem derben Colorit durch weht das Ge-
dicht, das im würdigen Versmaß unsers alten Epos dahinschreitet, stark und
kräftig, gleich weit entfernt von Rohheit und Sentimentalität. Und neben die
ernsten Thaten historischer Vergangenheit sind freundliche Bilder zarten Natur-
lebens und idyllischen Glücks gestellt. Mit warmer Begeisterung ist der
[Spaltenumbruch] Dichter an sein Werk gegangen, die Gestalt seines Helden wird uns herzlich
vertraut, und tief ergriffen verlassen wir die Leiche des befreundeten edlen
Todten. Das deutsche Publicum wird diesem Stoff um so eher sein Inter-
esse schenken, und das Buch mit freundlicher Aufnahme begrüßen, als es eine
Zeit vor Augen stellt die in eben so gewaltigen Wehen lag wie die unsrige,
eine Zeit wo der innere und der äußere Feind, die Frage der politischen Welt-
stellung und die der innern Wiedergeburt, unser Vaterland zumal bewegte,
und die Sorge des Patrioten rege machte wie heute.



Katholische und protestantische Stimmen aus Baden.

Die Karlsruher Ztg. schreibt: Es er-
scheint uns als ein etwas gewissenloses Unterfangen, was gegenwärtig
mit den Adressen der Landeapitel an den Erzbischof getrieben wird. Wenn
man in denselben einen schlimmen Sinn finden will, so kann man daraus le-
sen daß die Unterzeichner nur auf einen Aufruf zur Untreue gegen ihren er-
lauchten Fürsten und die Gesetze ihres Vaterlandes warten, um sofort sich zu
empören. Der loyale Schein, unter dem dieß geschieht, hat dabei eher etwas
beleidigendes als etwas loyales an sich. Man ist versucht denen welche
diese Agitation leiten, den Rath zu geben ihre möglichen Folgen zu bedenken.
Die Bedeutung dieser Adressen ist selbst für die Partei welche dieselben veran-
laßt, zu gering um die Einbuße an dem sittlichen Vertrauen zu ersetzen welche
auf diesem Wege zum Nachtheil der Geistlichkeit gemacht wird, und zugleich
die Verantwortlichkeit für die Folgen auszugleichen welche bei aller Nachsicht
der Regierung doch möglicher Weise ein fortgesetztes Gebahren dieser Art her-
beiführen könnte. Der Entwurf des Gesetzes über die Bestrafung von Amts-
mißbräuchen der Geistlichen erregt Mißbehagen bei vielen derselben. Ist es
nicht unklug im jetzigen Augenblick die Beweise selbst zu liefern daß derselbe
sogar in seinen strengsten Bestimmungen eine Berechtigung in Anspruch neh-
men kann?

Gilt die badische Convention mit
dem päpstlichen Stuhle noch, oder ist sie aufgehoben? So kann man auch
jetzt noch fragen nach der Vorlage der neuesten Gesetzentwürfe über die Kirchen-
frage. Man scheint besondern Grund zu haben diese formelle Frage etwas
in der Schwebe zu halten. Wenn diese Frage über die formelle Gültigkeit
der Convention noch im ungewissen seyn sollte, so ist dagegen als gewiß anzu-
nehmen daß, was die Verhältnisse der katholischen Kirche betrifft, die Conven-
tion in diesen neuen Gesetzen ihren "berechtigten Ausdruck," wenn man dar-
unter einen mit dem Geist und Inhalt der Convention übereinstimmenden
Ausdruck versteht, nicht gefunden hat, und daß es dem Ministerium nicht ge-
lungen ist auf eine befriedigende Weise die in der großherzogl. Proclamation
vom 7 April d. J. gegebene Verheißung in Erfüllung zu bringen, wornach
"der Grundsatz der Selbständigkeit der katholischen Kirche in Ordnung ihrer
Angelegenheit zur vollen Geltung gebracht" werden sollte. Dieß wird schon
ein kurzer Blick auf den ersten und den letzten der vorgelegten sechs Gesetzent-
würfe beweisen, auf welche beide allein wir uns hier beschränken wollen. In
dem ersten Gesetzentwurf (über die rechtliche Stellung der Kirchen und kirch-
lichen Vereine im Staat) ist zwar §. 7 der Grundsatz proclamirt: "Die ver-
einigte evangelisch-protestantische und die römisch katholische Kirche ordnen und
verwalten ihre Angelegenheiten frei und selbständig." Aber dieser Paragraph
wird durch ein entgegengesetztes Princip, welches gleichfalls in dasselbe Gesetz
aufgenommen worden ist, so wie durch einzelne Beschränkungen nicht bloß ab-
geschwächt, sondern man kann wirklich sagen wieder aufgehoben. Den Kirchen
ist nämlich §. 1 nur gewährleistet "das Recht öffentlicher Corporationen mit
dem Recht der öffentlichen Gottesverehrung." Die Lehre und Verfassung der
Kirche hat keine Gewährleistung gefunden. Im Gegentheil ist §. 13 geradezu
ausgesprochen: "Keine Kirche kann aus ihrer Verfassung oder ihren Verord-
nungen Befugnisse ableiten welche mit der Hoheit des Staats oder mit den
Staatsgesetzen im Widerspruch stehen." Mit diesem Satz und dessen mög-
licher, ja über kurz oder lang wahrscheinlicher Durchführung ist die ganze
Existenz der katholischen Kirche in Frage gestellt. Bei der großen Dehnbar-
keit des Begriffs der Staatshoheit, wie wir dieselbe von der Zeit des Rhein-
bundes an haben kennen gelernt, und je nach der wechselnden Richtung der
Ministerialreferenten und Kammermajoritäten, oder (wie man sich vornehmer
auszudrücken pflegt) "des modernen Staats," können solche Gesetze und Ver-
ordnungen gegeben werden welche die ganze Verfassung der katholischen Kirche
ändern, und die kirchlichen Regierungsrechte des Bischofs so beschränken, daß
er wirklich nur noch, wie man sich früher bekanntlich einmal ausdrückte, als
"Salber" belassen wird. Weiter ist §. 12 den Kirchen zwar die Befugniß
eingeräumt Bildungsanstalten für diejenigen zu errichten welche sich dem geist-
lichen Stande widmen. Aber dagegen alle Erziehungsanstalten, somit auch
diese, stehen unbedingt unter der Staatsaufsicht (§. 6); auch kann die Kirche
nicht für sich über ihr Vermögen verfügen, und hängt daher bei der Bestim-
mung des Maßes der Mittel für solche Anstalten von den Regierungs-
männern ab. Die Kirchenämter werden nach §. 8 zwar von den Kirchen
selbst verlichen; aber es darf nur an solche geschehen (§. 9) welche der Regie-

[Spaltenumbruch] reisten ſie nach Stuttgart, wo Spohr zuerſt Karl Maria v. Weber kennen
lernte, mit dem er bis zu deſſen Tod ſtets in freundſchaftlicher Verbindung
blieb. „Weber war damals Secretär bei einem Prinzen von Württemberg,
und trieb die Kunſt nur als Dilettant. Dieß hinderte ihn aber nicht fleißig
zu componiren, und ich erinnere mich noch ſehr gut damals als Muſter von
Webers Arbeiten einige Nummern aus der Oper „der Beherrſcher der
Geiſter“ bei ihm gehört zu haben. Dieſe kamen mir aber, da ich gewohnt
war bei dramatiſchen Arbeiten ſtets Mozart als Maßſtab anzulegen, ſo un-
bedeutend und dilettantenmäßig vor, daß ich nicht im entfernteſten ahnte es
werde Weber einſt gelingen können mit irgend einer Oper Aufſehen zu er-
regen.“

Im Jahr 1808 hielt Napeleon den Fürſtencongreß zu Erfurt. Um
jene Zeit übernachtete derſelbe auch einmal im Schloſſe zu Gotha, bei welcher
Gelegenheit Spohr mit ſeiner Gattin vor ihm ſpielte, und einige freundliche
Worte von ihm zu hören bekam. Dabei erzählt Spohr folgendes Erlebniß,
das auch jetzt wieder als lehrreiche Erinnerung an jene ſchmachvolle Zeit die-
nen kann. „Damals ſtand der Herzog von Gotha ſehr in Gunſt bei ihm,
und man hofſte davon viel gutes für das Land. Später mußte er ſie ſich
aber durch irgend etwas verſcherzt haben; denn es ereignete ſich bei einer
ſpäteren Durchreiſe des Kaiſers eine Scene welche die Bewohner Gotha’s mit
Ingrimm gegen den Tyrannen erfüllte. Man erwartete den Kaiſer um 11
Uhr. Es war daher im Schloß Friedrichsthal, wo der Hof im Sommer
wohnte, ein Frühſtück vorbereitet und der Hofſtaat in Gala verſammelt. Die
Poſtpferde warteten bereits angeſchirrt im Schloßhof, um den Kaiſer ſogleich
nach eingenommenem Frühſtück weiter zu befördern. Endlich ertönte oben am
Friedenſtein der erſte Salutſchuß, deren bei jeder Durchreiſe des Kaiſers 101
abgefeuert wurden. Bald darauf rollte ſein Wagen heran. Der Herzog, vom
Hofſtaat umgeben, ſtand entblößten Hauptes bereits am Gitterthor, nahte ſich
demuthsvoll dem Wagen, und bat daß Se. kaiſerl. Majeſtät geruhen wolle ein
Frühſtück einzunehmen. Ein kurzes: non! und der Befehl an den Mame-
luken die Pferde vorhängen zu laſſen war die Antwort. Ohne den Herzog
weiter eines Wortes oder eines Blickes zu würdigen, lehnte er ſich im Wagen
zurück, und ließ den Fürſten in der peinlichſten Verlegenheit am geſchloſſenen
Schlage ſtehen. Der Herzog erblaßte vor innerem Grimm daß er ſich in
Gegenwart ſeines Hofes und Volkes ſo beſchimpft ſah, und hatte dennoch
nicht den Muth ſogleich ins Schloß zurückzukehren. So vergiengen in laut-
loſer Stille fünf bis ſechs fürchterlich lange Minuten, bis endlich die Pferde
angeſpannt waren. Bei dem erſten Anziehen derſelben wurde der Kopf des
Kaiſers noch einmal ſichtbar, und mit einem kalten Nicken fuhr er von dan-
nen. Der Herzog kehrte wie vernichtet ins Schloß zurück, und die Bürger
äußerten laut ihre Wuth daß der übermüthige Corſe ihren Fürſten ſo beſchimpft
hatte.“

Wir ſchließen hiermit die Anzeige dieſer ebenſo anziehenden als lehr-
reichen Biographie; denn der Raum geſtattet uns nicht alles Intereſſante
auch nur in allgemeinen Umriſſen bier mitzutheilen, und viele Leſer dieſer
Blätter werden ſich ſchwerlich den Genuß verſagen die Fortſetzung im Buch
ſelbſt nachzuleſen.



Franz von Sickingen,

ein erzählendes Gedicht aus dem Reformationszeitalter, von Paul Preſſel,
Leipzig 1860.

⸪ Es wird hier der Verſuch gemacht in einem dichteriſchen Bilde das
glänzende Leben und das tragiſche Ende jenes ächten deutſchen Ritters zu
ſchildern, der im Kampfe gegen die wachſende Fürſtengewalt den frühen Unter-
gang fand, voll Begeiſterung für die Sache der jungen Reformation, voll
Hingebung und umfaſſender Gedanken für die Erneuerung des deutſchen
Volks und Reichs. Indem er dieſe beiden Ziele, das politiſche und das
religiöſe, zugleich ins Auge gefaßt hat, iſt er dem Schickſal nicht entgangen
daß die Aufgabe größer war als der Mann der ſie ſich zu ſtellen vermaß,
und ſein Ende erfüllt ſo von ſelbſt nicht bloß die Möglichkeit der Geſchichte,
ſondern auch die tragiſche Gerechtigkeit. Es iſt an ſich klar wie gut gewählt
der künſtleriſche Stoff iſt den hier die große Vergangenheit unſers Volks der
Hand des Verarbeitenden bietet. Hat er ſchon früher den Griffel in Bewe-
gung geſetzt und Menzels charaktervolle Zeichnung ins Leben gerufen, ſo iſt
nun hier auch die erzählende Poeſie an ihn herangetreten. In einer Anzahl glück-
licher lebendiger Scenen werden uns Männer dieſer großen Zeit vorgeführt,
wie ſie um Sickingen ſich ſammelten: der ſeine Melanchthon, der ſtürmiſche
Hutten, der milde Aquila, vor allen der tüchtige edle Sinn des Haupthelden
ſelbſt — mitten in dem Gähren und Wogen in das die neuen Ideen, wie ſie
von dem aus der Ferne wirkenden Luther ausgegangen waren, ſie verſetzt
hatten. Der Ton jener Tage mit ſeinem derben Colorit durch weht das Ge-
dicht, das im würdigen Versmaß unſers alten Epos dahinſchreitet, ſtark und
kräftig, gleich weit entfernt von Rohheit und Sentimentalität. Und neben die
ernſten Thaten hiſtoriſcher Vergangenheit ſind freundliche Bilder zarten Natur-
lebens und idylliſchen Glücks geſtellt. Mit warmer Begeiſterung iſt der
[Spaltenumbruch] Dichter an ſein Werk gegangen, die Geſtalt ſeines Helden wird uns herzlich
vertraut, und tief ergriffen verlaſſen wir die Leiche des befreundeten edlen
Todten. Das deutſche Publicum wird dieſem Stoff um ſo eher ſein Inter-
eſſe ſchenken, und das Buch mit freundlicher Aufnahme begrüßen, als es eine
Zeit vor Augen ſtellt die in eben ſo gewaltigen Wehen lag wie die unſrige,
eine Zeit wo der innere und der äußere Feind, die Frage der politiſchen Welt-
ſtellung und die der innern Wiedergeburt, unſer Vaterland zumal bewegte,
und die Sorge des Patrioten rege machte wie heute.



Katholiſche und proteſtantiſche Stimmen aus Baden.

Die Karlsruher Ztg. ſchreibt: Es er-
ſcheint uns als ein etwas gewiſſenloſes Unterfangen, was gegenwärtig
mit den Adreſſen der Landeapitel an den Erzbiſchof getrieben wird. Wenn
man in denſelben einen ſchlimmen Sinn finden will, ſo kann man daraus le-
ſen daß die Unterzeichner nur auf einen Aufruf zur Untreue gegen ihren er-
lauchten Fürſten und die Geſetze ihres Vaterlandes warten, um ſofort ſich zu
empören. Der loyale Schein, unter dem dieß geſchieht, hat dabei eher etwas
beleidigendes als etwas loyales an ſich. Man iſt verſucht denen welche
dieſe Agitation leiten, den Rath zu geben ihre möglichen Folgen zu bedenken.
Die Bedeutung dieſer Adreſſen iſt ſelbſt für die Partei welche dieſelben veran-
laßt, zu gering um die Einbuße an dem ſittlichen Vertrauen zu erſetzen welche
auf dieſem Wege zum Nachtheil der Geiſtlichkeit gemacht wird, und zugleich
die Verantwortlichkeit für die Folgen auszugleichen welche bei aller Nachſicht
der Regierung doch möglicher Weiſe ein fortgeſetztes Gebahren dieſer Art her-
beiführen könnte. Der Entwurf des Geſetzes über die Beſtrafung von Amts-
mißbräuchen der Geiſtlichen erregt Mißbehagen bei vielen derſelben. Iſt es
nicht unklug im jetzigen Augenblick die Beweiſe ſelbſt zu liefern daß derſelbe
ſogar in ſeinen ſtrengſten Beſtimmungen eine Berechtigung in Anſpruch neh-
men kann?

Gilt die badiſche Convention mit
dem päpſtlichen Stuhle noch, oder iſt ſie aufgehoben? So kann man auch
jetzt noch fragen nach der Vorlage der neueſten Geſetzentwürfe über die Kirchen-
frage. Man ſcheint beſondern Grund zu haben dieſe formelle Frage etwas
in der Schwebe zu halten. Wenn dieſe Frage über die formelle Gültigkeit
der Convention noch im ungewiſſen ſeyn ſollte, ſo iſt dagegen als gewiß anzu-
nehmen daß, was die Verhältniſſe der katholiſchen Kirche betrifft, die Conven-
tion in dieſen neuen Geſetzen ihren „berechtigten Ausdruck,“ wenn man dar-
unter einen mit dem Geiſt und Inhalt der Convention übereinſtimmenden
Ausdruck verſteht, nicht gefunden hat, und daß es dem Miniſterium nicht ge-
lungen iſt auf eine befriedigende Weiſe die in der großherzogl. Proclamation
vom 7 April d. J. gegebene Verheißung in Erfüllung zu bringen, wornach
„der Grundſatz der Selbſtändigkeit der katholiſchen Kirche in Ordnung ihrer
Angelegenheit zur vollen Geltung gebracht“ werden ſollte. Dieß wird ſchon
ein kurzer Blick auf den erſten und den letzten der vorgelegten ſechs Geſetzent-
würfe beweiſen, auf welche beide allein wir uns hier beſchränken wollen. In
dem erſten Geſetzentwurf (über die rechtliche Stellung der Kirchen und kirch-
lichen Vereine im Staat) iſt zwar §. 7 der Grundſatz proclamirt: „Die ver-
einigte evangeliſch-proteſtantiſche und die römiſch katholiſche Kirche ordnen und
verwalten ihre Angelegenheiten frei und ſelbſtändig.“ Aber dieſer Paragraph
wird durch ein entgegengeſetztes Princip, welches gleichfalls in dasſelbe Geſetz
aufgenommen worden iſt, ſo wie durch einzelne Beſchränkungen nicht bloß ab-
geſchwächt, ſondern man kann wirklich ſagen wieder aufgehoben. Den Kirchen
iſt nämlich §. 1 nur gewährleiſtet „das Recht öffentlicher Corporationen mit
dem Recht der öffentlichen Gottesverehrung.“ Die Lehre und Verfaſſung der
Kirche hat keine Gewährleiſtung gefunden. Im Gegentheil iſt §. 13 geradezu
ausgeſprochen: „Keine Kirche kann aus ihrer Verfaſſung oder ihren Verord-
nungen Befugniſſe ableiten welche mit der Hoheit des Staats oder mit den
Staatsgeſetzen im Widerſpruch ſtehen.“ Mit dieſem Satz und deſſen mög-
licher, ja über kurz oder lang wahrſcheinlicher Durchführung iſt die ganze
Exiſtenz der katholiſchen Kirche in Frage geſtellt. Bei der großen Dehnbar-
keit des Begriffs der Staatshoheit, wie wir dieſelbe von der Zeit des Rhein-
bundes an haben kennen gelernt, und je nach der wechſelnden Richtung der
Miniſterialreferenten und Kammermajoritäten, oder (wie man ſich vornehmer
auszudrücken pflegt) „des modernen Staats,“ können ſolche Geſetze und Ver-
ordnungen gegeben werden welche die ganze Verfaſſung der katholiſchen Kirche
ändern, und die kirchlichen Regierungsrechte des Biſchofs ſo beſchränken, daß
er wirklich nur noch, wie man ſich früher bekanntlich einmal ausdrückte, als
„Salber“ belaſſen wird. Weiter iſt §. 12 den Kirchen zwar die Befugniß
eingeräumt Bildungsanſtalten für diejenigen zu errichten welche ſich dem geiſt-
lichen Stande widmen. Aber dagegen alle Erziehungsanſtalten, ſomit auch
dieſe, ſtehen unbedingt unter der Staatsaufſicht (§. 6); auch kann die Kirche
nicht für ſich über ihr Vermögen verfügen, und hängt daher bei der Beſtim-
mung des Maßes der Mittel für ſolche Anſtalten von den Regierungs-
männern ab. Die Kirchenämter werden nach §. 8 zwar von den Kirchen
ſelbſt verlichen; aber es darf nur an ſolche geſchehen (§. 9) welche der Regie-

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[2723/0011] reisten ſie nach Stuttgart, wo Spohr zuerſt Karl Maria v. Weber kennen lernte, mit dem er bis zu deſſen Tod ſtets in freundſchaftlicher Verbindung blieb. „Weber war damals Secretär bei einem Prinzen von Württemberg, und trieb die Kunſt nur als Dilettant. Dieß hinderte ihn aber nicht fleißig zu componiren, und ich erinnere mich noch ſehr gut damals als Muſter von Webers Arbeiten einige Nummern aus der Oper „der Beherrſcher der Geiſter“ bei ihm gehört zu haben. Dieſe kamen mir aber, da ich gewohnt war bei dramatiſchen Arbeiten ſtets Mozart als Maßſtab anzulegen, ſo un- bedeutend und dilettantenmäßig vor, daß ich nicht im entfernteſten ahnte es werde Weber einſt gelingen können mit irgend einer Oper Aufſehen zu er- regen.“ Im Jahr 1808 hielt Napeleon den Fürſtencongreß zu Erfurt. Um jene Zeit übernachtete derſelbe auch einmal im Schloſſe zu Gotha, bei welcher Gelegenheit Spohr mit ſeiner Gattin vor ihm ſpielte, und einige freundliche Worte von ihm zu hören bekam. Dabei erzählt Spohr folgendes Erlebniß, das auch jetzt wieder als lehrreiche Erinnerung an jene ſchmachvolle Zeit die- nen kann. „Damals ſtand der Herzog von Gotha ſehr in Gunſt bei ihm, und man hofſte davon viel gutes für das Land. Später mußte er ſie ſich aber durch irgend etwas verſcherzt haben; denn es ereignete ſich bei einer ſpäteren Durchreiſe des Kaiſers eine Scene welche die Bewohner Gotha’s mit Ingrimm gegen den Tyrannen erfüllte. Man erwartete den Kaiſer um 11 Uhr. Es war daher im Schloß Friedrichsthal, wo der Hof im Sommer wohnte, ein Frühſtück vorbereitet und der Hofſtaat in Gala verſammelt. Die Poſtpferde warteten bereits angeſchirrt im Schloßhof, um den Kaiſer ſogleich nach eingenommenem Frühſtück weiter zu befördern. Endlich ertönte oben am Friedenſtein der erſte Salutſchuß, deren bei jeder Durchreiſe des Kaiſers 101 abgefeuert wurden. Bald darauf rollte ſein Wagen heran. Der Herzog, vom Hofſtaat umgeben, ſtand entblößten Hauptes bereits am Gitterthor, nahte ſich demuthsvoll dem Wagen, und bat daß Se. kaiſerl. Majeſtät geruhen wolle ein Frühſtück einzunehmen. Ein kurzes: non! und der Befehl an den Mame- luken die Pferde vorhängen zu laſſen war die Antwort. Ohne den Herzog weiter eines Wortes oder eines Blickes zu würdigen, lehnte er ſich im Wagen zurück, und ließ den Fürſten in der peinlichſten Verlegenheit am geſchloſſenen Schlage ſtehen. Der Herzog erblaßte vor innerem Grimm daß er ſich in Gegenwart ſeines Hofes und Volkes ſo beſchimpft ſah, und hatte dennoch nicht den Muth ſogleich ins Schloß zurückzukehren. So vergiengen in laut- loſer Stille fünf bis ſechs fürchterlich lange Minuten, bis endlich die Pferde angeſpannt waren. Bei dem erſten Anziehen derſelben wurde der Kopf des Kaiſers noch einmal ſichtbar, und mit einem kalten Nicken fuhr er von dan- nen. 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In einer Anzahl glück- licher lebendiger Scenen werden uns Männer dieſer großen Zeit vorgeführt, wie ſie um Sickingen ſich ſammelten: der ſeine Melanchthon, der ſtürmiſche Hutten, der milde Aquila, vor allen der tüchtige edle Sinn des Haupthelden ſelbſt — mitten in dem Gähren und Wogen in das die neuen Ideen, wie ſie von dem aus der Ferne wirkenden Luther ausgegangen waren, ſie verſetzt hatten. Der Ton jener Tage mit ſeinem derben Colorit durch weht das Ge- dicht, das im würdigen Versmaß unſers alten Epos dahinſchreitet, ſtark und kräftig, gleich weit entfernt von Rohheit und Sentimentalität. Und neben die ernſten Thaten hiſtoriſcher Vergangenheit ſind freundliche Bilder zarten Natur- lebens und idylliſchen Glücks geſtellt. Mit warmer Begeiſterung iſt der Dichter an ſein Werk gegangen, die Geſtalt ſeines Helden wird uns herzlich vertraut, und tief ergriffen verlaſſen wir die Leiche des befreundeten edlen Todten. 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Der loyale Schein, unter dem dieß geſchieht, hat dabei eher etwas beleidigendes als etwas loyales an ſich. Man iſt verſucht denen welche dieſe Agitation leiten, den Rath zu geben ihre möglichen Folgen zu bedenken. Die Bedeutung dieſer Adreſſen iſt ſelbſt für die Partei welche dieſelben veran- laßt, zu gering um die Einbuße an dem ſittlichen Vertrauen zu erſetzen welche auf dieſem Wege zum Nachtheil der Geiſtlichkeit gemacht wird, und zugleich die Verantwortlichkeit für die Folgen auszugleichen welche bei aller Nachſicht der Regierung doch möglicher Weiſe ein fortgeſetztes Gebahren dieſer Art her- beiführen könnte. Der Entwurf des Geſetzes über die Beſtrafung von Amts- mißbräuchen der Geiſtlichen erregt Mißbehagen bei vielen derſelben. Iſt es nicht unklug im jetzigen Augenblick die Beweiſe ſelbſt zu liefern daß derſelbe ſogar in ſeinen ſtrengſten Beſtimmungen eine Berechtigung in Anſpruch neh- men kann? †† Aus Baden, Anfangs Juni. Gilt die badiſche Convention mit dem päpſtlichen Stuhle noch, oder iſt ſie aufgehoben? So kann man auch jetzt noch fragen nach der Vorlage der neueſten Geſetzentwürfe über die Kirchen- frage. Man ſcheint beſondern Grund zu haben dieſe formelle Frage etwas in der Schwebe zu halten. Wenn dieſe Frage über die formelle Gültigkeit der Convention noch im ungewiſſen ſeyn ſollte, ſo iſt dagegen als gewiß anzu- nehmen daß, was die Verhältniſſe der katholiſchen Kirche betrifft, die Conven- tion in dieſen neuen Geſetzen ihren „berechtigten Ausdruck,“ wenn man dar- unter einen mit dem Geiſt und Inhalt der Convention übereinſtimmenden Ausdruck verſteht, nicht gefunden hat, und daß es dem Miniſterium nicht ge- lungen iſt auf eine befriedigende Weiſe die in der großherzogl. Proclamation vom 7 April d. J. gegebene Verheißung in Erfüllung zu bringen, wornach „der Grundſatz der Selbſtändigkeit der katholiſchen Kirche in Ordnung ihrer Angelegenheit zur vollen Geltung gebracht“ werden ſollte. Dieß wird ſchon ein kurzer Blick auf den erſten und den letzten der vorgelegten ſechs Geſetzent- würfe beweiſen, auf welche beide allein wir uns hier beſchränken wollen. In dem erſten Geſetzentwurf (über die rechtliche Stellung der Kirchen und kirch- lichen Vereine im Staat) iſt zwar §. 7 der Grundſatz proclamirt: „Die ver- einigte evangeliſch-proteſtantiſche und die römiſch katholiſche Kirche ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten frei und ſelbſtändig.“ Aber dieſer Paragraph wird durch ein entgegengeſetztes Princip, welches gleichfalls in dasſelbe Geſetz aufgenommen worden iſt, ſo wie durch einzelne Beſchränkungen nicht bloß ab- geſchwächt, ſondern man kann wirklich ſagen wieder aufgehoben. Den Kirchen iſt nämlich §. 1 nur gewährleiſtet „das Recht öffentlicher Corporationen mit dem Recht der öffentlichen Gottesverehrung.“ Die Lehre und Verfaſſung der Kirche hat keine Gewährleiſtung gefunden. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 163, 11. Juni 1860, S. 2723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine163_1860/11>, abgerufen am 29.05.2024.