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Allgemeine Zeitung, Nr. 164, 12. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Reisende sich prompter Beförderung erfreut bis -- Rorschach, wo er -- vor-
ausgesetzt daß er die bayerischen Schienenwege benützen muß, oder will -- um
halb 9 Uhr Abends angelangt, verbleibt, und durch das um halb 9 Uhr Mor-
gens des folgenden Tags abgehende Dampfschiff so spät nach Lindan ge-
bracht wird, daß er erst Nachmittags mit dem Schnellzug seine Reise fortsetzen
kann. Unter solchen Umständen ist es keineswegs zu verwundern wenn es der
Linie Augsburg Lindau so schwer fällt jener von Ulm-Friedrichshafen erfolg-
reiche Concurrenz zu machen. Nehmen wir an: zwei Kaufleute treten mit dem
Mittagspostzug von München ab eine Reise nach Mailand an, wovon der
eine die Route Ulm-Friedrichshafen, der andere Augsburg-Lindau wählt, so
langt der erstere fast 24 Stunden vor dem letztern dort an, wie ebenso bei
gleichzeitiger Abreise von Mailand der über Friedrichshafen und Ulm Zurück-
kehrende München fast schon erreicht hat, wenn der andere erst im Begriff ist
in Lindau den Wagen zu besteigen. Möchte der Zeitpunkt nicht mehr fern
seyn wo es der bayerischen Regierung durch Uebernahme des Betriebs der
Bodensee-Dampfschifffahrt gegönnt seyn wird solche in erster Linie stehende
Verkehrsinteressen nach Gebühr wahrnehmen zu können! Denn bisher gelang
es ihr, obgleich Actionärin der Gesellschaft, niemals für die Staatsbahn
durchgehends günstige Anschlüsse durchzusetzen.

Gr. Baden.

Gestern war König Ludwig
von Bayern in Begleitung des Regierungspräsidenten v. Hohe aus Speyer
hier, um den früher schon bestimmten Platz einzusehen auf welchem das Stand-
bild des verlebten Feldmarschalls Fürsten v. Wrede, das König Ludwig ihm
hier setzt, errichtet werden soll. Der Platz, an den neuen Anlagen in dem so-
genannten Arboretum, erfreute sich der vollen Zustimmung des Königs, und
so werden jetzt schon unter der Leitung eines ausgezeichneten Technikers die
nöthigen Borarbeiten gemacht. Die Enthüllung des Denkmals wird im August
stattfinden. Verschiedene deutsche Fürsten werden ihr beiwohnen. Es soll den
bohen Gästen zu Ehren unser allverehrter Fürst und Landesvater die hiesige
Schloßruine beleuchten lassen. König Ludwig reiste von hier über Speyer
nach seiner Villa bei Edenkoben, wo er 2 Monate zu verweilen gedenkt.
(Schw. M.)

Gr. Hessen.

Der Ministerpräsident, Frhr.
v. Dalwigk, rügte nach dem Fr. Journal in einer Tischrede am heutigen
Geburtstag des Großherzogs in offener Sprache die herrschenden Zwiespalte,
den Zwiespalt in politischer und in confessioneller Beziehung, als den gefähr-
lichsten Feind Deutschlands, weit gefährlicher als der äußere Feind, und
mahnte zur Eintracht, Duldung und Versöhnlichkeit. Bezeichnend erscheinen
namentlich die Worte: "Achtung vor jedem wahren Glauben, Freiheit der
religiösen Ueberzeugungen, Verzicht auf systematisches, bureaukratisches Miß-
trauen, auf polizeiliches Controliren einzelner Religionsbekenntnisse: das sey
der Grundsatz, der die Handlungen des Großherzogs und seiner Regierung
leite."

Thüringen.

Die Wochenschrift des National-
vereins sagt zur Erläuterung ihrer frühern Notiz über das Ansinnen des
"frere et tres humble serviteur:" Der erste der von uns bezeichneten Staa-
ten welcher die Thouvenel'sche Unverschämtheit mit Geschick und Glück an der
Schwelle zurückwies, ist ein unmittelbarer Nachbar Frankreichs, aber kein
Königreich; der zweite derselben, welcher sich auf die französische Forderung so
weit einließ daß er sie in einem entschuldigenden Schreiben ablehnte, ist das-
jenige Großherzogthum welches seiner Zeit allen übrigen deutschen Staaten,
und namentlich den beiden Großmächten, mit der Anerkennung des wieder-
hergestellten Napoleonismus vorauseilte.

K. Hannover.

Der scharfe Beschluß erster
Kammer, daß das Osnabrücker Domcapitel erst dann einen De putirten in die
zweite Kammer senden dürfe wenn die Vertretung der evangelischen Geist lich-
keit überhaupt anders geregelt sey, fand in dem andern Hause keine Billigung.
v. Bennigsen empfahl ihn warm, um die erste Kammer an ihrem Ge-
ständniß, daß eine Aenderung in der Zusammensetzung der Stände eiutreten
müsse, festzuhalten, doch die Rechte lehnte den Antrag ab. Die erste Kammer
hat heute nach langen heftigen Debatten mit 20 gegen 11 Stimmen beschlossen:
wegen der Petition des Magistrats der Residenz über Verletzung seiner ver-
fassungsmäßigen Rechte durch Octroyirung einer Polizeiordnung zur Tages-
ordnung überzugehen. (D. Bl.)

Nach verschiedenen Blättern ist ein Ausschreiben an die sämmtlichen
Postbehörden des Landes ergangen, um die Verbreitung der "Wochen-
schrift des Nationalvereins" zu erfahren. Ebenso habe man wegen der An-
zahl der bestellten Exemplare der Wochenschrist in den Buchhandlungen Er-
kundigungen eingezogen.

Preußen.

Der evangelische Kirchentag wird, nach
vorläufiger Bestimmung in den Tagen vom 11 bis 14 Sept. in Barmen ab-
gehalten werden. Gegenstände der Verhandlung werden seyn: 1) die große
Bedeutung des Alten Testaments für die christliche Erkenntniß und christliche
Bildung überhaupt; 2) die Stellung unserer weltlichen Litteratur zum
Christenthum und ihr Einfluß auf unsere Gesellschaft; 3) auf Veranlassung
[Spaltenumbruch] des Centralausschusses für innere Mission: über die Sammlung und Pflege
der lebendigen Glieder der Gemeinde; und über die Erziehung und Bewachung
der weiblichen Jugend in den Fabrikgegenden. (Die wirklichen Zeitfragen,
wie Civilehe, Dissidententhum etc. sind ausgeschlossen.)

Die Neue Preußische Zeitung bespricht heute die Frage der
Allianzen, welche wesentlich identisch sey mit der Frage nach der
Stellung Preußens zu der weitern Entwicklung der italienischen und der orien-
talischen Frage. Nachdem sie den Satz vorausgeschickt daß für jeden größern
Staat die Allianz mit einem minder mächtigen das heilsamste sey, fährt sie
fort: "Es ergibt sich hieraus daß wir bei unsern Allianzen mit den deutschen
Mittel- und Kleinstaaten beginnen, und von da weiter zu Oesterreich fort-
schreiten müssen. Haben wir auf diesem Weg dann ein Einverständniß auch
mit Oesterreich gewonnen, dann werden wir nicht allein in der Wahl unserer
fernern Allianzen frei und selbständig seyn, söndern das in dieser Weise ge-
einigte Deutschland wird auch die obschwebenden politischen Fragen in gewissem
Maß beherrschen. Insbesondere wird Preußen, welches unmittelbar eigene
Interessen weder in Italien noch in der Türkei zu vertreten hat, sich in der
vortheilhaften Lage befinden die Politik Oesterreichs an beiden Stellen nach
Maßgabe der eigenen Action des Wiener Cabinets unterstützen, und sowohl
die italienische als die orientalische Frage hauptsächlich in ihrer Bedeutung
und Rückwirkung für und auf Deutschland und Mitteleuropa behandeln zu
können. Selbstredend soll damit eine englische Allianz nicht ausgeschlossen
seyn, wenngleich zur Zeit nicht wohl abzusehen ist wie die Politik Englands
und Oesterreichs in Italien in Einklang zu setzen seyn möchte."

Die Reise des Prinz-Regenten nach dem äußer-
sten Westen, und unmittelbar darauf nach dem äußersten Osten, des Landes
hat den eben so erfreulichen als unwidersprechlichen Beweis geliefert daß die
unendlich größere Hälfte des preußischen Volkes in dem System der gegen-
wärtigen Regierung die ächte Hohenzollern-Politik erblickt. Der eine Ge-
danke daß fortan Recht Recht und die Verfassung eine Wahrheit bleibe,
stimmt zu gut zu den geschichtlichen Erinnerungen Preußens und dem schlichten
Unterthanenverstand des Volks, als daß nicht Liebe und Vertrauen, welche
durch die frühere Mißregierung in bedenklicher Weise untergraben worden
waren, in den weitesten Kreisen zurückkehrten. Die Partei der Mißvergnüg-
ten ist ebenso zusammengeschmolzen als sie früher groß war. Daß im Osten
des Landes der Empfang wärmer und begeisterter war als im Westen, hat
seinen natürlichen Grund in dem eigenthümlichen Charakter der Rheinpro-
vinzen, deren Bewohnern man übrigens einen gesunden deutschen Patriotis-
mus nicht absprechen kann. Dringend zu wünschen bleibt daß in einem Nach-
barlande die Wichtigkeit einer vorhandenen Kammermajorität nicht in dem
Grad überschätzt werde daß man ihretwegen der Zukunft sicher seyn zu können
sich einbildet; der Umschlag könnte nicht ausbleiben, und die Folgen würden
höchst mißlich seyn. Eine Parteiregierung kann kein deutscher Staat mehr
auf die Länge ertragen, und nur die Grundsätze besonnener Mäßigung und
constitutioneller Redlichkeit sichern einen ungestörten Entwicklungsgang. Ge-
recht und zeitgemäß regieren ist die sicherste Bürgschaft für den Bestand der
deutschen Throne, und die einzig haltbare Waffe gegen etwaige Invasions-
gelüste, von welcher Seite sie immer kommen mögen. Glücklicherweise fehlt
es nicht mehr an sichern Beweismitteln daß die in Deutschland herrschende
Spannung entschieden im Abnehmen begriffen ist, ohne darum, wie es öfters
geschah, der Abspannung Platz zu machen. Und zwar ist es weniger das
Gefühl der uns allen drohenden Gefahr, als das Bewußtseyn vor der Gleich-
heit der Bestrebungen und Zielpunkte, was die deutschen Stämme einander
näher gerückt hat. Ohne freie Entwicklung aller der Lebensbedingungen die zum
Ganzen eines Staatsorganismus gehören, ist eine achtunggebietende Macht-
stellung Deutschlands unmöglich, was Fürsten und Völker gleichermaßen zu
beherzigen haben. Nur auf unsere Zerrissenheit pochen die Dänen, und die
Reden welche am Constitutionsfest in Kopenhagen gehalten wurden, zeigen
sonnenklar wie unbehaglich sie sich zu fühlen anfangen. Gieng doch der Redac-
teur Ploug so weit Dänemark mit Italien zu vergleichen, und einen Garibaldi
herbeizuwünschen welcher die deutschen Eindringlinge aus Schleswig verjage!
Den für sie schmerzlichsten Punkt aber wagten die Herren nur anzudeuten: der
Skandinavismus ist ins Wasser gefallen seitdem der König von Schweden dem
demokratischen und wüsten Treiben der in Dänemark herrschenden Partei den
Rücken gekehrt hat. Es ist dieß nicht der schlechteste Erfolg unserer auswär-
tigen Politik: Preußen steht neuerdings auf einem sehr guten Fuß mit der
schwedischen Regierung; man hat in Stockholm eingesehen daß wir die nord-
albingischen Herzogthümer nicht erobern, sondern lediglich einen gesicherten
verfassungsmäßigen Rechtszustand daselbst herstellen wollen. Es ist darum
nicht ohne Bedeutung daß der der Person des Prinz-Regenten besonders nahe
stehende Commandant von Stettin, Generalmajor v. d. Goltz, sich gestern
vom Prinzen verabschiedete um den schwedischen Manövern auf Schoonen
beizuwohnen. Um so schmerzlicher empfindet man es daß Preußen in den
Gewässern von Sicilien und Neapel nicht ein einziges Kriegsschiff stehen hat,
während glücklicherweise die österreichische Marine daselbst gut vertreten ist.

[Spaltenumbruch] Reiſende ſich prompter Beförderung erfreut bis — Rorſchach, wo er — vor-
ausgeſetzt daß er die bayeriſchen Schienenwege benützen muß, oder will — um
halb 9 Uhr Abends angelangt, verbleibt, und durch das um halb 9 Uhr Mor-
gens des folgenden Tags abgehende Dampfſchiff ſo ſpät nach Lindan ge-
bracht wird, daß er erſt Nachmittags mit dem Schnellzug ſeine Reiſe fortſetzen
kann. Unter ſolchen Umſtänden iſt es keineswegs zu verwundern wenn es der
Linie Augsburg Lindau ſo ſchwer fällt jener von Ulm-Friedrichshafen erfolg-
reiche Concurrenz zu machen. Nehmen wir an: zwei Kaufleute treten mit dem
Mittagspoſtzug von München ab eine Reiſe nach Mailand an, wovon der
eine die Route Ulm-Friedrichshafen, der andere Augsburg-Lindau wählt, ſo
langt der erſtere faſt 24 Stunden vor dem letztern dort an, wie ebenſo bei
gleichzeitiger Abreiſe von Mailand der über Friedrichshafen und Ulm Zurück-
kehrende München faſt ſchon erreicht hat, wenn der andere erſt im Begriff iſt
in Lindau den Wagen zu beſteigen. Möchte der Zeitpunkt nicht mehr fern
ſeyn wo es der bayeriſchen Regierung durch Uebernahme des Betriebs der
Bodenſee-Dampfſchifffahrt gegönnt ſeyn wird ſolche in erſter Linie ſtehende
Verkehrsintereſſen nach Gebühr wahrnehmen zu können! Denn bisher gelang
es ihr, obgleich Actionärin der Geſellſchaft, niemals für die Staatsbahn
durchgehends günſtige Anſchlüſſe durchzuſetzen.

Gr. Baden.

Geſtern war König Ludwig
von Bayern in Begleitung des Regierungspräſidenten v. Hohe aus Speyer
hier, um den früher ſchon beſtimmten Platz einzuſehen auf welchem das Stand-
bild des verlebten Feldmarſchalls Fürſten v. Wrede, das König Ludwig ihm
hier ſetzt, errichtet werden ſoll. Der Platz, an den neuen Anlagen in dem ſo-
genannten Arboretum, erfreute ſich der vollen Zuſtimmung des Königs, und
ſo werden jetzt ſchon unter der Leitung eines ausgezeichneten Technikers die
nöthigen Borarbeiten gemacht. Die Enthüllung des Denkmals wird im Auguſt
ſtattfinden. Verſchiedene deutſche Fürſten werden ihr beiwohnen. Es ſoll den
bohen Gäſten zu Ehren unſer allverehrter Fürſt und Landesvater die hieſige
Schloßruine beleuchten laſſen. König Ludwig reiste von hier über Speyer
nach ſeiner Villa bei Edenkoben, wo er 2 Monate zu verweilen gedenkt.
(Schw. M.)

Gr. Heſſen.

Der Miniſterpräſident, Frhr.
v. Dalwigk, rügte nach dem Fr. Journal in einer Tiſchrede am heutigen
Geburtstag des Großherzogs in offener Sprache die herrſchenden Zwieſpalte,
den Zwieſpalt in politiſcher und in confeſſioneller Beziehung, als den gefähr-
lichſten Feind Deutſchlands, weit gefährlicher als der äußere Feind, und
mahnte zur Eintracht, Duldung und Verſöhnlichkeit. Bezeichnend erſcheinen
namentlich die Worte: „Achtung vor jedem wahren Glauben, Freiheit der
religiöſen Ueberzeugungen, Verzicht auf ſyſtematiſches, bureaukratiſches Miß-
trauen, auf polizeiliches Controliren einzelner Religionsbekenntniſſe: das ſey
der Grundſatz, der die Handlungen des Großherzogs und ſeiner Regierung
leite.“

Thüringen.

Die Wochenſchrift des National-
vereins ſagt zur Erläuterung ihrer frühern Notiz über das Anſinnen des
„frère et très humble serviteur:“ Der erſte der von uns bezeichneten Staa-
ten welcher die Thouvenel’ſche Unverſchämtheit mit Geſchick und Glück an der
Schwelle zurückwies, iſt ein unmittelbarer Nachbar Frankreichs, aber kein
Königreich; der zweite derſelben, welcher ſich auf die franzöſiſche Forderung ſo
weit einließ daß er ſie in einem entſchuldigenden Schreiben ablehnte, iſt das-
jenige Großherzogthum welches ſeiner Zeit allen übrigen deutſchen Staaten,
und namentlich den beiden Großmächten, mit der Anerkennung des wieder-
hergeſtellten Napoleonismus vorauseilte.

K. Hannover.

Der ſcharfe Beſchluß erſter
Kammer, daß das Osnabrücker Domcapitel erſt dann einen De putirten in die
zweite Kammer ſenden dürfe wenn die Vertretung der evangeliſchen Geiſt lich-
keit überhaupt anders geregelt ſey, fand in dem andern Hauſe keine Billigung.
v. Bennigſen empfahl ihn warm, um die erſte Kammer an ihrem Ge-
ſtändniß, daß eine Aenderung in der Zuſammenſetzung der Stände eiutreten
müſſe, feſtzuhalten, doch die Rechte lehnte den Antrag ab. Die erſte Kammer
hat heute nach langen heftigen Debatten mit 20 gegen 11 Stimmen beſchloſſen:
wegen der Petition des Magiſtrats der Reſidenz über Verletzung ſeiner ver-
faſſungsmäßigen Rechte durch Octroyirung einer Polizeiordnung zur Tages-
ordnung überzugehen. (D. Bl.)

Nach verſchiedenen Blättern iſt ein Ausſchreiben an die ſämmtlichen
Poſtbehörden des Landes ergangen, um die Verbreitung der „Wochen-
ſchrift des Nationalvereins“ zu erfahren. Ebenſo habe man wegen der An-
zahl der beſtellten Exemplare der Wochenſchriſt in den Buchhandlungen Er-
kundigungen eingezogen.

Preußen.

Der evangeliſche Kirchentag wird, nach
vorläufiger Beſtimmung in den Tagen vom 11 bis 14 Sept. in Barmen ab-
gehalten werden. Gegenſtände der Verhandlung werden ſeyn: 1) die große
Bedeutung des Alten Teſtaments für die chriſtliche Erkenntniß und chriſtliche
Bildung überhaupt; 2) die Stellung unſerer weltlichen Litteratur zum
Chriſtenthum und ihr Einfluß auf unſere Geſellſchaft; 3) auf Veranlaſſung
[Spaltenumbruch] des Centralausſchuſſes für innere Miſſion: über die Sammlung und Pflege
der lebendigen Glieder der Gemeinde; und über die Erziehung und Bewachung
der weiblichen Jugend in den Fabrikgegenden. (Die wirklichen Zeitfragen,
wie Civilehe, Diſſidententhum ꝛc. ſind ausgeſchloſſen.)

Die Neue Preußiſche Zeitung beſpricht heute die Frage der
Allianzen, welche weſentlich identiſch ſey mit der Frage nach der
Stellung Preußens zu der weitern Entwicklung der italieniſchen und der orien-
taliſchen Frage. Nachdem ſie den Satz vorausgeſchickt daß für jeden größern
Staat die Allianz mit einem minder mächtigen das heilſamſte ſey, fährt ſie
fort: „Es ergibt ſich hieraus daß wir bei unſern Allianzen mit den deutſchen
Mittel- und Kleinſtaaten beginnen, und von da weiter zu Oeſterreich fort-
ſchreiten müſſen. Haben wir auf dieſem Weg dann ein Einverſtändniß auch
mit Oeſterreich gewonnen, dann werden wir nicht allein in der Wahl unſerer
fernern Allianzen frei und ſelbſtändig ſeyn, ſöndern das in dieſer Weiſe ge-
einigte Deutſchland wird auch die obſchwebenden politiſchen Fragen in gewiſſem
Maß beherrſchen. Insbeſondere wird Preußen, welches unmittelbar eigene
Intereſſen weder in Italien noch in der Türkei zu vertreten hat, ſich in der
vortheilhaften Lage befinden die Politik Oeſterreichs an beiden Stellen nach
Maßgabe der eigenen Action des Wiener Cabinets unterſtützen, und ſowohl
die italieniſche als die orientaliſche Frage hauptſächlich in ihrer Bedeutung
und Rückwirkung für und auf Deutſchland und Mitteleuropa behandeln zu
können. Selbſtredend ſoll damit eine engliſche Allianz nicht ausgeſchloſſen
ſeyn, wenngleich zur Zeit nicht wohl abzuſehen iſt wie die Politik Englands
und Oeſterreichs in Italien in Einklang zu ſetzen ſeyn möchte.“

Die Reiſe des Prinz-Regenten nach dem äußer-
ſten Weſten, und unmittelbar darauf nach dem äußerſten Oſten, des Landes
hat den eben ſo erfreulichen als unwiderſprechlichen Beweis geliefert daß die
unendlich größere Hälfte des preußiſchen Volkes in dem Syſtem der gegen-
wärtigen Regierung die ächte Hohenzollern-Politik erblickt. Der eine Ge-
danke daß fortan Recht Recht und die Verfaſſung eine Wahrheit bleibe,
ſtimmt zu gut zu den geſchichtlichen Erinnerungen Preußens und dem ſchlichten
Unterthanenverſtand des Volks, als daß nicht Liebe und Vertrauen, welche
durch die frühere Mißregierung in bedenklicher Weiſe untergraben worden
waren, in den weiteſten Kreiſen zurückkehrten. Die Partei der Mißvergnüg-
ten iſt ebenſo zuſammengeſchmolzen als ſie früher groß war. Daß im Oſten
des Landes der Empfang wärmer und begeiſterter war als im Weſten, hat
ſeinen natürlichen Grund in dem eigenthümlichen Charakter der Rheinpro-
vinzen, deren Bewohnern man übrigens einen geſunden deutſchen Patriotis-
mus nicht abſprechen kann. Dringend zu wünſchen bleibt daß in einem Nach-
barlande die Wichtigkeit einer vorhandenen Kammermajorität nicht in dem
Grad überſchätzt werde daß man ihretwegen der Zukunft ſicher ſeyn zu können
ſich einbildet; der Umſchlag könnte nicht ausbleiben, und die Folgen würden
höchſt mißlich ſeyn. Eine Parteiregierung kann kein deutſcher Staat mehr
auf die Länge ertragen, und nur die Grundſätze beſonnener Mäßigung und
conſtitutioneller Redlichkeit ſichern einen ungeſtörten Entwicklungsgang. Ge-
recht und zeitgemäß regieren iſt die ſicherſte Bürgſchaft für den Beſtand der
deutſchen Throne, und die einzig haltbare Waffe gegen etwaige Invaſions-
gelüſte, von welcher Seite ſie immer kommen mögen. Glücklicherweiſe fehlt
es nicht mehr an ſichern Beweismitteln daß die in Deutſchland herrſchende
Spannung entſchieden im Abnehmen begriffen iſt, ohne darum, wie es öfters
geſchah, der Abſpannung Platz zu machen. Und zwar iſt es weniger das
Gefühl der uns allen drohenden Gefahr, als das Bewußtſeyn vor der Gleich-
heit der Beſtrebungen und Zielpunkte, was die deutſchen Stämme einander
näher gerückt hat. Ohne freie Entwicklung aller der Lebensbedingungen die zum
Ganzen eines Staatsorganismus gehören, iſt eine achtunggebietende Macht-
ſtellung Deutſchlands unmöglich, was Fürſten und Völker gleichermaßen zu
beherzigen haben. Nur auf unſere Zerriſſenheit pochen die Dänen, und die
Reden welche am Conſtitutionsfeſt in Kopenhagen gehalten wurden, zeigen
ſonnenklar wie unbehaglich ſie ſich zu fühlen anfangen. Gieng doch der Redac-
teur Ploug ſo weit Dänemark mit Italien zu vergleichen, und einen Garibaldi
herbeizuwünſchen welcher die deutſchen Eindringlinge aus Schleswig verjage!
Den für ſie ſchmerzlichſten Punkt aber wagten die Herren nur anzudeuten: der
Skandinavismus iſt ins Waſſer gefallen ſeitdem der König von Schweden dem
demokratiſchen und wüſten Treiben der in Dänemark herrſchenden Partei den
Rücken gekehrt hat. Es iſt dieß nicht der ſchlechteſte Erfolg unſerer auswär-
tigen Politik: Preußen ſteht neuerdings auf einem ſehr guten Fuß mit der
ſchwediſchen Regierung; man hat in Stockholm eingeſehen daß wir die nord-
albingiſchen Herzogthümer nicht erobern, ſondern lediglich einen geſicherten
verfaſſungsmäßigen Rechtszuſtand daſelbſt herſtellen wollen. Es iſt darum
nicht ohne Bedeutung daß der der Perſon des Prinz-Regenten beſonders nahe
ſtehende Commandant von Stettin, Generalmajor v. d. Goltz, ſich geſtern
vom Prinzen verabſchiedete um den ſchwediſchen Manövern auf Schoonen
beizuwohnen. Um ſo ſchmerzlicher empfindet man es daß Preußen in den
Gewäſſern von Sicilien und Neapel nicht ein einziges Kriegsſchiff ſtehen hat,
während glücklicherweiſe die öſterreichiſche Marine daſelbſt gut vertreten iſt.

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[2732/0004] Reiſende ſich prompter Beförderung erfreut bis — Rorſchach, wo er — vor- ausgeſetzt daß er die bayeriſchen Schienenwege benützen muß, oder will — um halb 9 Uhr Abends angelangt, verbleibt, und durch das um halb 9 Uhr Mor- gens des folgenden Tags abgehende Dampfſchiff ſo ſpät nach Lindan ge- bracht wird, daß er erſt Nachmittags mit dem Schnellzug ſeine Reiſe fortſetzen kann. Unter ſolchen Umſtänden iſt es keineswegs zu verwundern wenn es der Linie Augsburg Lindau ſo ſchwer fällt jener von Ulm-Friedrichshafen erfolg- reiche Concurrenz zu machen. Nehmen wir an: zwei Kaufleute treten mit dem Mittagspoſtzug von München ab eine Reiſe nach Mailand an, wovon der eine die Route Ulm-Friedrichshafen, der andere Augsburg-Lindau wählt, ſo langt der erſtere faſt 24 Stunden vor dem letztern dort an, wie ebenſo bei gleichzeitiger Abreiſe von Mailand der über Friedrichshafen und Ulm Zurück- kehrende München faſt ſchon erreicht hat, wenn der andere erſt im Begriff iſt in Lindau den Wagen zu beſteigen. Möchte der Zeitpunkt nicht mehr fern ſeyn wo es der bayeriſchen Regierung durch Uebernahme des Betriebs der Bodenſee-Dampfſchifffahrt gegönnt ſeyn wird ſolche in erſter Linie ſtehende Verkehrsintereſſen nach Gebühr wahrnehmen zu können! Denn bisher gelang es ihr, obgleich Actionärin der Geſellſchaft, niemals für die Staatsbahn durchgehends günſtige Anſchlüſſe durchzuſetzen. Gr. Baden. Heidelberg, 9 Jun. Geſtern war König Ludwig von Bayern in Begleitung des Regierungspräſidenten v. Hohe aus Speyer hier, um den früher ſchon beſtimmten Platz einzuſehen auf welchem das Stand- bild des verlebten Feldmarſchalls Fürſten v. Wrede, das König Ludwig ihm hier ſetzt, errichtet werden ſoll. Der Platz, an den neuen Anlagen in dem ſo- genannten Arboretum, erfreute ſich der vollen Zuſtimmung des Königs, und ſo werden jetzt ſchon unter der Leitung eines ausgezeichneten Technikers die nöthigen Borarbeiten gemacht. Die Enthüllung des Denkmals wird im Auguſt ſtattfinden. Verſchiedene deutſche Fürſten werden ihr beiwohnen. Es ſoll den bohen Gäſten zu Ehren unſer allverehrter Fürſt und Landesvater die hieſige Schloßruine beleuchten laſſen. König Ludwig reiste von hier über Speyer nach ſeiner Villa bei Edenkoben, wo er 2 Monate zu verweilen gedenkt. (Schw. M.) Gr. Heſſen. Darmſtadt, 9 Jun. Der Miniſterpräſident, Frhr. v. Dalwigk, rügte nach dem Fr. Journal in einer Tiſchrede am heutigen Geburtstag des Großherzogs in offener Sprache die herrſchenden Zwieſpalte, den Zwieſpalt in politiſcher und in confeſſioneller Beziehung, als den gefähr- lichſten Feind Deutſchlands, weit gefährlicher als der äußere Feind, und mahnte zur Eintracht, Duldung und Verſöhnlichkeit. Bezeichnend erſcheinen namentlich die Worte: „Achtung vor jedem wahren Glauben, Freiheit der religiöſen Ueberzeugungen, Verzicht auf ſyſtematiſches, bureaukratiſches Miß- trauen, auf polizeiliches Controliren einzelner Religionsbekenntniſſe: das ſey der Grundſatz, der die Handlungen des Großherzogs und ſeiner Regierung leite.“ Thüringen. Koburg, 8 Jun. Die Wochenſchrift des National- vereins ſagt zur Erläuterung ihrer frühern Notiz über das Anſinnen des „frère et très humble serviteur:“ Der erſte der von uns bezeichneten Staa- ten welcher die Thouvenel’ſche Unverſchämtheit mit Geſchick und Glück an der Schwelle zurückwies, iſt ein unmittelbarer Nachbar Frankreichs, aber kein Königreich; der zweite derſelben, welcher ſich auf die franzöſiſche Forderung ſo weit einließ daß er ſie in einem entſchuldigenden Schreiben ablehnte, iſt das- jenige Großherzogthum welches ſeiner Zeit allen übrigen deutſchen Staaten, und namentlich den beiden Großmächten, mit der Anerkennung des wieder- hergeſtellten Napoleonismus vorauseilte. K. Hannover. Hannover, 8 Jun. Der ſcharfe Beſchluß erſter Kammer, daß das Osnabrücker Domcapitel erſt dann einen De putirten in die zweite Kammer ſenden dürfe wenn die Vertretung der evangeliſchen Geiſt lich- keit überhaupt anders geregelt ſey, fand in dem andern Hauſe keine Billigung. v. Bennigſen empfahl ihn warm, um die erſte Kammer an ihrem Ge- ſtändniß, daß eine Aenderung in der Zuſammenſetzung der Stände eiutreten müſſe, feſtzuhalten, doch die Rechte lehnte den Antrag ab. Die erſte Kammer hat heute nach langen heftigen Debatten mit 20 gegen 11 Stimmen beſchloſſen: wegen der Petition des Magiſtrats der Reſidenz über Verletzung ſeiner ver- faſſungsmäßigen Rechte durch Octroyirung einer Polizeiordnung zur Tages- ordnung überzugehen. (D. Bl.) Nach verſchiedenen Blättern iſt ein Ausſchreiben an die ſämmtlichen Poſtbehörden des Landes ergangen, um die Verbreitung der „Wochen- ſchrift des Nationalvereins“ zu erfahren. Ebenſo habe man wegen der An- zahl der beſtellten Exemplare der Wochenſchriſt in den Buchhandlungen Er- kundigungen eingezogen. Preußen. Berlin, 9 Jun. Der evangeliſche Kirchentag wird, nach vorläufiger Beſtimmung in den Tagen vom 11 bis 14 Sept. in Barmen ab- gehalten werden. Gegenſtände der Verhandlung werden ſeyn: 1) die große Bedeutung des Alten Teſtaments für die chriſtliche Erkenntniß und chriſtliche Bildung überhaupt; 2) die Stellung unſerer weltlichen Litteratur zum Chriſtenthum und ihr Einfluß auf unſere Geſellſchaft; 3) auf Veranlaſſung des Centralausſchuſſes für innere Miſſion: über die Sammlung und Pflege der lebendigen Glieder der Gemeinde; und über die Erziehung und Bewachung der weiblichen Jugend in den Fabrikgegenden. (Die wirklichen Zeitfragen, wie Civilehe, Diſſidententhum ꝛc. ſind ausgeſchloſſen.) Die Neue Preußiſche Zeitung beſpricht heute die Frage der Allianzen, welche weſentlich identiſch ſey mit der Frage nach der Stellung Preußens zu der weitern Entwicklung der italieniſchen und der orien- taliſchen Frage. Nachdem ſie den Satz vorausgeſchickt daß für jeden größern Staat die Allianz mit einem minder mächtigen das heilſamſte ſey, fährt ſie fort: „Es ergibt ſich hieraus daß wir bei unſern Allianzen mit den deutſchen Mittel- und Kleinſtaaten beginnen, und von da weiter zu Oeſterreich fort- ſchreiten müſſen. Haben wir auf dieſem Weg dann ein Einverſtändniß auch mit Oeſterreich gewonnen, dann werden wir nicht allein in der Wahl unſerer fernern Allianzen frei und ſelbſtändig ſeyn, ſöndern das in dieſer Weiſe ge- einigte Deutſchland wird auch die obſchwebenden politiſchen Fragen in gewiſſem Maß beherrſchen. Insbeſondere wird Preußen, welches unmittelbar eigene Intereſſen weder in Italien noch in der Türkei zu vertreten hat, ſich in der vortheilhaften Lage befinden die Politik Oeſterreichs an beiden Stellen nach Maßgabe der eigenen Action des Wiener Cabinets unterſtützen, und ſowohl die italieniſche als die orientaliſche Frage hauptſächlich in ihrer Bedeutung und Rückwirkung für und auf Deutſchland und Mitteleuropa behandeln zu können. Selbſtredend ſoll damit eine engliſche Allianz nicht ausgeſchloſſen ſeyn, wenngleich zur Zeit nicht wohl abzuſehen iſt wie die Politik Englands und Oeſterreichs in Italien in Einklang zu ſetzen ſeyn möchte.“ ⫠ Berlin, 9 Jun. Die Reiſe des Prinz-Regenten nach dem äußer- ſten Weſten, und unmittelbar darauf nach dem äußerſten Oſten, des Landes hat den eben ſo erfreulichen als unwiderſprechlichen Beweis geliefert daß die unendlich größere Hälfte des preußiſchen Volkes in dem Syſtem der gegen- wärtigen Regierung die ächte Hohenzollern-Politik erblickt. Der eine Ge- danke daß fortan Recht Recht und die Verfaſſung eine Wahrheit bleibe, ſtimmt zu gut zu den geſchichtlichen Erinnerungen Preußens und dem ſchlichten Unterthanenverſtand des Volks, als daß nicht Liebe und Vertrauen, welche durch die frühere Mißregierung in bedenklicher Weiſe untergraben worden waren, in den weiteſten Kreiſen zurückkehrten. Die Partei der Mißvergnüg- ten iſt ebenſo zuſammengeſchmolzen als ſie früher groß war. Daß im Oſten des Landes der Empfang wärmer und begeiſterter war als im Weſten, hat ſeinen natürlichen Grund in dem eigenthümlichen Charakter der Rheinpro- vinzen, deren Bewohnern man übrigens einen geſunden deutſchen Patriotis- mus nicht abſprechen kann. Dringend zu wünſchen bleibt daß in einem Nach- barlande die Wichtigkeit einer vorhandenen Kammermajorität nicht in dem Grad überſchätzt werde daß man ihretwegen der Zukunft ſicher ſeyn zu können ſich einbildet; der Umſchlag könnte nicht ausbleiben, und die Folgen würden höchſt mißlich ſeyn. Eine Parteiregierung kann kein deutſcher Staat mehr auf die Länge ertragen, und nur die Grundſätze beſonnener Mäßigung und conſtitutioneller Redlichkeit ſichern einen ungeſtörten Entwicklungsgang. Ge- recht und zeitgemäß regieren iſt die ſicherſte Bürgſchaft für den Beſtand der deutſchen Throne, und die einzig haltbare Waffe gegen etwaige Invaſions- gelüſte, von welcher Seite ſie immer kommen mögen. Glücklicherweiſe fehlt es nicht mehr an ſichern Beweismitteln daß die in Deutſchland herrſchende Spannung entſchieden im Abnehmen begriffen iſt, ohne darum, wie es öfters geſchah, der Abſpannung Platz zu machen. Und zwar iſt es weniger das Gefühl der uns allen drohenden Gefahr, als das Bewußtſeyn vor der Gleich- heit der Beſtrebungen und Zielpunkte, was die deutſchen Stämme einander näher gerückt hat. Ohne freie Entwicklung aller der Lebensbedingungen die zum Ganzen eines Staatsorganismus gehören, iſt eine achtunggebietende Macht- ſtellung Deutſchlands unmöglich, was Fürſten und Völker gleichermaßen zu beherzigen haben. Nur auf unſere Zerriſſenheit pochen die Dänen, und die Reden welche am Conſtitutionsfeſt in Kopenhagen gehalten wurden, zeigen ſonnenklar wie unbehaglich ſie ſich zu fühlen anfangen. Gieng doch der Redac- teur Ploug ſo weit Dänemark mit Italien zu vergleichen, und einen Garibaldi herbeizuwünſchen welcher die deutſchen Eindringlinge aus Schleswig verjage! Den für ſie ſchmerzlichſten Punkt aber wagten die Herren nur anzudeuten: der Skandinavismus iſt ins Waſſer gefallen ſeitdem der König von Schweden dem demokratiſchen und wüſten Treiben der in Dänemark herrſchenden Partei den Rücken gekehrt hat. 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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 164, 12. Juni 1860, S. 2732. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine164_1860/4>, abgerufen am 01.06.2024.